PsychKHG für Bayern Dr. Rolf Marschner 16. 10. 2018.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Unterbringungsähnliche Maßnahmen in der rechtlichen Betreuung und Pflege 04. Februar 2009 Veranstalter ISGE (Institut für Soziale Arbeit und Gesundheit.
Advertisements

Vorlesung 27. Februar 2012 Dr. Udo Frank
Arbeitsmarktintegration und Gesundheitsförderung
Zwangseinweisung ?.
Veranstalter: Netzwerk Psychiatrie München e. V.
Direktion für Soziales und Sicherheit1 Polizeigesetz (PolG) Start der Vernehmlassung Regierungsrat Dr. Ruedi Jeker Direktion für Soziales und Sicherheit.
„ A u f g e f ä c h e r t “ : Öffentliche Soziale Leistungen im Landratsamt Würzburg
Dr. Bettina Leonhard, Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
Rechtsanwalt Ulrich Amthauer Fachanwalt für Familienrecht Notar
Dr. Rolf Marschner Fachgespräch Berlin
Autor Die örtliche Betreuungsbehörde (stelle) ________________________________________ Ihre Aufgaben und ihre Verantwortung im Betreuungswesen.
Prof. Dr. iur. Johannes Münder em. Universitätsprofessor TU Berlin Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht Subsidiarität – Relikt aus der Vergangenheit.
Landespsychiatrieplan Niedersachsen 2 1 AUFTRAG, ZIELE UND RAHMENSETZUNG 1.1 Niedersachsen: Bevölkerungsstruktur und Entwicklung 1.2 Entwicklung psychischer.
Förderlogik Sozialgesetzbücher 1-12 Teilhabeleistungen Vom Allgemeinen zum Besonderen.
Der (akut) suizidale Patient Vorstellung der Facharbeit von Michael Städtler Berlin, 7. September 2016.
SKFM für das Bitsue Speyer e.V. 1 Ein Augenblick kann alles verändern- Unterstützung statt Bevormundung Vortrag von Michael Neis SKFM-Diözesanverein.
DAS KRANKENHAUSSTRUKTURGESETZ (KHSG) MIT INKRAFTTRETEN AB DEM Schließung einer ambulanten Versorgungslücke im Überblick.
Entlassmanagement im psychiatrischen Kontext Entlassmanagement im psychiatrischen Kontext Inhalt Definition Gesetzliche Grundlage Expertenstandard.
Home Treatment Aufbau Was ist das? Was leisten die?
Das neue Maßnahmerecht in Bayern
Jugendarbeit-freistellungsgesetz
Das Bundesteilhabegesetz und dessen Auswirkungen auf die Jugendhilfe
Minderjährigenehen/Frühehen
Chancen und Probleme bei der Zusammenarbeit mit dem Rechtspfleger
Maßnahmen zum Gewaltschutz im deutschen Recht
Politischer Entscheidungsprozess
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Arbeitsmarktinstrumentenreform
Darstellung der Abläufe bei Unterbringung nach NPsychKG / BGB im AMEOS Klinikum Hildesheim Prof. Dr. med. Detlef E. Dietrich Dr. med. Christian Tettenborn.
2. Netzkonferenz „Pflege“
Ausbildungshilfe für den Ausbildungsabschnitt Rechtsgrundlagen
„Balance finden, zwischen Autonomie und unterlassener Hilfeleistung gegenüber Menschen mit schweren bzw. komplexen psychischen Erkrankungen“ Fachtagung.
Wenn aus einem Risiko ein Schaden geworden ist……
Rechtliche Situation- Status Quo und Perspektive
Rechtliche Stellung LNA/ORGL Aufbauseminar LNA ORGL 23. und 24
FBV Stand: 2007 Zweck der Feuerbeschau, verhüten der Gefahren für…
Gewaltvorfälle Aussage Betroffene/r Keine Anzeige
Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII - Frage der Betriebserlaubnis
Zielsteuerungs-vertrag
Fallbeispiel Ein Schüler, von dem das Gerücht geht, „dass man bei dem alles kriegen kann“, hat einem Mitschüler in der Pause einen „Joint“ verkauft. Nach.
Vorlesung Sportrecht (SMK 7) an der Deutschen Sporthochschule Köln
Rechtsanwalt Volker Loeschner
Konfliktsituationen in der Pflege
Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung Patientenverfügung
Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch
Patientenanwaltschaft
Einheit 3: Überblick Verfassungsprozessrecht
Schneeverwehungen Vorgehen der Klausurbearbeitung:
Brandsicherheitswachdienst
Arbeitsschutz & Unfallverhütung
Einheit 12: Der Folgenbeseitigungsanspruch
§ 7 Informationsermittlung und Gefährdungsermittlung
Umgang mit Beschwerden im Betreuungswesen
Datenschutz-grundverordnung
Zusammenarbeit Grundbuch und Liegenschaftskataster
Für jetzt. für später. für mich. Lustvoll älter werden
Kinderpalliativmedizin und stationäres Kinderhospiz in Bayern
Präsentation der Evangelischen Jugend Schwerin
Teilhaushalt 04 – Jugend- wesentliche Produkte
Begleiteter Umgang im Wandel Begleiteter Umgang aus der Sicht der Familiengerichte: Die Absicht des Gesetzgebers und aktuelle Fallkonstellationen Prof.
Pflegestärkungsgesetz
Jugendhilfe im Strafverfahren
Die Arbeit der Gerichtshilfe im Kontext häuslicher Gewalt
Arbeitszeitrecht „Die einen arbeiten, die anderen gestalten Zeit“
Förderung der Gleichstellung von LGBTI in derEuropäischen Union
Wünsche an den stationären Sektor aus Perspektive der fachärztlichen ambulanten Versorgung Alicia Navarro Ureña | FÄ Psychiatrie & Psychotherapie | Itzehoe.
Förderung der Gleichstellung von LGBTI in derEuropäischen Union
Jugendarbeit-freistellungsgesetz
Alexianer Dialog zur Weiterentwicklung der Hilfen für psychisch erkrankte Menschen Dialogforum „Versorgungsbereiche nach dem SGB V“ Bonn, 5.
Haben Sie vorgesorgt? AWO Betreuungsverein Kompass 19. Dezember 2019.
 Präsentation transkript:

