Die verhaltensbedingte Kündigung

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 Präsentation transkript:

Die verhaltensbedingte Kündigung 7. November 2018 Dr. Esko Horn Richter am Arbeitsgericht

Inhalt I. Verhaltensbedingte Kündigung II. Verdachtskündigung 1. Grundsätze 2. Einzelfälle II. Verdachtskündigung III. Betriebsratsanhörung

I. Verhaltensbedingte Kündigung 1. Grundsätze Fehlverhalten Beeinträchtigung betrieblicher Belange Interessen- abwägung

Fehlverhalten - Im Leistungsbereich - Betriebliche Verbundenheit - Personaler Vertrauensbereich - Sonstiges Verhalten, das Arbeitsverhältnis beeinrtächtigt Ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber Objektiver Maßstab Grds. Vorsatz oder Fahrlässigkeit

Kündigung keine Sanktion!!! Störung des Arbeitsverhältnisses Neg. Prognose!!! Beeinträchtigung betrieblicher Belange Wieso sollte sich Pflichtverletzung wiederholen? Störung des Arbeitsverhältnisses Abmahnung Exkurs

1. Konkreter Sachverhalt Abmahnung Sinn Inhalt Androhung, dass bei Wiederholung Kündigung droht  Vorbereitungshandlung 1. Konkreter Sachverhalt Keine „Füllwörter“ z.B. insbesondere Keine Wertungen 2. Konkrete Rüge Präzise erläutern, wie Person sich hätte verhalten sollen 3. Kündigungsandrohung

Konsequenzen für Arbeitgeber Text einfach halten Viele Abmahnungen Aufpassen bei Gegendar-stellungen

Konsequenzen für Arbeitnehmer Abmahnung nie angreifen Gegendarstellung

Beeinträchtigung betrieblicher Belange Abmahnung Neg. Prognose!!! Störung des Arbeitsverhältnisses Abmahnung Ereignis wirkt auch bei Nichtwiederholung derart belastend, dass Zusammenarbeit nicht möglich Keine Möglichkeit einer anderweitigen vertragsgerechten Beschäftigung Anderer Arbeitsplatz, auf den Versetzung möglich Straftaten 2. Nach Versetzung vermutlich keine Störung

Alle Umstände, welche für oder gegen eine Kündigung sprechen können Interessenabwägung Alle Umstände, welche für oder gegen eine Kündigung sprechen können AG Arbeits- und Betriebsdisziplin - Betriebsablaufstörungen - Eintritt eines Vermögensschadens - Schädigung des Ansehens in der Öffentlichkeit Schutz der übrigen Belegschaft AN - Art, Schwere und Häufigkeit der vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten, - Grad des Verschuldens, - früheres Verhalten des Arbeitnehmers, - Mitverschulden des Arbeitgebers, - Dauer der Betriebszugehörigkeit - Lebensalter, Umfang der Unterhaltsverpflichtungen Änderungskündigung

Darlegungslastfragen - § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG  AG darlegungspflichtig - AG muss Pflichtverletzung darlegen - AN kann Rechtfertigungsgrund behaupten - AG muss Rechtfertigungsgrund widerlegen!!! - AG muss Störung betrieblicher Belange darlegen - AN kann dies bestreiten - AG muss jene beweisen - AG muss Verhältnismäßigkeit darlegen und ggf. beweisen

Öffentlicher Dienst: § 8 Abs. 1 S. 1 BAT 2. Einzelfälle Straftaten im Betrieb Nicht jede Straftat Erforderlich: Betriebsbezug Straftat gegen AG Straftat in Dienststelle/Betrieb des AGs Straftat außerhalb der Dienststelle/ Betrieb Diebstahl Arbeitszeitbetrug Bei Gelegenheit, ggf. zu Gunsten des AGs z.B. Mord; Geiselnahme an Dritten; Pfund Kaffee? Öffentlicher Dienst: § 8 Abs. 1 S. 1 BAT

BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 – „Fall Emmely“ Sachverhalt: Kassiererin seit 30 Jahren dabei Zwei Pfandbons werden gefunden 10 Tage später werden die Bons von Emmely eingelöst, obwohl jene nicht markiert sind Arbeitgeberin kündigt wegen Tat und Verdacht Nach der Kündigung beschuldigt Emmely andere Beschäftigte, jedoch zu Unrecht

BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - „Fall Emmely“ – 1. Diebstahl an sich Kündigungsgrund 2. Wert des Objektes nicht relevant 3. Vertrauen unwiederbringlich verloren? Vertrauenskonto? (-) Unterscheidung Kern-/ Nebenpflicht (-) Kann Verhaltensän-derung durch Abmahnung ausgeschlossen werden?

