Fallpräsentation Fall 1: Eine atypische Ausprägung einer seltenen Antikörper-assozierten Erkrankung Ulrich Hofstadt-van Oy1, Anna Heidbreder2, Joachim.

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 Präsentation transkript:

Fallpräsentation Fall 1: Eine atypische Ausprägung einer seltenen Antikörper-assozierten Erkrankung Ulrich Hofstadt-van Oy1, Anna Heidbreder2, Joachim Weis3 1Klinik für Neurologie, Klinikum Westfalen, Dortmund 2Institut für Schlafmedizin und neuromuskuläre Erkrankungen, Universitätsklinikum Münster 3Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen Symposium der DASNE; Wartburg / Eisenach 21.-23.11.2018

Fall 1 Anamnese Anamnese Juli 2017: 55 jährige Patientin entwickelt im Verlauf zunehmende neuropathischen Dysästhesien und Schmerzen, beginnend an den Fußsohlen, dann aussteigend bis zu den Waden, ab Sept. 2017 auch der Finger und dann der gesamten Hände. PA: Posttraumatische Belastungsstörung 2010, seitdem Depression, Hypothyreose (substituiert) Familien- und Sozialanamnese Frühere Reinigungskraft, frühberentet, FA leer

Klinischer Befund/Zusatzbefunde Fall 1 Klinischer Befund/Zusatzbefunde Sept. 2017: Fingerspreizer- und Zehenheber-/Senker-paresen KG 4, ASR fehlend, sockenförmige Hypästhesie, Pallhypästhesie bd. Malleoli, sensible Ataxie beim Fersen-, Hacken-, Blindgang. BMI 24,7. Psychisch: depressive Verstimmung - ENMG: verminderte MSAP-Amplituden von N.peron. u. N.tib. bei normalen NLG, SNAP N.suralis 2,5 uV. Im EMG vom M.tib.ant. u. M.gastrocnemius PSW/Fibrillationen sowie MAP bis 5 mV, im M.rect.fem. u. M.interosses dors I keine Denervationszeichen, MAP bis 4,5 mV - Liquor 19 Lymphozyten/ul, OKB neg., Borrelien-/Lues-AK u. MRZ-Reaktion neg. - Autoantikörper: ANA 1:160, neg. waren ds-DNS, p/c-ANCA, SS-a, SS-b 14 Tage Ceftriaxon/Aciclovir, Kontroll-LP: 14 Zellen/ul, keine Änderung der AK, Behandlung der neuropathischen Schmerzen mit Gabapentin u. Amitriptilin -> Chronisch-progrediente axonale sensomotorische beinbetonte Polyneuropathie mit neuropathischen Schmerzen bei entzündlichem Liquorsyndrom ungeklärter Genese  

Fall 1 Verlauf Wiederaufnahme im November 2017: neuropathische Schmerzen gebessert unter Therapie mit Gabapentin (4 x 800 mg) und 25 mg Amitriptilin z.N., darunter auch verbesserter Schlaf Liquor: lymphozytäre Pleiozytose (26 Zellen/ul), keine Änderung der Indices für eine intrathekale Antikörpersynthese Biopsie des N.suralis u. M.gastrocnemius Folie Münchau

CD8-Färbung: endoneurale zytotoxische T-Lymphozyten (braun) Fall 1 Biopsie N.suralis Mässiggradige chronische, weiterhin progrediente axonale Neuropathie mit mäßiggradiger demyelinisierender Komponente mit endoneuralem Nachweis von zytotoxischen T-Lymphozyten und Makrophagenclustern Kunstharz-Semidünnschnitt, Toluidinblau-Färbung: Ausfall von etwa 40% der großen markhaltigen Nervenfasern; etliche Gruppen regenerierter Nervenfasern (Pfeile) Folie Münchau CD8-Färbung: endoneurale zytotoxische T-Lymphozyten (braun)