PsychKHG für Bayern Dr. Rolf Marschner 16. 10. 2018

Gründe für eine Neuregelung des Unterbringungsrechts Entwicklungen in der Psychiatrie UN-BRK 2009 Rechtsprechung des BVerfG zur Zwangsbehandlung und Fixierung Reformen in anderen Bundesländern Trennung vom Maßregelvollzug

Bayerisches Unterbringungsgesetz Das Bayerische Unterbringungsgesetz ist von seiner Regelungsstruktur und seiner Begrifflichkeit (öffentliche Sicherheit und Ordnung) einem polizeirechtlichen Ansatz verhaftet Hilfen werden nicht konstituiert. Es wird auf bestehende Versorgungsangebote sowie Hilfen des SGB verwiesen

Vom Polizeirecht zum Gesundheitsrecht Bei der Unterbringung handelt es sich im Kern nicht mehr um polizeirechtliche Gefahrenabwehr Unterbringung als psychiatrische Krisenintervention im Rahmen eines Gesamtkonzepts psychiatrischer Hilfsangebote (Gesundheitsstrukturrecht)

Entwicklungsschritte Bayerisches Verwahrungsgesetz vom 30. 4. 1952 NRW PsychKG v. 2. 12. 1969 Bayerisches Unterbringungsgesetz vom 5. 4. 1992 Neuregelung der Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht vom 2013/2017 Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz vom 17.7.2015 Bayerisches PsychKHG vom 24. 7. 2018

Unterbringungspraxis in Bayern In Bayern wird wesentlich häufiger zivilrechtlich und insbesondere nach § 1846 BGB untergebracht als in anderen Bundesländern PsychKHG ermöglicht eine sachgerechte Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und betreuungsrechtlicher Unterbringung (Krisenintervention – längerfristiger Betreuungsbedarf).

Unterbringungszahlen Justizstatistik 2014 (Unterbringungsverfahren)   1906 BGB 1846 BGB UG Bayern: 36847 10718 13072 Bund: 135162 16189 83034 Anteil Unterbringungsverfahren/1000 EW (2014) Bayern: 2,9 0,84 1,03 Bund: 1,66 0,2 1,02

Zahlen zur Zwangsbehandlung in Bayern 2014 (Albus et.al.) Patienten stationär: 66954 Freiwillig: 56815 Untergebracht nach BGB 9629 Untergebracht nach UG 510 Zwangsbehandelt 338 (0,5%) Tage ab Aufnahme bis ZB 27,2

Gesetzgebungsverfahren Bayerischer Landtag vom 15. 7. 2014 Gesetzentwurf der GRÜNEN 2014/2015 Runder Tisch 2015 Gesetzentwurf vom 10. 4. 2018 – Kritik LT-Anhörung am 24. 4. 2018 BayPsychKHG vom 24. 7. 2018 Inkrafttreten 1. 8. 2018/1. 1. 2019

Überblick PsychKHG Präambel Stärkung der psychiatrischen Versorgung (Hilfen): Art. 1 - 4 Öffentlich-rechtliche Unterbringung: Art. 5 – 37 Schlussvorschriften: Art. 38, 39

Hilfen Art. 1 Krisendienste Art. 2 Zusammenarbeit und Prävention Art. 3 Selbsthilfe Art. 4 Psychiatrieberichterstattung Nicht: Sozialpsychiatrische Dienste GPV Sicherstellungspflicht der Hilfen

Voraussetzungen der Unterbringung (Art. 5) Psychische Störung Ohne oder gegen den Willen Erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung oder Gefährdung des Allgemeinwohls Keine milderen Mittel (Krisendienst)

Verhältnis zur zivilrechtl. Unter- bringung (Art. 5 Abs. 1 S. 2) Praxis: § 1846 BGB Fremdgefährdung Selbstgefährdung – Betreuer ist bestellt Selbstgefährdung – Betreuer ist nicht bestellt Rangverhältnis?

Unterbringungsziele (Art. 6) Heilung bzw. Stabilisierung, damit keine Gefährdungen mehr Gefahrenabwehr

Einrichtungen (Art. 8) Psychiatrische Krankenhäuser und Abteilungen Aufnahmepflicht Sonstige geeignete Krankenhäuser Sonstige geeignete Einrichtungen für behinderte Menschen, wenn ärztliche Versorgung sichergestellt ist Zulassung/Beleihung

Unterbringungsverfahren Gerichtliche Unterbringung auf Antrag der KVB (Art. 15, §§ 312ff. FamFG) Vorläufige gerichtliche Unterbringung auf Antrag KVB (Art. 16, §§ 331ff. FamFG) Sofortige Unterbringung KVB (Art. 11) Sofortige Unterbringung Polizei (Art. 12) Sof. Unterbringung Einrichtung (Art. 13) Verfahren b. sof. Unterbringung (Art. 14)

Behandlung (Art. 18 - 20) Aufnahme Behandlungsplan Grundsatz der einverständlichen Behandlung

Zwangsbehandlung I (Art. 20 Abs. 3) Anlasskrankheit und sonstige Erkrankungen Wiederherstellung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit Abwendung einer Gefahr für Leben oder Gesundheit des Betroffenen Abwendung einer Gefahr für Leben oder Gesundheit eines anderen

Zwangsbehandlung II (Art. 20 Abs. 4) Aufklärung Überzeugungsversuch ZB muss geeignet und erforderlich sein Keine milderen Mittel, Nutzen – Risiko-Abwägung Krankheitsbedingte Aufhebung der Einsichts- und Handlungsfähigkeit (außer bei Fremdgefährdung) Keine entgegenstehende Patientenverfügung

Verfahren bei der ZB (Art. 20 Abs. 5, 6) Ärztliche Anordnung Ärztliche Dokumentation, Durchführung und Überwachung Vorherige Genehmigung des Betreuungsgerichts Ausnahme bei Gefahr im Verzug: Genehmigung ist nachzuholen Bei Mdj.: Zustimmung des ges.Vertreters

Vollzug der Unterbringung Besuch (Art. 23) Schriftverkehr, Telekommunikation (Art. 24) Offene Gestaltung, Belastungserprobung – Lockerung (Art. 26) Beendigung der Unterbringung (Art. 27)

Besondere Sicherungs-massnahmen (Art. 29) Erhöhte Gefahr von Gewalttätigkeiten, Gefahr der Selbsttötung, Selbstverletzung oder Fluchtgefahr Katalog der Sicherungsmaßnahmen (insb. ständ. Beobachtung, Fixierung, Isolierung, unmittelbarer Zwang) Fixierung nur bei Gewalt gegen Personen, Gefahr der Selbsttötung, Selbstverletzung

Verfahren bei Fixierung/Isolierung Vorherige gerichtliche Genehmigung, wenn längerdauernd (= > ½ Stunde) oder regelmäßig Bei Gefahr im Verzug unverzügliche Nachholung der Genehmigung Ärztliche Anordnung, Dokumentation und Überwachung (BVerfG) 1:1 Betreuung (BVerfG)

Sonstige Vorschriften Mitteilungspflichten an Polizei bei Fremd-gefährdung (Art. 14 Abs. 4, 27 Abs. 4) Anonymisiertes Melderegister (Art. 33) Kosten der Unterbringung (Art. 35, 36) Besuchskommissionen (Art. 37)

Auswirkungen in der Praxis? In akuten Krisen ohne offensichtlichen Betreuungsbedarf PsychKHG-Unter-bringung statt 1846 BGB-Unterbringung Entlastung der Betreuungsressourcen Gerichtliche Genehmigungsverfahren bei ZB, Fixierung und Isolierung Reduzierung von Zwang durch vorrangige Hilfen (Krisendienst)