Das Portfolio im (Deutsch-)Unterricht

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 Präsentation transkript:

Das Portfolio im (Deutsch-)Unterricht Schulentwicklungstag Oberfranken in Marktredwitz am 16. November 2013 RLFB Oberfranken 2012 (Holoubek) Das Portfolio im (Deutsch-)Unterricht Oder: Kleines Plädoyer für eine modifizierte Lern- und Aufgabenkultur

Insgesamt fand ich, dass das Schreiben des Portfolios zwar aufwendig und manchmal auch nervig war, aber es sich im Endeffekt gelohnt hat. Man kann diese Texte lesen und stolz behaupten, dass man sie ganz alleine geschrieben hat … (Annika, 8. Klasse) Die Arbeit mit dem Lesetagebuch hat im Großen und Ganzen Spaß gemacht. Ich fand es schön, sich mal näher mit der Geschichte auseinanderzusetzen und über einzelne Szenen länger nachzudenken, als man es beim normalen Lesen vielleicht getan hätte… Da wir viele Texte zu Hause schreiben oder überarbeiten mussten, konnte man sich die Zeit zwar selbst einteilen, manchmal fand ich die Menge an Arbeit allerdings auch zu groß. (Leah, 9. Klasse) Jetzt finde ich mein Lesetagebuch ganz ok. Im Lesetagebuch steckt wirklich viiiiiiiel Arbeit drin. (Lisa, 6. Klasse)

Die Arbeit am Lesetagebuch war sehr stressig Die Arbeit am Lesetagebuch war sehr stressig. Ich kam mit dem Tippen fast nicht hinterher, weil ich mit dem Schreiben schon Schwierigkeiten hatte mitzuhalten. … Und wenn ich mal zum Tippen kam, hatte ich meist sehr wenig Zeit, weil der Computer jeden Moment abstürzen könnte und ich noch mal von Neuem anfangen müsste. Jetzt, wo mein Lesetagebuch fast fertig ist, bin ich überglücklich, dass ich es endlich hinter mir habe. Weil jede Seite hat sehr viele Nerven gekostet. Ich kann, da das Lesetagebuch so gut wie fertig ist, mich endlich entspannen und ausruhen. (Dominik, 6. Klasse) Das Lesetagebuch war insgesamt eine gute Erfahrung. Was mir besonders gefallen hat, war, dass wir gelernt haben neue Textarten zu schreiben (siehe Plädoyer)… Die Arbeit hat mich vielleicht viel Zeit gekostet, aber im Nachhinein bin ich auf eine gewisse Weise stolz, weil ich es geschafft habe. (Florian, 9. Klasse)

Übersicht: Warum muss das Portfolio (nicht nur!) in den Deutschunterricht? Inwiefern bedeutet Portfolioarbeit eine Weiterentwicklung des Schreibunterrichts? Und warum ist die Portfolioarbeit dann oft noch immer nicht selbstverständlicher Bestandteil des (Deutsch-)Unterrichts? Was „ist“ überhaupt ein Portfolio? Wie kann das Portfolio im Unterricht eingesetzt werden? Wie kann man das Portfolio bewerten und benoten? Welche Einwände gegen das Portfolio gibt es? - Punkte zur Diskussion

1. Warum muss das Portfolio in den Unterricht 1. Warum muss das Portfolio in den Unterricht? - Einige Begründungszusammenhänge Lerntheoretische Aspekte Pragmatische Aspekte und Probleme der Traditionellen Leistungserhebung Portfolio Schreibdidaktische Aspekte Bedeutung des Wissen schaffenden Schreibens

kommunikative Funktion epistemische / heuristische Funktion anderen etwas mitteilen sich selbst über etwas Klarheit verschaffen kommunikative Funktion epistemische / heuristische Funktion Schreiben produktive Funktion Wissen „schaffen“

3 Thesen: Wenn man schreibt, dann werden nicht lediglich irgendwelche schon vorher vorhandenen Gedanken niedergeschrieben, sondern diese Gedanken werden neu strukturiert und möglicherweise überhaupt erst generiert. Schreiben kann daher der Organisierung von vorhandenem Wissen und dem Generieren von neuem Wissen dienen. In der Schule wird von dieser Methode der Wissensstrukturierung und -generierung (in allen Fächern!) viel zu wenig Gebrauch gemacht. Das Portfolio-Konzept könnte eine Möglichkeit sein, die Vorteile des Wissen schaffenden Schreibens im Unterricht besser zu nutzen.

Portfolio Lerntheoretische Pragmatische Aspekte und Probleme der Traditionellen Leistungserhebung Portfolio Schreibdidaktische Aspekte Bedeutung des Wissen schaffenden Schreibens

2. Inwiefern bedeutet Portfolioarbeit eine Weiterentwicklung des Schreibunterrichts? Einige Schreibdidaktische Aspekte Die Arbeit mit dem Portfolio macht den Schreibprozess realistischer und wirkt der „Atomisierung“ des schulischen Schreibens entgegen (Methodenorientierung); bettet das Schreiben in Kontexte ein (Themenorientierung); fördert die Schreibroutine und ermöglicht Vielfalt der Textsorten (Kompetenzorientierung); lässt subjektivere Formen des Schreibens zu und ermöglicht die Verankerung des Schreibens in der Lebenswelt der Schüler (Subjektorientierung); bietet Raum für und erzwingt Selbstorganisation und Selbstreflexion (Prozessorientierung); macht Schreiben zu einem haptischen Erlebnis (Produktorientierung); bereitet wissenschaftliches Schreiben vor (Zukunftsorientierung).

3. Und warum ist die Portfolioarbeit dann oft noch immer nicht selbstverständlicher Bestandteil des Deutschunterrichts? Lehrende Kollegium Portfolio System Eltern

4. Was „ist“ überhaupt ein Portfolio? Die Portfolioarbeit basiert auf einer Reihe von Prinzipien: Prinzip der Akkumulation (Sammlung von Einzelleistungsnachweisen) Prinzip der Lernprozessbegleitung (über einen längeren Zeitraum angelegt / Lehrer als Begleiter und Berater statt als Wissensvermittler) Prinzip der Individualisierung (jedes Portfolio ist anders / der Heterogenität der Lerngruppe wird Rechnung getragen) Prinzip der Selbststeuerung / Selbstständigkeit / Eigenverantwortung Prinzip der Selbstreflexion (Bewusstmachung und Initiierung von Lernprozessen) Prinzip der Komplexität Prinzip der Kommunikation / des Austauschs mit anderen Je nach Typ des Portfolios werden möglicherweise bestimmte Prinzipien in den Vordergrund rücken, während andere Prinzipien weniger (oder gar nicht) berücksichtigt werden.

Entwicklungs-Portfolio Schreib-Journal Der Begriff „Portfolio“ ist diffus und bezeichnet weniger eine fest umrissene Methode, sondern benennt eher ein pädagogisches und methodisches Konzept, das in vielerlei Formen und für unterschiedliche Zwecke realisiert werden kann - und wofür viele Begriffe im Umlauf sind: Arbeits-Portfolio (Kontinuum zwischen 2 Polen mit Zwischen- und Mischtypen) Prozess-Portfolio Vorzeige-Portfolio Entwicklungs-Portfolio Schreib-Journal Lesetagebuch Bewertungs-Portfolio Arbeits-Journal Produkt-Portfolio Bewerbungs-Portfolio

5. Wie kann das Portfolio im Unterricht eingesetzt werden? Portfolio und Regelunterricht - Möglichkeiten der Kopplung (gemäß der Theorie ...) 1. Parallel-Modell Das Portfolio begleitet eine Lern- bzw. Unterrichtseinheit. 2. Integrations-Modell Der Unterricht bietet den thematischen Ausgangspunkt; für die Arbeit an bestimmten Teilkomponenten des Portfolios wird (z. T. im Unterricht) Raum gegeben. 3. Zentral-Modell Die Arbeit am Portfolio bildet den didaktisch-methodischen Mittelpunkt des Unterrichts und bestimmt seinen gesamten Ablauf. Die Portfolioarbeit nähert sich dabei in vieler Hinsicht dem Projektgedanken an.

