Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010

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Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010 Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M.

§ 7 Rechtsprechung I. Justizielle Zuständigkeiten in der EU Umfassendes gemeinschaftsrechtliches Rechtsschutzsystem gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV Recht des EuGH zur Auslegung des gesamten Unionsrechts Methodenprobleme: Mehrsprachigkeit und Kompromisscharakter des Gemeinschaftsrechts Folge: faktischer Vorrang der systematischen und teleologischen Methode Effet utile als die Auslegung leitendes Prinzip Recht des EuGH zur Kontrolle des abgeleiteten Unionsrechts Kompetenzgrundlage; Verfahren; Beachtung höherrangigen Rechts Recht zur richterlichen Rechtsfortbildung Voraussetzung: Fehlen gemeinschaftsrechtlicher Regelungen und Pflicht zur Sicherung des Rechts (Risiko der Rechtsverweigerung) Bedeutung: v.a. allgemeine Grundsätze des Unionsrechts Methode: Rechtsvergleichung Grenze: Art. 5 Abs. 1 EUV (Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung: kein Recht zur Vertragsänderung durch Rechtsfortbildung)

§ 7 Rechtsprechung II. Gerichtsverfassung Fachgerichte, Art. 257 AEUV Erstinstanzliche Zuständigkeit für Spezialmaterien (insb. Gericht für den öffentlichen Dienst der EU) Gericht (EuG), Art. 256 AEUV Erstinstanzliche Zuständigkeit für alle Klagen, die nicht kraft Satzung dem EuGH oder den Fachgerichten zugewiesen sind, Art. 256 Abs. 1 AEUV Zuständigkeit als Berufungsgericht gegen Entscheidungen der Fachgerichte, Art. 256 Abs. 2 AEUV Gerichtshof (EuGH) Zuständigkeit für Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 und 259 AEUV und für Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV Zuständigkeit für sonstige Verfahren, soweit durch Satzung zugewiesen (insbesondere Direktklagen der MS) Zuständigkeit als Revisionsgericht gegen Entscheidungen des EuG Art. 256 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV Art. 256 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV

§ 7 Rechtsprechung III. Vertikale Zuständigkeitsabgrenzung gegenüber Gerichten der Mitgliedstaaten Ausschließliche Zuständigkeit der Unionsgerichte zur Rechtmäßigkeitskontrolle (Gültigkeit/Nichtigkeit) von sekundärem Unionsrechts (Art. 263 AEUV) Ausschließliche Zuständigkeit zur Feststellung von Vertragsverletzungen der MS (Art. 258, 259 AEUV) Vertragsverletzungen durch Unionsorgane wegen Untätigkeit (Art. 265 AEUV) Schadensersatzpflichten der Gemeinschaft (Art. 268, 340 Abs. 2 AEUV) Kooperationsverhältnis bei der Auslegung von primärem und sekundärem Unionsrecht (Art. 267 AEUV) Feststellung der Gültigkeit von Sekundärrecht im Rahmen des Art. 267 AEUV ist ausschließliche Zuständigkeit des EuGH Folge: Vorlagepflicht nationaler Gerichte, wenn sie Sekundärrecht wegen dessen (möglicher) Rechtswidrigkeit nicht anwenden wollen Keine Zuständigkeit zur Auslegung oder Verwerfung mitgliedstaatlichen Rechts! Dies bleibt ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte nach Maßgabe innerstaatlichen Prozessrechts

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Zuständigkeit des EuGH (e contrario Art. 256 Abs. 1, 3 AEUV, Art. 23, 51, 54 Satzung EuGH) „Gericht eines Mitgliedstaats“ Gericht Gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegender Begriff Unabhängiger Spruchkörper Nach nationalem Recht zur Streitentscheidung vorgesehen und ordnungsgemäß gebildet Unterliegt rechtsstaatlichen Verfahrensregeln Entscheidungen mit Rechtsprechungscharakter auf Grundlage von Rechtsnormen, nicht allein von Billigkeit Problemfälle Private Schiedsgerichte → Nicht vorlageberechtigt Verbandsschiedsgerichte (z.B. von Sportverbänden)? Berufskammern? Gerichte, soweit sie als „Registergericht“ handeln und entscheiden Problem: Entscheidung hat keinen Rechtsprechungscharakter

