Zivilrechtsklausur vom 25.10.2018
ZivilR-Klausur 25.10.2018 Ausgangsfall: A. § 765 Abs. 1 I. Anspruch entstanden 1. Bürgschaftsvertrag G-AG – F? (+), sog. Höchstbetragsbürgschaft bis Euro 500.000,- mit Urkunde vom 12.06.2015. 2. wirksam? a) Formverstoß gemäß §§ 125 S.1 iVm 766 S.1? (-), Form wurde eingehalten, da Erklärung der Bürgin F schriftlich erteilt worden ist. b) Formverstoß gemäß §§ 506 Abs. 1, 494 Abs. 1? BGH NJW 1998, 1939 f.: (-), Bürgschaft fällt nicht, auch nicht analog, unter § 506 Abs. 1, da es an ei- ner planwidrigen Lücke fehlt (arg § 766).
ZivilR-Klausur 25.10.2018 c) Sittenverstoß, § 138 Abs. 1? hier wegen erheblicher finanzieller Überforderg? BGH früher: Bürgschaften können aus diesem Grunde nicht sittenwidrig sein. BVerfG: doch, wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 GG, wenn die Vertragspari- tät gestört ist (mittelbare Drittwir- kung von Grundrechten), NJW 1994, 36 ff. BGH heute: Verstoß gegen § 138 Abs. 1, wenn der Bürge finanziell krass überfor- dert ist und erschwerende Umstän- de hinzukommen, die der Bürg- schaft „den Stempel der Sittenwid- rigkeit aufdrücken“.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 aa) F finanziell krass überfordert? BGH NJW 2000, 1182 ff. (mittlerweile einheitli- che Rspr des BGH): wenn der Bürge aus seinem pfändbaren Ver- mögen und Einkommen nicht einmal die lau- fenden Zinsen des Darlehens tilgen kann. (+), (mittlerweile) Bruttoeinkommen von Euro 2.000,- (zu Pfändungsfreigrenzen s. § 850c ZPO), so dass sie die lfd. (banküblichen) Zinsen auf das Darlehen keinesfalls bedienen kann. bb) Erschwerende Umstände, welche der Bürg- schaft ein sittenwidriges Gepräge geben? (1) Ausnutzung emotionaler Verbundenheit? (a) Vermutung bei „Nahbereichsperson“
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (-), kann zwar auch bei Bürgschaften für Gesellschaften gelten, wenn Nahbe- reichsperson mit dem wirtschaftl. Ver- antwortlichen emotional verbunden ist; hier war F aber selbst zu 25 % beteiligt. (b) positive Feststellung der Ausnutzung emotionaler Verbundenheit? (-), es musste der G-AG nicht ersichtlich sein, dass F nur aus steuerlichen Grün- den Gesellschafterin wurde. (3) Ausnutzung der Geschäftsunerfahrenheit? (-), Vermutung nur bei Alter bis 25 Jahre; hier keine Anhaltspunkte für Kenntnis der G-AG von Geschäfts(un)erfahrenheit der F.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (4) Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit durch Druckausübung? (-), zwar ggf. durch E; das muss sich die G-AG jedoch nicht zurechnen lassen, ggf. sogar Vorrang des § 123 Abs. 1, 2.Var. => also kein erschwerender Umstand ersichtlich => also § 138 Abs. 1 (-). d) Unwirksam gemäß § 142 Abs. 1? aa) Anfechtungserklärung, § 143 Abs. 1, Abs. 2? (+), am 01.10.2016; wohl erneut am 20.05.2018. bb) Anfechtungsgrund? (1) § 119 Abs. 1, da F ohne Brille unterschrieben, Erklärung also nicht gelesen hatte? (-), wer nicht liest, irrt grds. nicht.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (2) § 123 Abs. 1, 1.Var.? (-), allenfalls durch E; das könnte F jedoch der G-AG nicht entgegenhalten, § 123 Abs. 2 (3) § 123 Abs. 1, 2.Var.? (a) Hat E die F widerrechtlich bedroht? (+), Androhung eines (empfindlichen) Übels, auf das E Einfluss zu haben vor- gab (und hatte: Haushaltsgeldentzug). (b) Muss G-AG sich dies zurechnen lassen? (+), es kommt (arg § 123 Abs. 2) nicht da- rauf an, wer widerrechtlich gedroht hat. => also Anfechtungsgrund (+). cc) kein Ausschluss der Anfechtung? (+)
ZivilR-Klausur 25.10.2018 dd) Anfechtungsfrist? richtet sich nach § 124 (1) Fristbeginn, § 124 Abs. 2? mit Beendigung der Zwangslage d.h. hier spätestens am 01.10.2016 mit An- fechtungserklärung (2) Anfechtung binnen eines Jahres? (-), am 01.10.2016 machte F nicht die Anfech- tung wegen Drohung, sondern wegen Irr- tums geltend; das geschah erst mit Schrei- ben vom 20.05.2018, also zu spät. => also Anfechtung (-). =>also Bürgschaft wirksam. 3. Bestehen einer zu sichernden Hauptschuld?