Das Portfolio begleitet eine Lerneinheit / ein Seminar. Beispiel aus der universitären Praxis 1. Portfolioarbeit nach dem Parallel-Modell Das Portfolio begleitet eine Lerneinheit / ein Seminar.

ein Feedback (was ist wie „angekommen“?); Formulierung von Erwartungen an das Seminar Aktivierung von Vorwissen ... Sitzung 1 Dokumentation (was war?) Reflexion (was habe ich gelernt / nicht verstanden / ...?) Sitzung ... Dokumentation (was war?) Reflexion (was habe ich gelernt / nicht verstanden / ...?) Schlussreflexion Was nehme ich aus diesem Seminar mit? Welche Erwartun-gen sind (nicht) erfüllt worden?... Der Lernende wird u. a. gezwungen, das Gehörte noch einmal zu rekapitulieren und (durch das Ausformulieren) das erworbene Wissen zu strukturieren; dazu angeregt, Wissenslücken durch eigenständige Recherche selbstständig zu schließen. Der Lehrende erhält u. a. ein Feedback (was ist wie „angekommen“?); einen Einblick in den Erfolg seiner Lehre / Unterrichtsorganisation.

Möglichkeiten der Übertragung des Parallel-Modells auf den (Deutsch-) Unterricht der Sekundarstufe: Unterrichtsbegleitendes Portfolio als Dokumentation und Reflexion einer thematisch fest umrissenen Unterrichtseinheit, z. B. zu Lektüre (Lesetagebuch) Märchen Satzglieder und/oder Wortarten Epoche des Barock Zeitung / Medien Heinrich Heine Großstadtlyrik ...

2. Portfolioarbeit nach dem Integrations-Modell Der Unterricht bietet den thematischen Ausgangspunkt; für die Arbeit an bestimmten Teilkomponenten des Portfolios wird z. T. im Unterricht Raum gegeben. Beispiel: Schreib-Portfolio 8. Klasse Geboten werden unterschiedlichste Schreibimpulse, die z. T. im Unterricht vorbereitet werden und dort oder zuhause zu bearbeiten sind. Das Textsortenspektrum ist breit: Kreative Texte, journalistische Texte, Erörterung, Protokoll, … Die Texte müssen in mehreren Schritten überarbeitet werden. Wichtige Hilfe dabei ist das Feedbackgeben und -erhalten über die Lernplattform Lo-net. Ergebnis ist eine Sammlung von Texten, die mit Elementen der Selbstreflexion gekoppelt sind.

Weitere Möglichkeiten im Zusammenhang mit Schreiben: Das Portfolio dokumentiert und reflektiert den Schreibprozess von der ersten Ideefindung bis zum fertigen Text für ... eine Klassenzeitung eine Sammlung von eigenen lyrischen Texten einen Schreibwettbewerb eine Erörterung / einen Essay ... In das Portfolio gehören z. B. ... Cluster und Mindmaps, die zur Ideengenerierung angefertigt wurden Reflexionen über die eigenen Schreibgewohnheiten (Wo schreibe ich am liebsten? Was hilft mir beim Schreiben? Regt mich Musik an? ...) die verschiedenen Fassungen des Textes die Feedbacks, die man selbst erhalten und die man geschrieben hat, sowie eine Reflexion die Schwierigkeiten, die man damit hatte die Erfahrungen, die man bei Schreibkonferenzen gemacht hat ...

