Grundlagen der aquatischen Physik W. Kinzelbach, IfU
Inhalt Transportprozesse in der aquatischen Umwelt Strömungsvorgänge (Flüsse, Seen, Grundwasser) Mischungsvorgänge Chemische Reaktionen
Einige Grundbegriffe Wasser Volumen V m3 Abfluss Q m3/s Schadstoffe etc. Masse M g Konzentration c g/m3 Fracht Qc g/s
Tracereinleitung Rhein 1
Tracereinleitung Rhein 2
Abwassereinleitung Ostsee
Rauchfahne Ätna
Rauchfahne Schornstein
Tchernobyl-Fahne (26.4.1986)
CKW-Fahnen im Grundwasser Raum Heidelberg (1981)
Warmwassereinleitung Donau
Gemeinsamkeiten: Prozesse Mittlere Verfrachtung: Advektion Vermischung Molekulare Diffusion Turbulente Diffusion Dispersion Quellen und Senken Chemische und biologische Umwandlung Adsorption, Sedimentation
Advektion bei uniformer Strömung u 1s u Einheitsfläche Volumen, das in der nächsten Sekunde die Einheitsfläche quert Masse, die pro Sekunde durch die Einheitsfläche tritt: (kg/m2/s)
Zeitliche und räumliche Variabilität von Strömungsfeldern Turbulente Geschwindigkeitsvariationen Heterogenität eines Aquifers Laminare Strömung
Advektion bei zeitlich und/oder räumlich variabler (turbulenter) Strömung Mittelung über Zeit: Mittlere Advektion Turbulente Diffusion Mittelung über Raum: Dispersion
Typische Advektionsgeschwindigkeiten Fluss 1 m/s See 1 mm/s Grundwasser 1 m/d Bodenzone 1 m/a
Mischungsprozesse Molekulare Diffusion (durch Molekularbewegung) Turbulente Diffusion (durch Wirbel) Dispersion (durch systematische räumliche Variabilität der Strömungsgeschwindigkeit)
Molekulare Diffusion Durch das Ficksche Gesetz beschrieben Einheit: kg/m2/s Diffusionskoeffzient Dm in Wasser in der Grössenordnung 10-9 m2/s
Turbulente Diffusion Wird in Analogie zum Fick‘schen Gesetz beschrieben Einheit: kg/m2/s Turbulente Diffusionskoeffizienten im Fluss ungleich in vertikaler und transversaler Richtung. Näherungsformeln: mit h Wassertiefe, IE Reibungsgefälle Grössenordnung: 0.01-0.1 m2/s
Fickscher Diffusionsprozess Oder: Schwerpunkt: xs = ut Breite der Verteilung:
Dispersion Wird in Analogie zum Fick‘schen Gesetz beschrieben Einheit: kg/m2/s Näherungsformel für Fluss: mit h Wassertiefe IE Reibungsgefälle Grössenordnung: 1-100 m2/s
Wirkungsweise der Dispersion Differentielle Advektion wird durch laterale turbulente Diffusion asymptotisch zu Dispersion, die dem Fickschen Gesetz folgt. Dispersion folgt aus der gemittelten Betrach- tung und wird durch systematische räumliche Variationen in der Geschwindigkeit verursacht
Alle Stoffflüsse in der Übersicht Advektion Molekulare Diffusion Turbulente Diffusion Dispersion Gesamtfluss
Massenbilanz: in 1D V=ADx Erhaltungsgleichung für gelöste Masse Zeitintervall [t, t+Dt] Speicherung von gelöster Masse Verluste aus Abbau nach Reaktion 1. Ordnung Gewinn durch Einträge V=ADx Dx x x+Dx Erhaltungsgleichung für gelöste Masse
Transportgleichung 1D Im Limes: Nach Einsetzen der Ausdrücke für die Flüsse Verallgemeinerung auf 3D:
1D Transportgleichung Molekulare Diffusion Turbulente Diffusion und Dispersion Quellen/ Senken Advektion Speicherung Strömungsmodell Konti.-gleichung Impulsgleichung Energiegleichung Zustandsgleichungen Diffusions/ Dispersionsmodell z.B. Ficksches Gesetz mit anisotropem Dispersionstensor Quellen/ Senkenmodell Z. B. Chem Abbau Bio. Umwandlung Sedimentation Adsorption