Biopsie M.gastrocnemius Fall 1 Biopsie M.gastrocnemius Chronisch-neurogene Muskelatrophie mit einzelnen frisch denervierten Muskelfasern im Esterasepräparat, endomysial interstitiell CD3-, CD4-, CD8- immunreaktive T-Zellen sowie CD68-immunreaktive Makrophagen. Keine auffälligen Komplementablagerungen HE-Färbung: Pfeil: Solitäres mittelgroßes entzündliches Infiltrat Folie Münchau Leukocyte common antigen-Färbung: endomysiale mononukleäre Entzündungszellen (braun) CD8-Färbung: endomysiale zytotoxische T-Lymphozyten (braun) Zusammenfassend: Autoimmune Neuritis sowie interstielle Myositis, vereinbar mit systemischer Autoimmunerkrankung

Fall 1 Antineuronaler Blot (Euroimmun, Lübeck) auf multiple Antikörper (Serum u. Liquor): IFT: Anti-IgLON5-IgG-Antikörper 1:3200 im Serum, 1: 3,2 im Liquor übrige neg.: (Amphiphysin, ANNA-3, Aquaporin-4, CASPR2, CARPVII, CV2, DNER , DPPX, Flotillin, GABA-a-Rezeptoren, GABA-b-Rezeptoren, GAD65, Glutamat-Rezeptoren (Typ NMDA u. Typ AMPA), GluRD2, Glycin-Rezeptoren, Homer-3, Hu, ITPR1, mGluR1, mGluR5, LGI1, MOG, Myelin, Neurochondrin, PNMA2, Recoverin, Rho GTPase activating protein 26, Ri, REC, SOX1, Titin, Tr/DNER, Yo, Zic 4) MRT Kopf: unauffällig, Tumorsuche: ohne Hinweise Beginn einer Immunsuppression mit Steroiden (anfangs 5 x 1000 mg, dann 1 mg/kg oral mit Reduktion), Azathioprin bis 2 mg/KG Befundkontrolle im Verlauf (August 2018): keine Liquorpleiozytose, nur wenige B-Zellen (Durchflusszytometrie) IgLON5-IgG: 1: 1000, im Liquor nicht nachweisbar (Versand an Referenzlabor F.Graus, Barcelona: bestätigt) Folie Münchau

Fall 1: weitere Abkläruung Pat. klagt im Verlauf über Konzentrations- u. Merkfähigkeitsstörungen Neuropsychologische Testung: Störungen einfacher Aufmerksamkeitsstörungen, des numerischen Arbeitsgedächtnisses, des visuell-räumlichen Immediatgedächtnisses, des Wortgedächtnisses sowie der semantischen Wortflüssigkeit (links-temporale und frontale Störungen) 3 Polysomnographien unauffällig (weder schlafbezogene Atemstörung noch NREM/REM-Parasomnien nachweisbar) EKG: Normalbefunde Folie Münchau

Fall 1: Literatur IgLON-5-Antikörper assoziierte Erkrankungen: ca. 65 Fälle beschrieben IgLON5: neuronales Adhäsionsmolekül mit unbekannter Funktion Klinisch: zumeist chronische Schlafstörung mit non-REM und REM-Parasomnie, obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom und Stridor bis zu lebensbedrohlicher zentraler Hypoventilation (Sabater L et al, 2014) oder PSP-ähnliche Störung mit atypischer Tauopathie bes. des Hypothalamus und des Hirnstammes/Tegmentum (Gelpi E et al., 2016) Häufigkeit der Symptome (Wenninger S u. Schoser B, 2018) (n = 59): Schlafstörungen (NREM/REM-Parasomnie, Schlafapnoe): 76 % Dysphagie: 73 % Bewegungsstörung: 71 % Dysautonomie: 53 % Symptome peripheres Nervensystem (Crampi, Faszikulationen, PNP): 8 % Folie Münchau

Fall 1: Diskussion Nachbeobachtung 15 Monate, in denen die Patientin keine Schlafstörung entwickelte, in 3 Polysomnographien war eine solche bisher nicht nachweisbar, ebenso keine Hirnstammsymptomatik, aber Entwicklung kognitiver Defizite Erster Fall, in dem eine axonale Polyneuropathie und interstitielle Myositis als präsentierende Symptome beobachtet wurden Adäquate Therapie? Z.Zt. Immunsuppression mit Azathioprin, höhere Dosierungen als 125 mg/Tag wg. Leberwerterhöhung nicht toleriert Immunadsorption oder Rituximab sind weitere Optionen Folie Münchau