Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger

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 Präsentation transkript:

Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger SoSe 2019 Mo. 9-12 h HS III

Fall 8: Eichenholzschreibtisch Die S-OHG ist Hersteller von Büromöbeln. Zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs hat sie bei der Bank-AG (B) im März 2017 einen Kredit i.H.v. 1 Millionen Euro aufgenommen und ihre Forderungen aus dem zukünftigen Geschäftsbetrieb abgetreten. Die hierauf bezogene Vereinbarung enthält folgenden Klausel: „S tritt alle ihre aus dem Geschäftsbetrieb stammenden Forderungen gegen ihre Kunden an B zur Sicherheit ab. Zur Beitreibung bleibt sie ermächtigt. Sollte irgendeine Bestimmung des Vertrags ganz oder in Teilen nichtig sein, wird der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten“. Im April 2017 bestellt die S beim Holzhändler H-OHG (H) 100 Festmeter Eichenholz höchster Qualität zur Fertigung der Büromöbel für 50.000€. Die Lieferbedingungen lauten auszugsweise:

Fall 8: Eichenholzschreibtisch „Die Be- und Verarbeitung von uns gelieferter und in unserem Eigentum stehender Waren erfolgt stets in unserem Auftrag, ohne dass für uns Verbindlichkeiten hieraus erwachsen. Der Kunde tritt uns hiermit im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts sämtliche Forderungen, die ihm aus Verfügungen über die in unserem Eigentum stehenden Waren zustehen, in voller Höhe ab, bleibt aber zur Beitreibung ermächtigt“. Im Mai 2017 verkauft und veräußert S einen im Wesentlichen aus 1 Festmeter von dem von H gelieferten Eichenholz bestehenden Schreibtisch an M, der ihn zum privaten Gebrauch nutzen will, zu einem Kaufpreis von 800 Euro. Als B und H Zahlung verlangen, zahlt M zunächst trotz mangelfreier Lieferung aus Unsicherheit nicht. Bearbeitervermerk: Hat H gegen M einen Anspruch auf Zahlung von 900 Euro?

Lösung A. Anspruch des H gegen M auf Zahlung des Kaufpreises i. H. von 900 Euro für den Schreibtisch Anspruch zwischen S und M aus § 433 Abs. 2 BGB Übergang durch Abtretung nach § 398 BGB im Rahmen des verl. Eigentumsvorbehalts von S auf H Vss. Kaufpreisforderung hiervon erfasst und kein Entgegenstehen der Vereinbarung mit B

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts Der Vereinbarung zufolge erstreckt sich die Abtretung an H nur auf solche Forderungen, die aus Verfügungen über Waren (1.) entstehen, die im Eigentum der H (2.) stehen. Auslegung: „Forderung aus Verfügungen“ Formulierung der Lieferbedingungen der H ungenau und bedarf der Auslegung Zweck des verl. Eigentumsvorbehalts (Ermöglichung des Geschäftsbetriebs des Herstellers bei gleichzeitiger Absicherung des Lieferanten) Maßgeblicher Ggst. der Abtretung sind die Kaufpreisforderungen des Herstellers ggü. (End-)kunden, Entstehungsgrund ist insofern aber keine Verfügung sondern der insofern abgeschlossene Kaufvertrag

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts 2. Eigentum des H am Schreibtisch a) Eigentumserwerb nach § 950 BGB Vss. des § 950 Neue Sache (Holz – Schreibtisch) Wertverhältnis (Stoffwert 500 Euro, Verarbeitungswert 400 Euro ) Nach Rspr. kein Eigentumserwerb des Herstellers wenn Stoffwert : Verarbeitungswert wie 100:60; hier: 100:80 P: demnach hätte an sich S das Eigentum erlangt – Auswirkungen der Vereinbarung zwischen S und H?

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts P: Auswirkungen der Vereinbarung zwischen S und H: BGH: Die §§ 946 ff. BGB normieren gesetzliche Erwerbstatbestände, die als solche grundsätzlich unabdingbar sind (a.A. Baur/Stürner Sachenrecht § 53 Rn. 15, 21, 22) Dies gilt auch nach der Rechtsprechung, allerdings lässt diese Vereinbarungen über die Herstellereigenschaft im Rahmen einer Verarbeitungsklausel zu (st. Rspr seit BGHZ 20, 159 = BGH NJW 1956, 788) Dagegen spricht jedoch, dass die Herstellereigenschaft selbst Tatbestandsmerkmal i.S.d. § 950 BGB ist. Damit wird aber letztlich die Unabdingbarkeit der §§ 946 ff. BGB umgangen und ist daher abzulehnen (a.A. entsprechend oben genannter Ansichten sehr gut vertretbar!) Ergebnis: H hat das Eigentum an dem Schreibtisch nicht nach § 950 erworben

