Flexibles Arbeiten = Freiräume oder Flexibilisierungswahn?

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Flexibles Arbeiten = Freiräume oder Flexibilisierungswahn?

Überblick Einführung Arbeitszeit 3.0 Flexibilisierung in der Industrie 4.0 und Arbeitszeit 4.0 Kollision mit dem Arbeitszeitgesetz Mitbestimmung in Arbeitszeitfragen Fazit

Einführung Beispiel 1: Der Arbeitgeber bietet sog. Null-Stunden-Verträge mit Arbeit auf Abruf.  § 12 TzBfG sichert Mindesteinsatz nur bei fehlender Stundenvereinbarung (Null-Stunden = fehlende Vereinbarung?)  keine soziale Sicherung durch kurzfristige Festlegung der Arbeitszeit

Einführung Beispiel 2: Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren Vertrauensarbeitszeit. Das Pensum beträgt zum Zeitpunkt des Abschlusses x. Nach und nach erhöht der Arbeitgeber das Pensum.  Anspruch auf höhere Vergütung?  Anspruch auf Herabsetzung des Pensums?

Einführung Beispiel 3: Der Arbeitnehmer hat bis 17.00 Uhr keine Rückäußerung vom amerikanischen Kunden, ob dieser bestellen will. Vereinbarungsgemäß meldet sich der Kunde um 23.00 Uhr auf dem Diensthandy des Arbeitnehmer für ein 15-minütiges Gespräch, in dem der Vertragsschluss über 1 Mio. Euro vereinbart wird.  Ruhezeitunterbrechung oder Graubereich?  Höchstarbeitszeit überschritten?

Einführung Flexibilität (nach § 106 GewO): Arbeitszeit Arbeitsort Arbeitsinhalt (Modus) Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach billigem Ermessen § 106 GewO klammert Mitbestimmung nicht aus!

Einführung Aktuelle Entwicklungen im Arbeitszeitrecht: Politischer Stillstand trotz Weißbuch des BMAS Unterschiedliche Rechtsprechung zu „Graubereichen“ Teilweise erhebliche Verunsicherung in den Betrieben Fortschreitende Digitalisierung führt zu neuen Arbeitszeitmodellen, (noch mehr) Flexibilität und noch mehr Verunsicherung

Einführung Arbeitszeit in den Betrieben: Streit- und Verhandlungsschwerpunkt in der Mitbestimmung Verlagerung von reinen Entgeltforderungen hin zu Rücksichtnahme und Gesundheitsschutzaspekten Langwierige Verhandlungen Ergebnisse mit geringer Halbwertzeit Hoher Kostendruck auf Arbeitgeberseite

Arbeitszeit 3.0 Generation BlackBerry: Vom Führungskräfte-Spielzeug zum Arbeitnehmer-Utensil Always-on-Kultur Arbeitnehmerwunsch nach „kulturellem“ Homeoffice Teilweise auch kritischer Umgang mit Phänomen, z.B. VW: Abschaltung der Email-Server

Arbeitszeit 3.0 Zug zur Vertrauensarbeitszeit: Kein Arbeitszeitkonto – keine Zeiterfassung Strikte Ergebnisorientierung Ausgangspunkt: ortgebundene Arbeit Einschränkende BAG-Rechtsprechung durch breite Kontrollbefugnisse des Betriebsrats Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG

Arbeitszeit 3.0 Flexibilisierung 3.0: Hauptsächliche Orientierung am Arbeitgeberbedarf Arbeitszeitkonten mit hohen Schwankungsbreiten Flexi-Konten Langzeitkonten (TV)

Arbeitszeit 3.0 Vorstellungswelt der Arbeitgeberseite: Erhöhung der Stundenvolumina – wo es geht Kurze Vorankündigungszeiten bei (ggf. zusätzlichen) Einsätzen Weite Überstundenbänder (mit Stundenverfall) Zurückdrängung der Mitbestimmung durch geeignete Regelungen in BVen

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Impulse der Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0: Fortschreitende Digitalisierung Weitere Auslagerung standardisierter Fertigungsprozesse Individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter im Fokus Fachkräftemangel Bedarfsorientierter Personaleinsatz („KAPOVAZ“)

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Generation Y: Veränderung des Stellenwertes der Arbeit Out: Verdienst- und Karrieremöglichkeiten In: Herausfordernde Arbeit, Kollegialität, Work-Life-Balance Nutzung der Flexibilität für private Bedürfnisse  Entgrenzung der Arbeit?

