Zur zunehmenden öffentlichen Anerkennung ombudschaftlicher Beratung in der Jugendhilfe Prof. P. Schruth 16.01.2017.

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Zur zunehmenden öffentlichen Anerkennung ombudschaftlicher Beratung in der Jugendhilfe Prof. P. Schruth 16.01.2017

Wie das Thema bearbeiten? 1. Vorgeschichte - Debatten der Selbstfindung - Wesentliche Dreiklänge - Ausbreitung der Initiativen 2. Kritik an „Ombudschaft in der Jugendhilfe“ 3. Zunahme fachpolitischer Anerkennung 4. Durchbruch: SGB VIII-Reformdebatte 5. Einwände und Chancen

1. Vorgeschichte Vor der konzeptionellen Entwicklung der Ombudschaft in der Jugendhilfe stand „Empörung“ engagierter Fachkräfte (2002 in Berlin) Nicht einfach war die „Konsensfindung“, nun nicht mehr allgemein öffentlich zu protestieren, sondern die fachliche Überzeugung im Einzelfall zu suchen (Stichwort: Vorrang Einzelfallgerechtigkeit, „die Hotline sollte brummen“)

Fachpolitische Debatten der Selbstfindung: Ergänzungen Fachpolitische Debatten der Selbstfindung: Ergänzungen ....oder Widersprüche 1. Systemimmanenz oder Systemkritik: Schwierige Doppelung von Empowerment und fachlich-integrativer Kultivierung ombudschaftlicher Denk- und Handlungsstandards in der Jugendhilfepraxis (z.B. Funktion der Ehrenamtlich- keit, Anerkennung nach § 75 SGB VIII); 2. Rolle der Beratung? - Soziale Anwaltsfunktion, - Begleitung, Vermittlung, Lotsenfunktion, - Forcierung gerichtlicher Rechtsstaatskontrolle;

Dreiklänge...... Dreiklang: Aufklärung – Partizipation – Widerspruch Die ersten Konzepte ombudschaftlicher Beratung in der Jugendhilfe konzentrierten sich mit einem doppelten beraterischen Dreiklang auf die Leistungsgewährung: Dreiklang: Aufklärung – Partizipation – Widerspruch Dreiklang: Klärung des Sachverhalts – Mediative Beratung/Beistand/Widerspruch – Notfalls Klage

Prozessphase der Diversifizierung In den Bundesländern vermehrt Initiativen unterschiedlicher Ansätze und Verankerungen ombudschaftlicher Konzepte (wie eben Boje e.V.), insbesondere Eröffnung von ombudschaftlichen Beratungsangeboten nicht nur zu Problemen der Leistungsgewährung, auch zur Leistungserbringung (in NRW). Gründung des Bundesnetzwerkes Ombudschaft mit den Initiatoren aus den Bundesländern Rolle von Aktion Mensch als „finanzieller Antreiber“ („In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“) und Unterstützungen durch einzelne Wohlfahrtsverbände

2. Kritik an „Ombudschaft in der Jugendhilfe“ ...sei nicht Jugendhilfe sondern nur Rechtsberatung; ...sei eine unzulässige Unterstellung fehlerhaften fachlichen Handelns der Jugendämter; ...sei ein Mittel der „verdeckten Fachaufsicht“; ...sei ein Kampfbündnis von Fachkräften, die die Jugendhilfepraxis vor die Verwaltungsgerichte zerren wolle; ...sei etwas, was die Jugendämtern selbst am Besten könnten (bez. Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren); ...und manches mehr.

3. Zunahme fachpolitischer Anerkennung Fachliche Aufmerksamkeiten in öffentlichen Debatten: - Fachbeiträge, Fachveranstaltungen , - das „Wiesner-Gutachten“ und das Verhältnis zu den Jugendämtern als hoheitlich handelnde Fachbehörde ohne Fachaufsicht, - Kontext zur Kinderrechte-Debatte (Schnittpunkte: Machtasymmetrie, Debatte um Kinderrechte in die Verfassung), - zu Umsetzungsfragen von § 8 und §§ 45 ff. SGB VIII, - Berliner Workshop mit Senatsverwaltung und erstes Modellprojekt BBO Jugendhilfe.

Das Movens der unerträglichen Schutzlosigkeit von Kindern: - Die gesellschaftliche Öffnung hin zur Aufarbeitung des ehemaligen Heimkindern zugefügten erzieherischen Unrechts; - Die jugendhilfepolitische Debatte zum besseren Kinderschutz in Familien und Einrichtungen sowie die Verabschiedung eines Bundeskinder-schutzgesetzes (u.a. §§ 8a, 45 Abs.2 Nr.3 SGB VIII). Angebot vom BMFSFJ der Projektförderung einer bundesweiten Koordination ombudschaftlicher Initiativen für den Verein Bundesnetzwerk Ombudschaft.

4. Durchbruch: Debatte SGB VIII-Reform Prominente Verankerung im SGB VIII (§§ 1, 9a sowie §§ 8, 45ff.): 1. Der bisherige Absatz 3 des § 1 SGB VIII wird Absatz 4 und wie folgt geändert: (...) cc) Folgende Nummer 5 wird angefügt: „unabhängige und fachlich nicht weisungsgebundene ombudschaftliche Beratung und Begleitung für junge Menschen und ihre Familien ermöglichen.“

2. Nach § 9 wird folgender § 9a eingefügt: „§9a Ombudsstellen Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe kann eine ombudschaftliche Beratungs- und Schlichtungsstelle errichten, an die sich junge Menschen und ihre Familien zur allgemeinen Beratung sowie Vermittlung und Klärung von Konflikten im Zusammenhang mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 und deren Wahrnehmung durch die öffentliche und freie Jugendhilfe wenden können.“

3. § 45 Abs.2 Nr.3 SGB VIII bleibt in der bisherigen Fassung als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis unverändert: „3.zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.

Gesetzesbegründungen des BMFSFJ Öffentliche Verantwortung für ein weites Verständnis vom Kinderschutz als staatlichem Schutzauftrag (Prävention + Intervention) „Starke Kinder“ könnten wirkungsvoller ihren Schutz einfordern und deshalb müsse nachhaltiger die Durchsetzung der Rechte von Kindern unterstützt werden: Uneingeschränkter Beratungsanspruch von Kindern/Jugendlichen auch ohne Kenntnis ihrer Eltern (Bezug: § 8 Abs.3 SGB VIII)

Ombudschaftliche Beratung sei in der Jugendhilfe wegen der strukturellen Machtasymmetrie erforderlich. „Die Erfahrungen im Alltag der Kinder- und Jugendhilfe zeigen, dass im Kontext der Leistungsgewährung, des fachlichen Handelns und der Kommunikationsprozesse Konflikte zwischen Leistungsträgern und Leistungsberechtigten bzw. –empfängern entstehen.“ (Bezug: Junge Menschen kennen ihre Rechte nicht und könnten sie deshalb nicht einfordern)

Durch gesetzliche Verankerung der Ombudschaft sollen die Rechte junger Menschen und deren Subjektstellung gestärkt werden. Ombudschaft soll im SGB VIII an zentraler Stelle dazu beitragen, „dass Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren zu einem integralen Qualitätsbestandteil im System der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt weiterentwickelt werden.“

Und im Kontext der Leistungserbringung in Einrichtungen: - Es gelte die „mit dem BKiSchG eingeführte Implementierung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren“ (...) „über den Adressatenkreis der jungen Menschen in Einrichtungen hinaus weiter zu führen“ (Bezug: Qualifizierung der „Heimaufsicht“ durch u.a. „Programmatische Implementierung von einrichtungsexternen Ombudsstellen“ und deshalb „im SGB VIII verankert“)

Bedeutung des neuen § 9a - § 9a sei ein erster Schritt der Umsetzung von § 1 Abs.3 Nr.5 SGB VIII - Die Regelung meine – so das BMFSFJ - das organisationshoheitliche Vorhalten bzw. Bereitstellen und ermögliche mittels der Finanzierungsverantwortung der Länder die Schaffung von ombudschaftlichen Beratungsstrukturen (§ 4 Abs.2 SGB VIII ist zu beachten).

5. Einwände und Chancen Einwände.... - Bis auf den gestärkten Beratungsanspruch junger Menschen in § 8 Abs.3 SGB VIII bleibt die gesetzliche Implementierung programmatisch (reduzierte Aufgabenbeschreibung im ersten Fachbeitrag in der ZKJ 11/2016: Nur Informationsfunktion, nicht Vermittlungs- und Streitschlichtung oder gar Kontroll- und Aufhebungsinstanz) - Kompensative und legitimatorische Aufwertung des Themas „Ombudschaft“ im Gesetzentwurf der SGB VIII-Reformdebatte, weil es an anderen Stellen „restriktiver“ wird: z.B. § 41, Hilfeplanverfahren und Finanzierungsstruktur.

Chancen.... - Obwohl in der Reformdebatte bundesgesetzlich „nur programmatisch“ aufgenommen, ist der neue Ansatz des Begriffes „Ombudschaft“ als „unabhängige Instanz“ in der Jugendhilfe gesetzt (wenn auch nur § 9a übrig bleibt); - Die Gesetzesbegründungen sind eindeutig, weitgehend und kaum zurück zu nehmen (auch Bezug auf Leistungserbringung und „Heimaufsicht“); - In den Ländern nach den jeweiligen Spezifika die weitere Umsetzung unabhängiger ombud-schaftlicher Beratungsstrukturen fortzusetzen und erforderlichenfalls auszubauen.

den KollegInnen von Boje e.V. für das Geleistete und wünsche In diesem Sinne gratuliere ich den KollegInnen von Boje e.V. für das Geleistete und wünsche für die weitere Entwicklung des Projektes Energie und Kreativität und die dafür erforderliche öffentliche Unterstützung.