Fallvorstellung Georgia Hadjimichael 10.07.2019
Anamnese Ein 13 4/12 Jahre alter Patient stellte sich bei neu aufgetretener Ptosis linksseitig in der ZNA vor. Beginn: akut, keine Prodromalsymptome. Keine begleitenden Symptome; Keine Diplopie, Kau- oder Schluckbeshwerden oder abnorme Müdung der Muskulatur. Dauer: Das hängende Augenlid bestünde seit 2 Wochen. Besserung oder Verschlechterung der Beschwerde wird von der Tageszeit oder anderen Faktoren nicht beeinflusst. Kein komplettes Nachlassen der Beschwerden seit dem Beginn.
Keine Kopfschmerzen oder Erbrechen. Keine Infektion in den letzten 2 Wochen. Keine B-Symptomatik wie Fieber, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, nächtliches Schweißausbrüche. Keine Medikamenteneinnahme. Familienanamnese: Keine neuromuskuläre Erkrankung bekannt. Schwester 15 Jahre alt: rheumatische Erkrankung
Anthropometrische Maßzahlen und Vitalparameter Gewicht 77.4kg (97.P) Länge 167.1 cm (71.P) BMI 27.7 kg/cm2 (98.P) Vitalparameter: Temperatur 36,6°C Herzfrequenz 62/min Blutdruck 131/74mmHg
Körperliche Untersuchung Allgemeinzustand gut und stabil. Ernährungszustand: adipös Haut ohne patho. Effloreszenzen, keine Zyanose, keine Ödeme. TF bds. blande. Mund- und Rachenschleimhäute reizlos. Cervicale LK nicht pathologisch vergrößert. Pulmo stgl. mit vesikulärem Atemgeräusch belüftet. Cor rein und rhythmisch. Abdomen: palpatorisch ohne pathologischen Befund, keine Organomegalie, Peristaltik regelrecht. Kein Meningismus.
Neurologische Untersuchung Orientierende neurologische Untersuchung unauffällig. Ptosis linksseitig. Keine Miosis des linken Auges, kein Enophthalmus (z.A. Horner-Syndrom). Keine Infektzeichen der Augen wie Injektionen, Ödem oder Chemosis. Pupillen: isocor, Lichtreaktion direkt und indirekt. Keine Diplopie, kein Nystagmus. Keine Einschränkung des okulomotorischen Systems. Keine Fazialisparese. Restliche neurologische Untersuchung inklusiv Diadochokinese, Romberg Vorhalteversuch, Unterberger Tretversuch, Seiltänzergang, Hacken und Spitzengang: unauffällig. Muskeleigenreflexe (TSR, BSR, PSR und ASR) seitengleich auslösbar. Keine Sensibilitätsstörungen.
Belastungstest Verdachtsdiagnose: Myasthenia Gravis Simpson Test: Beim Aufwärtsblick über eine Minute wird eine Ptosis provoziert. POSITIV Verdachtsdiagnose: Myasthenia Gravis
Diagnostik Laborparameter Pharmakologische Testung EEG Augenärztliches Konsil Neurophysiologische Untersuchung Pharmakologische Testung Antikörperdiagnostik Schädel-MRT
Hämatologie Referenzbereich: Leukozyten 6.8 /nl 5.0 - 12.0 Hämoglobin 15.9 g/dl 11.0-17.0 Thrombozyten 335 /nl 150 - 350 Neutrophile 52.9 % 50 – 75 Monozyten 6.2 % 2 - (6) 12 Basophile 0.6 % 0 - 1 Eosinophile 3.8 % 2 - 4
Klinische Chemie Referenzbereich: ALT (GPT) 17 U/l < 47 AST (GOT) 21 U/l < 56 GGT 18 U/l < 43 AP 250 U/l < 450 Amylase 44 U/l < 100 Lipase 11 U/l < 60 Creatinin 0.69 mg/dl < 1.0 Harnstoff 27 mg/dl < 45 Gesamt-Eiweiß 8.3 g/dl 6.0 - 8.0 Albumin im Plasma 4.9 g/dl 3.5 - 5.2 Creatin Kinase 101 U/l < 180 LDH 181 U/l < 310
