Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

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25 Blut wirksame Medis Anämien
29 Glukokortikoide Einführung
 Präsentation transkript:

Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt GYN ALLROUND Winterfortbildung unter südlicher Sonne Fujaiarah-Dubai 1.3.2005 Einfluss von Pille und Hormonersatztherapie auf das kardiovaskuläre Risiko Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

964 Passagiere vs. 1213 nichtreisende Kontrollen Schwarz et al. 2003 Langstreckenflüge und venöse Thrombosen (prospektive Kohortenstudie: 964 Passagiere, 1213 Nicht-Reisende) 964 Passagiere vs. 1213 nichtreisende Kontrollen Ultraschalluntersuchung vor und nach dem Flug Isolierte Wadenthrombose (meist asympomatisch): RR = 2,52 (1,20-5,26) 2,1% (20) versus 0,8% (10) Tiefe Venenthrombose: RR = 4,40 (1,04-18,62) 0,7% (7) versus 0,2% (2) Alle Frauen mit Thrombose wiesen mindestens einen Risikofaktor auf

relatives Risiko 3. vs. 2. Generation Gesicherte Fälle (insgesamt) Kemmeren et al.: Br. Med. J. 323 (2001) 131 Meta-Analyse: OC und Risiko venöser thromboembolischer Erkrankungen relatives Risiko 3. vs. 2. Generation Gesicherte Fälle (insgesamt) 1.7 (1.3 – 2.2) erstmalige Anwendung 3.1 (2.0 – 4.6) Einnahmedauer < 1 Jahr 2.5 (1.6 – 4.1) Einnahmedauer > 1 Jahr 2.0 (1.4 – 2.7)

Dunn et al. 1999 Orale Kontrazeptiva und Herzinfarktrisiko (GB: Populationsbezogene Fall-Kontroll-Studie: Register+Interview) RR (95% CI) Hypertonie 4,23 (3,03-5,89) keine OC 1,00 Angina pectoris 9,27 (4,26-20,2) EE + NET/LNG 1,10 (0,52-2,30) Hyperlipidämie 2,68 (1,70-4,23) EE * DG/GSD 1,96 (0,87-4,39) Diabetes 14,1 (7,82-25,5) Gestagene 1,48 (0,60-3,65) Rauchen (>20 Z) 16,5 (12,0-22,8) Alkohol 0,54 (0,41-0,72) Orale Kontrazeptiva erhöhen das Herzinfarkt-Risiko nicht Kein Unterschied zwischen 2. und 3. Generation 87% der Frauen < 45 Jahre mit Herzinfarkt nahmen keine OC ein 88% der Frauen mit Herzinfarkt hatten Risikofaktoren

Chan et al.2004 Orale Kontrazeptiva und Schlaganfall-Risiko (4 Kohorten-Studien, 16 Fall-Kontroll-Studien) RR (95% CI) Kohortenstudien 0,95 (0,51-1,78) Fall-Kontroll-St. 2,13 (1,59-2,86) Thrombotisch 2,74 (2,24-3,35) Hämorrhagisch 1,30 (0,99-1,71) Mortalität 0,94 (0,51-1,74) Migräne 8,72 (5,05-15,1) EE < 50 µg 1,79 (1,39-2,30) EE > 50 µg 1,77 (1,37-2,30) NET/LNG 2,35 (1,81-3,05) DG/GSD 2,87 (1,84-4,48) Nichtraucherin 1,86 (1,46-2,37) Raucherin 3,50 (2,17-5,64) Normotensiv 2,06 (1,46-2,92) hypertensiv 9,82 (6,97-13,8) Alter < 35 Jahre 1,31 (1,00-1,72) Alter > 35 Jahre 2,26 (1,62-3,14)

Autoren Minipille RR Therapie RR Depot-MPA RR Lewis et al. 1996 Gomes & Deltcher 2004 Reine Gestagene und Risiko venöser thromboembolischer Erkrankungen Autoren Minipille RR Therapie RR Depot-MPA RR Lewis et al. 1996 1,28 (0,66-2,5) Farmer et al. 1997 0,84 ( /10.000) Lidegaard et al. 1998 2,61 (0,69-9,8) WHO 1998 1,74 (0,8-3,99) 2,19 (0,66-7,3) Vasilakis et al. 1999 1,3 (0,3-6,8) 5,3 (1,5-8,7) Heinemann et al. 1999 0,68 (0,3-2,6) Poulter et al. 1999 5,9 (1,2-30,1) Lidegaard et al. 2002 2,0 (0,8-5,1)

WHO-Studie 1998 Gestagene und Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen Fälle Kontr. RR (95% CI) Minipille insgesamt 51 129 1,19 (0,82-1,74) Depot-MPA insgesamt 37 122 1,02 (0,68-1,54) Schlaganfall Minipille 27 60 1,07 (0,62-1,86) Schlaganfall Depot-MPA 25 81 0,89 (0,53-1,49) Venenthrombose Minipille 21 63 1,82 (0,79-4,22) Venenthrombose Depot-MPA 11 34 2,19 (0,66-7,26) Herzinfarkt Minipille 3 6 0,98 (0,16-5,97) Herzinfarkt Depot-MPA 1 7 0,66 (0,07-6,00)

Genetische und erworbene Thrombophilien Primäre Thrombophilien APC-Resistenz Prothrombin-Mutation Antithrombin-Mangel Protein C-Mangel Protein S-Mangel Faktor XII-Mangel Plasminogen-Mangel Heparin-Kofaktor II-Mangel PA-Mangel Dysfibrinogenämie Präkallikrein-Mangel Sekundäre Thrombophilien Lupus Antikoagulans Antikardiolipin-Antikörper Störungen der Hämostase (Malignome, postpartale Phase, Nephrotisches Syndrom, Sexual-steroide, Schwangerschaft) Thrombozytenabnormalitäten Immobilisation, postoperativ Adipositas, Dehydratation Vaskulitis Hyperhomozysteinämie Hyperviskosität des Blutes

Einfluss von Estrogenen und Gestagenen auf das Thromboserisiko (I) Estrogene mit ausgeprägter hepatischer Wirkung stimulieren einige plasmatische Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren und reduzieren Gerinnungsinhibitoren. Gestagene haben teilweise einen mäßigen antagonisti-schen Effekt gegenüber östrogeninduzierten Änderungen, vor allem Gestagene mit androgener Aktivität. Ethinylestradiol induziert eine reversible Zunahme der APC-Resistenz, möglicherweise durch die Hemmung der hepatischen Protein S-Synthese. Gestagene mit androgener Aktivität können die estrogen-induzierte APC-Resistenz abschwächen.

Einfluss von Estrogenen und Gestagenen auf das Thromboserisiko (II) Extrinsische Gerinnung: Hochregulierung des Thrombin- rezeptors, tissue-Faktors und der prokoagulatorischen Aktivität durch Gestagene mit glukokortikoider Aktivität. Estrogene reduzieren den Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI), welcher den Faktor Xa und dadurch Tissue Factor-Faktor VIIa-Komplex hemmt (prokoagulatorischer Effekt) Gestagene erhöhen den Thrombin-aktivierbaren Fibrinolyse-Inhibitor (TAFI) und hemmen dadurch die fibrinolytische Aktivität (prokoagulatorischer Effekt: DG um 50% stärker als LNG). Gestagene verstärken die estrogeninduzierte Dilatation, die Dehnbarkeit und das Füllungsvermögen der Venen.

Bedeutung des hormonalen Wirkungsspektrums der Gestagenkomponente Für die Entwicklung vaskulärer Erkrankungen ist eher die glukokortikoide als die androgene Aktivität der Gestagene von Bedeutung. Gestagene mit Bindungsaffinität zum Glukokorti-koidrezeptor können den Thrombinrezeptor hochregulieren und zur Stimulation der extrinsischen Gerinnungskaskade beitragen (z.B. Medroxyprogesteronacetat, Desogestrel, Gestoden).

Grodstein et al. : Ann. Intern. Med Grodstein et al.: Ann. Intern. Med. 2000 Primäre Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen Kohortenstudie mit 70.000 postmenopausalen Frauen (Nurses‘ Health Study): 1258 schwere Herzerkrankungen (953 non-fatale Herzinfarkte und 305 Todesfälle) . Therapie Fälle (n) Relatives Risiko (95% CI) HRT 259 0,61 (0,52-0,71) HRT mit 0,3 mg CEE 19 0,58 (0,37-0,92) HRT mit 0,625 mg CEE 99 0,54 (0,44-0,67) HRT mit 1,25 mg CEE 41 0,70 (0,51-0,97)

HRT und Risiko venöser thromboembolischer Erkrankungen Daly et al. 1996 (Fall-Kontroll-Studie) Risikoerhöhung: bei oraler Therapie höher als bei transdermaler Therapie (nicht signifikant) Gutthann et al. 1997 (Fall-Kontroll-Studie) Risikoerhöhung: kein Unterschied zwischen oraler und transdermaler Therapie Scarabin et al. 2003 (Fall-Kontroll-Studie) Risikoerhöhung durch orale Therapie keine Risikoerhöhung durch transdermale Therapie

Gutthann et al. 1997 HRT und Risiko venöser Thrombosen Therapie Fälle (n) Kontrollen (n) Relatives Risiko (95% CI) ohne HRT 243 8446 1,0 Estrogen 37 1179 2,1 (1,4 – 3,2) Monat 1 - 6 14 195 4,6 (2,5 – 8,4) Monat 7 - 12 8 176 3,0 (1.4 – 6,5) > 1 Jahr 13 773 1,1 (0,6 – 2,1) oral konjugierte Estrogene 20 659 2,1 (1,3 – 3,6) transdermal Estradiol 7 232 2,1 (0,9 – 4,6) ohne Gestagen 11 392 1,9 (1,0 – 3,8) mit Gestagen 25 780 2,2 (1,4 – 3,5)

Daly et al. 1996 HRT und Risiko venöser Thrombosen Therapie Fälle (n) Kontrollen (n) Relatives Risiko (95% CI) ohne HRT 59 134 1,0 Estrogen 44 3,5 (1,8 – 7,0) 1. Jahr 14 10 6,7 (2,1 – 21,3) 2. + 3. Jahr 16 12 4,4 (1,6 – 11,9) 4. – 6. Jahr 22 2,0 (0,7 – 6,7) oral CEE/E2 37 32 4,6 (2,1 – 10,1) transdermal E2 5 8 2,0 (0,5 – 7,6) 0,625 / 1,0 / 50 17 3,7 (1,3 – 10,2) 1,25 / 2,0 / 100 6,6 (2,2 – 19,6) Estrogen + Gestagen 20 5,5 (1,9 – 14,6)

Relatives Risiko einer venösen thromboembolischen Erkrankung Risikofaktor RR ohne HRT RR mit HRT gesunde Frauen 1 4 1 Fall in der Familie 2 2 Fälle in der Familie 3 Fälle in der Familie 8 APC-Resistenz (APC-R) 13 erhöhter Faktor IX (F-IX) 6 Antithrombin-Mangel (AT) 3 10 Protein C-Mangel 7 AT + F-IX 25 APC-R + F-IX APC-R + AT 15 50 APC-R + F-IX + AT 48 153