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Zulässige Vorlagefrage, Art. 267 Abs. 1 AEUV Auslegung des Vertrages Auslegung und Gültigkeit der Handlungen der Organe Keine Fragen zur Auslegung des nationalen Rechts Unzulässige Fragen kann der EuGH umformulieren: „Ist § XY des dt. Gesetzes mit Art. 34 AEUV vereinbar?“ „Ist Art. 34 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer Norm wie § XY des dt. Gesetzes entgegensteht, die….?“ Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage Tenor der Entscheidung muss von der Beantwortung abhängen Grundsätzlich vom nationalen Gericht zu beurteilen EuGH kontrolliert aber auf Missbrauch Frage ist offensichtlich hypothetischer Natur, z.B. weil in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits Wenn tatsächlicher oder rechtlicher Hintergrund des Ausgangsrechtsstreit nicht hinreichend klar ist

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte, Art. 267 Abs. 3 AEUV „Gericht […], dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können…“ Immer institutionell letztinstanzliche Gerichte Unterinstanzliche Gerichte nur, wenn im konkreten Fall kein Rechtsmittel mehr möglich Bei zulassungsbedürftigen Rechtsmitteln ist entweder die Zulassungsentscheidung (bei Nichtzulassung) oder die anschließende Sachentscheidung letztinstanzliche Entscheidung; Notwendigkeit zur Vorlage reicht regelmäßig als Revisionsgrund aus Wegfall der Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte (sog. CILFIT-Rspr.) in bestimmten Fällen Gleichlautende Frage vom EuGH bereits entschieden Gefestigte Rspr. des EuGH zu der Rechtsfrage Richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der Frage bleibt

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Ungeschriebene Vorlagepflicht bei Annahme der Ungültigkeit von Gemeinschaftsrechtsnormen (sog. Foto-Frost Rspr.) EuGH steht das Verwerfungsmonopol für sekundäres Gemeinschaftsrecht zu (Art. 263, 267 Abs. 1 lit. b) AEUV) Nationale Gerichte können und müssen Gültigkeit prüfen, können sie aber selbst nur bejahen, nicht verneinen Bei (auch nur impliziter Annahme) der Ungültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsaktes muss das nationale Gericht daher zwingend im Verfahren nach Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV vorlegen Eilrechtsschutz kann durch mitgliedstaatliches Gericht allerdings gewährt werden, sofern bei einer Interessenabwägung das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen das Gemeinschaftsinteresse an der Aufrechterhaltung des vorrangigen Sekundärrechtsakts überwiegt Beispiel: Aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegenüber VA, der auf möglicherweise rechtswidriger VO gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV beruht

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Konsequenzen der Verletzung der Vorlagepflicht Auf Ebene der Union Möglichkeit des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission gegen den Mitgliedstaat (Art. 258 AEUV) Eventuell unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch gegen den Mitgliedstaat Auf Ebene des Mitgliedstaats, hier Deutschland Verfassungsbeschwerde wegen Entziehung des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn „objektiv willkürliche“ Nichtvorlage Ausgangsgericht verkennt seine Vorlagepflicht grundsätzlich Ausgangsgericht weicht von der EuGH-Rspr. ab und legt bewusst nicht vor Rspr. des EuGH ist unvollständig und das Ausgangsgericht vertritt einer völlig unvertretbare Auffassung zu der Rechtsfrage

§ 7 Rechtsprechung IV. Vorabentscheidungsverfahren Wirkungen des Vorabentscheidungsurteils Bindung inter partes (d.h. für die Parteien des Ausgangsrechtsstreits) sowie für alle den Ausgangsrechtsstreit entscheidenden Gerichte Bei Feststellung der Ungültigkeit einer Organhandlung auch erga omnes-Wirkung Auslegungsurteile entfalten beschränkte erga omnes-Wirkung künftige Vorlagen sind nicht unzulässig Abweichen von der Rspr. des EuGH ohne Vorlage allerdings schon Zeitliche Wirkungen des Vorabentscheidungsurteils Grundsätzlich ex-tunc-Wirkung von Gültigkeits- und Auslegungsurteilen Ausnahmsweise kann der Gerichtshof die Wirkung seiner Urteile ex nunc beschränken (Doppelt) analoge Anwendung von Art. 231 AEUV Dient dem Schutz der Rechtssicherheit

