HGBP - Das „Recht auf besonderen Schutz“ Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen HGBP - Das „Recht auf besonderen Schutz“ Vortrag im Rahmen des Fachtages „Gewaltprävention in der Pflege“ Dienstag, 12. Dezember 2017, Marburg Vorstellung mit Name und Funktion Verweis auf Programm-Flyer – „Vertretung“ Frau Krampen Vorstellung der rechtlichen Grundlagen des HGBP zur Gewaltprävention in der Pflege (Geltung sowohl in der Alten- als auch in der Behindertenhilfe) Gießen, den 6. Dezember 2018
HGBP – Gesetzliche Grundlage der Betreuungs- und Pflegeaufsicht Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen HGBP – Gesetzliche Grundlage der Betreuungs- und Pflegeaufsicht Föderalismusreform 2006 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) tritt am 21. März 2012 in Kraft Überarbeitetes HGBP in Kraft seit 1.1.2017 Ziele des Gesetzes, § 1 Abs. 1 HGBP: Betreuungs- und Pflegebedürftige in ihrer Würde zu schützen und zu achten, vor Beeinträchtigungen ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit zu bewahren, in ihrer Selbständigkeit und Selbstbestimmung, […], zu achten und zu fördern, bei ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie bei der Mitwirkung in den Einrichtungen zu unterstützen, und vor Gewalt sowie in ihrer Intimsphäre zu schützen. zunächst „Historie“ des HGBP darstellen vor der Föderalismusreform 2006 bundeseinheitlich geltendes HeimG mit Föderalismusreform 2006 Gesetzgebungskompetenz für ordnungsrechtliche Aspekte des Heimrechts bei den Ländern 2012 Erlass des HGBP – Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen – Ablösung des seit 1975 geltenden HeimG Ziele des Gesetzes deutlich: Schutzcharakter steht deutlich im Vordergrund; betont wird insbesondere die Selbstbestimmtheit und es erfolgt Akzentuierung im Hinblick auf eine insbesondere gewaltfreie Pflege zwischenzeitlich HGBP evaluiert und überarbeitet – aktuelle Fassung zum 1.1.2017 in Kraft getreten – wie nachfolgend zu sehen: Bedeutung des Schutzcharakters nicht „nur“ erhalten geblieben, sondern durch Veränderung der Systematik der einzelnen Regelung sogar noch weitere Klarstellung 6. Dezember 2018
Rechtsgrundlagen HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 7 HGBP – Gewaltprävention Betreiberinnen und Betreiber von Einrichtungen […] oder von Diensten […] treffen geeignete Maßnahmen, um Betreuungs- und Pflegebedürftige vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen. [§ 8 HGBP a.F.: Die Betreiberinnen und Betreiber von Einrichtungen […] sind verpflichtet, auch gegenüber ihren Beschäftigten, Maßnahmen zu treffen, um für eine gewaltfreie und menschenwürdige Pflege der Betreuungs- und Pflegebedürftigen Sorge zu tragen. Insbesondere sind Vorkehrungen zum Schutz vor körperlichen oder seelischen Verletzungen und Bestrafungen sowie anderen entwürdigenden Maßnahmen zu treffen.] konkretisiert wird eindeutige Absage an Gewalt anhand der §§ 7, 8 und 9 Abs. 1 Nr. 8 HGBP zum Vergleich noch einmal § 8 HGBP a.F. aufgeführt obwohl nicht mehr explizit im Wortlaut aufgeführt, beinhaltet das Treffen geeigneter Maßnahmen auch das Ergreifen von Maßnahmen gegenüber Beschäftigten 6. Dezember 2018
Rechtsgrundlagen HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 8 HGBP – Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen Gerichtlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 BGB sind auf das notwendige Maß zu beschränken und unter Angabe der Genehmigung und der oder des für die Anordnung der Maßnahme Verantwortlichen zu dokumentieren. Satz 1 gilt entsprechend für während einer Unterbringung nach § 1906 BGB durch die Betreuerinnen und Betreuer angeordnete, in die persönliche Freiheit der Betreuungs- und Pflegebedürftigen eingreifende Maßnahmen. [§ 5 HGBP a.F.: Gerichtlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen sind auf das notwendige Maß zu beschränken und unter Angabe der Genehmigung und der oder des für die Anordnung der Maßnahme Verantwortlichen zu dokumentieren.] mit einem Blick auf die alte Regelung des HGBP wird die Veränderung der Systematik deutlich – FEM als „Unterform“ zu verhindernder Gewalt 6. Dezember 2018
Rechtsgrundlagen HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 9 Abs. 1 Nr. 8 – Anforderungen Eine Einrichtung […] oder ein Dienst […] darf nur betrieben werden, wenn die Betreiberin oder der Betreiber geeignete Methoden zur Gewaltprävention sowie zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen anwendet und die Betreuungs- und Pflegekräfte dahingehend regelmäßig schult oder schulen lässt. [§ 9 Abs. 1 Nr. 7 a.F.: Eine Einrichtung […] darf nur betrieben werden, wenn die Betreiberin oder der Betreiber anerkannte Methoden zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen anwendet und die Betreuungs- und Pflegekräfte dahin regelmäßig schult oder schulen lässt.] 6. Dezember 2018
§ 7 – Gewaltprävention – Recht auf besonderen Schutz Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen § 7 – Gewaltprävention – Recht auf besonderen Schutz „Auslegungsregel für das gesamte Gesetz“ Systematik: hoher Stellenwert der Gewaltprävention Verpflichtung, Vorkehrungen zum Schutz zu treffen – Schwerpunkt auf Gewaltprävention = aktive Vorkehrungen zum Schutz vor Misshandlungen Gesetzesbegründung: „Auslegungsregel für das gesamte Gesetz“ § 7 dient Wahrung grundgesetzlich gesicherten Persönlichkeitsrechten Normadressat primär Einrichtungsbetreiber – besondere Verantwortung für angemessene Rahmenbedingungen sowohl für Betreuungs- und Pflegebedürftige als auch für pflegendes Personal Schwerpunkt Prävention: Vorbeugung jeder Art von Gewalt 6. Dezember 2018
Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Was ist Gewalt i.S.d. HGBP? = weiter Begriff Körperliche Misshandlungen (z.B. Schlagen, grobes Anfassen, zu schnelles Füttern, Haare ziehen) Pflegedefizite (z.B. nicht ordnungsgemäße Ernährungs- und medikamentöse Versorgung und Dekubitsprophylaxe) Seelische Verletzungen (z.B. herabsetzende Ansprache, infantilisierender Umgang, Verletzen des Schamgefühls, unerwünschte Sexualkontakte) Nicht zu rechtfertigende freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) (siehe § 8 HGBP) Gewaltbegriff unabhängig von strafrechtlicher Beurteilung – jede Art von Grenzüberschreitung, die als Gewalt qualifiziert werden kann 6. Dezember 2018
Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Was sind geeignete Methoden bzw. Was sind mögliche Präventionsmaßnahmen? (Merke: Auch zum Schutz der Mitarbeiter/innen vor Gewalt!) Erstellung einer entsprechenden Konzeption (Teilkonzeption) mit z.B. folgenden Inhalten: Definition von Zielen zu „sicherem, gewaltfreiem Arbeiten“ Auseinandersetzung mit Eskalations- bzw. Deeskalationsmöglichkeiten Auseinandersetzung mit Ursachen von aggressiven Verhaltensweisen Festlegung eines Notfall-Krisenplans Spezielle Ansprech- und Beratungspartner außerhalb der Einrichtung Verfahrensregeln gegenüber Mitarbeitern bei Gewalttätigkeit (arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen) Regelmäßige Schulung der Mitarbeiter Supervision Entlastung der Mitarbeiter gesetzeskonforme Prävention erfordert jedenfalls, dass sich Betreiber über vorhandene Kenntnisse und Praxismodelle der Gewaltprävention informiert und orientiert und diese anwendet (individuell an die Praxis angepasst) und ggf. fortentwickelt Schulung in regelmäßigen Abständen heißt 2-jährige Intervalle 6. Dezember 2018
Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 7 HGBP Gibt es in der Einrichtung spezielle Regelungen zum Umgang mit sexueller Gewalt und gibt es darüber hinaus Maßnahmen vorbeugender Art? Es gibt konzeptionelle Aussagen zum Umgang mit sexueller Gewalt. Bei der Raumplanung wurde auf die Vermeidung sexueller Gewalt geachtet. Die Ausstattung der Räumen, insbesondere der Gemeinschaftsräume, minimiert das Risiko sexueller Übergriffe (Licht, Erreichbarkeit des Telefons etc.) Es gibt Regelungen und Handlungsanweisungen zum Umgang mit bekannt gewordenen sexuellen Übergriffen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bestehende Regelungen werden auch gegenüber externen Leistungsanbietern angewandt. primär für Einrichtungen der Behindertenhilfe relevant, aber der Vollständigkeit halber und aufgrund der Aktualität der Thematik erwähnt 6. Dezember 2018
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen In Kürze: Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 8 HGBP Primärer Ansatzpunkt: Gerichtlich genehmigte FEM – Grund: Beschlüsse werden als „Anordnung“ (miss-) verstanden „Erst recht“ Geltung für nicht genehmigte FEM Beschränkung auf das „notwendige Maß“? Restriktive Handhabung von FEM – ultima ratio Verhältnismäßigkeitsprüfung: Geeignet? Erforderlich? Angemessen? - Bei Unvermeidbarkeit: Wahl des mildesten Mittels Kontinuierlicher Prüfungs-/Abwägungsprozess durch Verantwortliche (primär Betreuer, Bevollmächtigte) Einhaltung qualifizierter Dokumentationspflicht Anwendung „anerkannter Methoden“ (Heranziehung Expertenstandards, „ReduFix“ etc.) zur Vermeidung von FEM Liegt eine einrichtungsbezogene Konzeption vor? Werden die Mitarbeiter regelmäßig geschult? § 7 trifft die Aussage: auch FEM sind Gewalt gerichtlich genehmigte FEM: Erfahrung aus der Prüfpraxis, dass gerichtliche Genehmigung, die Erlaubnis darstellt, häufig als „Verpflichtung“ oder gar „Anordnung“ (miss-)verstanden wird – „weniger geht immer“ restriktive Handhabung vorgeschrieben FEM nicht präventiv einsetzen fortlaufende Überprüfung des Einzelfalles [VHM: Erfolg/Abwendung Gefährdung – Risiken; letztes/mildestes Mittel; individuelle Belastung – Erfolg] wichtiger Hinweis für die Praxis: finanzielle Aspekte oder etwaige personelle Engpässe bei der Prüfung von alternativen Maßnahmen sind grundsätzlich unbeachtlich Schulung in regelmäßigen Abständen heißt jährliche bis 2-jährliche Intervalle maximal 6. Dezember 2018
Zusammenfassung Eindeutige Positionierung des HGBP gegen Gewalt/FEM Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Zusammenfassung Eindeutige Positionierung des HGBP gegen Gewalt/FEM Eigenständiger Entscheidungs- und Handlungsauftrag der Betreuungs- und Pflegeaufsicht mit umfangreichen Kompetenzen HGBP eröffnet die Möglichkeit des Zusammenwirkens aller Beteiligten zur Vermeidung von Gewalt/FEM HGBP spricht sich deutlich gegen Gewalt in der Pflege aus BPA hat eigenständigen Handlungs- und Entscheidungsauftrag mit dem Grundsatz „Beratung vor Überwachung“ – Dialog: BPA nicht nur reine Überwachungs- und Kontrollinstanz, sondern „Kooperationspartner“ „Kulturbeauftragte“ für Einstellungswandel durch Beratung bzw. Sensibilisierung und Initiierung eines Einstellungswandels – Beratung zu Problemanalyse, Ursachensuche und Alternativenfindung (speziell bei FEM) HGBP eröffnet Möglichkeit des Zusammenwirkens aller Beteiligten zur Vermeidung von Gewalt 6. Dezember 2018
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Seit 5 Jahren „Recht auf besonderen Schutz“ – Was hat sich in der Praxis verändert/getan?! Haltungsänderung spürbar (Bsp.: couragierte MA sprechen Kollegen auf mögliches Fehlverhalten an) Haltungsänderung/Sensibilisierung durch regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik (Konzeptionsentwicklung, regelmäßige Schulungen, Fallbesprechungen – interdisziplinärer Austausch) Schärfung des Bewusstseins für FEM (kritischer Umgang z.B. mit Bettgittern) Drastische Reduzierung von FEM Vermehrte Anwendung von (individuellen) Alternativen zu FEM 6. Dezember 2018
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 6. Dezember 2018