Gemeinnützigkeit und Beihilferegularien im EU-Recht

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Ausgangssituation Immer mehr Bürger pflegen aus beruflichen oder familiären Gründen Kontakte zu Personen aus anderen Mitgliedstaaten! Folge= Rechtsberatungsbedarf!
Advertisements

Leitbilderstellung der Samtgemeinde Am Dobrock
Bagatellbeihilfen( de minimis)
Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät
Software und das neue Vertriebskartellrecht
Eingliederungsleistungen nach dem SGB II
Sitzung der Arbeitsgruppe EFRE 20
Wettbewerbspolitik in der EU
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Grundbegriffe des Arbeitsrechts
Daseinsvorsorge und Beihilferecht
Beihilfeverfahren.
Perspektiven für eine Europäische Stiftung
Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG)
VOB-Sofortpaket Anwendung der Präqualifikation
Grenzausgleich bei Ressourcensteuern: Europarechtliche Aspekte
Das Subsidiaritätsprinzip Grundlage der Kommunalen Selbstbestimmung & der gesetzlichen Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege Erstellt von der.
Vergleich der Gentechnik-frei Regelungen in AT, DE, FR und Südtirol
Sozialpolitik in Europa und das europäische Sozialmodell
Umsetzung des Projektes - CZ Zentrum für Regionalentwicklung.
Perspektiven der TEPs im ESF OP
Primärrechtliche Grundlagen
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
und die soziale Sicherheit
Folie 1 Stand: SIGNAL IDUNA Gruppe makv Beihilfeänderung des Bundes 2009 Änderung der Beihilfevorschrift des Bundes 2009.
Der Staat als Unternehmer (3) Öffentliche Unternehmen und EG- Wettbewerbsrecht SS 2009 Kurt Reindl Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2009,
D ACH V ERBAND S CHWEIZERISCHER P ATIENTENSTELLEN DVSP Gesundheitswesen Schweiz – werden wir europäisch? Vor- und Nachteile aus politischer Sicht Jean-François.
Das EU-Wettbewerbsregime im Bereich des vertikalen Vertriebs Stand: Januar 2009.
Mag. Marie-Therese Richter, B.A.
Europäische Dimension der Daseinsvorsorge
Betriebsbeschränkungs-Richtlinie
Die Schaffung des Binnenmarktes
Wirtschaftsverwaltungsrecht
Bernhard Spiegel Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse Arbeiten des Sozialschutzausschusses Stand Oktober 2008.
Beihilfen I. Rechtsgrundlage II. Inhalt III. Verfahren und Überwachung
Europarecht Materielles Recht
Entwurf 2005, aber: Kompetenz des Bundes ? Neuwahl 2005
Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) Einführung.
Beate Ehlers, MI, Referat III/4, Referentin Gutachterausschüsse für Grundstücksbewertung, Berufsrecht ÖbVI September gemeinsame Dienstbesprechung.
FAMILIENERNÄHRERINNEN AUF DEM ARBEITSMARKT:
Erfahrungen aus der Praxis
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Claims conference 2007 KKL Luzern 1./2. November 2007 Maurizio Gilleri.
Finanzierungsmöglichkeiten der kommunalen Jugendhilfe aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) in der EU - Förderperiode Eva-Maria.
Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Frühlingssemester 2014

