Andermann-Syndrom Symptomkomplex aus Balkenagenesie und sensomotorischer Polyneuropathie Beate Jensen1, Jürgen Althaus1a, Timo Deba1, Christiane Elpers1,

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 Präsentation transkript:

Andermann-Syndrom Symptomkomplex aus Balkenagenesie und sensomotorischer Polyneuropathie Beate Jensen1, Jürgen Althaus1a, Timo Deba1, Christiane Elpers1, Barbara Fiedler1, Gerhard Kurlemann1a, Julia Wallmeier1, Diana Frank1, Thomas Niederstadt2a, Jeff Penning2, Saskia Biskup3, Konstanze Hörtnagel3, Oliver Schwartz1 [1] Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Bereich Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Münster ([1a] ehemals) [2] Institut für Klinische Radiologie, Bereich Neuroradiologie, Universitätsklinikum Münster ([2a] ehemals) [3] Praxis für Humangenetik Tübingen Hintergrund: Das Andermann-Syndrom mit der ungewöhnlichen Symptomkombination aus Balkenanlagestörung + cerebraler Neurodegeneration (Entwicklungsstörung mit Entwicklungsrückschritten) + schwerer peripherer Polyneuropathie (PNP) ist eine seltene, autosomal rezessive Erkrankung aufgrund von Mutationen im Kalium-Chlorid-Kotransporter 3 (KCC3) . Wir berichten über zwei Schwestern mit typischen Symptomen und Nachweis einer homozygoten pathogenen Mutation. Fallbeschreibung: Die Patientinnen sind Töchter gesunder, konsanguiner Eltern aus Syrien mit zwei weiteren gesunden Söhnen (15 und 10 Jahre). Patientin 1 (12 Jahre): Entwicklung: verzögert, Sitzen mit 2 Jahren, Laufen mit 4 Jahren, Trocken mit 5 Jahren, erste Worte mit 2 1/2 Jahren, sehr begrenzte expressive Sprache. Progredienz: Verlust von Fähigkeiten mit sekundärer Inkontinenz mit 6 Jahren, Steh- und Gehverlust mit 10 Jahren. Zunehmende Hilfsbedürftigkeit bei allen Alltagstätigkeiten. Psychomotorische Retardierung. Untersuchung: beinbetont Muskelatrophie mit allgemeiner Kraftminderung. Parese der Fingerextensoren, Spitzfuß bds., neuromuskuläre Skoliose, fehlende Muskeleigenreflexe. Körpermaße: Dystrophie (KG <3.P, KL 10.P) mit relativer Makrocephalie (85.P). Patientin 2 (6 Jahre): Entwicklung: verzögerte Meilensteine vergleichbar zur älteren Schwester. Spricht einige Worte, läuft frei. Psychomotorische Retardierung. Progredienz: Anamnestisch noch kein Verlust von Fähigkeiten. Zunehmende Gangstörung (Fußfehlstellung). Selbstständiger in Alltag als die Schwester. Untersuchung: Spitzfuß bds., Pes planus rechts und Klumpfuß links. Muskeleigenreflexe nicht auslösbar. Körpermaße: Kleinwüchsigkeit (KG 50.P, KL <3.P), Kopfumfang 75.P. Patientin 1 Patientin 1 - Stierhorn-Konfiguration T2 TSE fehlender Balken und Gyrus cinguli Radiale Sulci bis in den 3. Ventrikel Diagnostische Befunde: Schädel-MRT: vollständige Balkenagenesie ohne weitere assoziierte cerebrale Fehlbildungen Elektroneurographie: passend zur Polyneuropathie. Liquor: erhöhtes Gesamtprotein Organscreening: keine pathologischen Befunde: Sono Abdomen, Echo, Funduskopie und Hörtest. Im EEG verlangsamte Grundfrequenz. Stoffwechseldiagnostik: unauffällig Flair fehlender Balken Erweiterter und hoch sitzender 3. Ventrikel Probst-Bündel www.radiopedia.org Patientin 2 – Racing-car-sign T1 www.radiopedia.org Dilatierte Hinterhörner Kolpozephalie fehlender Balken Splenium + Rostrum Molekulargenetik: Nachweis einer homozygoten, vermutlich pathogenen Mutation im SLC12A6-Gen an einer essentiellen Splice-Stelle (c.1118+1G>A). Diese wurde bereits als compound-heterozygote Variante beim Andermann-Syndrom beschrieben (Rudnik-Schöneborn et al). Merke: Die Symptomkombination aus sensomotorischer Polyneuropathie und Balkenagenesie erlaubt die gezielte Verdachtsdiagnose eines Andermann-Syndroms! Schlussfolgerung: Das Andermann-Syndrom oder auch Agenesis of corpus callosum and peripheral neuropathy (ACCPN) wird durch eine autosomal rezessiv Mutationen im SLC12A6-Gen auf Chromosom 15q13-q15 verursacht, das für den Transporter KCC3 kodiert. KCC3 (Kalium-Chlorid-Kotransporter 3) wird unter anderem in Neuronen und Gliazellen exprimiert und ist wichtig für die K/Cl-Homöostase der Zellen. Eine Störung führt zu einem veränderten Zellvolumen und möglicherweise zu einer gestörten Proliferation über eine ionensensitive Kinase oder Aktivierung von Protein-Phosphatasen. Im Knockout-Mausmodell wurde eine Degeneration des ZNS und PNS sowie Taubheit und Anfallsbereitschaft beschrieben. Bekannt ist eine Foundermutation in der französisch-kanadischen Bevölkerung bei Quebec, dort tritt das Andermann-Syndrom mit einer Inzidenz von 1:2000 auf. Darüber hinaus sind weltweit einzelne Fallberichte beschrieben. Unsere Patientinnen haben eine homozygote Mutation, die bereits als compound-heterozygote Variante mit dem Andermann-Syndrom assoziiert wurde und eine essentielle Splice-Stelle betrifft . Das aberrante Splicing hat vermutlich ein Veränderung oder Verlust des Proteins zur Folge. Literatur: Howard H.C. et al. The K–Cl cotransporter KCC3 is mutant in a severe peripheral neuropathy associated with agenesis of the corpus callosum Nature Genetics 32:384–392 (2002) doi:10.1038/ng1002 Dupré, N. et al. Hereditary motor and sensory neuropathy with agenesis of the corpus callosum. Ann Neurol., 2003; 54: 9-18. doi:10.1002/ana.77777 Rudnik-Schöneborn et al. Andermann syndrome can be a phenocopy of hereditary motor and sensory neuropathy--report of a discordant sibship with a compound heterozygous mutation of the KCC3 gene Neuropediatrics 2009 Jun;40(3):129-33. doi: 10.1055/s-0029-1234084 Disclosure - Ich erkläre hiermit, dass ich seit dem 1. Oktober 2017 geschäftliche, persönliche oder materielle Beziehungen zu den folgenden Industrieunternehmen unterhalten habe oder gegenwärtig unterhalte: Biogen // materiell; Actelion // materiell