WuV-Kurs Sachenrecht II Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)

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WuV-Kurs Sachenrecht II Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)

Sachverhalt zu Fall 9 Nach einem erfüllten Leben verstirbt V am wenige Monate nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau M. V hinterlässt die gemeinsamen Kinder B und S, die beide selbst kinderlos geblieben sind. Vor dem Notar N übertragen B und S am zum einen ein ihnen schon lange je zur Hälfte gehörendes Wiesengrundstück (Kaufpreis: Euro) und zum anderen ein ursprünglich allein der M gehörendes Seegrundstück (Kaufpreis: Euro) an K. Er wird am als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Am kommt B bei einem rätselhaften Unfall ums Leben. Die Obduktion ergibt, dass er an einer krankhaften Veränderung des Gehirns litt. Diese hatte zwar mit seinem Tod nichts zutun, führte aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu, dass er bereits bei Vertragsschluss mit K geschäftsunfähig war. S behauptet zwar, dass sie von den gesundheitlichen Problemen des B keine Kenntnis hatte. Fest steht aber jedenfalls, dass B schon einige Wochen vor Vertragsabschluss S vereinzelt nicht mehr als seine Schwester erkannte. S verlangt daraufhin die Berichtigung des Grundbuchs.

Sachverhalt zu Fall 9 K weigert sich mit der Begründung, dass das Geschäft nach dem Tod des B jedenfalls geheilt worden sei. S entgegnet, dass sämtliche Abreden unwirksam seien und eine Heilung deshalb nicht in Betracht komme. Jedenfalls bestehe aber kein Grund dafür, dass K das Grundstück endgültig behalten dürfe, weil der Kaufvertrag in jedem Fall hinfällig sei. K entgegnet, S habe die Geltendmachung dieses Anspruchs wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht verwirkt. -Frage 1a: Kann S von K Grundbuchberichtigung verlangen? -Frage 1b: Kann S von K die Rückübertragung der Grundstücke verlangen? Im Rahmen von Frage 1b ist davon auszugehen, dass K Eigentümer geworden ist.

Lösung zu Fall 9 Frage 1a: Kann S von K Grundbuchberichtigung verlangen? I. Anspruch aus § 894 BGB - Unrichtigkeit des Grundbuchs 1. Wiesengrundstück Ursprünglich hälftiges Miteigentum von B und S -Verfügung nach §§ 747, 873 I, 925 I BGB: dingliche Einigung (Auflassung) vor Notar; aber B war in diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so dass seine Willenserklärung nach §§ 104 Nr. 2, 105 I BGB nichtig ist

Lösung zu Fall 9 a) Verfügung über Bruchteilseigentum -Jeder Miteigentümer kann nach § 747 S. 1 BGB über seinen Anteil verfügen; über Gegenstand im Ganzen können sie nach § 747 S. 2 BGB nur gemeinschaftlich verfügen -Abgrenzung erfolgt nach Parteiwillen, der hier auf die Verfügung über das Grundstück im Ganzen gerichtet war -Konstruktion der gemeinschaftlichen Verfügung und Auswirkungen der Unwirksamkeit einer Teilhabererklärung sind str. -H.M.: einheitliche Verfügung über den Gesamtgegenstand; fehlerhafte Mitwirkung führt zur Verfügung als Nichtberechtigter und schwebende Unwirksamkeit (vgl. § 185 BGB)

Lösung zu Fall 9 -A.A.: koordinierte Verfügung über sämtliche Bruchteile der Mitberechtigten; Anwendung des § 139 BGB und damit idR. Unwirksamkeit des gesamten Geschäfts -Stellungnahme für h.M.: Wortlaut des § 747 S. 2 BGB spricht für einheitliches Geschäft; Gegenauffassung erscheint künstlich und konstruiert; Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in Rechtsverkehr, erleichterter Gütertransfer, falls nur schwebend unwirksam und nicht vollends nichtig b) Konvaleszenz durch Tod des B aa) Konvaleszenz durch Beerbung des Verfügenden nach § 185 II 1 Var. 3 BGB -S muss nach Tod des B Alleinerbin sein

