Fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen – ein Tabu?

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 Präsentation transkript:

Fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen – ein Tabu? Dr. Scarlett Jansen Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen - Einführung Einwilligungsunfähige Personen Forschungsbedarf Fremdnützige Forschung

Aktuelle Gesetzeslage und Entwürfe Was spricht dagegen? Ist fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen dennoch zuzulassen? Wenn ja: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Aktuelle Lage Internationale Regelwerke Deklaration Helsinki Bioethik-Konvention ICH-GCP-Guidelines

Aktuelle Lage Europäische Regelungen Richtlinie 2001/20/EG Zukünftig anwendbar: Verordnung (EU) Nr. 536/2014

Verordnung (EU) Nr. 536/2014 Art. 32 Abs. 1 lit. g (Minderjährige) g) es gibt wissenschaftliche Gründe für die Erwartung, dass die Teilnahme an der klinischen Prüfung: i) einen direkten Nutzen für den betroffenen Minderjährigen zur Folge haben wird, der die Risiken und Belastungen überwiegt, oder ii) einen Nutzen für die Bevölkerungsgruppe, zu der der betroffene Minderjährige gehört, zur Folge haben wird und der betroffene Minderjährige im Vergleich zur Standardbehandlung seiner Krankheit durch die klinische Prüfung nur einem minimalen Risiko und einer minimalen Belastung ausgesetzt wird.

Verordnung (EU) Nr. 536/2014 Art. 31 Abs. 1 lit. g), Abs Verordnung (EU) Nr. 536/2014 Art. 31 Abs. 1 lit. g), Abs. 2 (Einwilligungsunfähige) g) es gibt wissenschaftliche Gründe für die Erwartung, dass die Teilnahme an der klinischen Prüfung i) einen direkten Nutzen für den nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmer zur Folge haben wird, der die Risiken und Belastungen überwiegt, oder ii) Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgruppe, zu der der betroffene nicht einwilligungsfähige Prüfungsteilnehmer gehört, zur Folge haben wird, sofern die klinische Prüfung im direkten Zusammenhang mit dem lebensbedrohlichen oder zu Invalidität führenden klinischen Zustand steht, unter dem der Prüfungsteilnehmer leidet, und sofern die Prüfung den betroffenen nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmer im Vergleich zur Standardbehandlung seiner Krankheit nur einem minimalen Risiko und einer minimalen Belastung aussetzt. (2) Absatz 1 Buchstabe g Ziffer ii lässt mögliche strengere nationale Regelungen unberührt, die die Durchführung derartiger klinischer Prüfungen an nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmern verbieten, wenn keine wissenschaftlichen Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass eine Teilnahme an der klinischen Prüfung einen direkten Nutzen für den Prüfungsteilnehmer zur Folge hat, der die Risiken und Belastungen einer Teilnahme an der Prüfung überwiegt.

Aktuelle Lage Deutsche Regelungen Arzneimittelgesetz Medizinproduktegesetz Strahlenschutz- und Röntgenverordnung Lücken

Gesetzesentwurf: § 40b Abs. 4 S. 2 AMG-E Bei einer volljährigen Person, die nicht in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten, darf eine klinische Prüfung im Sinne des Artikels 31 Absatz 1 Buchstabe g Ziffer ii der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, die ausschließlich einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgruppe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge haben wird (gruppennützige klinische Prüfung), nur durchgeführt werden, soweit eine Patientenverfügung nach § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches die gruppennützige klinische Prüfung gestattet.

Was spricht dagegen? Würde des Menschen, Art. 1 GG Selbstbestimmungsrecht, Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG Tabubruch Nationalsozialistische Vergangenheit

Ist fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen dennoch zuzulassen? Forschungsbedarf Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts Repräsentation: Wahrnehmung der Rechte durch Betreuung, §§ 1896 ff. BGB Hilfe zur Teilnahme am Rechtsleben Rechtsgleichheit und Erweiterung der Möglichkeiten „Leistung“ des Staates

Ist fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen dennoch zuzulassen? Vereinbarkeit mit dem Wohl der Person Größtmöglicher Freiraum Beachtung von Wünschen, § 1901 Abs. 3 BGB Auch Selbstgefährdungen und Selbstschädigungen

Ist fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen dennoch zuzulassen? Gleichheitsverstoß durch Andersbehandlung im Verhältnis zu Minderjährigen? Schutzbedürftigkeit Forschungsbedarf Unterschiede

Voraussetzungen für eine zulässige fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen Subsidiarität Vetorecht Aufklärung (zustimmendes) Votum einer Ethikkommission

Voraussetzungen für eine zulässige fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen Risiko- Nutzen- Abwägung Begrenzung auf minimale Risiken und Belastungen Bindung an das Wohl Umso höhere Anforderungen an Anhaltspunkte zu stellen, je schwerwiegender Eingriff Anhaltspunkte: frühere Äußerungen, Bereitschaft zur Organspende oder regelmäßige Blutspenden

Fazit Fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen – nicht zwingend ein Tabu.