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (+), über Euro 1,9 Mio. gegen die S-GmbH aufgrund des (wirksamen) Darlehensvertrages. =>Anspruch aus § 765 Abs. 1 iHv Euro 500.000,- entstan- den. II. Anspruch erloschen (-), keine Anhaltspunkte. III. Anspruch durchsetzbar? (+), insbesondere keine Einrede aus § 771, da F auf die- se Einrede verzichtet hatte (§ 773: als Selbstschuldnerin verbürgt). IV.Ergebnis: § 765 Abs. 1 (+). B. Ergebnis zum Ausgangsfall Die G-AG kann von der F aus der Bürgschaft die Zahlung der verlangten Euro 500.000,- verlangen.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 Abwandlung 1: F -> S auf Zahlung von Euro 500.000,- A. §§ 488 Abs. 1 S.2 iVm 774 Abs. 1 S.1 I. Anspruch entstanden 1. Darlehensschuld der S-GmbH gegenüber der G-AG iHv mindestens Euro 500.000,- bei Zahlung der F? (+), s.o. 2. Zahlung der F als Bürgin iSd §§ 765, 774 Abs. 1 S.1? (+), am 28.05.2018. =>also „cessio legis“ auf F und damit Anspruch bei ihr am 28.05.2018 entstanden. II. Anspruch erloschen? durch Aufrechnung der S-GmbH, §§ 387? 1. Aufrechnungserklärung, § 388 S.1? (+), am 01.06.2018.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 2. Aufrechnungslage, § 387? (+), wenn der S-GmbH eine fällige und durchsetzbare gleichartige Gegenforderung gegen F zustand. a) fällige und durchsetzbare gleichartige Forderung? (+), aber der S-GmbH gegen die G-AG. b) Kann die S-GmbH damit auch gegenüber der F aufrechnen? (+), zwar nicht wechselseitig iSd § 387, aber § 406, der gemäß § 412 auch für die cessio legis gilt. 3. kein Ausschluss der Aufrechnung? (+) III. Ergebnis: §§ 488 Abs. 1 S.2, 774 Abs. 1 S.1 ist erloschen. B. § 670 I. Anspruch entstanden
ZivilR-Klausur 25.10.2018 1. Auftragsvertrag zwischen F und der S-GmbH? (+), keine bl0ß außerrechtliche Gefälligkeit der F ggü der S-GmbH, sondern Rechtsgeschäft; allerdings kein Entgelt, daher Auftragsvertrag iSd § 662. 2. wirksam? (+), keine Unwirksamkeitsgründe ersichtlich. 3. Aufwendungen der F, welche sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte? (+), am 28.05.2018 wusste F noch nichts von dem For- derungserwerb der S-GmbH ggü der G-AG vom 01.05.2016; also durfte sie annehmen, auf die Bürg- schaft zahlen zu müssen (da die Schuld bestand). =>Anspruch aus § 670 entstanden. II. Anspruch erloschen
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (-), insbesondere nicht durch die erklärte Aufrechnung, da hier § 406 der S-GmbH nicht hilft (§ 670 ist ein ur- eigener Anspruch der F gegen die S-GmbH). III. Anspruch durchsetzbar § 273 Abs. 1? (+), wenn der S-GmbH gegen die F ein fälliger und kon- nexer (= aus demselben rechtlichen Verhältnis kommen- der) Gegenanspruch zusteht. Gegenanspruch aus § 667, 2.Var.? 1. Anspruch entstanden a) Wirksamer Auftragsvertrag S-GmbH – F? (+), s.o. b) F = Geschäft geführt? (+), Verbürgung und Zahlung.
