AG zum Grundkurs im Öffentlichen Recht II

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AG zum Grundkurs im Öffentlichen Recht II Einheit 1 (15. April 2011) Dr. Helmut Aust Litographie die nach der 48er Revolution und der Proklamation der Grundrechte ausgegeben wurde Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

Überblick über die heutige Stunde: A. Was erwartet mich in der AG? B. Allgemeines I. Durchsetzung der Grundrechte II. Grundrechte in der Fallbearbeitung III. Beispiele für das „Auftauchen“ von Grundrechten in der Rechtsordnung C. Kleiner Übungsfall Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

Was erwartet mich in der AG? ArbeitsGEMEINSCHAFT  Mitarbeit Begleitendes Arbeiten zur Vorlesung Vorbereitung und Nachbereitung der AG Fertigkeiten für das Lösen von Klausuren einüben: Gutachtenstil Darstellung von Streitständen Training der Analyse von Sachverhalten Der Umgang mit schwierigen Klausuren Aktuelle Rechtsprechung Literaturhinweise Probeklausur mit Korrektur Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

I. Durchsetzung der Grundrechte B. Allgemeines I. Durchsetzung der Grundrechte Regelfall: Art. 1 III, 19 IV GG Außerordentlicher Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde: Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG BVerfG keine „Superrevisionsinstanz“ Beschwerdefähigkeit: „jedermann“ über 96 % der Verfahren vor dem BVerfG, nur 1,9% der Beschwerden erfolgreich Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

II. Grundrechte in der Fallbearbeitung A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde [...] B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde I. Eröffnung des Schutzbereichs 1. Persönlich 2. Sachlich II. Eingriff III. Rechtfertigung  hier verschiedene Aufbauformen, je nach angegriffenem Gegenstand Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

III. „Auftauchen“ von Grundrechten in der Rechtsordnung: 3 Beispiele Beispiel 1: Zivilrecht BVerfG NJW 2010, 3008 – Sorgerecht von nichtverheirateten Vätern Beispiel 2: Strafrecht BVerfG vom 30.03.2011 – 1 BvR 388/05 – Nötigung durch Sitzblockade auf einer befahrenen Straße Beispiel 3: Öffentliches Recht Demonstrationsfreiheit im Flughafengebäude? Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

C. Übungsfall 1: Die Demonstration im Flughafen Der Flughafen der Stadt F wird von der „F-Port AG“ (F) betrieben. Die Aktien der F befinden sich mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand. In ihrem Abfertigungsgebäude betreibt die F auch eine „Shopping Landschaft“, für die sie auch allgemein Werbung betreibt und Kunden gewinnen will, die nicht Fluggäste sind. Die Oberstudienrätin O ist Mitglied einer „Initiative gegen Abschiebungen“, die sich gegen die Abschiebung von Ausländern von deutschen Flughäfen ausspricht. Nachdem die O mit fünf weiteren Mitgliedern der Initiative im Abfertigungsgebäude des Flughafens gegen eine Abschiebung protestiert hat, erteilte die F ihr ein „Hausverbot“ mit dem Hinweis, dass gegen sie Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) erstattet werde, sobald sie erneut „unberechtigt“ im Flughafen demonstrieren werde. Die von der O vor den Zivilgerichten erhobenen Klagen gegen dieses Hausverbot sind sämtlich ohne Erfolg geblieben. O sieht sich in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt und legt Verfassungsbeschwerde ein. Bearbeitervermerk: Hat die Verfassungsbeschwerde der O Aussicht auf Erfolg? Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

Hinführung zur Lösung: Was verlangt der Bearbeitervermerk? Was will die O erreichen? Durch welche Handlung sieht sie sich in ihren Grundrechten als verletzt an? Welches Grundrecht ist betroffen? Was für prozessuale Möglichkeiten hat sie? Meta-Ebene (Klausurbearbeitung): Wie gehe ich an die Bearbeitung des Falls heran? Identifizieren von Schwerpunkten/Problemen des Falles Wo „verarbeite“ ich diese Probleme in der Klausur? Wieviel Zeit nehme ich mir zur Gliederung / Niederschrift / Korrektur? Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

I. Beschwerdefähigkeit Obersatz: „Die Verfassungsbeschwerde der O hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.“ A. Zulässigkeit I. Beschwerdefähigkeit 1. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „jedermann")   2. Prozessfähigkeit [hier unproblematisch] II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „Akt der öffentlichen Gewalt") Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein“) 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung 2. „Selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen“ IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) V. Frist und Form (§ 93 Abs. 1 BVerfGG, § 23 BVerfGG) VI. Ergebnis zu A: Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

B. Begründetheit (Verletzung von Art. 8 GG?) I. Eröffnung des Schutzbereichs (der „grundrechtlich geschützte Lebensbereich“) 1. Persönlich 2. Sachlich: a) Grundsätzlich: Versammlung als „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“ „Friedlich und ohne Waffen“ b) Sonderfrage hier: Grundrechtsbindung der F? Argumente: Kontrolle durch die öffentliche Hand, kein allgemeines Zugangsrecht aus Art. 8 GG, aber anders wenn Eröffnung eines allgemeinen Verkehrs, „keine Flucht ins Privatrecht“ durch formelle Privatisierung Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

(1) Finaler Eingriff ( Zweck?) II. Eingriff: „Jedes staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht“ Hinweis: Dies ist der sog. „moderne Eingriffsbegriff“ im Unterschied zum „klassischen Eingriffsbegriff“. Letzterer setzt voraus: (1) Finaler Eingriff ( Zweck?) (2) Eingriff unmittelbare Folge des staatlichen Handelns (3) Rechtsakt (4) Anordnung mit Befehl und Zwang Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs 1. Gesetzliche Grundlage für Eingriff/„Schranke“ a) Einfacher Gesetzesvorbehalt aus Art. 8 Abs. 2 GG b) Hier zivilrechtliche Befugnisse (§§ 903, 1004 BGB) Hintergrund: Eingriffe in Grundrechte nur auf der Grundlage eines formell und materiell rechtmäßigen Gesetzes. Hier unbedenklich. Hinweis: Dies ist in anderen Klausuren häufig der Einstieg, um z.B. das ordnungsgemäße Gesetz- gebungsverfahren zu prüfen, die Kompetenzfrage usw. Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

2. „Schranken-Schranke“: Verhältnismäßigkeit Hinweis: Hier wird überprüft, ob die staatliche Maßnahme, die Gegenstand der VB ist, ihrerseits verhältnismäßig ist. Dies wird so hergeleitet, dass auch wenn ein Eingriff auf Grundlage eines formell und materiell rechtmäßigen Gesetzes stattfindet (sei es durch Verwaltung oder Rechtsprechung), dieser Eingriff die gesetzliche Grundlage auch seinerseits verfassungsmäßig anwenden muss. Alle Staatsgewalt ist an die Grundrechte gebunden (vgl. Art. 1 III, 20 III GG). Bei VB gegen ein Urteil: BVerfG ist keine „Superrevisionsinstanz“! Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

a) Legitimer Zweck des Eingriffs  genaue Bestimmung: was bezweckt Eingriff? Sicherheit des Flugverkehrs b) Geeignetheit des Eingriffs (+) c) Erforderlichkeit des Eingriffs (~) d) Angemessenheit des Eingriffs („Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn“): Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern erforderlich. Kriterien hier: Verbot notwendig zur Verhinderung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Flugverkehrs? Spezifische Mittel zur Begegnung des besonderen Gefahrpotentials von Versammlungen im Flughafen Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

IV. Ergebnis zu B: Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. C. Gesamtergebnis: Die Verfassungsbeschwerde hat Aussicht auf Erfolg. Dr. Helmut Aust - AG ÖR II

Die Entscheidung ist abrufbar hier: Zum Nachlesen: Pressemitteilung des BVerfG vom 22. Februar 2011 zur Entscheidung im Fall 1 BvR 699/06, abrufbar unter: http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg11-018.html Die Entscheidung ist abrufbar hier: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20110222_1bvr069906.html Dr. Helmut Aust - AG ÖR II