Mitteilung der Europäischen Kommission KOM(2005)203 Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes gemäß Art.15 der Richtlinie 2002/22/EG.
Pflichtübung aus Europarecht 2. April 2014 Dr. Marie-Therese Richter, BA LL.M.
Umsetzungsergebnisse zum NRW-Förderinstrument Bildungsscheck Veranstaltung: Berufliche Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten am 28. November 2007.
SEVESO-II-RL und Störfall-Verordnung
2. Teil: Europäisches Kartellrecht D Grundzüge der Fusionskontrolle § 12 Grundlagen und Anwendungsbereich der Fusionskontrolle I. Funktion der Fusionskontrolle.
§ 14 Eingreifkriterien I.Prüfungsmaßstab: Erhebliche Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs (Substantial Impediment to Effective Competition = SIEC-Test),
§ 17 Ausnahmen vom Kartellverbot
Völker- und europarechtliche Wirkungen der UN- Behindertenkonvention – am Beispiel des Behindertenbegriffs Univ.-Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M.
§ 10 VO 1/2003 als Grundlage des EU-Kartellverfahrensrechts 2. Teil: Europäisches Kartellrecht C Kartellverfahrensrecht I. Die VO 1/2003 als neues Kartellverfahrensrecht.
Art. 81 und 82 EG: Sanktionen, Verfahren, Rechtsmittel - Überblick -
Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie für die Leistungen der Daseinsvorsorge Ökobüro; 20. Mai Mag. Martin Pospischill.
Pflichtübung aus Europarecht 21. Mai 2014 Dr. Marie-Therese Richter, BA LL.M.
Pflichtübung aus Europarecht 3. Einheit Dienstleistungsfreiheit
Öffentliches Wirtschaftsrecht I
Pflichtübung aus Europarecht 17. Dezember 2014 Dr. Marie-Therese Richter, BA LL.M.
2. Teil: Europäisches Kartellrecht
Die Zukunft der Erbringung sozialer Dienstleistungen im Binnenmarkt
Bundesvergabegesetz 2002 aus der Sicht einer Prüferin 97. Tagung des Fachausschuss für Kontrollamtsangelegenheiten 16. und Mag. Hildegard.
Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht 1 Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Frühlingssemester 2015 Fall 5 – Wettbewerbsrecht PD Dr. iur. Simon.
1 Europäische Initiativen und Instrumente zur Reorganisation öffentlicher Dienstleistungen Klaus Dräger Öffentliche Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck.
Bremisches Behindertengleichstellungsgesetz Rückblick sowie Vorstellung und Diskussion von Eckpunkten zur inhaltlichen Notwendigkeit der Überarbeitung.
Österreichs schwieriger Weg zur Inklusion Impulsreferat im Rahmen des Trialoges der Lebenshilfe Österreich St. Pölten, 17. November Dr. Erwin Buchinger.
| Folie 1 Das Umweltbundesamt stellt den Schutz der Umwelt und die Verbesserung der Umweltsituation in das Zentrum seiner Arbeit.
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 4. Stunde Art. 14 GG - Eigentumsgarantie I)Schutzbereich 1)Personaler Schutzbereich.
 Präsentation transkript:

Gemeinnützigkeit und Beihilferegularien im EU-Recht Referat zur Mitgliederversammlung der LAG Arbeit Rheinland-Pfalz e.V. in Mainz am 21. November 2007 von Joachim Rock Grundsatz- und Europareferent des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes e.V.

Was ist neu für gemeinnützige Träger ? Eine sehr kurze Einführung in das Europarecht Das europäische Beihilfenrecht: Grundsätze Ausnahmen Praxisrelevanz: Steuervorteile und Bürgschaften Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie Zusammenfassung und Ausblick

Was ist neu für gemeinnützige Träger? Deutschland hat ein wettbewerbliches System Die Regulierung durch die EU wächst. Eine weitere Liberalisierung ist politisch gewollt.

Eine sehr kurze Einführung in das EG-Recht: Die EG ist eine supranationale Organisation. Im Bereich der ihr übertragenen Kompetenzen kann sie selbständig Recht setzen. Dieses Recht genießt Anwendungsvorrang vor jeglichem nationalen Recht. Das EG-Recht zielt auf die Herstellung des freien Wettbewerbs.

Der Anwendungsbereich des EG-Rechts: Das Beihilfenrecht gilt für alle Unternehmen Unternehmen ist „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“ (funktionaler Unternehmensbegriff). Gemeinnützige Träger haben keine Sonderstellung.

Was ist eine Beihilfe ? Es gibt keine europarechtliche Definition. Alle staatlichen Begünstigungen können Beihilfen sein. Beispiele sind: Zuschüsse Verträge Steuerbefreiungen Beschäftigung von „Zivis“ u.a.m.

Was will das Beihilfenrecht? Art. 87 EGV untersagt Beihilfen, wenn sie Unternehmen / Bereiche begünstigen, den Wettbewerb verfälschen können und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Es besteht kein Beihilfenverbot, aber ein Überprüfungsrecht.

Das Verfahren der Beihilfenaufsicht Bei laufenden Beihilfen prüft die Kommission die Vereinbarkeit, bei neuen oder geänderten Beihilfen sind die Mitgliedstaaten meldepflichtig (Notifizierung). Das Verfahren endet mit einer Feststellung der Kommission (keine Beihilfe / zulässige Beihilfe / verbotene Beihilfe). Im Fall einer unzulässigen Beihilfe, die auch nicht durch den Rat zugelassen wird, ist eine Rückforderung zwingend.

Legalausnahmen (Art. 87 II EGV) Grundsätzlich mit dem Europarecht vereinbar sind Beihilfen sozialer Art an Verbraucher; zum Ausgleich von Katastrophenschäden; zum Ausgleich teilungsbedingter Lasten. Diese Ausnahmen haben nur noch geringe Praxisrelevanz.

Ermessensausnahmen (Art. 87 III EGV) Ausgenommen werden können Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Vorhaben im europ. Interesse von Wirtschaftszweigen oder –gebieten der Kultur und sonstige Beihilfen auf Beschluss des Rates.

Ausnahmen per Verordnung: Für typische Beihilfearten bestehen vier Gruppenfreistellungsverordnungen, in denen Ausnahmen von der Notifizierungspflicht formuliert sind. Dies betrifft: De-minimis-Beihilfen; KMU-Beihilfen; Ausbildungsbeihilfen; Beschäftigungsbeihilfen.

Die Altmark-Trans-Entscheidung des EuGH (2003) Nach Rechtsprechung des EuGH liegt keine Beihilfe vor, wenn: ein Unternehmen mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut ist und die Parameter, nach denen der Ausgleich bemessen wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden und der Ausgleich nicht über das hinausgeht, was durch die Verpflichtungen an Mehrkosten entsteht. Erfolgt die Betrauung nicht nach dem Vergabeverfahren, so ist hypothetisch anhand der entsprechenden Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens zu prüfen, ob der Ausgleich angemessen ist.

Das Monti-Paket der Kommission (2005): Das sog. Monti-Paket besteht aus: einer Änderung der Transparenz-Richtlinie, einem Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen und einer Gruppenfreistellungsverordnung, nach der bestimmte Beihilfen von einer Notifizierungspflicht befreit werden können.

Praxisbeispiel Gemeinnützigkeit: Steuervorteile können Beihilfen sein. Derzeit läuft ein Beschwerdeverfahren mit Präzedenzcharakter (Familienerholungsstätte AWO/SANO). Steuervorteile für gemeinnützige Organisationen stehen (noch) nicht grundsätzlich zur Disposition.