Invarianten Typische Zeitskalen Dimensionslose Verhältnisse Advektion TA = L/u Diffusion/Dispersion TD = L2/D Chemie (Reaktion 1. Ordnung) TC = 1/l Dimensionslose Verhältnisse Peclet Zahl Pe = TD/TA = uL/D Damköhlerzahl Da = TD/TC = (lL2)/D
Strömung in Flüssen Normalabfluss: Gleichgewicht zwischen Hangabtrieb und Reibung, Energiegefälle IE = Sohlgefälle IS u querschnittsgemittelte Fliessgeschwindigkeit kstr Stricklerbeiwert rhy hydraulischer Radius (Querschnittsfläche/Benetzter Umfang) Q Abfluss Verallgemeinerung für gegliedertes Gerinne
Geschwindigkeitsprofile Vertikal: Logarithmisches Profil Horizontal: Z. B aus Normalabfluss im gegliederten Gerinne z dw Ai, ui, Qi
Kritischer Abfluss Fr = 1 mit Fr < 1 Strömen Fr > 1 Schiessen b Wasserspiegelbreite Flachwasserwellengeschwindigkeit
Saint-Venant Gleichungen Kontinuitätsgleichung Impulsgleichung Für Rechtecksgerinne: Stationäre Gleichungen mit q = 0 und A = bh, Q = bhu liefern Daraus: z. B. Staukurve
Staukurvenberechnung Differenzenapproximation strömender Fall: Je eine Randbedingung oberstrom und unterstrom Berechnung stromauf von unterer Randbedingung her (Einstauhöhe am Wehr) Starte Berechnung bei xWehr mit hWehr Bei schiessendem Abfluss, Berechnung stromab, 2 Randbedingungen oberstrom
Wellendurchgang (kinematische Welle) und Annahme, dass überall Normalabfluss herrscht liefert Wellengleichung für h mit Wellengeschwindigkeit Q = uA, Normalabfluss bedeutet: Q = f(h), A=g(h) Wellengleichung mit Wellengeschwindigkeit c Wasserwelle (c) schneller als Schmutzwelle (u).
Strömung in Seen Mittlere Aufenthaltszeit t = V/Q Seenrückhalt Q(t) Warum Schnittpunkt im Maximum? Qin Qout Zeit
Schichtung in Seen Dichte von Süsswasser als Funktion der Temperatur Stabile Schichtung im Sommer und eventuell im Winter, dazwischen Mischung Sommer Herbst Winter Frühling T z Epilimnion Thermokline Hypolimnion
Oberflächenseichen und interne Seichen Schwappungen Wellengeschwindigkeit Oberflächenseiche Wellengeschwindigkeit interne Seiche h mittlere Tiefe, hE Tiefe Epilimnion, hH Tiefe Hypolimnion Periode erste Oberwelle der Seiche L Länge See
Oberflächenseichen und interne Seichen z x x Epilimnion h Hypolimnion x
Grundwasser: Fliessgesetz (1) Grundwasserströmung ist fast immer laminar Lineares Energieverlustgesetz Spezifischer Abfluss = Filtergeschwindigkeit v Darcy: v = kf I kf Durchlässigkeitsbeiwert I Piezometerhöhengefälle Abstandsgeschwindigkeit u = v/n
Darcy‘s Experiment Dh Q A L Beobachtung: Q proportional zu A, Dh Q invers proportional zu L Folgerung: Q = k A Dh/L oder v = Q/A = k I
Grundwasser Fliessgesetz (2) Spezifische Energie H = z + p/rg + v2/2g = h + v2/2g Im Grundwasser: v sehr klein, v2/2g vernachlässigbar H = h Verallgemeinerung des Darcy-Gesetzes K Durchlässigkeitstensor
Höhengleichenplan GW GOK Abstich Eingemessene Kante NN h Durch Interpolation aus Messungen in Messstellen (Vorsicht: Lichtlot misst Abstich, daraus durch Subtraktion von eingemessener Kante: Piezometerhöhe) Einfachste Interpolation: Hydrologische Dreiecke und lineare Interpolation (siehe Übung)
Wichtigste Formel Q = AvF= AkfI = bmkfI = bTI vF A m b T Transmissivität T = mkf, b Breite, m Mächtigkeit
Brunnenformel Radiale Zuströmung zum Brunnen Filtergeschwindigkeit im Abstand r aus Kontinuität Q = vrA = vr 2p r m Daraus: vr = Q/(2prm) vr r m Q
Superpositionsprinzip Brunnen in Grundströmung: Pumprate Q Q v0 b xs Aquifermächtigkeit m, Filtergeschwindigkeit der Grundströmung v0 Bestimme die Entnahmebreite b und den Staupunktsabstand xs
Entnahmebreite und Staupunktsabstand Entnahmebreite aus Kontinuität: Zufluss zu Entnahmebereich = Pumprate Q = b m v0 oder b = Q/(mv0) Staupunktsabstand aus Bedingung v = vGrund + vBrunnen = 0 für Punkt auf x-Achse v0 - Q/(2pxsm) = 0 oder xs = Q/(v02pm)
Chemische Reaktionen Reaktion 1. Ordnung, z. B. bakterieller Abbau, wenn Substrat limitierend ist Reaktion 0. Ordnung, z. B. bakterieller Abbau ohne Limitation durch Substrat oder Nährstoffe Allgemein für bakterielle Abbau: Michaelis Menten-Kinetik Lösung: exp-Funktion 0. Ordnung für c » K, 1. Ordnung für c « K
Chemische Reaktionen In Grundwasser (oder an Flusssediment) Adsorption Lineare Adsorptionsisotherme bei kleinen Konzentrationen c = gelöste Konzentration, ca = adsorbierte Konzentration bewirkt Verzögerung des Transports um Retardierungsfaktor R Ersetze:
Kombination aller der Transportprozesse Strömungsrichtung t=0 x Advektion t=Dt x Advektion und Dispersion x Advektion, Dispersion und Adsorption x Advektion, Dispersion, Adsorption und Abbau x
Transportgleichung: 1-D Lösung Instantaner Puls zur Zeit t = 0 am Ort x = 0 mit Masse M in eindimensionale Strömung (Säulenversuch im Labor, Fluss) A durchströmter Querschnitt, D Diff./Disp.-koeffizient, u Fliessgeschwindigkeit, l Abbaurate, für u = 0 rein diff. Lösung
Konzentrationsverlauf in x: Profil
Weitere Lösungen durch Superposition Im Raum Flächenquelle = Überlagerung von vielen Punktquellen Undurchlässiger Rand durch Spiegelung In der Zeit Permanente Emission = Summe von instantanen Emissionen
Konzentrationsverlauf in t: Durchbruchskurve Vorsicht: nicht symmetrisch Schreibe MATLAB-Programm für Profil und Durchbruchskurve Zeit
3-D Lösung Instantaner Puls zur Zeit t = 0 am Ort x = 0 mit Masse M in eindimensionale Strömung Fliessrichtung parallel zur x-Achse Dx,y,z Diff.-koeffizienten in x,y,z-Richtung u Fliessgeschwindigkeit, l Abbaurate Randbedingungen durch Spiegelung
Transportmodell der TA-Luft Gauss-Fahne Q Quellstärke u mittlere Windgeschwindigkeit H effektive Emissionshöhe sz(x) = axb Diffusionsparameter sy(x) = gxd a,b,g,d abhängig von Stabilitätsklasse l Abbaurate (einschl. Deposition) s2 = 2Dt
Boxmodell (1) See mit Qin = Qout = Q, Zuflusskonzentration cin = konstant Anfangskonzentration c = c0 Stoff mit Abbaureaktion 1. Ordnung, Rate l, See vollständig durchmischt Massenbilanz Stationäre Lösung Instationäre Lösung
Boxmodell (2) Allgemeinerer Fall: Zuflusskonzentration nicht konstant Mit c0 = 0 und Startzeit t0 = - kann dies geschrieben werden als: f ist die Transferfunktion Der gemischte See entspricht einem Exponentialmodell (siehe auch gemischter Reaktor) Andere Transferfunktion (Pfropfenströmung)
Boxmodell (3) Boxmodelle werden unter anderem verwendet für die Interpretation von Umwelttracerdaten Beispiele Altersbestimmung von Grundwasser mit Tritium, Freonen, SF6
Prinzip der Altersdatierung mit Tracern Resultat: Porengeschwindigkeit Mit Porosität erhält man spezifischen Abfluss Verzögerung t Mit Fläche erhält man Gesamtzufluss L
Atmosphärische CFC Konzentrationen in der südlichen Hemisphäre F12 F11
Tritiumpeak im Niederschlag aus atmosphärischen Atombombenversuchen