Grundstücksverkäufe, städtebauliche Verträge und Vergaberecht Beigeordneter Stephan Keller Städte- und Gemeindebund NRW.

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 Präsentation transkript:

Grundstücksverkäufe, städtebauliche Verträge und Vergaberecht Beigeordneter Stephan Keller Städte- und Gemeindebund NRW

2 I. Die neue Rechtssprechung 1.EuGH „Teatro Bicocca“ vom EuGH „Heizkraftwerk München vom EuGH „Roanne“ vom OLG Düsseldorf „Flugplatz Ahlhorn“ vom OLG Düsseldorf „Wuppertal“ vom VK Münster „Oer Erkenschwick“ vom (Beschwerdeentscheidung des OLG Düsseldorf am )

3 II. Allgemeine Schlussfolgerungen Begriff des öffentlichen Bauauftrages, § 99 III GWB: 1.Die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben; 2.die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung eines Bauwerks, das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll; 3.die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen.

4 II. Allgemeine Schlussfolgerungen Begriff des öffentlichen Bauauftrages, § 99 III GWB: 1.Auf einen eigenen Beschaffungsbedarf der Kommune kommt es nicht an. 2.Entscheidend ist die Sicherung der Verfügbarkeit des Bauwerks für die öffentliche Zweckbestimmung. Diese kann in der städtebaulichen Funktion des Bauwerks bestehen. 3.Varianten 1 und 2 sind immer einschlägig, wenn vertraglich eine Bauverpflichtung des Käufers (AN) vereinbart wird.

5 II. Allgemeine Schlussfolgerungen Begriff des öffentlichen Bauauftrages, § 99 III GWB: 4.In Variante 3 ist das Vorliegen einer Bauverpflichtung des AN nicht erforderlich, wenn nur ein Dritter das Bauwerk erstellt und hierbei die Erfordernisse der Kommune einhalten soll. 5.Entgeltlichkeit eines Bauauftrages auch, wenn Entgelt nicht vom Auftraggeber stammt. Auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Vermietung der Bauwerke zählen. 6.Auf das Eigentum am Grundstück kommt es nicht an !

6 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 1.Verkauf ohne Bauverpflichtung Die Gemeinde ist Eigentümerin eines nicht mehr benötigten Sportplatzgeländes. Die Gemeinde will das Grundstück verkaufen. Einziger Zweck des Verkaufs ist die Erzielung eines angemessenen Preises. Vorgaben hinsichtlich der künftigen Nutzung werden nicht gemacht. Fazit: Vergaberecht (-)

7 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 2.Verkauf mit nicht qualifizierter Baupflicht: Die Gemeinde hat eine ehemals landwirtschaftlich genutzte Fläche gekauft und diese mit einem qualifizierten B-Plan überplant, der ein reines Wohngebiet mit EFH-Bebauung ausweist. Die Gemeinde veräußert die einzelnen erschlossenen Grundstücke an die Erwerber. Im Kaufvertrag verpflichtet sich der Erwerber, das Grundstück zu bebauen. Fazit: Vergaberecht grds. (+), aber i. d. R. Schwellenwert unterschritten

8 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 3.Verkauf mit qualifizierter Baupflicht: Auf einem gemeindeeigenen Grundstück im Geltungsbereich eines qualifizierten B-Planes will ein Investor eine Seniorenresidenz mit Flächen für gesundheitsrelevante Dienstleistungen errichten. Die Gemeinde will ihm dieses Grundstück verkaufen, möchten aber vertraglich absichern, dass der Investor innerhalb einer bestimmten Frist auch tatsächlich baut und in der Bauausführung bestimmte gestalterische Vorgaben der Gemeinde umsetzt, die nicht im B-Plan vorgegeben sind. Fazit: Vergaberecht (+)

9 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 4.Verkauf mit faktischem Bauzwang: Die Gemeinde verkauft ein innerstädtisches Grundstück an einen Investor, der hierauf ein Einkaufszentrum errichten soll. Im Kaufvertrag findet sich ein Recht der Gemeinde, vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn der Investor nicht innerhalb von zwei Jahren mit dem Bau begonnen hat. Fazit: Vergaberecht (+)

10 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 5.Verkauf mit vorhabenbezogenem B-Plan und Durchführungsvertrag gem. § 12 BauGB: Ein Investor will auf einem gemeindeeigenen Grundstück ein Einkaufszentrum errichten. Die Gemeinde will ihm das Grundstück verkaufen. Das Baurecht soll durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan geschaffen werden. Fazit: Vergaberecht (+)

11 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 6.Verkauf mit vereinbarter Erschließungspflicht I Die Gemeinde verkauft eine ehemals landwirtschaftlich genutzte, jetzt als Baugebiet ausgewiesene Fläche an einen Unternehmer, der sich u. a. dazu verpflichtet, die erforderlichen Erschließungsanlagen zu errichten und die Erschließungsflächen anschließend unentgeltlich an die Gemeinde zurück zu übertragen. Im Übrigen soll er seinen Aufwand für die Erschließung über den Abverkauf der parzellierten Baugrundstücke refinanzieren. Fazit: Vergaberecht (+)

12 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 7. Verkauf mit vereinbarter Erschließungspflicht II Die Gemeinde beauftragt den Bauunternehmer A mit der Erstellung von Erschließungsanlagen für ein neu geplantes Gewerbegebiet. Nach Abschluss der Erschließungsanlagen zahlt die Gemeinde dem Unternehmer die hierfür vereinbarte Vergütung und erhebt von den Anliegern Erschließungsbeiträge. Fazit: Vergaberecht (+) aber: auch bisher schon herrschende Meinung!

13 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 8.Investor verfügt bereits über Grundstück Investor A möchte ein Einkaufszentrum errichten. Das Eigentum an den erforderlichen Grundstücken hat er bereits erworben. Das Baurecht soll durch einen vorhabenbezogenen B-Plan geschaffen werden. Pr.: (Privat-)Eigentum am Grundstück befreit die Kommune nicht von der Anwendbarkeit des Vergaberechts! aber: Eigentum als Ausschließlichkeitsrecht, das ein Verhandlungsverfahren ohne öff. Bekanntmachung (freihändige Vergabe) rechtfertigt (umstritten)

14 III. Konsequenzen für konkrete Fälle 9. Einbeziehung privater (Teil-)Flächen Investor A möchte ein Einkaufszentrum errichten. Ein Teil der dafür erforderlichen Flächen steht im Eigentum der Gemeinde. Einen anderen Teil hat der Investor bereits von privaten Dritten erworben. Neben dem Investor A hätte auch Investor B Interesse an einer Realisierung des Projektes. Lösung wie Fall 7 Alternativ: Offenes Verfahren oder Verhandlungsverfahren; Verfügungsbefugnis über Privatgrundstück als Mindestanforderung durch Bieter nachzuweisen.

15 IV. Verfahrensfragen Welches Verfahren kommt in Frage? 1.Offenes Verfahren (öffentliche Ausschreibung) 2.Verhandlungsverfahren mit öff. Vergabebekanntmachung 3.Wettbewerblicher Dialog 4.Verhandlungsverfahren ohne öff. Vergabebekanntmachung Empfehlung: i. d. R. Verhandlungsverfahren

16 IV. Verfahrensfragen Ablauf des Verhandlungsverfahrens: 1.Vorbereitung der Ausschreibung: 2.Bekanntmachung, § 32a VOB/A: 3.Bewerbungsfrist 52 Tage 4.Auswertung Teilnahmeanträge/vorgezogene Eignungsprüfung 5.Versand Vergabeunterlagen

17 IV. Verfahrensfragen Ablauf des Verhandlungsverfahrens: 6.Verhandlungsphase, ggf. mehrstufig 7.Termin für letzte Angebotsabgabe 8.Prüfung und Wertung 9.Entscheidung 10.Vorinformation (14-Tage-Frist, 13 VgV) 11.Zuschlag

18 IV. Verfahrensfragen Ausgewählte Probleme: 1.Problem der „Ausschreibungsreife“ i. S. d. § 16 VOB/A - unbedingter Vergabewille der Gemeinde ? - Realisierung möglich: rechtlich und technisch ? 2.Abweichung von bekanntgemachten Eckpunkten möglich ? 3.Definition der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung 4.Schadensersatzpflicht bei nicht gerechtfertigter Aufhebung der Ausschreibung

19 V. Fehlerfolgen Rechtsfolgen vergaberechtswidriger Verträge 1.Generell: Vergabenachprüfungsverfahren droht! 2.Nichtigkeit des Vertrages gem. § 13 VgV analog Vss.: mind. 1 weiterer Interessent im Verfahren 3.Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit des Vertrages VK Münster im Fall Oer Erkenschwick: Direktvergabe trotz Kenntnis der Rechtsprechung spricht für kollusives Zusammenwirken von Auftraggeber und Auftragnehmer! 4.Möglichkeit des EU-Vertragsverletzungsverfahrens

20 Ende Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !