Konversatorium zum Strafrecht BT II

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 Präsentation transkript:

Konversatorium zum Strafrecht BT II (Grundkurs IV) – Vermögensdelikte – Dozentin: Dr. iur. Tamina Preuß Zeit und Ort: freitags 8 Uhr c.t. bis 9:45 Uhr bzw. 10 Uhr s.t. bis 11:30 Uhr in HS 315 NU Kontakt: tamina.preuss@uni-wuerzburg.de

Fall 1: Ein Festival der Diebe Kunstlederanhängerin O erwirbt eine Handtasche für ihre täglichen Einkäufe in der Fußgängerzone. Ihre Freude an der Neuerwerbung währt allerdings nur kurz. Als sie bei ihren Einkäufen eine Pause einlegt und sich auf eine Bank am Marktplatz setzt, nähert sich von hinten der Dieb A mit dem Fahrrad, ergreift die frei neben der O auf der Bank liegende Tasche und fährt davon. A hat an der Tasche selbst kein Interesse, sondern lediglich an allem Stehlenswerten ihres Inhalts. Als A sich wenige hundert Meter später in Sicherheit gebracht hat und bei einem Blick in die Tasche bemerkt, dass diese nur Bedarfsartikel und Taschentücher enthält, für die er keinen Gebrauch hat, legt er die Tasche samt Inhalt enttäuscht in den Wühltisch eines Lederwarengeschäfts. Ihren Geldbeutel hatte O zuvor in einem Bekleidungsgeschäft liegen

Fall 1: Ein Festival der Diebe gelassen. Die Kundin B bemerkt dies, nutzt die Gelegenheit und steckt den Geldbeutel in die Innentasche ihrer Jacke. Dabei wird sie allerdings von dem geistesgegenwärtigen Geschäftsinhaber P beo-bachtet, der sie noch vor Verlassen des Geschäfts stellen und ihr die Beute wieder abnehmen kann. P ist über soviel Unehrlichkeit empört und will solchen unehrenhaf-ten Gestalten eine Falle stellen. Zu diesem Zweck legt er am nächsten Tag einen gut gefüllten, aber mit einem Peilsender verse-henen Geldbeutel in eine Umkleidekabine seines Geschäfts. Es dau-ert nur wenige Zeit, bis die Schnäppchensucherin C den Geldbeutel ergreift, einsteckt und von dannen zieht. Dank des Peilsenders kann sie jedoch kurze Zeit später gefasst und der Polizei übergeben werden.

Fall 1: Ein Festival der Diebe Bearbeitervermerk: Wie haben sich A, B und C nach dem StGB strafbar gemacht? Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt.

Fall 1 Lösung: Tatkomplex 1: Ergreifen der Handtasche Strafbarkeit der A I. § 242 I StGB (Handtasche) A könnte sich des Diebstahls gem. § 242 I StGB zum Nachteil der O strafbar gemacht haben, indem er mit der Handtasche der O davonfuhr. Hinweis: Es ist anzuraten, bereits im Obersatz zwischen der Handtasche und ihrem Inhalt zu unterscheiden. 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand fremde bewegliche Sache:

Fall 1 Sache = jeder körperliche Gegenstand (vgl. § 90 BGB) beweglich = alle Sachen, die tatsächlich fortgeschafft werden können (Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 242 Rn. 11) fremd = jede Sache, die weder im Alleineigentum des Täters steht, noch herrenlos ist (Eigentumsverhältnisse nach dem Zivilrecht zu bestimmen) hier (+) Handtasche im Eigentum der O Wegnahme = Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen, Gewahrsams: Gewahrsam = von natürlichem Herrschaftswillen getra-gene tatsächliche Sachherrschaft eines Menschen über eine Sache – hier (+) wegen der räumlichen Nähe der O unproblematisch gegeben

Fall 1 b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz, § 15 StGB Bruch fremden Gewahrsams = wenn der Gewahrsam ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird – hier (+) Begründung neuen Gewahrsams = wenn der Täter oder ein Dritter die Sach­herr­schaft derart erlangt hat, dass ihrer Ausübung keine Hindernisse mehr entgegenstehen – hier (+) b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz, § 15 StGB Wissen u. Wollen hinsichtlich der obj. Tatbestands-merkmale (+) bb. Zueignungabsicht = Absicht der Enteignung u. Aneignung

Fall 1 (1) Enteignungsabsicht Hinweis: Der Begriff der Zueignungsabsicht bezeichnet keinen besonderen Vorsatzgrad, sondern unterteilt sich wiederum in die Enteignungs- u. die Aneignungsabsicht. (1) Enteignungsabsicht = gewollte faktische dauerhafte Verdrängung des Berechtigten (Eigentümers) aus seiner Sachherr-schaftsposition (dolus eventualis genügt) hier (+) Indiz: Ablegen auf dem Wühltisch, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die O nach Vorstel-lung des A die Tasche zurückerlangen soll (2) Aneignungsabsicht

Fall 1 = Absicht der zumindest vorübergehenden Einver-leibung der Sache in das Vermögen des Täters (dolus directus 1. Grades erforderlich) P.: Aneignungsabsicht bei Transportgegenständen (Abgrenzung von bloßer Sachentziehung): wenn es dem Täter bei der Wegnahme eines Behältnisses nur auf dessen Inhalt ankommt u. er sich des Behältnisses von vornherein bei nächster Gelegenheit wieder (ungestört) entledigen will, keine Aneignungsabsicht hinsichtlich des Transportgegenstandes selbst, es sei denn zwischenzeitliche Nutzung (als notwendiges Trans-portmittel) beabsichtigt (vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 242 Rn. 89 m.w.N.)

Fall 1 2. Ergebnis (-) II. §§ 242 I, 243 I StGB (Inhalt der Tasche) hier kein notwendiges Transportmittel, da A lediglich we-gen der Hektik der Tatausführung Tasche u. Inhalt nicht trennte 2. Ergebnis (-) II. §§ 242 I, 243 I StGB (Inhalt der Tasche) 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand (+) b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz, § 15 StGB - P.: enttäuschte Beuteerwartungen: der Inhalt der Ta-sche enthält, entgegen der Erwartung des A, nichts „Stehlenswertes“, sondern nur Bedarfsartikel u. Ta-schentücher:

Fall 1 e.A.: Vorsatz gegeben (LG Düsseldorf NStZ 2008, 155) a.A: kein Vorsatz (BGH NStZ 2006, 686) - nach § 16 I 1 StGB wegen tat­bestandlicher Gleichwertigkeit un­be­acht­licher error in objecto   - ausreichende Konkretisierung durch Ergreifen des Behältnisses (ähnlich bei Distanztaten, z.B. „Sprengfalle“) => anders als in „aberratio ictus“-Fäl-len kein zufälliges Abweichen vom Tatplan - nachträglicher Entschluss, die Tasche weg­zuwerfen nur unbeacht-licher nach­träglicher Vorsatz (dolus antecedens) - anders als bei den klassischen „error in objecto“-Fällen wurde der Vorsatz nicht auf das Tatobjekt konkretisiert – keine unmittelbare visuelle Wahrnehmung => eher mit einer aberratio ictus vergleichbar

Fall 1 bb. Zueignungsabsicht Enteignungsabsicht (+) (2) Aneignungsabsicht = Absicht der zumindest vorübergehenden Einver-leibung der Sache in das Vermögen des Täters (dolus directus 1. Grades erforderlich) P.: enttäuschte Beuteerwartungen: ob es sich auf die Aneignungsabsicht auswirkt, dass A eigentlich etwas „Stehlenswertes“ in sein Vermögen einverleiben woll-te:

Fall 1 e.A.: Aneignungsabsicht (LG Düsseldorf NStZ 2008, 155; Böse, GA 2010, 249) a.A: keine Aneignungsabsicht (Streng, JuS 2007, 422) - konsequent zum Vorsatz   - die Gegenansicht führt anderenfalls zu Schutzbehauptungen u. begünstigt den Täter, der eine konkrete Vorstel-lung von dem Tatobjekt hat - es muss gerade objektiv nicht zu einer Zueignung kommen - bei der Aneignungsabsicht sind – anders als beim Vorsatz – Tatmotive zu berück­sichtigen - ein wertloser Inhalt kann einen un­tauglichen Versuch nicht zum vollen-deten Delikt machen - nachträgliches Verhalten als Indiz für die schon anfangs fehlende Zu-eignungs­absicht => versuchter Diebstahl bzgl. des ver-muteten Inhalts zu prüfen

Fall 1 cc. RW der beabsichtigten Zueignung u. diesbezüglicher Vorsatz RW der Zueignung = wenn der Täter keinen fälligen u. einredefreien Anspruch auf Übereignung der Sache hat 2. Rechtswidrigkeit und 3. Schuld 4. Strafzumessung, § 243 StGB Es könnte ein besonders schwerer Fall des Diebstahls nach § 243 I S. 2 Nr. 2 StGB („Aufbruchdiebstahl“) vorliegen, sofern die Handtasche ein verschlossenes Be-hältnis o. eine Schutzvorrichtung, durch welche die Sa-che gegen Wegnahme bes. gesichert ist, darstellt.

Fall 1 Anmerkung: § 243 StGB enthält Regelbeispiele. Hierbei handelt es sich um benannte Strafzumessungsregeln, die in der Fallbearbeitung eine Rolle spielen können. Die Regelbeispiele haben nur indizielle Wirkung, d.h. (zum Ganzen Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 3 Rn. 2): - trotz Bejahung einer der Nrn. kann ein besonders schwerer Fall verneint werden, sofern eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und des Täters den Diebstahl in einem so milden Licht erscheinen lässt, dass die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet wird (sog. atypischer Fall) - trotz Verneinung darf ein unbenannter besonders schwerer Fall bejaht werden, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente u. der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhn-lich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist, Arg.: Wortlaut des § 243 I S. 2 StGB

Fall 1 Der besondere Unrechtsgehalt von § 243 I S. 2 Nr. 2 StGB liegt in dem erhöhten Maß an Rücksichtlosigkeit, das der Täter ggü. fremdem Eigentum zeigt, wenn er sich über eine besondere Sicherung hinwegsetzt. Keine Rolle spielt die Art u. Weise der Überwindung der Sicherung (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 3 Rn. 21). Behältnis = zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde, das – im Gegensatz zum umschlossenen Raum – nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden (BGH NJW 1951, 669) verschlossen = wenn der Inhalt durch ein Schloss, eine andere technische Schließvorrichtung o. in sonstiger Weise gegen den ordnungswidrigen Zugriff von außen besonders gesichert ist – hier (+/-)

Fall 1 sonstige Schutzvorrichtung = jede v. Menschenhand geschaffene Einrichtung, die ihrer Art nach geeignet u. dazu bestimmt ist, die Wegnahme einer Sache erheb-lich zu erschweren Hinweis: Sowohl das verschlossene Behältnis als auch die sonstige Schutz-vorrichtung muss gerade der besonderen Sicherung gegen Wegnahme dienen (Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 243 Rn. 24). besondere Sicherung gegen Wegnahme: Zweckbestimmung liegt gerade (auch) darin, die Sache ge-gen Wegnahme besonders zu sichern bei Zweckbündelung muss der Sicherungszweck eine nicht untergeordnete Rolle spielen hier (-) Tasche dient nur dem Transport u. dem Schutz vor Beschädigungen o. Verlust

Fall 1 5. Ergebnis (+) III. Ergebnis Strafbarkeit des A gem. § 242 I StGB (Inhalt der Hand-tasche) Tatkomplex 2: Geldbeutel der O Strafbarkeit der B I. § 242 I StGB 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand fremde bewegliche Sache (+) Geldbeutel der O

Fall 1 Wegnahme = Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen, Gewahrsams P.: fremder Gewahrsam: zunächst hatte O als unmittelbare Besitzerin des Geldbeutels Gewahrsam P.: Gewahrsamsverlust durch das Liegenlassen des Geldbeu- tels im Laden (zum Ganzen Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 2 Rn. 29 ff.): bei Verlieren von Sachen außerhalb des eigenen Herr- schaftsbereichs Gewahrsamsverlust bei bloßem Vergessen von Sachen außerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs Fortbestehen des Gewahrsams, solange der vormalige Inhaber weiß, wo sich der Gegenstand befindet u. ihn ohne äußere Hindernisse zurückerlangen kann

Fall 1 Hinweis: Anders als die Umgangssprache wird hier ganz klar terminologisch zwischen „verlieren“ – man weiß nicht mehr, wo sich der Gegenstand befindet – und „vergessen“ – man weiß noch, wo sich die Sache befindet – unter-schieden. hier: SV lässt offen, ob O noch weiß, wo sie ihren Geldbeu-tel hat liegenlassen – dies kann aber offenbleiben, wenn P Gewahrsam hat: Hinweis: Es können mehrere Personen gleichberechtig-ten, übergeordneten o. untergeordneten (Mit-)gewahr-sam haben. Daher könnten beide Gewahrsam haben. P.: genereller Gewahrsamswille in räumlichen Herr-schaftsbereichen: obwohl P keinen konkreten Gewahr-samswillen an den einzelnen Gegenständen in seinem Laden hat, hat er als Inhaber des räumlichen Macht-bereichs generellen Gewahrsamswillen bzgl. aller dort befindlichen Gegenstände

Fall 1 i.E. jedenfalls fremder Gewahrsam seitens des P gegeben Bruch fremden Gewahrsams = wenn der Gewahrsam ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird – hier (+) B steckt den Geldbeutel gegen den Willen von P ein, insb. in Beobachtung kein Ein-verständnis zu sehen Begründung neuen Gewahrsams = wenn der Täter oder ein Dritter die Sach­herr­schaft derart erlangt hat, dass ihrer Ausübung keine Hindernisse mehr entgegenstehen P.: Gewahrsamswechsel im fremden Machtbereich: ob B im Geschäft des P überhaupt neuen Gewahrsam begründen kann:

Fall 1 b. Subjektiver Tatbestand (+) nach ganz h.M. möglich, wenn der Täter die Sache in seine höchstpersönliche Sphäre verbringt (sog. Gewahrsamsenklave), Arg.: das Opfer müsste zur Wiedererlangung in die höchstpersönliche Sphäre des Täters eingreifen (dies wäre nicht über § 127 I 1 StPO gerechtfertigt) hier (+) durch Einstecken in die Jackeninnentasche P.: Gewahrsamswechsel trotz Beobachtung der Tat: die Beobachtung steht nicht entgegen, Arg.: Diebstahl ist keine heimliche Tat; Diebstahl setzt nicht endgültigen u. gesicherten Gewahrsam voraus; Beobachtung erschwert nur faktisch den Abtransport der Beute (anders nur, wenn der Täter im Einzelfall aufgrund der Observation überhaupt keine Möglichkeit hat, mit der Beute zu ent- kommen) b. Subjektiver Tatbestand (+)

Fall 1 2. Rechtswidrigkeit und 3. Schuld 4. Ergebnis (+) II. Ergebnis Strafbarkeit der B gem. § 242 I StGB Tatkomplex 3: Geldbeutel des P Strafbarkeit der C I. § 242 I StGB 1. Tatbestand fremde bewegliche Sache (+) Geldbeutel des P

Fall 1 Wegnahme = Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen, Gewahrsams fremder Gewahrsam (+) seitens des P Begründung neuen Gewahrsams (+) Bruch fremden Gewahrsams = wenn der Gewahrsam oh-ne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers auf-gehoben wird P.: Gewahrsamsbruch bei der sog. „Diebesfalle“: in der Auslegung einer als „Lockmittel“ dienenden „Diebesfalle“ liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis in den Gewahr-samswechsel, Arg.: der Täter soll nach dem Willen des Berech-tigten den Gegenstand gerade in seinen Gewahrsam bringen, damit er überführt wird (OLG Düsseldorf NJW 1988, 83) somit aufgrund des Einverständnisses durch P kein Ge-wahrsamsbruch

