Crack: Grundlagen und Behandlungsmöglichkeiten Priv.-Doz. Dr. med. Christian Haasen ZIS Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg www.zis-hamburg.de
Übersicht Wirkung Pharmakotherapeutische Strategien Psychotherapeutische Interventionen Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Kokain Crack Erythroxylon coca Kokainhydrochlorid
Prävalenz Kokainkonsum USA (NHSDA 1999) % der Bevölkerung Europa (EMCDDA 2000) Lebenszeitprävalenz 0,5-6% Jahresprävalenz 0,1-2%
Pharmakologische Wirkung Lokal: nervlicher Impuls wird blockiert Zentral: Stimulation Inhibition der Wiederaufnahme von Noradrenalin, Serotonin & Dopamin Erleichterte Freigabe von Noradrenalin & Dopamin Netto: Steigerung der Neurotransmitterspiegel Chronisch: erhöhte Erregungs-schwelle in dopaminergen Bereichen aufgrund einer Downregulierung
Psychische Wirkung Erwünschte Symptome: Euphorie, Energiegefühl Erhöhtes Selbstvertrauen Erhöhte Aufmerksamkeit, Wahrnehmung Reduziertes Schlafbedürfnis Unerwünschte Symptome: Erhöhte Angst & Misstrauen, Dysphorie Wahnvorstellungen Halluzinationen Erregung + soz. Umfeld = Aggressivität
Wirkungsunterschied Beginn zentralnervöser Wirkung Kokain nasal: nach 15-60 min. Kokain i.v.: nach 30-120 sec. Crack: nach 5-10 sec. Entsprechende Unterschiede beim Abklingen der Wirkung Intensität
Crack- Konsummuster Kurze Dauer Schnell euphorisierend Schwere depressive Nachschwankung => extremeres Craving => Binge Höheres Abhängigkeits-risiko (Crack 1:5 vs. Kokainhydrochlorid 1:20) Toleranzentwicklung Anschließende Schlafphase zur Erholung der Neuro-transmittersysteme
Medizinische Risiken des Crackkonsums Verbrennungen Rachen und Lunge Vermehrte Lungenerkrnkungen, auch Tuberkulose! Vasokonstriktion: z.B. Herzbeschwerden Krampfanfälle Zentrale Erregung bis hin zu Herzrhythmusstörungen Ateminsuffizienz ABER: meistens im Zusammenhang mit anderen Substanzen
Pharmakotherapie, generell Behandlung der Entzugssymptome Behandlung der psychischen Begleiterscheinungen Behandlung der Komorbidität Behandlung der somatischen Komplikationen Entwöhnung - Reduktion des Cravings
Pharmakotherapie, speziell Antidepressiva (Trizykl., SSRI) Methylphenidat, Amantadine, Disulfiram, Neuroleptika, Carbamazepin, Naltrexon, Buspiron, Phenytoin, Bupropion, Bromocriptin Effektivere Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen (z.B. Heroinverschreibung) Bisher KEINE effektive Pharmakotherapie der Kokainabhängigkeit bekannt!!! Preuss et al.: Fortschr Neurol Psychiat 2000; 68:224-238 Silva da Lima et al.: Addiction 2002; 97:931-949
NIDA Collaborative Cocaine Treatment Study (CCTS) multizentrische randomisierte Untersuchung Effektivität von 4 psychosozialen Interventionen für KokainkonsumentInnen: Individuelle Drogenberatung (IDC) + GDC Kognitive Therapie (CT) + GDC Supportiv-Expressive Therapie (SE) + GDC Drogenberatung als Gruppensitzung (GDC)
CCTS: Interventionen Kognitive Therapie n. Beck (CT) Modell: Spezifische irrationale Annahmen sind für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeit verantwortlich. Therapie: Identifikation irrationaler Annahmen – Überprüfung – Modifikation durch funktionalere Gedanken
CCTS: Interventionen Supportiv-Expressive Therapie n. Luborsky Modell: Abhängigkeit als Reaktion auf das „Zentrale Beziehungskonfliktthema“ Therapie: Betonung der emotionalen Reaktionen auf Beziehungsprobleme - Einsicht in die Rolle des Drogenkonsums
CCTS: Design 14-tägige Orientierungsphase 1 Gruppensitzung + 2 Case-Management - Sitzungen 6-monatige aktive Therapiephase Woche 1 - 12: 2 Therapiesitzungen (50 Min.) p. Woche Woche 13 - 24: 1 Therapiesitzung pro Woche Woche 1 bis 24: 1 GDC (90 Min.) pro Woche 3-monatige Auffrischungsphase (Booster) 1 Therapiesitzung im Monat GDC: 1 Einzelsitzung im Monat mit GruppentherapeutIn Untersuchung nach 6, 9, 12 Monaten
CCTS: Stichprobe (N=487) Durchschnittsalter: 34 Jahre; 77% Männer Alleinstehend (70%) und erwerbstätig (60%) Konsumform: Crack (81%), nasal (17%), i.v. (2%) Konsum bei Aufnahme: Kokain 10 Tage/Monat; Alkohol 7 Tage/Monat Konsumdauer Kokain: 7 Jahre (SD= 4.8)
CCTS Ergebnisse: Dropout - Raten
CCTS Ergebnisse: Kokaingebrauch (30 Tage)
CCTS Ergebnisse: kontinuierliche Abstinenz
CCTS: Schlussfolgerungen Insgesamt schlechte Haltequote: 28% reguläre Beender Höhere Haltequoten der Psychotherapien CT und SE Signifikanter Rückgang des Kokainkonsums bei allen Interventionen Psychosoziale Interventionen sind effektiv IDC (+ GDC): stärkere Reduktion des Drogen- und Kokainkonsums, höhere Abstinenzraten & schnelleres Erreichen der Abstinenz
Probleme bei der Bewertung von Studien zur Kokainbehandlung Haltequote keine Standardbehandlung Übertragbarkeit auf europäische / deutsche Verhältnisse
Kokainbehandlung: Interventionen Kognitive Verhaltenstherapie Verhaltenstherapie / Kontingenzmanagement Individuelle Drogenberatung 12-Schritte-Modell Akupunktur (- Entspannungsverfahren) Maßnahmen zur „Entschleunigung“
Kognitive Verhaltenstherapie Modell: Lernprozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung des Konsums. Lernprozesse können auch für die Einstellung oder Reduzierung des Konsums genutzt werden. Therapie: Erkennen von Hochrisiko-Situationen durch funktionale Analyse Entwicklung von Coping-Strategien Entwicklung von Strategien zur Vermeidung eines Rückfalls nach einem „Ausrutscher“ Kokainsprechstunde, Uniklinik Hamburg: Auch bei CrackkonsumentInnen effektiv
VT/ Kontingenzmanagement Modell Kokainkonsum wird als operantes Verhalten durch die positive Drogenwirkung aufrechterhalten. Die Reduzierung und Einstellung des Konsums kann durch die Verstärkung drogenfreien Verhaltens erreicht werden. Therapie Initiierung und Aufrechterhaltung der Abstinenz durch Belohnung Aufbau und systematische Verstärkung drogenfreien Verhaltens Unfassende Neustrukturierung des Alltags
VT / Kontingenzmanagement „Day Treatment Abstinence Contingencies And Voucher“ für wohnungslose CrackkonsumentInnen Nach 2 Monaten und min. 2 Wochen Abstinenz Überleitung in ein 4-monatiges Arbeitsprogramm Renovierung von abbruchreifen Häusern Lohn Miete für Zimmer in renovierten Häusern Positive Urinproben: Ausschluss von Arbeitsprogramm und Verlust des Zimmers Wiederaufnahme in Arbeitsprogramm und Rückkehr ins Zimmer nach 2 Wochen erneuter Abstinenz
Akupunktur (NADA-Protokoll) Modell Akupunktur wirkt schmerzlindernd, entspannend und reduziert das Drogenverlangen. Diese Effekte haben (indirekt) Einfluss auf das Konsumverhalten Therapie Akupunktur ist Begleittherapie! Die subjektiv empfundene Wirkungen und der nonverbale Charakter ermöglichen bzw. fördern die Inanspruchnahme von psychosozialen Behandlungen
„Entschleunigung“ Ruheräume: variable Schlafphase nach Binge niedrigschwellige Akupunktur Entzug als „time out“ Vermittlung bzw. Förderung von Selbstkontroll-strategien / peer-involvement Vernetzung mit - psychiatrischer Akutversorgung - Wohnmöglichkeiten durch Case-Management / Einzelfallhilfe
Behandlungsmanuale der NIDA www.drugabuse.gov/drugpages/cocaine.html Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) Gemeindenahes Verstärkermodell (CRA) Individual Drug Counseling (IDC) www.samhsa.org
Schlussfolgerungen Craving bei Crack: erhöhte Suchtgefahr Pharmakotherapie generell nicht effektiv, aber im Einzelfall zu prüfen Unterschiedliche psychotherapeutische Interventionen sind effektiv!!! Psychosoziale Maßnahmen zur Risikominimierung notwendig