Alkohol Achtung: Nur steuerbares Verhalten, sonst personenbedingt Minderung der Leistungsfähigkeit Bei Alkoholverbot Gefährdung Dritter Grds. Abmahnung Grds. Abmahnung Abmahnung? Betriebsablauf-störungen Betriebsablauf-störungen Betriebsablauf-störungen Interessenabwägung

Darlegungslastfragen Alkohol im Straßenverkehr? Privat? Darlegungslastfragen - § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG  AG darlegungspflichtig - AG muss Pflichtverletzung darlegen Alkoholprobe nur freiwillig Nur Indizien Alkoholfahne, gerötete Augen, Schwanken, Ausfälle, Unwille, sich Probe zu unterziehen

Arbeitsversäumnis Verspätete Arbeitsaufnahme Vorzeitige Niederlegung Arzt- Zahnarztbesuche Verspätete Arbeitsaufnahme Vorzeitige Niederlegung Eigenmächtiger Urlaubsantritt Eigenmächtige Urlaubsverlängerung Grds. Abmahnung Abmahnung Beharrliche Arbeitsverweigerung Betriebsablauf-störungen Betriebsablaufstörungen Interessenabwägung

Schlechtleistung Achtung: Nur steuerbares Verhalten, sonst personenbedingt Quantitativ Qualitativ Problem des Maßstabes durchschnittlich leistungsfähiger vergleichbarer Arbeitnehmer

Betriebsablauf-störungen Betriebsablauf-störungen Arbeitsverweigerung „Einfache“ Arbeitsverweigerung Abgrenzung „Beharrliche“ Arbeitsverweigerung Wille zur Nachhaltigkeit ? Grds. Abmahnung Abmahnung? Betriebsablauf-störungen Betriebsablauf-störungen Interessenabwägung

Pflichtverletzungen bei Erkrankungen Betriebsablaufstörungen Anzeigepflicht § 5 Abs. 1 S. 1 EntgeltFG Nachweispflicht § 5 Abs. 1 S. 2 EntgeltFG Rückmeldepflicht Abmahnung Betriebsablaufstörungen Interessenabwägung

Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit Betriebsablauf-störungen Vortäuschen einer AU „Beharrlichen“ Arbeitsverweigerung Sonderfall einer Abmahnung? Wenn es feststeht selten Sonst Indizien: Krankheitswidrige Tätigkeiten Betriebsablauf-störungen Interessenabwägung

Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit Pflichtverletzung ist die Nötigung  spätere Erkrankung egal Abmahnung? Betriebsablaufstörungen Interessenabwägung

Unechte Druckkündigung Andere AN oder Dritte verweigern eine Zusammenarbeit mit dem AN Andere AN oder Dritte verweigern eine Zusammenarbeit mit dem AN 2. Die Ursache für die Verweigerung liegt bei dem AN (verhaltens- oder personenbedingt) 2. Die Ursache für die Verweigerung liegt nicht bei dem AN „Normale“ personen- oder verhaltensbedingte Kündigung Kündigung nur, wenn AG sich vor AN gestellt hat Für AG Existenzgefährdung

II. Verdachtskündigung Voraussetzungen Problem: AG kann Pflichtverletzung nicht beweisen, aber erheblicher Verdacht  Vertrauen zerstört! Dringender Verdacht Aufgrund objektiver Umstände Schwerwie-gende Pflichtverletz-ung Anhörung BR-/ PR- Anhörung

III. Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG „Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam.“ Keine Anhörung Keine ordnungsgemäße Anhörung 1. Was gehört in eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats? a) Grunddaten: Wer? Zu wann? Jedenfalls näherungsweise fristlos oder fristgemäß? Meist Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit

Gefahr, dass der Betriebsrat sich b) Kündigungsgründe: Subjektive Determination Was für den Arbeitgeber die Kündigung verursacht hat. Umfassend alle Gründe Wird ein Grund vergessen, der mit ausschlaggebend war, kann sich Arbeitgeber hierauf im Prozess nicht berufen So präzise, dass der Betriebsrat nicht nachfragen muss. Bloße Schlagworte genügen nicht. Ist ein Teil nicht hinreichend präzise, kann sich der Arbeitgeber hierauf im Kündigungsschutzprozess nicht berufen. Was der Betriebsrat weiß, muss ihm nicht noch einmal mitgeteilt werden. Gefahr, dass der Betriebsrat sich nicht mehr „erinnert“

Unternehmerent-scheidung Verhaltensbedingt Personenbedingt Betriebsbedingt Fehlverhalten Einzelne Fehlzeiten Unternehmerent-scheidung Abmahnungen Art der Erkrankung, soweit bekannt Prognose des Arbeitsplatzwegfalls Entlastende Umstände (Gegendarstellungen) Konkrete Betriebs-ablauf-störungen Wirtschaft-liche Belast-ungen Keine Weiterbeschäftigungs-möglichkeit Sozialdaten aller vergleichbarer AN

Anhörung nicht deshalb fehlerhaft Anhörung bereits deshalb fehlerhaft c) Anhörungsfrist: 1. fristos: 3 Tage 2. fristgerecht: 1 Woche Kündigungsausspruch nach Fristablauf Kündigungsausspruch vor Fristablauf Anhörung nicht deshalb fehlerhaft Anhörung bereits deshalb fehlerhaft Ausnahme: Abschließende Stellungnahme des BR Kündigungszugang nicht vor Fristablauf und jederzeit rückholbar

d) Problem des Nachschiebens der Gründe im Prozess: Wenn vor Ausspruch bekannt Wenn vor Ausspruch nicht bekannt Kein Nachschieben im Prozess möglich Nachschieben im Prozess möglich Wenn dem Betriebsrat unverzüglich mitgeteilt, dass Kündigung auch hierauf gestützt werden soll

Reaktionsmöglichkeiten des BR Arbeitgeber kann immer kündigen 1 Woche Schweigen Zustimmung Bedenken Widerspruch Arbeitgeber kann immer kündigen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit