Psychotrauma und Posttraumatische Belastungsstörung

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Kinder Jugendliche Erwachsene
Advertisements

Stress & Stressbewältigung
Gefahren im Feuerwehrdienst Feuerwehrdienst ist schwere körperliche Arbeit. Feuerwehrdienst ist besonders gefährlich. Warum ?
Themen der pädagogisch psychologischen Diagnostik (Sommersemester 2006) Martin Brunner Selbstkonzept Martin Brunner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
CSG Methodenkompetenz: Beispielpräsentation Traumata CSG Methodenkompetenz: Beispiel-Präsentation Traumata bewältigen.
DIE VERGESSENE MEHRHEIT Die besondere Situation von Angehörigen Alkoholabhängiger H. Zingerle, S. Gutweniger Bad Bachgart – Therapiezentrum zur Behandlung.
Was lassen die Menschen hinter sich? Familie (Großfamilie) Arbeitsstelle Wohnung / Haus Nachbarn Freunde Heimat Kultur, z.B. jahreszeitliche und religiöse.
Ringvorlesung SS 2011 Die Perspektive der Psychologie 1Dr. Silvia Queri.
Kom verder. Saxion. SE Verhaltensbilder 12 Autismus, Misshandlung, Missbrauch.
Eveline Jordi Raum für Entwicklung Möglichkeiten der Prävention sexueller Ausbeutung in Institutionen.
Traumatisierung bei Flüchtlingen
Traumatischer Stress?. Trauma, Flucht und Ressourcen Wenn die Wunde verheilt ist, schmerzt die Narbe.
Meine Mama/mein Papa hat Krebs Veränderungen und Gefahren für Eltern und Kinder Astrid Hubmann, Dipl.-Psych., Psychoonkologin am Krankenhaus der Barmherzigen.
Definition - Trauma Trauma (griechisch) = Verletzung
Narrative Expositionstherapie... in der stationären Behandlung traumatisierter Jugendlicher 112. Jahrestagung der DGKJ in Hamburg Dr. Norbert.
SCHUTZ MACHT SCHULE THEMENKOMPLEX: SIGNALE, FOLGEN UND TRAUMATA.
Grundlagen, Prävention und Umgang im Kontext Pflege
Eine Schule für die Kinder von Huanta.
Suche nach Hilfe
Lernen und Gedächtnis.
Psychologische Fehlbelastungen im Einsatzdienst
Jan-Christoph Höh, Dr. phil. Thorsten Schmidt M. A. , Prof. Dr. med
„Willst du das Heute verstehen, schau ins Vergangene zurück…“
Schlafen und Träumen - Einleitung S. Pfeifer
DID – eine Herausforderung für alle Beteiligten
E. Das Gespräch mit einem depressiven Menschen
Herausforderung FTD – Umgang und Strategien
Herbst des Lebens.
Basics… z.B. zur Entwicklung und zum Management von Produkten
Wir werden jeden Tag ein bisschen älter!
Auswirkungen und Bewältigungsstrategien
Bewertung schrift-licher Leistungen I
Demenz Céline Caduff.
Modul 3: Depression.
Kindersoldaten Von Lino Günther
Burnout Prävention und mentale Gesundheit
Yoga und Persönlichkeit
KOOperative BerufsOrientierung
Transkulturelle Psychoonkologie
Elise Bittenbinder, BafF e.V., XENION
Transgenerationale Traumatisierung
Motivation ist wichtiger als Intelligenz
Pädagogischer Umgang mit traumatisierten Kindern
Burn-Out Psychohygiene
Thema 8: Spirituelle Begleitung: Aufgaben der Hospizbegleiter:
„LERN VON MIR“ Modul 2 – Den Mensch als Ganzes betrachten
Unterstützung von Menschen mit Demenz in Allgemeinkrankenhäusern
Dankbarkeit für Gottes Handeln
-einer von 100 Erwachsenen Menschen in Deutschland
Annemarie Pfeifer Wenn die Seele weint.
1 STARK FÜR DIE ZUKUNFT.
Gelingensbedingungen der Netzwerkarbeit Impuls: Torsten Nicolaisen
Thema 4: Basiswissen Spiritualität: Lebenssinn.
Gewalt und Gewaltprävention Positionsunterlage
Projektwoche erlebte Geschichte(n)
Von der Scham zur Menschlichkeit
Dimensionen von Diversität
Die 2 Seiten der Medaille vernetzender Arbeit
Elternabend der 5. Jgst. Herzlich willkommen!.
Die Ausgangslage 60 Prozent der Mütter und Väter finden, dass die Erwartungen heute höher seien. Grund dafür seien gesellschaftliche Veränderungen (62.
Jugendsozialarbeit an der Elsbethenschule
Referentin: Dr. med. Brigitte Bosse Mainz
Teufelskreis der negativen Erfahrungen
Wenn die Seele weint Annemarie Pfeifer.
SAFE © SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN I Modellprojekt zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Karl Heinz Brisch Kinderklinik und.
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Flucht und Trauma Aus: Barbara Preitler: An ihrer Seite sein. Psychosoziale Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen. Innsbruck 2016, Studienverlag IN.
in der StädteRegion Aachen
Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann KatHO NRW - Aachen
 Präsentation transkript:

