Arbeitsschutz und Gefährdungshaftung

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 Präsentation transkript:

Arbeitsschutz und Gefährdungshaftung Reinbek – 29. September 2011

Eingangsfall 1: Arbeitgeber A bietet Mitarbeiter M aufgrund befürchteter gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Bedingungen an dessen Maschinenarbeitsplatz eine arbeitsmedizinische Untersuchung an. M lehnt diese auch auf wiederholte Aufforderung ab. A erteilt M daher eine Abmahnung. Zu Recht?

Eingangsfall 2: Die Maschinen im Betrieb B können typbedingt nur max . 3 Stunden am Stück laufen und benötigen dann eine Abkühlphase von 30 Minuten. Es droht Überhitzung. In dieser Zeit könne die Mitarbeiter nicht beschäftigt werden. Den Mitarbeitern werden jeweils halbstündige Pausen zugewiesen, für die sie keine Lohnzahlung erhalten. Ist dieses Vorgehen rechtmäßig?

Eingangsfall 3: Arbeitgeber A hat aus Kostengründen auf die turnusmäßige Wartung einer Maschine verzichtet. Maschinenarbeiter M bemerkt seit Wochen klappernde Geräusche an der Maschine, meldet sie aber nicht. Eines Tages wird M durch ein umherfliegendes Teil der Maschine erheblich verletzt. In welchem Umfang kann M Entschädigung von A verlangen?

Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer Haftung ggü. Kollegen und Dritten

I. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Entwicklung des Arbeitsschutzrechts kein einheitliches System neue Gefahr  neues Gesetz ArbeitsschutzG seit 1996 zahlreiche Verordnungen auf Grundlage ArbSchG  unübersichtliche Materie

EU-Richtlinien Bundesgesetze Verordnungen BG-Vorschriften ArbSchG, ASiG, SGB VII Verordnungen BG-Vorschriften Technische Regeln BG-Regeln

Arbeitsschutz ist Querschnittsmaterie öffentliches Wirtschaftsverwaltungsrecht Verbraucher- und Umweltschutzrecht Arbeitsrecht  unterschiedliche Kontrollinstanzen

Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) Bestellungspflicht für Betriebsärzte und ASiG-Fachkräfte Regelbetreuung ab 10 Beschäftigte Grundbetreuung + betriebsspezifischer Betreuungsanteil Eigenermittlungspflicht für betriebsspezifischen Betreuungsanteil

Gesetzliches Unfallversicherungsrecht SGB VII Ziel: Verhütung und ggf. Entschädigung Durchführung und Kontrolle durch Berufsgenossenschaften Bestellung von Sicherheitsbeauftragten ab 20 Beschäftigten durch Arbeitgeber

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Rechtsgrundlage für weitere Verordnungen dichtestes Regelungsmaterie für Arbeitsschutz viele allgemeine Regelungen

Leitbild des ArbSchG: menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung Bewertungspflicht § 5 auch Ergonomiemängel sind Gefahren in der Betrachtung: Arbeitsplatz, Arbeitsmittel sowie Verfahren, Abläufe und Arbeitszeit auch: eintönige Arbeit bei maschinenbestimmten Arbeitsrhytmus

ArbSchG: ärztliche Betreuung Pflicht zu (freiwilligen) arbeitsmedizinischen Untersuchungen auch Ergonomiemängel sind Gefahren in der Betrachtung: Arbeitsplatz, Arbeitsmittel sowie Verfahren, Abläufe und Arbeitszeit kann entfallen, wenn erkennbar kein Gefährdungspotenzial

Eingangsfall 1: Arbeitgeber A bietet Mitarbeiter M aufgrund befürchteter gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Bedingungen an dessen Maschinenarbeitsplatz eine arbeitsmedizinische Untersuchung an. M lehnt diese auch auf wiederholte Aufforderung ab. A erteilt M daher eine Abmahnung. Zu Recht?

ArbSchG: Beschäftigungsverbote und -beschränkungen häufig in weiteren Gesetzen konkretisiert (MutterSchG, JugendArbSchG) generell besondere Gefahren für bestimmte Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen geschlechtsspezifische Regelungen nur zulässig, wenn aus biologischen Gründen zwingend geboten

ArbSchG: Beurteilung der Arbeitsbedingungen Kernvoraussetzung für wirksame Maßnahmen Ermittlungspflicht des Arbeitgebers Bewertung der Schwere der Gefährdung und des Schadenspotenzials nur einmalige Bewertung bei gleichartigen Arbeitsplätzen Wiederholungspflicht bei Änderungen im Arbeitsbild

ArbSchG: Dokumentation (§ 6) Doku ist anzufertigen und aufzubewahren keine Vorgabe zur Dokumentationstiefe jeweils aktueller Stand gefordert bei gleichartiger Gefährdungssituation zusammengefasste Angaben ausreichend  schematisierte Erfassung ausreichend

ArbSchG: Instandhaltung und Kennzeichnung bezogen auf technische Geräte mit Gefahrenpotenzial weiter Einschätzungsspielraum

ArbSchG: Unterrichtung und Unterweisung Unterrichtung rein informatorisch Unterweisung mit pädagogischem Anspruch (Anweisungen und Erläuterungen) Problem: Quittungspflicht des Arbeitnehmers?