Fall 1 2. Ergebnis (-) II. §§ 242 I, II, 22, 23 I StGB 1. Vorprüfung a. Nichtvollendung der Tat mangels Gewahrsamsbruchs (+) b. Strafbarkeit des Versuchs, §§ 23 I, 12 II, 242 II StGB 2. Tatentschluss a. Vorsatz b. Zueignungsabsicht c. Vorsatz bzgl. der RW der beabsichtigten Zueignung 3. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB

Fall 1 hier (+) durch Ergreifen des Geldbeutels wird zur Wegnahme unmittelbar angesetzt 4. Rechtswidrigkeit und 5. Schuld 6. Kein Rücktritt, § 24 StGB 7. Ergebnis (+) Hinweis: Umstritten ist, ob sich das Einverständnis bei der „Diebesfalle“ auch auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Zueignung i.R.d. Unterschlagung nach § 246 I StGB bezieht. Die überwiegende Auffassung lehnt dies ab, da der Berechtigte keine dauerhafte Verdrängung aus seiner Position wolle. Hiernach wäre i.d.R. neben dem Diebstahlsversuch oftmals eine tatein-heitliche Unterschlagung gegeben (OLG Celle BeckRS 2009, 11867; Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 2 Rn. 68). Vorliegend fehlen aber Anhalts-punkte für eine Zueignung durch C.

Fall 1 III. Ergebnis Strafbarkeit der C gem. §§ 242 I, II, 22, 23 I StGB Gesamtergebnis Strafbarkeit des A gem. § 242 I StGB (Inhalt der Hand-tasche) Strafbarkeit der B gem. § 242 I StGB

Zusatzfall zu § 242 StGB Fall: Der in einer Spielhalle beschäftigte A kam auf die Idee, mittels eines vorgetäuschten Überfalls einen höheren Bargeldbetrag zu erbeuten. Der Überfall wurde auf Grundlage eines gemeinsam mit B, C und D gefassten Tatplans ausgeführt. Am Tattag bereitete B die Öffnung der Spielhalle vor, stand hinter dem Tresen und zählte Geld. A ging auf ihn zu und hielt ihm mit einer Entfernung von ca. einem Meter ein 22 cm langes Küchenmesser vor die Brust und forderte ihn auf, ihm das auf dem Tresen bzw. in der offenen Kasse liegende Geld zu übergeben. B tat verängstigt und gab A das Geld, scheinbar von dem vorgehaltenen Messer beeindruckt, tatsächlich aber aufgrund der vorangegangenen Absprache. Strafbarkeit des B gem. § 242 StGB (BGH BeckRS 2018, 1508)? Bruch fremden Gewahrsams = wenn der Gewahrsam ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird P.: Gewahrsamsinhaber am Kasseninhalt:

Zusatzfall zu § 242 StGB grds. Möglichkeit gleichrangigen Mitgewahrsams → Ge-wahrsamsbruch möglich bei Subordinationsverhältnissen auch gestufter Mitge-wahrsam möglich → untergeordneter Gewahrsamsin-haber kann den Gewahrsam des übergeordneten Gewahrsamsinhabers brechen, aber nicht umgekehrt (a.A. hier kein Gewahrsam der untergeordneten Person; zum Ganzen Wittig, in: BeckOK-StGB, 37. Aufl. 2018, § 242 Rn. 19 ff.) bei Kassenbestand i.d.R. Alleingewahrsam des Ange-stellten, der die alleine Verantwortung für die Verwaltung u. Abrechnung trägt, sodass bis zur Abrechnung niemand gegen seinen Willen Geld entnehmen darf (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 2 Rn. 37)

Zusatzfall zu § 242 StGB P.: Gewahrsam des B am Kassenbestand: grds. Allein-gewahrsam des für Fehlbeträge verantwortlichen Mitarbeiters am Kasseninhalt; keine Anhaltspunkte für (Mit-)gewahrsam des Spielhallenbetreibers; äußerer Anschein spricht für Alleingewahrsam des B (BGH BeckRS 2018, 1508)

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