Beispiele für besondere Leistungen: a) Familien mit geringem Einkommen keine Zuschläge für Familien während der bundesweiten Schulferien soziale Preisstaffelung (etwa Ermäßigungen im Bereich Unterkunft und Verpflegung für Gäste, die nachweislich unter den gesetzlich festgeschrieben Einkommensgrenzen nach § 53 AO liegen sowie für Senioren über 75 Jahren) spezielle familienfreundliche Verpflegungsangebote (z.B. Getränke in Großpackungen) investive Kosten mit Auswirkungen einer niedrigen Preisgestaltung für Selbstversorger (z.B. Wasch- und Gemeinschaftsküchen) b) Familien mit behinderten bzw. pflegebedürftigen Angehörigen investive Kosten zur Herstellung von Barrierefreiheit erhöhte Personalkosten aufgrund von speziellen Integrationsleistungen c) Integration von Familien mit sozial ausgegrenzten Angehörigen z.B. Kosten für dementsprechend ausgebildetes Personal (etwa der Fachrichtungen Heilpädagogik, Sozialarbeit) d) kostenlose Zusatzangebote für Familien in belastenden Familiensituationen unentgeltliche Bereitstellung von erhöhtem Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit Beratungs- und Betreuungsleistungen im Vorfeld der Buchung (z.B. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Individualzuschüssen) Bereitstellung leicht und bundesweit zugänglicher Informationsunterlagen mit ausführlichen Angaben zu den für die einzelnen Zielgruppen relevanten Dienstleistungen bzw. thematischen Angeboten in diesem Zusammenhang auch Berücksichtigung von Einnahmeverlusten, die sich ergeben aus: § 53 Nr. 1 u. 2 AO: Verpflichtung zur 2/3 Belegung mit Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder wirtschaftlich hilfsbedürftig sind.

Was ist zu tun? Die Wettbewerbssituation ist zu berücksichtigen. Die Anmeldepflicht liegt auf öffentlicher Seite. Die Buchführung muss transparent sein und eine Zuordnung von Leistungen ermöglichen. Rechtsunsicherheiten sind möglichst zu minimieren. Besondere Leistungen sind zu profilieren. Die Problematik „im Hinterkopf“ behalten.

Praxisbeispiel Bürgschaften: Bürgschaften galten bis in die 90er nicht als Beihilfen. Bis 2006 waren Bürgschaften bis zu 20 Millionen Euro unproblematisch. Neue Rechtslage seit 2007: nur Bürgschaften bis 1,5 Millionen Euro fallen unter die De-Minimis-Regelung. Im Einzelfall bestehen höhere Grenzen (für Investitionen schon jetzt, für Betriebsmittel bald, für Kommunalbürgschaften jedoch noch nicht). Die Rechtslage ist „im Fluß“.

Was ist zu tun? Mit der Umsetzung ist immer häufiger zu rechnen. Bei Überschreiten der Grenze sind Bürgschaften „marktüblich“ einzuholen. Im Ernstfall: mit dem öffentlichen Partner verhandeln. Professionellen Rat suchen.

Dienstleistungsfreiheit – Abgrenzung: Die Niederlassungsfreiheit gilt u.a. für dauerhafte, selbständige Tätigkeiten. Das Entsendegesetz gilt für unselbständige, vorübergehende Arbeiten: es gilt das Günstigkeitsprinzip. Die DienstleistungsRL gilt für vorübergehende, selbständige Tätigkeiten.

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie …ist in Kraft seit dem 27.12.2006 …muss bis zum 28.12.2009 umgesetzt werden Prinzipiell nicht berührt werden u.a.: das nationale Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht; nicht-wirtschaftliche Dienste; Gesundheitsdienstleistungen, soweit reglementiert; soziale Dienstleistungen, wie gemeinnützige oder staatliche Integrationsmaßnahmen.

Konsequenzen für die Praxis Die Richtlinie bindet bislang nur Mitgliedstaaten. In der Umsetzung erfolgt eine systematische Prüfung des Rechts und der Verfahren. Gemeinnützige Dienste können sich auch nach der Umsetzung nicht darauf berufen. Der Wettbewerb wird zunehmen. Die Debatte um Mindestlöhne hat durch die DienstleistungsRL an Dynamik gewonnen.

Zusammenfassung und Ausblick: Die Stellung gemeinnütziger Träger ist (noch) nicht gefährdet. Der Wettbewerb in Europa wird zunehmen. Alleinstellungsmerkmale sind hervorzuheben. Mit der Öffnung nach Außen können sich neue Marktchancen ergeben.