Zusammenfassung Fallseminar 7+8 gastrointestinale Symptome; Kommunikation Langeoog Modul 3 2017
Gastrointestinale Symptome In fortgeschrittenen Stadien einer Krebserkrankung sind ca. 40% der auftretenden, die Lebensqualität besonders beeinträchtigenden Symptome GI-Natur, mehr als 50% aller verordneten Pharmaka dienen deren Kontrolle Curtis & Walsh 1993
Anorexie/Kachexie betreffen bis zu 80% aller Tumorpatienten in fortgeschrittenen Stadien führt bei bis zu 20% direkt zum Tode, wenn mehr als 30%, des vor der Erkrankung vorhandenen KG verloren worden sind Der-Torossian et al. 2012
Anorexie/Kachexie herausragende klinische Symptome mit komplexer Pathophysiologie und unzureichenden diagnostischen Tests charakterisiert durch Verlust an quergestreifter und glatter Muskulatur Hinweise, dass proinflammatorische Zytokine (z.B. IL-1, IL-6, TNF) die kardiale Funktion beeinträchtigen Patienten mit Gewichtsverlust haben erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (rRR = 1.32) in Tiermodellen ultrastrukturelle, inflammatorische, molekulare und metabolische Änderungen an Kardiomyozyten Der-Torossian et al. 2012
Therapie von Anorexie/Kachexie am Tumor Reduktion von z.B. Zytokinspiegeln am Immunsystem am ZNS (un)spezifische Steigerung des Appetits Gordon et al. 2005
Therapiemöglichkeiten bei Anorexie
Therapiemöglichkeiten bei Kachexie
Cannabinoide „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ 10. März 2017 Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- Produkte. Aufgaben: Kontrolle von Anbau, Ernte, Qualität und Handel sowie Abgabe an Großhändler und Apotheker oder Hersteller Begleiterhebung zu Erkenntnissen über Indikation und Wirkung von Cannabis als Medizin EU-weite Ausschreibung für den Anbau in Deutschland läuft, erste Ernte voraussichtlich 2019, bis dahin Import aus Canada, Niederlande Bühring & Gießelmann 2017; Cremer-Schaeffer 2017
Cannabinoide Indikationsstellung zur Cannabistherapie ausschließlich beim Arzt etablierte Indikationen: Appetitlosigkeit chronischer Schmerz Spastik bei MS Übelkeit und Erbrechen zusätzlich sehr breites Spektrum Bühring & Gießelmann 2017
Verschreibung zulasten der GKV, wenn: Cannabinoide Verschreibung zulasten der GKV, wenn: Beantragung der Kostenübernahme vor der ersten Verordnung keine andere Therapieoption ausreichend wirksam Krankenkassen müssen Anträge bearbeiten innerhalb von 3 Wochen bei Einschalten des MDK 5 Wochen im Rahmen der SAPV innerhalb von 3 Tagen Bühring & Gießelmann 2017
Cannabinoide Sammelbegriff Produkte aus Cannabispflanzen (Blüten und Extrakte) produzieren mehr als 400 Substanzen, davon 80 Cannabinoide synthetische Analoga (Dronabinol, Nabilon) endogen produzierte Substanzen (Anandamid, 2-AG) Cannabinoidsystem CB1- Rezeptor (ZNS und nocizeptive Afferenzen) CB2-Rezeptor (Immunsystem) orphan receptors: GPR55, GPR119 weitere: TRPV1, peroxisome proliferation activated receptor Davis 2016; Maida & Daeninck 2016
Pharmakokinetische Daten Applikation Wirkung Titration Beginn (min) Dauer (h) rauchen 5 2-4 ++++ verdampfen oral Pflanzenbestandteile gekocht 30-60 8-12 + Öle Tee Nabilon 60-90 Dronabinol 4-6 Nabiximol (mucosal) 15-40 ++ Maida & Daeninck 2016
Titration gegen den Effekt Cannabinoide zur Dosisfindung fehlen aussagekräftige Studien oder Guidelines, deshalb „start low and go slow“ Titration gegen den Effekt Maida & Daeninck 2016
Tetrahydrocannabinoleinnahme Kontraindikation Vorsichtsmaßnahmen Alter unter 25 Autofahren Schwangerschaft/Stillzeit Führen von Maschinen Schizophrenie Sedativa/Hypnotikagebrauch Psychosen nach Cannabis Hypotension kardiale Vorerkrankungen Nikotinabusus Mißbrauchsanamnese Einnahme von CYP Inhibitoren Maida & Daeninck 2016
Indikationen für Cannabinoide Symptom THC CBD neuropathischer Schmerz +++ + Chemotherapie-bedingte Neuropathie ++ ? Übelkeit/Erbrechen TM antizipatorische Übelkeit Appetitanregung Spastizität Inflammation Krampfanfälle Angstzustände +/- (+) Depression +(adjuvant) antineoplastisch präklinisch klinisch Maida & Daeninck 2016
Indikation für Cannabinoide Positivstudien Negativstudien Übelkeit/Erbrechen durch Zytostatika 40 1 Anorexie/Kachexie 11 Grotenhermen&Müller-Vahl 2012
Verordnung von Cannabis, §73 Abs.3 AMG Verschreibung von Dronabinol, Nabilon oder einem Cannabisextrakt auf einem BtM-Rezept durch Ärztin/Arzt BtM-Rezept für Dronabinol als Rezepturarzneimittel: „Ölige (oder alkoholische) Dronabinol-Tropfen 2,5%, 10ml (entsprechend 250mg Dronabinol). Dosierung einschleichend mit 2x3Trpf (2x2,5mg).“ Grotenhermen&Müller-Vahl 2012
Dosierung von Cannabis einschleichend dosieren Beginn mit 1-2 mal 2,5mg Dronabinol; 1 mal 1mg Nabilon, 1 Sprühstoß Cannabisextrakt (z.B. Sativex® 100μl = 2,7mg THC + 2,5mg CBD) täglich alle 1-2 Tage um eine Einheit steigern bis gewünschter Effekt oder Nebenwirkungen eintreten bei Nebenwirkungen um eine Einheit reduzieren zugelassene max. Tageshöchstdosis für Cannabisextrakt 12 Sprühstöße therapeutische Dosierungen für Dronabinol 5-30mg/d Tagesdosen Nabilon 1-4mg, i.A. nicht mehr als 6mg Grotenhermen&Müller-Vahl 2012
Ursachen einer intestinalen Obstruktion
Klinisches Bild der intestinalen Obstruktion Lokalisation Erbrechen Schmerzen Blähungen Magen Duodenum +++ oft unverdaut + - Dünndarm ++ umbilical Kolon (++) spät, Miserere Bausewein, Roller, Voltz; 2007
Chirurgische Interventionsoptionen bei intestinaler Obstruktion endoskopisch-interventionell offen „wait and see“
Chirurgische Interventionsoptionen bei intestinaler Obstruktion CT hilfreich bei Entscheidung für oder gegen Chirurgie Spezifität 100%, Sensitivität 94% Operation nicht indiziert: große Tumormassen intraabdominell multilokuläres Geschehen Metastasen ausserhalb des Peritoneums
Kriterien für ein offen chirurgisches Vorgehen bei intestinaler Obstruktion
Medikamentöse Behandlung bei intestinaler Obstruktion 1
Medikamentöse Behandlung bei intestinaler Obstruktion 2
Medikamentöse Behandlung bei Subileus 5g Metamizol 80-120mg Butylscopolaminbromid 62mg Dimenhydrinat 5mg Haloperidol in 1000ml VE oder NaCl 0,9% Applikation kontinuierlich s.c. oder i.v.
Ableitung bei gastrointestinaler Obstruktion Ableitung (hier speziell PEG) sollte dann erwogen werden, wenn eine operative oder interventionelle (Stent) Revision nicht in Frage kommt und die medikamentöse Behandlung allein zu keiner ausreichenden Besserung der Symptomatik führt und der Patient massiv unter der Symptomatik leidet
Faktoren in der Pathogenese der Obstipation Allgemeine Ursachen Immobilität, Inaktivität Muskelschwäche Sedierung reflektorische bzw. psychogene Störungen neurologische Faktoren diabetische Neuropathie anticholinerg-wirksame Medikamente Urämie Hyperkalzämie Hypokaliämie
Faktoren in der Pathogenese der Obstipation Medikamente Opioide Anticholinergika, Spasmolytika, Antidepressiva, Neuroleptika, Antazida, 5HT3-Antagonisten Chemotherapeutika: Vinka-Alkaloide Diuretika andere: Eisen, chronischer Laxanzienabusus
Faktoren in der Pathogenese der Obstipation ernährungsbedingte Faktoren reduzierte Nahrungszufuhr zu wenig Ballaststoffe obstipationsfördernde Nahrungsbestandteile Dehydratation durch: zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, Erbrechen, Fieber, Polyurie, Diuretika kolorektale Faktoren Obstruktion Tumormassen im kleinen Becken
Klassifikation der Laxanzien osmotische Laxanzien: Faserstoffe: Methylcellulose, Ballaststoffe Gleitmittel: Paraffin (cave bei Erbrechen) Antracene: Senna osmotische Laxanzien: Mineralsalze: Mg-Sulfat, Mg-Hydroxid, Na-Sulfat, Na-Phosphat nichtresorbierbare Zucker: Laktulose Alkohole: Glyzerin, Macrogol, Mannitol, Sorbitol, Polyäthylenglykol Kontrastmittel: z. B. Megluminamidotrizoat und andere hygroskope, enteral applizierbare Kontrastmittel
Klassifikation der Laxanzien Kontaktlaxanzien Rizinusöl (für Tumorpatienten nicht empfohlen) Docusat Na-Picosulfat Bisacodyl Phenolphtalein (in Deutschland kein Monopräparat verfügbar) Opioidantagonisten Naloxon Naltrexon Methylnaltrexon (seit 2009 zugelassen) Prokinetika Prostaglandine: Misoprostol (Indikation in D nicht zugelassen)
opioid-induzierte Obstipation Becker & Blum 2009
Diarrhoe Kurzdarmsyndrom nach Sympathikolyse (z.B. coeliacus Neurolyse) als Überlauf bei gastrointestinaler Obstruktion medikamenteninduziert Antazida, Antibiotika, Diuretika, Laxantien, NSAR, Zytostatika Steatorrhoe bei Pankreaskarzinom Verschlussikterus (cholagogene Diarrhoe) Strahlenenteritis pseudomembranöse Kolitis Karzinoidsyndrom
Therapie der Diarrhoe reversible Ursachen beseitigen Opioide natürliche synthetische absorbierende Substanzen Kaolin medizinischen Kohle Pektin Octreotid Antibiotika (Vancomycin/Metronidazol)
Therapie von Übelkeit/Erbrechen - unspezifische Reize ausschalten => - z. B. unangenehme Gerüche, Geschmacksstoffe - andere Symptome korrigieren => - Angst, Ascites, Hirndruck, Husten, Hyperglykämie, Hypercalcämie/-kaliämie, Hyponatriämie, Infektion, Obstipation, Schwindel, Soor, Urämie - psychotherapeutische Techniken => - verhaltenstherapeutische Interventionen speziell bei antizipatorischem Erbrechen - Pharmakotherapie
Medikamentöse Therapie von Übelkeit/Erbrechen 1. Antiemetika: - Beeinflussung der CTZ => - Haloperidol, MCP, Levomepromazin - Beeinflussung des Brechzentrums => - Cyclizine, Dimenhydrinat, Levomepromazin, - Beeinflussung von 5HT3-Rezeptoren => - Ondansetron etc., MCP - Beeinflussung der Hirnrinde => - Cannabinoide, Kortikosteroide
Medikamentöse Therapie von Übelkeit/Erbrechen 2. antisekretorisch: - Butylscopolamin, Glycopyrronium, Octreotid 3. prokinetisch: - MCP 4. Adjuvantien: - Protonenpumpenhemmer
Parenterale Ernährung am Lebensende Evidenz für die Anwendung einer TPE bei terminal Kranken liegt nicht vor Patient und Angehörige selten in die Entscheidung eingebunden TPE dient vielen Ärzten dazu ein Gespräch über die finale Situation nicht führen zu müssen bei Patienten unter Chemotherapie und Radiation überwiegen die Nachteile der TPE Dev et al. 2012
Parenterale Ernährung am Lebensende anbieten kann man eine TPE bei Patienten mit einem sehr guten Allgemeinstatus und einer Lebenserwartung >3 Monate vor Anwendung einer TPE sollte der Patient über mögliche Komplikationen: Hyperglykämie, Infektion, Thrombose, Volumenüberladung, Fettleber etc. aufgeklärt werden prospektive Studie bei Patienten mit GI-Tumoren: Patienten unter TPE hatten längere Überlebenszeit, allerdings signifikant höhere Rate an Komplikationen Dev et al. 2012
Palliative Sedierung De Graeff & Dean 2007
Palliative Sedierung Inzidenz: 5-36% häufigste Ursache: agitiertes Delir -62% Dyspnoe 10-15% Schmerz <10% Mercadante et al. 2011/2012
Auslöser für „palliative“ Sedierung Maltoni et al. 2012
Medikamente für „palliative“ Sedierung Maltoni et al. 2012
Palliative Sedierung verwendete Medikamente: Midazolam Midazolam+Opioid Neuroleptikum (selten) verwendete Dosierung: mittlere Midazolamdosis 28,1-74mg/d mittlere Morphindosis 25,4mg/d Levomepromazin 110-125mg/d Mercadante et al. 2011/2012
Palliative Sedierung De Graeff & Dean 2007
Kommunikation und Patientenzufriedenheit „nicht gelungene“ Kommunikation ist der häufigste Grund für Ethikkonsile und Kunstfehlerklagen in den USA Patienten möchten i.A. zwei Dinge ∙ wissen und verstehen ∙ als Person wahrgenommen und verstanden werden Hickson et al. 1994; Ong et al.1995
Kommunikationsebenen Sachebene worüber ich informiere Beziehungsebene was ich vom Anderen halte und wie ich zu ihm stehe Selbstkundgabe was ich von mir zu erkennen gebe Appell was ich beim Anderen erreichen möchte
Kommunikation zwischen Ärztin/Patient ehrlich, mitfühlend „Immer im Gespräch bleiben“ belastende Symptome auf Seiten des Patienten therapieren Einbeziehen eines interdisziplinären Teams („mehrere Augen und Ohren“) spezielle Techniken können Kommunikation zwar verbessern, wichtiger ist warmherzige und unvoreingenommene Haltung
Kommunikation zwischen Ärztin/Patient Kommunikation besteht aus verbalen und nonverbalen Anteilen etwa 70% der interpersonellen Kommunikation ist nonverbal in der Interaktion Ärztin/Patient wird bei Widersprüchen zwischen verbalen und nonverbalen Signalen eher den nonverbalen geglaubt Friedman 1979
Überbringen „schlechter“ Nachrichten An expert in breaking bad news is not someone who gets it right every time – he or she is merely someone who gets it wrong less often, and who is less flustered when things do not go smoothly. Buckman 1992
Überbringen „schlechter“ Nachrichten Wünsche von Patienten direkte, empathische Kommunikation Informationen, die Erkrankung nachvollziehbar beschreiben Beeinträchtigung der LQ erkennen lassen Einbeziehen von Familienmitgliedern oder Freunden Ermutigung Fragen zu stellen Gleichgewicht zwischen optimistischen und pessimistischen Informationen Hinweise auf Verhaltensweisen und Zusatzinformationen Johnston et al. 1996
Überbringen „schlechter“ Nachrichten Systematisierende Techniken, z.B. SPIKES Protokoll Setting up the interview Perception, assessing the patients Invitation, obtaining the patients Knowledge, giving Emotions, address the patients Summary Baile et al. 2000
Rollenbeziehungen Symmetrische Kommunikation zwischen gleichwertigen Partnern Komplementäre Kommunikation zwischen unterschiedlichen Partnern Watzlawick 1996
Rollenbeziehungen Aus einer komplementären Kommunikation heraus sind Entscheidungsprozesse, die das Ziel haben von allen Beteiligten mitgetragen zu werden, oft zum Scheitern verurteilt. Müller / Kern 2006
Rollenbeziehungen Gelingende symmetrische Kommunikation benötigt verbindliche Rollenklärung. Müller / Kern 2006
Patienten profitieren von unterschiedlichen Wahrnehmungsfähigkeiten Team Achtsamkeit Respekt Wertschätzung flache Hierarchie Patienten profitieren von unterschiedlichen Wahrnehmungsfähigkeiten Eggebrecht 2004
Interdisziplinäres Team besteht aus mehr als einer Disziplin bzw. Profession teilt Informationen und setzt sich eigene Ziele ist unabhängig mit geteilter Verantwortung Struktur soll Zusammenarbeit fördern Aufmerksamkeit für interne Probleme Leitung entsprechend der zu behandelnden Probleme
Interdisziplinäres Team Vorteile: Integration unterschiedlicher Perspektiven schwierige Probleme lassen sich oftmals in kürzerer Zeit lösen durch Kooperation größerer individueller Erkenntnisgewinn Entwicklung von Verantwortung für andere Teammitglieder
Interdisziplinäres Team Nachteile: initiale Entscheidungsfindung verzögert Mitglieder müssen Nomenklatur unterschiedlicher Disziplinen und Professionen erlernen Teamzusammenhalt erfordert Anstrengung Team benötigt Zeit um eigene Werte, Rollenverteilung und Ziele zu erarbeiten Mitglieder benötigen Zeit um Kommunikationsstil und Führungsqualitäten zu erlernen erhöhter Koordinationsaufwand
das Wertesystem des Patienten anerkennen Dialog Akzeptanz keine Gesprächstechnik, sondern innere Haltung gegenüber dem Gesprächspartner, die positiv auf ihn eingeht, eigene Bewertungen wohl registriert, jedoch nicht in die Reaktion einfließen läßt Wertschätzung das Wertesystem des Patienten anerkennen Müller / Kern 2006; Lang et al. 2007
Entscheidungsfindung Finden eines Weges, den alle mitgehen können. Denn... Gesagt ist nicht gehört Gehört ist nicht verstanden Verstanden ist nicht einverstanden Konrad Lorenz