Kostentragung für Maßnahmen nach ArbSchG Sachmittelkosten: Arbeitgeber organisatorischer Schutz (z.B. Arbeitsunterbrechungen): Arbeitgeber Kosten für persönliche Schutzausrüstung: falls erforderlich  Arbeitgeber Problem: private „Luxusanschaffung“ Mitbestimmung ohne Kostenzugriff (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)

Eingangsfall 2: Die Maschinen im Betrieb B können typbedingt nur max . 3 Stunden am Stück laufen und benötigen dann eine Abkühlphase von 30 Minuten. Es droht Überhitzung. In dieser Zeit könne die Mitarbeiter nicht beschäftigt werden. Den Mitarbeitern werden jeweils halbstündige Pausen zugewiesen, für die sie keine Lohnzahlung erhalten. Ist dieses Vorgehen rechtmäßig?

Pflichten von Beschäftigten Pflicht zur Eigensorge Pflicht zur bestimmungsgemäßen Verwendung von Schutzvorrichtungen Mitteilungspflicht Abmahnungs- und ggf. Kündigungsperspektive bestimmt ggf. Haftungsbeteiligung des Arbeitnehmers (§ 254 BGB)

Eingangsfall 3: Arbeitgeber A hat aus Kostengründen auf die turnusmäßige Wartung einer Maschine verzichtet. Maschinenarbeiter M bemerkt seit Wochen klappernde Geräusche an der Maschine, meldet sie aber nicht. Eines Tages wird M durch ein umherfliegendes Teil der Maschine erheblich verletzt. In welchem Umfang kann M Entschädigung von A verlangen?

Rechte der Beschäftigten Vorschlagsrecht Beschwerderecht Recht zum Verlassen des Arbeitsplatzes Whistleblowing?

Whistleblowing im Arbeitsverhältnis EGMR Urt. v. 21.07.2011 – 28274/08

Kontrollbefugnisse Zutritts- und Besichtigungsrecht verdachtsunabhängig Prüfungsrecht betreffend geschäftliche Unterlagen Begleitung bei Betriebsbegehung aktive Unterstützungspflicht

Anordnungsbefugnisse im Hinblick auf Durchführung der Vorschriften des ArbSchG und von VOen im Hinblick auf zusätzliche erforderliche Schutzmaßnahmen Verwaltungsakte  klagbar

Beratungspflicht Arbeitsschutzbehörde hat Beratungspflicht Geheimnisschutz gewahrt enge Voraussetzungen der Weitergabe von Kenntnissen an andere Behörden

Sanktionen Ordnungswidrigkeiten Strafvorschriften Sanktionen ansonsten aus Haftungsgesichts- punkten ggü. Geschädigten Mitarbeitern (II.)

Ordnungswidrigkeiten Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung nach § 18 oder § 19 ArbSchG Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 22 ArbSchG (Arbeitgeber und Beschäftigte)

Strafvorschriften bei beharrlicher Verweigerung gegen bußgeldbewehrte Tatbestände beharrlich = besonders hartnäckig

OWi bei Verstoß gegen Anordnung Grundverstoß OWi bei VO-Verstoß OWi bei Verstoß gegen Anordnung ansonsten sanktionslos Strafbarkeit bei beharrlichem Verstoß

Beispiele: Verstoß gegen Dokumentationspflicht  sanktionslos (es sei denn Anordnung) Verstoß gegen Lärmschutzvorschriften  OWi (Verstoß gegen LärmVO wiederholter Verstoß gegen Anordnung  Straftat möglich

Mitbestimmung im Arbeitsschutz (Auswahl) § 80 Abs. 1 BetrVG - allgemeine Überwachung § 80 Abs. 2 BetrVG - Unterrichtung, Unterlagen § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG u.v.a.m.

II. Haftung des Arbeitgebers ggü. dem Arbeitnehmer

Verschuldenshaftung möglich aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) Delikt (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB) Aufwendungsersatzgesichtpunkten (§ 670 BGB) ArbSchG und VOen sind Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB Mitverschulden ist nach § 254 BGB zu berücksichtigen

Typische Schadenspositionen Körperschäden / Heilungskosten Sachschäden an Kleidung u.U. Kfz-Reparaturkosten

Verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgeber, wenn Schaden bei Vollzug einer gefährlichen Arbeit entstanden und nicht lediglich allgemeines Lebensrisiko  reine Gefährdungshaftung

Nicht erstattungsfähig Sachschäden, die der Arbeitnehmer nach der Natur der Sache üblicherweise hinnehmen muss (Verschmutzung, Verschleiß) mit dem Entgelt abgegolten werden

III. Haftung ggü. Kollegen und Dritten

Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung: keine Haftung bei  einfacher Fahrlässigkeit Haftungsanteile bei  mittlerer Fahrlässigkeit Alleinhaftung des  grober Fahrlässigkeit Arbeitnehmers nur bei oder Vorsatz