Elektrolyte Referenzbereich: Natrium 141 mmol/l 130 – 145 Kalium 3.38 mmol/l 3.6 - 5.4 Magnesium 0.82 mmol/l 0.66 - 1.0 Calcium 2.30 mmol/l 2.20-2.60 Chlorid 98 mmol/l 98 - 116
Entzündungsparameter Referenzbereich: BSG 3mm 3 - 8 C-Reaktives-Protein 2.5mg/l < 5
Gerinnung Referenzbereich: PTT 34 sec 24 - 35 Quick 95 % 70 - 120 D-Dimere 0.37 mg/l < 0.50 Fibrinogen 364 mg/dl 150 - 450 INR 1.0 Ratio 0.9 - 1.3
Pharmakologische Testung Edrophoniumtest (ehemals Tensilontest) Wirkstoff: Edrophoniumchlorid (kurzwirksamer Acetylcholinesterase- Hemmer) Durchführung: Gabe einer Testdosis Edrophoniumchlorid (2 mg)und bei guter Verträglichkeit nach jeweils 30 Sekunde fraktionierte Gabe von 1mg bis maximal 10mg. Effekt: Verbesserung der Symptomatik binnen 30–60 Sekunden nach Injektion sofern eine Störung der neuromuskulären Übertragung vorliegt. Überwachung der Vitalparameter auf der Intensivstation. Bei Auftreten muskarinerger Nebenwirkungen (Bradykardie, hypotoner Kreislaufreaktion oder Bronchospasmen): Gabe von Atropin. Kontraindikationen: Bradykardie, Asthma bronchiale
Pharmakologische Testung Edrophoniumtest Vor Gabe Nach Gabe Positiver Effekt
Antikörperdiagnostik Antikörper gegen die Acetylcholinrezeptor (Anti-AChR-AK) 0,77 IU/l (Normbereich 0.4-0.5IU/l) Bei einer Variante, der AChR-AK „seronegativen“ Myasthenia gravis, finden sich bei einem Teil pathogene Auto-AK gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (Anti- MuSK-AK-assoziierte MG = MAMG). Antikörper gegen muskelspezifische Tyrosinkinase (Anti-MuSK-AK) negativ (<0,01nmol/l) Diagnose: Myasthenia Gravis Anti-AChR-AK: positiv bei ca. 50% mit okulärer MG, bei bis zu 90% bei generalisierter MG
Schädel-MRT Beurteilung: Keine Signalauffälligkeiten. Unauffällige Kernspintomographie des Neurokraniums Keine Signalauffälligkeiten. Keine Raumforderung oder Hinweise auf eine bestehende Liquorabflussstörung. Keine Mittellinienfehlbildung.
Therapie Cholinesterase-Inhibitoren Pyridostigminbromid (Handelsname: Mestinon, Kalymin) Indikation: Basistherapie bei jeder Form der Myasthenia gravis Wirkmechanismus: Reversible Blockade der ACh-Esterase → Verhinderung des Abbaus von ACh → Steigerung des ACh-Angebots im synaptischen Spalt → Verringerung der Muskelschwäche Überdosierung: Cholinerge Krise (akute Muskelschwäche, Magen-Darm-Spasmen, Durchfall, Bradykardie, Hypersalivation, Miosis) Dosierung: streng individuell, abhängig vom Schwergradder Erkrankung und dem Ansprechen des Patienten Orientierende Dosierungsempfehlung: 60-180mg 2-4 mal/Tag Bei diesem Fall: Beginn mit 90mg/Tag, innerhalb von 14 Tagen Einschleichen der Dosierung bis max. 180mg/Tag. Evaluation der Therapie nach 14 Tagen.
2 Tage nach dem Therapiebeginn (90mg/Tag)
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