Lösung zu Fall 9 -B hatte kein Testament (§ 1937) und verstarb kinderlos, auch Eltern (M und V) vorverstorben und keine Ehefrau, so dass S nach § 1925 I BGB gesetzliche (Allein-)Erbin zweiter Ordnung ist -Problem: Anwendung, falls im Zeitpunkt des Erbfalls kein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch besteht – str. -H.M. (u.a. BGH NJW 1994, 1470): Rechtsgrundabhängigkeit der Konvaleszenz nach § 185 II 1 Var. 3 BGB aufgrund des Normzwecks aus der Vereinigung von Recht und Pflicht in der Person des Erben; besteht kein Verschaffungsanspruch erfolgt teleologische Reduktion – hier § 105 I BGB nichtig -A.A.: unabhängig vom Rechtsgrund; dafür Abstraktionsprinzip, Entstehungsgeschichte

Lösung zu Fall 9 -Aber Anwendung des § 185 II 1 Var. 3 BGB setzt nach ganz h.M. voraus, dass Berechtigter als Erbe endgültig unbeschränkt für Nachlassverbindlichkeiten haftet (§§ 1922 I, 1967 I BGB) -Das ist nur der Fall, wenn entweder Inventarfrist nach § 1994 I 2 BGB versäumt wurde oder bei Inventaruntreue nach § 2005 I BGB – hier (-) -§ 185 II 1 Var. 3 BGB (-) bb) Konvaleszenz durch nachträglichen Rechtserwerb nach § 185 II 1 Var. 2 BGB -Gegen Anwendung des § 185 II 1 Var. 3 BGB spricht aber überhaupt die von h.M. gewählte juristische Konstruktion als gemeinsame Verfügung; danach handelt S als Nichtberechtigte und durch Tod des B ist sie nachträglich iSd. § 185 II 1 Var. 2 BGB Berechtigte geworden

Lösung zu Fall 9 -Vergleich zum Fall, dass ein einzelner Teilhaber ohne Einwilligung des anderen allein über den gemeinsamen Gegenstand verfügt -Wieder Streitfrage der Rechtsgrundabhängigkeit der Konvaleszenz -H.M.: keine Abhängigkeit von einem schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch; dafür: Entstehungsgeschichte, Wertung des Abstraktionsprinzips -Danach Heilung (+) durch Übergang nach § 1922 I BGB; Bruchteilsgemeinschaft endet ex lege, wenn sich sämtliche Anteile in einer Person vereinigen -A.A.: vom Rechtsgrund abhängig; Normzweck: Verstoß gegen widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium), wenn Verfügender dem schwebend unwirksamen Geschäft infolge des nachträglichen Rechtserwerbs die Genehmigung verweigerte

Lösung zu Fall 9 -Wirksamkeit des Kausalgeschäfts beurteilt sich nach ganz h.M. nach § 139 BGB (Wertung: Abstraktionsprinzip; Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind auf unterschiedliche Ziele gerichtet; dingliche Einigung ist eng begrenzt auf Rechtsübergang und kann nach § 185 BGB wirksam werden; gilt für schuldrechtliches Geschäft nicht) – also Heilung danach (-) -Stellungnahme für h.M.: Unabhängigkeit vom Rechtsgrund dient einer rechtssicheren Güterzuordnung und der Verwirklichung des Abstraktionsprinzips -Heilung nach § 185 II 1 Var. 2 BGB (+) c) Eintragung d) Zwischenergebnis: keine Unrichtigkeit

Lösung zu Fall 9 2. Seegrundstück a) Ursprünglich im Alleineigentum der M b) Entstehung einer Erbengemeinschaft -Nach Tod Übergang nach § 1922 I BGB auf die gesetzlichen Erben, kein Testament -Überlebender Ehegatte V erbt nach § 1931 I 1 iVm. § 1371 I BGB neben vorhandenen Kindern ein Viertel und bei Zugewinngemeinschaft ein weiteres Viertel, also zu ½ -B und S erben als gesetzliche Erben erster Ordnung nach § 1924 I, IV BGB jeweils ¼ -Nachlass steht der Erbengemeinschaft in gesamthänderischer Gebundenheit zu

Lösung zu Fall 9 -Mit Tod des V geht sein Vermögen nach § 1924 I, IV BGB zu gleichen Teilen auf S und B über c) Verfügung über einen Nachlassgegenstand -Erben einer ungeteilten Erbengemeinschaft können nach § 2040 I BGB über Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen -Einzelverfügung über Bruchteil an Erbengemeinschaft scheidet nach § 2033 II BGB a priori aus -Wiederum Verfügung der S als Nichtberechtigte und damit schwebende Unwirksamkeit, die nach § 185 II 1 Var. 2 BGB geheilt worden ist -Eintragung (+)

Lösung zu Fall 9 - Berechtigung (+) II. Ergebnis zu Frage 1a: kein Anspruch Frage 1b: Kann S von K die Rückübertragung des Grundeigentums verlange? - Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB I.Etwas erlangt: Eigentum am Grundstück (+) II. Durch Leistung: aufgrund Kaufvertrag (+) III. Ohne Rechtsgrund: Kaufvertrag ist nach § 139 iVm. §§ 104 Nr. 2, 105 I BGB vollumfänglich nichtig IV. Ausschluss nach § 814 BGB

Lösung zu Fall 9 -Kenntnis der Nichtschuld: Parallelwertung in der Laiensphäre -S wusste, dass B sie nicht mehr erkannte; sie musste damit rechnen, dass etwas mit B nicht stimmte, er möglicherweise geschäftsunfähig war -Aber: S hatte zu keinem Zeitpunkt die für § 814 BGB erforderliche sichere Kenntnis von der Geschäftsunfähigkeit; dies hätte nur durch eine nervenärztliche Untersuchung sichergestellt werden können -Bloße Zweifel und grob fahrlässige Unkenntnis genügen nicht V. Verwirkung des Anspruchs -Wegen mangelnder Aufklärung über die Möglichkeit der Geschäftsunfähigkeit des B

Lösung zu Fall 9 -Dieser Umstand mag Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB auf negatives Interesse begründen, aber schließt nicht Rückgewähranspruch als solchen aus -Für Verwirkung ist Zeit- und Umstandsmoment erforderlich -Hier: verhältnismäßig kurze Zeit und keine besonderen vertrauensbildenden Umstände ersichtlich -Unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB (+), falls Geltendmachung des Anspruchs zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führt -S hatte keine sichere Kenntnis hinsichtlich Geschäftsunfähigkeit; hat die mögliche Geschäftsunfähigkeit auch nicht zu treuwidrigen Zwecken ausgenutzt; vielmehr war ihr daran gelegen, das Geschäft gemeinsam mit ihrem Bruder durchzuführen

Lösung zu Fall 9 VI. Ergebnis zu Frage 1b: Rückübertragungsanspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB (+)

Sachverhalt zu Fall 9 Abwandlung Für die Bearbeitung der Abwandlung ist anzunehmen, dass B am Leben und uneingeschränkt geschäftsfähig ist. Außerdem gehörte das Seegrundstück ursprünglich nicht M, sondern V. Nach dem Tod des V wird B und S ein Erbschein erteilt, in welchem sie als Miterben zu je ½ ausgewiesen sind. Daraufhin werden beide als Eigentümer des Grundstücks in Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Im Rahmen des vor N beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrages wird das Grundstück gegen Zahlung in Höhe von Euro an S als Alleineigentümerin veräußert. Nach ihrer Eintragung im Grundbuch stellt sich am infolge eines noch kurz vor dem Tod des V eingeleiteten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens heraus, dass V eine weitere Tochter D hinterlassen hat. -Frage 2a: Kann D von S die Berichtigung des Grundbuchs verlangen? -Frage 2b: Im Klagewege verlangt D von B und S das durch die Verfügung Erlangte heraus. Ist die Klage begründet?

Sachverhalt zu Fall 9 Bearbeiterhinweis Nehmen Sie gutachterlich umfassend zu den geltend gemachten Ansprüchen Stellung. Dabei sind alle aufgeworfenen Rechtsfragen – notfalls in einem Hilfsgutachten – zu erörtern.

Lösung zu Fall 9 Frage 2a: Kann D von S die Berichtigung des Grundbuchs verlangen? -Anspruch aus § 894 BGB I. Unrichtigkeit des Grundbuchs 1. Ausgangslage -Nach dem Tod des V erben B, S und D nach §§ 1922 I, 1924 I, IV BGB zu gleichen Teilen -Grundstück wird von den Miterben in gesamthänderischer Gebundenheit gehalten

Lösung zu Fall 9 2. Übertragung auf S vom Berechtigten -Übertragung setzt nach §§ 2040 I, 873 I, 925 I BGB die Mitwirkung sämtlicher Erben voraus -„Unbekannte“ Miterbin D war nicht beteiligt, also (-) 3. Gutgläubiger Erwerb -Redlicher Grundstückserwerb nach § 892 I 1 BGB: Verfügender als Eigentümer im Grundbuch ausgewiesen (+) -Rechtsgeschäftliche Verfügung iSe. Verkehrsgeschäfts

Lösung zu Fall 9 -Nach Normzweck, Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu schützen, darf Erwerber nicht – auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht – der Veräußererseite angehören -S war hier Erwerberin und zugleich Miterbin der veräußernden Erbengemeinschaft – § 892 I 1 BGB (-) -§ 2366 I BGB mangels Verkehrsgeschäfts (-) 4. Zwischenergebnis: Grundstück gehört noch immer B, S und D in gesamthänderischer Gebundenheit als Erbengemeinschaft II.Aktivlegitimation der D -Anspruch steht dem wahren Berechtigten zu, hier also B, S und D in gesamthänderischer Gebundenheit

Lösung zu Fall 9 -Aber: nach § 2039 S. 1 BGB kann jeder Miterbe die Eintragung der Erbengemeinschaft verlangen III. Kein Ausschluss durch unzulässige Rechtsausübung -unzulässige Rechtsausübung, wenn der Passivlegitimierte einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch gegen den wahren Berechtigten hat -Da D als Miterbin übergangen wurde, ist die nur durch B und S vorgenommene Auseinandersetzung unwirksam IV. Ergebnis zu Frage 2a: Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB, gerichtet auf Eintragung von B, S, und D in Erbengemeinschaft

Lösung zu Fall 9 Frage 2b: Begründetheit der Zahlungsklage I. Anspruch aus §§ 2018, 2019 I, 2021 BGB 1. Erbschaftsanspruch -Hat auch der übergangene Miterbe gegen andere Miterben, die ein weitergehendes Miterbenrecht für sich in Anspruch nehmen als ihnen nach Erbfolgeregelung tatsächlich zusteht 2. Unmittelbare Ersetzung -Rechtsgeschäftliche Mittelsurrogation nach § 2019 I BGB für Gegenstände, die mit Erbschaftsbesitzer mit Mitteln der Erbschaft erwirbt -Voraussetzungen: (a) durch Rechtsgeschäft, (b) mit Mitteln der Erbschaft und (c) wirksame Verfügung

Lösung zu Fall 9 -Verfügung war nach § 2040 I BGB grundsätzlich unwirksam -Aber: nachträgliche Genehmigung nach § 185 II 1 Var. 1 BGB durch uneingeschränkte Klageerhebung -Genehmigung bedarf nach § 182 II BGB auch keiner bestimmten Form 3. Herausgabe des Wertersatzes -Nach § 2019 I BGB ist erworbener Gegenstand dem Erben herauszugeben -B hat Geldbetrag iHv Euro erlangt; daran stehen D 1/3 zu, also Euro; gerichtet auf Wertersatz nach §§ 2021, 818 II BGB -S hat ebenfalls Euro erlangt, und zwar in Form ersparter Aufwendungen; sie zahlte Euro für ein Grundstück im Wert von Euro und hat ebenfalls Euro nach §§ 2021, 818 II BGB herauszugeben

Lösung zu Fall 9 II. Anspruch aus § 816 I 1 BGB -Verfügung durch Nichtberechtigte B und S (+) nach § 2040 I BGB -Wirksamkeit durch Klageerhebung nach § 185 II 1 Var. 1 BGB -Herausgabeanspruch auf jeweils Euro gegen B und S (+) III.Ergebnis zu Frage 2b: Ersatzanspruch gegen B und S iHv. jeweils Euro (+)

Lösung zu Fall 9 Weiterführender Hinweis: Der Fall entstammt Lieder, JuS 2012, 623 ff. Eingehend zu Fragen der Verfügungsbefugnis und Konvaleszenz: Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, 2015, S. 215 ff.