Antidepressiva bei Demenz

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 Präsentation transkript:

Antidepressiva bei Demenz CONTRA Prof. Dr. C. von Arnim Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm Klinik für Neurogeriatrie und neurologische Rehabilitation

Demenz & Depression Auch eine Depression kann kognitive Defizite verursachen und sollte daher vor der Diagnose einer Demenz ausgeschlossen werden. Hinweise für: kognitive Leistungsbeeinträchtigung u/o Alltagsbeeinträchtigungen u/o Persönlichkeitsveränderungen Eigen-/Fremdanamnese Psychopathologischer Befund Körperl. Untersuchung Kognitiver Kurztest (z.B. MMST) Depression, Delir etc. Demenzdiagnose inkl. Schweregrad Blutlabordiagnostik Zusatzuntersuchungen Zerebrale Bildgebung Ätiologische Differenzierung S3-Leitlinien Demenz 2016

Psychische und Verhaltenssymptome… treten oft schon im Vorfeld einer Demenz auf. sind mit schlechterer Prognose assoziiert. Reizbarkeit Depression Schlafstörungen Angst Appetit Unruhe Apathie Euphorie Motorische Unruhe Halluzinationen Verwirrtheit Enthemmung Morris et al., Neurology 2015 Hahn et al., Am J Ger Psych, 2014

Liquordiagnostik unterstützt die Diagnosestellung einer Demenz Hohe diagnostische Trennschärfe in der Früh- und Differentialdiagnose In der Abgrenzung zur Depression Ab Tau Imaging-based technologies are relatively expensive and not readily transferred to community-based clinical settings, so fluid biomarkers are still desirable should the level of sensitivity and specificity for predicting conversion to dementia remain high. Ab1-42 and Tau differentiate very well betwenn Alzheimer and depression. This is data from a single center -our memory clinic- showing excellent differentiation between Alzheimer`s and non-neurodegenerative causes of cognitive impairment like depression. Here CSF-biomarkers are very helpful in clinical practice. AD Depression Control AD Depression Control Memory Clinic Ulm. Engelborghs S, Le Bastard N. Mol Diagn Ther 2012; 16:135-41; Olsson B et al. Lancet Neurology 2016; 15:673-84. 4

Psychische und Verhaltenssymptome bei Demenz Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia (BPSD) Bei den meisten Alzheimer-Patienten kommt es auch zu Veränderungen im Verhalten sowie zu funktionalen Defiziten. Bis zu 50% der Demenzpatienten leiden an Depressionen. Neuropsychiatrische Symptome sind Prädiktoren für die Angehörigenbelastung bei Demenz Unabhängige Primärvariable Regression B Koeffizient P MMSE -0,106 O,382 CSR 0,115 0,340 NPI (Gesamtscore) 0,482 <0,001 Einkommen -0,037 0,751 Kranlheitsdauer 0,081 0,525 - 82 AD Patienten (MMSE: 18.3; SD: 7) und pflegende Angehörige - Zarit‘s Burden Interview für pflegende Angehörige Allegri et al., Neuropsychiatr Dis Treat, 2006

Ursachen von Depression bei Demenz ? Reaktiv auf Veränderungen durch Demenz Manifestation der der Demenz zugrunde-liegenden pathologischen Veränderungen

Erste Veränderungen der Alzheimer-Pathologie (Tau) finden sich im Locus coeruleus Wachheit vermittelnder Kern im Hirnstamm Reguliert Verhaltensantworten wie Depression und Streß Locus coeruleus Braak & Del Tredici, Acta neuropathologica, 2011

Therapieoptionen Medikamentös Nicht-medikamentös

Antidepressiva zeigen bei moderater Demenz keinen (bzw Antidepressiva zeigen bei moderater Demenz keinen (bzw. geringen) Benefit: 14 Placebo (n=111) Sertralin (150mg-95mg) (n=107) Mirtazapin (45mg-30mg) (n=108) 12 CSDD score 10 8 6 13 Wochen 39 Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie bei Patienten mit Demenz und Depression. Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib Banerjee et al, Lancet, 2011 S3-Leitlinie Demenz 2016

Stellenwert von Antidementiva In einer Übersichtsarbeit über RCTs zu Antidementiva wird aus sekundären Endpunktanalysen des NPI-Einzelitems Depression eine Wirksamkeit von Donepezil auf depressive Symptome bei mittelschwer bis schwer Erkrankten in zwei Studien berichtet Cummings JL, et al., Alzheimers Dement 2008; 4: 49-60.

Empfehlungen der S3-Leitlinien zu psychosozialen Interventionen Reminiszenzverfahren können in allen Krankheitsstadien aufgrund von Effekten auf die kognitive Leistung, Depression und lebensqualitätsbezogene Faktoren zur Anwendung kommen . Empfehlungsgrad B, Evidenzebene IIb Zur Behandlung depressiver Symptome bei Demenzerkrankten sind Edukations- und Unterstützungsprogramme von Pflegenden und Betreuenden wirksam und sollten eingesetzt werden. Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib Statement: Zur Behandlung depressiver Symptome bei der leichten Demenz können individualisierte patientenbezogene Interventionen, kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren und strukturierte Freizeitaktivitäten positive Effekte erzielen.

Psychische oder Verhaltenssymptome liegen vor Psychosoziale Interventionen Allgemein: verstehende Diagnostik (Identifikation von Bedingungsfaktoren), validierendes Verhalten, patientenzentriertes Verhaltensmanagement, Angehörigen -und Pflegendenschulung Abgestimmt auf den Erkrankten: kognitive Stimulation, Erinnerungspflege, Musiktherapie, sensorische Stimulation, Bewegungsförderung, körperliche Berührung, Snoezelen Antidementive Pharmakotherapie Leichte bis mittelschwere Alzheimer Demenz: Galantamin, Donepezil Mittelschwere (moderate) bis schwere Alzheimer Demenz: Memantin Zusätzliche Verfahren bei definierten Symptomen oder Syndromen Depression Strukturierte Freizeitaktivitäten Unzureichende Besserung Antidepressiva ohne anticholinerge Wirkung S3-Leitlinien Demenz 2016

Fazit Keine Medikamentengabe aus falscher Indikation! Eine sorgfältige Differentialdiagnostik ist notwendig. Depression bei Demenz hat andere neurobiologische Grundlagen als Major Depression. Auswahl geeigneter Medikamente noch Gegenstand der Forschung. Nicht-medikamentöse Ansätze mit großem Stellenwert.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Prof. Dr. C. von Arnim Gedächtnissprechstunde Neurologische Klinik Universität Ulm 0731 / 500 – 63089 Gedaechtnis.ambulanz@uniklinik-ulm.de

Psychosoziale Interventionen zur Behandlung von Depression In einer systematischen Übersichtsarbeit über RCTs zur Behandlung von Depression bei Demenzer-krankten in Pflegeheimen wurde Evidenz für Wirksamkeit durch den Einsatz supervidierter ehrenamtli-cher Kontakte, kognitiver Gruppentherapie und Therapie durch Freizeitaktivitäten beschrieben 368. In einer weiteren Übersichtarbeit zur Behandlung von Depression bei Demenzerkrankten über 11 RCTs wurde im Besonderen die Wirkung von Unterstützung und Edukationsprogrammen für Pflegende als wirksam herausgestellt. Betont wird die Wirksamkeit durch Individualisierung der Programme, den Einsatz verschiedener kombinierter Verfahren und die Auswahl der Themen in einer Intervention (z.B. Problemlösestrategien, Durchführung angenehmer Tätigkeiten durch Angehörige) 369. In einem RCT bei 72 Demenzkranken zeigte sich Evidenz für Wirksamkeit auf depressive Symptome durch Verhaltenstherapie (Erhöhung angenehmer Tätigkeiten) bei Demenzerkrankten 370. Eine Cochrane-Metaanalyse zu verhaltenstherapeutischen Verfahren zur Behandlung der Depression bei Demenz zeigte positive Effekte (d= -0,22. Die Autoren weisen daraufhin, dass 5 der 6 RCTs ein methodisch bedingtes mittleres bis hohes Risiko zur Verzerrung (Bias) haben 371. In einem weiteren RCT finden sich Hinweise für Wirkung von körperlichen Übungen auf Depressi-onssymptome bei Betroffenen mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz in Pflegeheimen

In einer Metaanalyse über fünf RCTs zeigt sich eine Wirksamkeit von Antidepressiva gegenüber Placebo sowohl bezogen auf Response als auch auf Remission (Verum: n=82, Placebo: n=83). Es wird eine "Number Needed to Treat" (NNT) in Bezug auf Response und Remission der Depression von jeweils 5 angegeben 262. Dies entspricht ungefähr der NNT in Antidepressivastudien bei Betroffenen ohne Demenz. Die eingeschlossenen Studien prüften folgende Medikamente: Imipramin 83 mg/maximal täglich, Clomipramin 100 mg/maximal täglich, Sertralin 100 mg/maximal täglich; Sertralin 150 mg/ maximal täglich und Fluoxetin 40 mg/maximal täglich. Der Schweregrad der Erkrankung in den Studien umfasste die leichte bis schwere Demenz. Die maximale Fallzahl in einer einzigen Studie waren 44 Patienten. Aufgrund der kleinen Fallzahlen lässt sich aber keine Aussage zum Risiko der Antidepres-sivabehandlung ableiten. Ebenso lässt sich aus der Metaanalyse keine Überlegenheit einer einzelnen Substanz oder Substanzgruppe ableiten. In den zwei Studien mit trizyklischen Antidepressiva wurde eine Verschlechterung der Kognition gezeigt. Bei keiner Studie kam es zu einer Besserung der Kognition

Was empfehlen die Leitlinien Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie bei Patienten mit Demenz und Depression. Bei der Ersteinstellung und Umstellung sollten trizyklische Antidepressiva aufgrund des Nebenwirkungsprofils nicht eingesetzt werden. Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib