Die Adoleszenz - Entwicklung im Spannungsfeld zwischen individueller Identitätsfindung und gesellschaftlichen Anforderungen Die Bedeutung von psychoaktiven Substanzen im Jugendalter Budgetversammlung fabb 28.11.2018 Dr. med. Toni Berthel Direktor Sucht und Begutachtungen ipw Co-Leiter integrierte Suchthilfe Winterthur isw Präsident Eidg. Kommission für Suchtfragen EKSF
«Wenn ich die junge Generation anschaue, verzweifle ich an der Zukunft der Zivilisation.» (Aristoteles)
Suizid
Internet, Neue Medien Störung? Problem? Wenn ja: Für wen? Wann? Weshalb?
Konsum von Alkohol in der Schweiz 1880 14.3 Liter/pro Kopf 1902 15.3 Liter 1945 8.0 Liter 1981 11.2 Liter 2007 8.8 Liter 2016 8.1 Liter
Rauschtrinken: Häufigkeit nach Alter 5 (m) bzw Rauschtrinken: Häufigkeit nach Alter 5 (m) bzw. 4 (f) Standardgetränke bei einer Gelegenheit 2011 Quelle: Suchtmonitoring Schweiz, Berichte 2011 / 14. 2014
Tabak: Häufigkeit nach Alter total Quelle: Suchtmonitoring Schweiz, Bericht 2014.
Cannabis: Häufigkeit nach Alter total Quelle: Suchtmonitoring Schweiz, Bericht 2014.
Schlaf- und Beruhigungsmittel: Prävalenz n. Alter Suchtmonitoring 2015, Sucht Schweiz Aug. 2016
Abhängigkeitspotential zit. nach Quednow 2014
Beginn Alkoholkonsum und Suchtentwicklung
„Nur eine Minderheit setzt einen exzessiven Alkoholkonsum in späteren Altersstufen fort. Bei diesen Jugendlichen treffen lebens-geschichtlich frühe Risikofaktoren mit problematischen Folgen dieser Konsum-muster zusammen.“ (Stolle, Sack, Thomasius 2009)
Aufgabe des Jugendalters: Erwachsen werden!! Jugend heute Aufgabe des Jugendalters: Erwachsen werden!! Sozialisation Individuation Innere seelische Prozesse Prozesse im jugendlichen Gehirn Peer group (Gleichaltrigengruppe) Übergangsrituale Gesellschaftliche Prozesse
Gefühl der Ich-Identität Aufgaben des Jugendalters Gefühl der Ich-Identität Sexuelle Identität Körperbild Ablösung Eigenständige Moral
Seelische Mechanismen im Jugendalter Stabilisierungs-mechanismen konstruktiv Substanzen Körperbesetzung Risikoverhalten Acting out Rückzug Aggression Auswirkungen Geschwächtes-Ich Angsttoleranz Frustrationstoleranz Stimmungslabil Jugendalter Auflockerung der seelischen Strukturen
Peer group, Gleichaltrigengruppe Übergangsritual „Sich ausprobieren und die Initiation in selbst-gestaltete soziale Kontexte, in Gleichaltrigengruppen sind wesentliche Elemente der „Übergangsarbeit“. Rauscherfahrungen stellen dafür ein Vehikel dar.“ (St. Sting, 2009) „Gruppenbezogene Wahrheiten“, „durch Substanzen vermittelte Identitäten“ (S. Cattacin, 2009)
Selbstwert, Narzissmus
Jugend und Hirnentwicklung Was geschieht im reifenden Gehirn?
Jugend und Gehirnentwicklung Grundlegende Anpassung des Gehirns (Reifung, moralisch-ethisch, gesellschaftliches Handeln) Viele „Verschaltungen“ der Neuronen gehen zugrunde, neue bilden sich etc. Stressverarbeitung
Nach Jäncke 2007
Neurobiologische und -psychologische Erkenntnisse Funktionsfähigkeit des Frontalcortex Reifung verzögert Exekutive Funktionen Abrufen von Informationen Kontrolle über das Verhalten Disziplin Motivation Handlungskontrolle Kontrolle über Emotionen Fähigkeit zu planen Die Fähigkeit situationsangepasst zu planen und zu steuern, ist in der Adoleszenz noch ungenügend ausgebildet.
Aspekte zum Konsum/Verhalten Verhalten/Konsum als Subgruppenphänomen oder Übergangsritual Unproblematisch, die Entwicklung förderndes Phänomen Problematisches Verhalten Selbstschädigung Öffentlicher Raum Verhalten/Konsum als individuelles Geschehen zur Entwicklung gehörend Verlust der Kontrolle über das Verhalten Verhalten als Problemlöser
Funktion von psychoaktiven Substanzen in der Adoleszenz Angenehme Wirkung, Berauschung Maximierung von Genuss, Erlebnis, Reiz Teil der Jugend/Freizeitkultur Peer group Stützung von adoleszentären Grössenphantasien Spannungs-, Stressabbau Verbesserung depressiver Gefühle
Spannungsfeld Für die meisten Jugendlichen ist der Rauschkonsum/Internet ein temporäres Geschehen Schutz vor Sekundärschäden (Intoxikation, Erfrieren, Hirnschäden, Lehrstellenverlust) Hinführen zu einem moderaten, gesundheitlich und gesellschaftlich nicht schädlichen Konsummuster und –menge/Internetuse-muster
Ebenen der Betrachtung Jugend heute Adoleszentäre Entwicklung Psychoakt.Substanzen/Problem Psych. Störungen
Welt der Erwachsenen Jugendliche Normen, Regeln Wissen was gut ist und gut tut Grenzen suchen Eigene Erfahrungen Jugendliche Eigene Vorstellungen Autonomie Vorstellungen der Erwachsenen Anpassung an……..
Seelische Entwicklung steht im Zentrum Was müssen wir tun? Seelische Entwicklung steht im Zentrum Wir müssen die Entwicklungsphänomene, die im Jugendalter normal sind (sowohl beim Jugendlichen, wie auch bei seiner Interaktion mit der Umwelt und der Mitwelt), kennen und wir dürfen sie nicht problematisieren.
Keine Pathologisierung Was müssen wir tun? Keine Pathologisierung Jugendliche wollen nicht pathologisiert werden.
Jugendliche brauchen echte und spürbare Begegnungen Was müssen wir tun? Echte Begegnung Jugendliche brauchen echte und spürbare Begegnungen
Jugendliche brauchen Uebergangsrituale Was müssen wir tun? Jugendliche brauchen Uebergangsrituale Sozialisation und Individuation gehen mit Übergangsritualen einher. Rauscherfahrungen sind wesentliche Elemente dieser «Übergangsarbeit». Jugendliche sind für die Entwicklung einer erwachsenen und eigenständigen Identität sowohl auf den Rausch, die Gleichaltrigengruppe wie den öffentlichen Raum angewiesen.
Was müssen wir tun? Der öffentliche Raum ist das Wohnzimmer und der «Showroom» der Jugendlichen Jugendliche brauchen den öffentlichen Raum um sich von den Eltern abzulösen, mit Gleichaltrigen zusammen zu sein und ihre erwachsene Rolle zu finden.
Danke für die Aufmerksamkeit