ZivilR-Klausur 25.10.2018 c) Hat F aus dieser Geschäftsführung etwas erlangt? aa) Befreiung von ihrer Bürgschaftsschuld? zwar (+), aber das steht der S-GmbH nicht zu, weil Bürgschaft gerade die Aufwendung war, die F nach § 670 ersetzt verlangen kann. bb) Anspruch gegen die G-AG? aus § 812 Abs. 1 S.2, 1.Var.? (1) G-AG etwas erlangt? (+), Gutschrift iHv Euro 500.000,-. (2) durch Leistung der F? (+), bewusst und zweckgerichtet zur Tilgung der eigenen Schuld aus der Bürgschaft. (3) Rechtsgrund nachträglich weggefallen? (a) Bestand bei Zahlung Rechtsgrund?
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (+), aus der wirksamen Bürgschaft. (b) Rechtsgrund nachträglich weggefallen? (+), durch die Aufrechnung der S-GmbH vom 01.06.2018 erlosch die Forderung der G-AG aus dem Darlehen in voller Höhe, und zwar rückwirkend (d.h. min- destens auf den 01.05.2018 zurückbezo- gen, § 389); also fiel die der Bürgschaft zugrunde liegende Schuld weg, was zum Erlöschen der Bürgschaftsschuld führt, § 767 Abs. 1 S.1. => also hat F durch die Geschäftsführung Be- reicherungsanspruch gegen die G-AG aus § 812 Abs. 1 S.2, 1.Var. erlangt. 2. also Anspruch S-GmbH -> F aus § 667, 2.Var. (+).
ZivilR-Klausur 25.10.2018 =>also § 273 Abs. 1 (+). IV.Ergebnis: Die F kann von der S-GmbH Erstattung der Euro 500.000,- Zug um Zug gegen Abtretung des ent- sprechenden Bereicherungsanspruchs gegen die G-AG verlangen. C. Ergebnis zur Abwandlung 1 F kann von der S-GmbH Zug um Zug gegen Abtretung die Euro 500.000,- verlangen. Abwandlung 2: G-AG –> T auf Duldung der ZV A. §§ 1192 Abs. 1, 1147 I. Ist § 1147 überhaupt eine Anspruchsgrundlage? (+), folgt aus dem Bedeutungsgehalt der Norm. II. Anspruch entstanden 1. G-AG = Inhaberin einer Grundschuld am Grdst. der T?
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (+), rechtsgeschäftlicher Ersterwerb von der T gemäß §§ 1191, 873, 1192 Abs. 1, 1116, 1117. 2. T = Eigentümerin des belasteten Grundstücks? (+) =>Anspruch Anspruch auf Duldung der ZV entstanden. II. Anspruch erloschen (-) III. Anspruch durchsetzbar 1. Fehlende dingliche Fälligkeit, § 1193 Abs. 1 S.1? (-), rechtzeitig in der Frist des § 1193 Abs. 1 S.3 gekün- digt. 2. Einrede aus § 821? a) T = Verbindlichkeit eingegangen? (-), aber mindestens analog bei Bestellung einer GS
ZivilR-Klausur 25.10.2018 b) ohne rechtlichen Grund? was ist Rechtsgrund der Bestellung einer (abstrak- ten) Grundschuld? hier: Sicherungsvertrag, s. § 1192 Abs. 1a aa) Sicherungsvertrag G-AG – T geschlossen? (+), Grundschuld sollte die Darlehensforderung der G-AG gegen die S-GmbH sichern. bb) wirksam? Verstoß gegen § 138 Abs. 1? Kann die Rspr. des BGH zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften auch auf andere Kreditsicher- heiten, hier auf die Sicherungsgrundschuld, übertragen werden? das ist streitig; BGH NJW 2002, 2633:
ZivilR-Klausur 25.10.2018 (-), Rspr. ist nicht übertragbar, da der Siche- rungsgeber bei einer Sicherungsgrundschuld nicht finanziell krass überfordert sein kann; er haftet ja ohnehin nur mit „seinem“ Grund- stück, also seinem pfändbaren Vermögen. =>also § 821 (-). IV.Ergebnis: §§ 1192 Abs. 1, 1147 (+). B. Ergebnis zur Abwandlung 2 T muss die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück aus der Grundschuld dulden.
Ende