Psychotrauma und Posttraumatische Belastungsstörung Psychiatrische Versorgung von Flüchtlingen am ZIP Dr. Silja Knolle-Veentjer

Was ist ein Psychotrauma? „...kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würden...“ Kennzeichen übersteigt die Verarbeitungsfähigkeit der betreffenden Person durch seine Heftigkeit, Plötzlichkeit und Unmöglichkeit der Flucht und/oder Bewältigung ruft einen akuten Zustand von überflutender Angst, das Gefühl ausgeliefert zu sein und Ohnmacht hervor

Schematische Einteilung traumatischer Ereignisse Typ-I-Trauma Typ-II-Trauma medizinisch bedingte Traumata Akzidentielle Traumata schwere Verkehrsunfälle berufsbedingte Traumata (z.B Rettungskräfte) kurzandauernd Katastrophen (z.B. Brand) langandauernde Naturkatastrophen (z.B Überschwemmung) akute lebensgefährliche Erkrankungen (z.B. kardiale Notfälle) Chronische lebensbedrohliche Erkrankungen (z.B. HIV, Malignome) Interpersonelle (man made) sexuelle Übergriffe kriminelle/ körperlich Gewalt ziviles Gewalterleben (z.B. Banküberfall) sexuelle/ körperliche Gewalt/ Missbrauch in der Kindheit bzw. im Erwachsenenalter Kriegserleben Geiselhaft politische Inhaftierung Folter komplizierter Behandlungsverlauf

Psychotrauma Übererregung Somatisierung Affektdys- regulation Substanz-missbrauch Dissoziation Psychotrauma Depression Vermeidung (patholog.) Trauer Zwänge & Ängste Persönlich-keitsver-änderungen Schuld- gefühle Wieder-erleben Abb. Spektrum psychopathologischer Veränderungen nach Traumatisierung (Elbert et al. 2007)

Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach ICD-10 A Traumatisches Ereignis: Angst, Hilflosigkeit, Entsetzen B Intrusionen: anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Alpträume, flashbacks C Vermeidung: Umstände, die der Belastung ähneln, mit ihm in Verbindungstehen oder daran erinnern könnten, werden möglichst vermieden D Hyperarousal (min. 2): Ein-/Durchschlafstörungen, Reizbarkeit & Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz, Schreckhaftigkeit E Zeitkriterium: Kriterien treten innerhalb 6 Monate nach dem Ereignis auf F Funktionsbeeinträchtigung: soziale Beziehungen, Alltagsbewältigung, Beruf

Epidemiologie Lebenszeitprävalenz einer PTSD nach: Vergewaltigung: 55,5 % Krieg: 38,8 % Sexuellem Missbrauch in der Kindheit: 21,8 % Waffengewaltandrohung: 17,2 % Unfall: 7,6 %

Risikofaktoren Prä-traumatisch: frühere Traumatisierungen weibliches Geschlecht jüngeres Lebensalter niedriger Bildungsstand psychische Störungen

Risikofaktoren Peri-traumatisch: „man made“ Traumata Schwere des Ereignisses erlebte Hilflosigkeit Entsetzen subj. Lebensbedrohung Dissoziation

Risikofaktoren Post-traumatisch: fehlende soziale Unterstützung persistierende und intensive Stressbelastung Belastung durch starke Symptome (flashbacks) irreversible körperliche Schädigung/ Behinderung, chronische Schmerzen

„Building Block Effekt“ die Wahrscheinlichkeit an einer PTSD zu erkranken steigt mit der Anzahl unterschiedlicher erlebter Traumatisierungen. (> 25 traum. Ereignisse  p (PTSD) ≈ 100%) Kann ein (psycho-)traumatisiertes Gehirn vergessen? Annahme: es bleiben lebenslang „Narben“ und somit eine erhöhte Verletzlichkeit bestehen (Neuner et al. 2004, Kolassa & Elbert 2007)

Deklaratives Gedächtnis Nicht-deklaratives Gedächtnis Trauma und Gedächtnis Deklaratives Gedächtnis (Hippocampus) Kontextverständnis Eckdaten des Ereignisses Einordnung in Raum & Zeit chronologischer Bericht „kalt“ Nicht-deklaratives Gedächtnis (Amygdala) „Hier & Jetzt“-Qualität sensorische, emotionale & physiologische Eindrücke fragmentierte Inhalte getriggert durch Hinweisreize → subj. kaum kontrollierbar „heiß“ (Neuner, Schauer & Elbert, 2009)

Emotional Brain (LeDoux) Amygdala: Schnelle, erste, aber nicht genaue Stimulusidentifizierung

Normale Verarbeitung Gedächtnis Schaltstelle zwischen Gefühl und Denken Sprachzentrum Bewusstes Denken Schaltzentrale Gedächtnis Angst- und Agressionszentrum

Trauma Gedächtnis Schaltstelle zwischen Gefühl und Denken Sprachzentrum Bewusstes Denken Schaltzentrale Gedächtnis Angst- und Agressionszentrum

Trauma und Gedächtnis Traumainhalte werden nicht adäquat in das deklarative Gedächtnis eingebettet Kontextinformationen (Raum /Zeit) nur ungenügend mit emotionalen Aspekten in Verbindung Beeinträchtigungen im verbalen/deklarativen Gedächtnis Starke assoziative Reiz-Reiz-Verbindungen und Reiz-Reaktions Verbindungen

Intrusionen und Flashbacks sensorische Eindrücke, oft sprunghaft /fragmentiert Vorwiegend visuelle „Bilder“ Eindrücke werden erlebt, als würde es wieder passieren Emotionen und Körperreaktionen werden mit abgerufen Vorkommen von „Emotionen ohne Erinnerung“ Körpererinnerungen

Dissoziationen sensorische Eingänge werden geschlossen Wahrnehmungsveränderungen (Zeit und Raum) verringertes Schmerzempfinden Verlust von Körperwahrnehmung verändertes Ich-Erleben Bewegungsstörungen Sprachhemmung

Trigger „Trigger“ sind einzelne Elemente des Furchtnetzwerkes Viele Elemente sind nicht spezifisch: Freude erhöhter Puls Angst Viele Trigger wirken unbewusst direkt über die Amygdala (schneller Weg)

Wie kommen wir hier raus! Furchtnetzwerk sensorisch kognitiv emotional physiologisch zerstörtes Haus Trauer Wie kommen wir hier raus! Atemnot Nervosität Nachbarn Was ist passiert? Herzschlag Schon wieder Alarm! Braune Augen Angst Ich war 10 Jahre alt Es war Sommer Ich lebte in Syrien

Kurz davor war die Zeugnisvergabe Furchtnetzwerk sensorisch kognitiv emotional physiologisch Party Freude Ist der süß! Kribbeln im Bauch Nervosität Mitschüler Telefonnummer? Herzschlag Mist, Pickel! Braune Augen Angst Zu der Zeit ging ich in die 7. Klasse Kurz davor war die Zeugnisvergabe Ich lebte in Hamburg

Was kann bei akuter Symptomatik helfen? „Öffnen“ der sensorischen Eingänge durch Bewegung (Kippbrett, auf einem Bein stehen, Ball werfen,…) Starke äußere Reize jedoch nicht assoziiert mit Trauma! (Wärme oder Kälte, Igelball, …) Geruch (Lavendelöl, Deo, Schuhcreme, …) Geschmack (Chili, Zitrone, Pfefferminz, …)

Was kann bei akuter Symptomatik helfen? Kontrastieren Was in Deiner Umgebung ist jetzt anders als damals? „HIER und JETZT“ versus „DORT und DAMALS“

Was kann bei akuter Symptomatik helfen? Stabilisierungsübungen „Tresorübung“ „Sicherer Ort“

Wie funktioniert Traumatherapie? Beispiel NET konsistente Narration entlang der Lebenslinie Aktivierung der senosorisch-perzeptuellen Elemente  Verknüpfung heißer & kalter Elemente Kontrastierung „damals“ vs. „heute“ wiederholte Exposition  Habituation Ziel: Aufbau eines vollständigen biographischen Gedächtnisses

Resilienz = adaptive Funktionsfähigkeit

Resilienz in Hoch-Risiko erwartungswidrig besser abschneiden Widerstandsfähigkeit entwickeln oder Funktionstüchtigkeit aufrechterhalten sich nach einer Zeit traumatischer Erfahrungen zu erholen und normale Funktionsfähigkeit widererlangen

Die 7 Säulen der Resilienz

Hintergrundfaktoren der Resilienz Positive emotionale Erlebnisse /Lebensbereiche Positive Lernerfahrungen Genetik Soziale Einbindung / nahe Vertraute Intelligenz …

Traumaambulanz Flucht und Migration Zuweiser (Schweigepflicht!!) Koordinatorin (Aufnahmeliste) nur Arzt Erstkontakt mit Arzt + Soz.Päd. Keine (weitere) Behandlung notwendig PIA-Gruppen Orientierung & Sofortintervention (bis zu 10 Termine) Warteliste PIA (interdisziplinäre) Behandlung

Traumaambulanz Flucht und Migration Projektkoordinatorin: Stefanie Thielebein Niemannsweg 4, 24105 Kiel Mail: stefanie.thielebein@uksh.de Telefon: 0431/500-98077

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!