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Herausforderungen für Arbeitgeber und Betriebsrat: Arbeit ohne Grenzen Beruf und Privat verschwimmen Selbstmanagement als Kernqualifikation Digitale Inklusion Arbeitsplatz im öffentlichen Raum Führung auf Distanz

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Herausforderungen im Produktions- und Schichtbereich: Technisch flexibilisierte Modelle der Arbeitszeit- und Schichteinteilung Abweichungsmodelle vom „Normal“-Arbeitszeitgesetz Aufgehende Schere zwischen Produktion und kaufmännischem Bereich

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Flexibilität durch Lebensphasen: Vor der Familienphase Familienphase Nach der Familienphase

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Vor der Familienphase: Hohe Arbeitszeitenverfügbarkeit Arbeit zu unattraktiven Zeiten Finanzieller Ausgleich von Mehrarbeit statt Freizeitausgleich

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Familienphase: Alles hängt von der Betreuungssituation ab Elternzeit- und Teilzeitmodelle Finanzielle und Freizeitaspekte eher gleich stark

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Nach der Familienphase: Interesse an Arbeitszeitreduzierung und Freizeitausgleich Höherer Freizeitanteil gewünscht Finanzielle Verpflichtungen vermindern sich

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Untauglichkeit des Teilzeitrechts: § 8 TzBfG bringt holprigen Teilzeitanspruch Arbeitgeber hat vereinfachtes Zurückweisungsrecht § 9 TzBfG bringt keine echte Rückkehrmöglichkeit Anspruchsdurchsetzung dauert zu lange und verbaut friedliche Zusammenarbeit

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Lösungsmodelle: Tarifverträge? (Freiwillige) Betriebsvereinbarungen flexible Teilzeitarbeit Vertrauensarbeitszeit Job-Sharing mobile Arbeit Lebensarbeitszeitmodelle und Langzeitkonten

Industrie 4.0/Arbeitszeit 4.0 Zurückdrängung von Substitutionsmodellen: Leiharbeit Werkverträge

Kollision mit dem Arbeitszeitgesetz Arbeitszeitgesetz fit für 4.0? ArbZG 1994 regelt be- und nicht entgrenzte Arbeitszeit Höchstarbeitszeiten § 3 ArbZG Ruhezeit § 5 ArbZG

Kollision mit dem Arbeitszeitgesetz Höchstarbeitszeiten (§ 3 ArbZG): 8 Stunden täglich Erhöhung auf 10 Stunden bei 6-monatigem Durchschnitt von 8 Stunden Vielfach nicht gelebte Praxis Vorschläge: Überschreitung auf BV-/TV-Basis

Kollision mit dem Arbeitszeitgesetz Ruhezeit (§ 5 ArbZG): 11 Stunden Ruhezeit Verkürzung auf 9 Stunden auf BV-/TV-Basis Ungelöstes Problem kurzer Arbeitszeitfenster in Freizeit Vorschläge: geringfügige Arbeitsleistung soll nicht unterbrechen, Reduzierung auf 8 Stunden auf BV-/TV-Basis

Mitbestimmung Arbeitszeitmitbestimmung § 87 Abs. 1 Ziff. 2, 3 BetrVG: Zustimmungsmitbestimmung Initiativrecht des Betriebsrats Begrenzte Spruchkompetenz der Einigungsstelle in Flexibilisierungsfragen

Mitbestimmung Ideen-Pool: Wofür noch ein fester Arbeitsplatz? Homeoffice und Mobile Working Sinnvolle Vertrauensarbeitszeit Teilzeit-BV mit erweitertem Rückkehrrecht Wahloption Überstundenauszahlung/Freizeitausgleich Wie flexibel wollen wir in der Produktion sein?

Fazit Keine Flexibilisierung ohne den BR BR muss Standpunkte finden und vertreten Absicherung der eigenen Standpunkte durch Kollegenbefragungen ratsam