§ 7 Rechtsprechung V. Vertragsverletzungsverfahren, Art. 258, 259 AEUV Möglichkeit zur Rüge mitgliedstaatlicher Gemeinschaftsrechtverletzungen durch die Kommission (sowie die anderen Mitgliedstaaten) Ausschließlich objektiv-rechtliche Funktion Mittelbare individual-schützende Wirkung Beschwerdemöglichkeit des Einzelnen bei der Kommission Aber keine Klagemöglichkeit (Art. 263, 265 AEUV) bei Nichteinleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Kommission hat Ermessen hinsichtlich der Einleitung Formelles Vorverfahren (Art. 258 Abs. 1 S. 2 AEUV) Zweck: Schonung der Souveränität, rechtliches Gehör für MS; Festlegung des Streitgegenstandes 3 Phasen: Mahnschreiben der Kommission; Gegendarstellung des Mitgliedstaates (nicht zwingend); Begründete Stellungnahme der Kommission Klage vor EuGH Feststellungsurteil Bei Nichtbefolgung Möglichkeit eines Sanktionierungsverfahrens, das auf die Verhängung von Zwangsgeld oder eines Pauschalbetrages zielt

§ 7 Rechtsprechung VI. Nichtigkeitsklage, Art. 263 AEUV Ziel: Beseitigung eines rechtswidrigen Gemeinschaftsrechtsakts (vgl. Art. 264 AEUV) Mischung aus Anfechtungsklage und Normenkontrolle Verwaltungsgerichtlichem und verfassungsgerichtlichem Verfahren Funktion Objektive Rechtskontrolle (bei Klagen der Organe und Mitgliedstaaten) Subjektiver Rechtsschutz (bei Klagen natürlicher u. juristischer Personen) Unterschiede hinsichtlich Zuständigkeit EuGH: für Klagen der Mitgliedstaaten sowie der Organe (Regelfall mit Ausnahmen) EuG: für Klagen von natürlichen und juristischen Personen (inkl. Gebietskörperschaften von Mitgliedstaaten) Unterschiede hinsichtlich Klagebefugnis Privilegierte Klageberechtigte: Mitgliedstaaten und Hauptorgane Teilprivilegierte Klageberechtigte: EZB und Rechnungshof Natürliche und juristische Personen unter den Voraussetzungen des Abs. 4 Allgemeine Klagefrist, Art. 263 Abs. 5 AEUV: zwei Monate

§ 7 Rechtsprechung VI. Insbesondere: Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV Klageberechtigter Jede natürliche oder juristische Person Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts Klagegegenstand Alle Rechtshandlungen der Organe und Einrichtungen der Union Handlungsform grundsätzlich unerheblich Nicht: Empfehlungen und Stellungnahmen, vgl. Art. 263 Abs. 1 AEUV Nicht: rechtswidriges Unterlassen (Art. 265 Abs. 3 AEUV) Klagebefugnis der Adressaten Adressaten der „an sie gerichteten Handlungen“ stets klagebefugt Bedeutung: insbesondere Beschlüsse, aber auch Verordnungen, die materiell den Charakter eines Beschlusses haben Klagebefugnis sonstiger Personen „unmittelbare und individuelle Betroffenheit“ des Klägers erforderlich

§ 7 Rechtsprechung VI. Insbesondere: Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV „unmittelbare und individuelle Betroffenheit“ Bedeutung Rechtsschutz gegen Verordnungen und Richtlinien Konkurrentenklagen bei Beschlüssen, die an andere Adressaten gerichtet wurden „Betroffenheit“: Nicht zu verwechseln mit „Rechtsverletzung“ Interessenberührung, d.h. tatsächliches Interesse an der Aufhebung des Rechtsakts genügt „Unmittelbarkeit“ Kein Durchführungsakt mehr zwischengeschaltet (formelle unmittelbare Betroffenheit) Wenn Zwischenakt, dann muss dieser sichere Folge des angegriffenen Akts sein (materielle unmittelbare Betroffenheit) Individuelle Betroffenheit“ Ziel: Ausschluss von Popularklagen; aber Abgrenzung im Einzelnen schwierig EuGH: „Plaumann-Formel“: „wenn die streitige Vorschrift [den Kläger] wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer Entscheidung“ Nicht gegen belastende VO mit abstrakt-generellem Inhalt!

§ 7 Rechtsprechung VI. Insbesondere: Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV Sonderfall: Rechtsakte mit Verordnungscharakter Bedeutung: Verordnungen als zulässiger Klagegegenstand Keine Richtlinien, da diese „Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ Betroffensein des Adressaten Im Rahmen der Klagebefugnis ist aber zumindest ein „Betroffensein“ in einem eigenen, rechtlich geschützten Interesse erforderlich Grund: Ausschluss der Popularklage Unmittelbare Betroffenheit Zu bejahen, wenn Verordnung nicht der Durchführung bedarf, um Rechtswirkungen gegenüber dem Kläger auszulösen Problem: individuelle Betroffenheit? Nicht als Klagevoraussetzung genannt Nach Zweck der Regelung entfallen daher die spezifischen Anforderungen der Plaumann-Formel