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts 2. Eigentum des H am Schreibtisch b) Eigentumserwerb durch antizipierte Übereignung? Umdeutung der Vereinbarung nach § 140 BGB: H soll Eigentümerin der aus dem Holz hergestellten Möbel werden Antizipierte (Sicherungs-)übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB Zu beachten ist, dass S zunächst Eigentum nach § 950 BGB für „juristische Sekunde“ erlangt (Durchgangserwerb) H erwirbt in jedem Fall (auch nach der Rspr.) nur Sicherungseigentum

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts 2. Eigentum des H am Schreibtisch c) Keine Nichtigkeit wegen Übersicherung kraft § 138 I BGB Antizipierte Übereignung wäre aber nichtig, wenn Fall der anfänglichen oder nachträglichen Übersicherung vorliegt Anfängliche Übersicherung: Sicherungswert übersteigt gesicherte Zahlungsforderung um mindestens 100 % - hier jedoch nicht der Fall, da 1 Festmeter Holz 500 Euro Wert, Wert des Schreibtischs 900 Euro d) Ergebnis: H ist Eigentümer des Schrebtisch

I. Anwendbarkeit des verl. Eigentumsvorbehalts 3. Verfügung der S über das Eigentum der H am Schreibtisch Übereignung S an M im Wege des § 929 S. 1 BGB. S war hierzu im Wege des verl. Eigentumsvorbehalts, welcher Ermächtigung i.S.d. § 185 Abs. 1 BGB zur Weiterveräußerung enthält, auch berechtigt. 4. Ergebnis Der zwischen H und S vereinbarte verlängerte Eigentumsvorbehalt umfasst grundsätzlich auch die Kaufpreisforderung gegen M wegen des Schreibtischs.

II. Globalzession an B Möglicherweise jedoch Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb bereits vorher an B abgetreten. Dann wäre S nicht mehr Forderungsinhaberin und eine Abtretung an H nicht möglich Gutgl. Forderungserwerb nicht möglich Hier: bereits im März 2017 Abtretung der aus dem Geschäftsbetrieb des S erwachsenden Forderungen an B, dahingehende Vereinbarung auch hinreichend bestimmt; Bestimmbarkeit im Moment des Entstehens der Forderung ist ausreichend.

II. Globalzession an B P: Verhältnis von verl. Eigentumsvorbehalt und Globalzession Zusammentreffen des typischen Sicherungsmittels des Warenlieferanten und des Geldkreditgebers Prioritätsprinzip Bei Mehrfachabtretungen gilt Prioritätsprinzip b) Nichtigkeit nach § 138 I BGB wegen Verleitung zum Vertragsbruch Durch Prioritätsprinzip regelm. Geldkreditgeber bevorzugt; Warenlieferant aber üblicherweise nur bei verl. Eigentumsvorbehalt zu Vertragsschluss bereit  S wäre faktisch dazu gezwungen ggü. Warenlieferant wahrheitswidrig anzugeben mögliche Kaufpreisforderungen aus späterer Weiterveräußerung stehen noch als Sicherungsmittel zur Verfügung

II. Globalzession an B Rspr.: Prioritätsgrundsatz sei vor dem Hintergrund einer möglichen Verleitung zum Vertragsbruch einzuschränken – dahingehende Globalzession sittenwdr., wenn der: der Zedent (S) seinem Lieferanten gegenüber die Globalzession verschweigen muss, damit dieser ihn überhaupt beliefert, er hierdurch seinen Lieferanten gegenüber fortgesetzt grobe Vertragsverletzungen begeht und der Geldkreditgeber (B) weiß oder zumindest wissen muss, dass der Zedent Waren nur unter verlängertem Eigentumsvorbehalt einkaufen kann (Stichwort: „Branchenüblichkeit“).

II. Globalzession an B Vermeidungsmöglichkeiten: Durch dingliche Teilverzichtsklauseln: nach denen die entsprechenden Lieferantenforderungen von vornherein nicht von der Globalzession umfasst sein sollen. Eine solche dingliche Teilverzichtsklausel fehlt vorliegend (Merke: kommt in der deutschen Bankpraxis nicht vor!!). Rechtsfolge nach der gegenwärtigen Rechtsprechung: Die Globalzession ist insgesamt unwirksam

II. Globalzession an B c) Ergebnis Weil die Globalzession an B insoweit nach § 138 Abs. 1 nichtig ist, steht sie der Abtretung der Kaufpreisforderung der S gegen M an H nicht entgegen. III. Endergebnis H hat gegen M wegen des Schreibtischs einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB i. H. von 800 Euro.