In diesen Zusammenhang kann man auch bestimmte Formen des Leseportfolios einordnen ... Thematischer Oberpunkt ist eine Lektüreeinheit (Hier: 9. Klasse, Markus Zusak: Der Joker) Ausgehend von einzelnen Textpassagen, Problemstellungen und thematischen Schwerpunkten werden Schreibaufträge ausgegeben. Diese beinhalten Rechercheaufgaben, Analyseaufgaben, Reflexionen (z. B. über das Alter), Argumentationen … Als Textsorten entstehen z. B. Glossen, Plädoyers, „stilistische Fingerübungen“ … Selbstreflexion ist gefordert, wenn über das eigene Leseverhalten oder über die Arbeit am Portfolio nachgedacht werden soll. => Schreibaufträge

3. Ein Beispiel für Portfolioarbeit nach dem Zentral-Modell findet sich bei Wiedenhorn (2006). Die Arbeit am Portfolio bildet den didaktisch-methodischen Mittelpunkt des Unterrichts und bestimmt seinen gesamten Ablauf. Die Portfolioarbeit nähert sich dabei in vieler Hinsicht dem Projektgedanken an. Wiedenhorn beschreibt eine Portfolioeinheit im Fach Deutsch zum Thema „Sachtexte über die USA“. Einige weiterführende Elemente seines Konzepts sind u.a.: Jeder Schüler erarbeitet sich seine eigene „Forscherfrage“, die im Laufe der Portfolioarbeit beantwortet werden muss. Die Portfolioeinheit ist fächerübergreifend angelegt. Es wird zwischen Pflichtaufgaben und fakultativen Aufgaben unterschieden. Methodenschulung (Recherche, Präsentation etc.) hat einen wichtigen Stellenwert. Die Eltern werden mit eingebunden. Das Portfolio wird am Ende öffentlich präsentiert. Die entstandenen Portfolios enthalten Inhaltsangaben, Reportagen, Filme, Comics, ... Die Schüler werden an zentralen Entscheidungen beteiligt (Themenfindung, Beurteilungskriterien, ...). Der Unterricht bietet viel Raum für Freiarbeit.

Fazit Das Portfolio gibt es nicht! Das Konzept der Portfolio-Arbeit ist offen und flexibel. Welcher Typ von Portfolio am Ende herauskommt, ist abhängig von dem Zusammenhang, in den man das Portfolio einbettet, der Klassenstruktur, den Zielen, die man verfolgt, den organisatorischen Rahmenbedingungen (Noten, Recherchemöglichkeiten, Räumlichkeiten, ...) dem Fach, das man unterrichtet, den Erfahrungen, die man bisher mit der Portfolio-Arbeit gemacht hat, dem Einfallsreichtum und der didaktischen Neugier der jeweiligen Lehrkraft, den Kollegen, mit denen man sich austauschen kann und die einen anregen und unterstützen.

6. Wie kann man das Portfolio bewerten und benoten? Können / dürfen Portfolios bewertet und benotet werden? Unbedingt! Möglichkeiten der Einbindung in konventionelle Bewertungssituationen sind z. B.: Portfolio als Grundlage einer mündlichen Präsentation Portfolio als Grundlage für eine mündliche Prüfung Portfolio als Grundlage für eine schriftliche Prüfung Portfolio als Alternative zu einer schriftlichen Leistung (Schulaufgabe) Für die Benotung müssen Beurteilungskriterien (möglicherweise gemeinsam mit den Schülern) entwickelt und bekannt gemacht werden. Kriterienraster können bei der Beurteilung helfen: Eigenes Beispiel 1 Beispiel in Wiedenhorn 2006 Eigenes Beispiel 2

7. Welche Einwände gegen das Portfolio gibt es? - Punkte zur Diskussion Mögliche Einwände gegen die Portfolio-Arbeit sind z. B.: Die Portfolio-Arbeit bedeutet für den Lehrer eine zusätzliche Arbeitsbelastung! Jein! Es ist nicht gesichert, dass der Schüler das Portfolio wirklich alleine angefertigt hat! Jein! Portfolios lassen sich nicht so objektiv benoten wie herkömmliche Schulaufgaben! Doch! Portfolios sind nicht gleichwertig mit herkömmlichen Schulaufgaben! Doch!

=> Literaturhinweise Fazit: Trotz der Zweifel an dem Schreibportfolio habe auch ich es geschafft. Einige Texte waren schöner zu schreiben, andere waren nicht so mein Fall… Also ich bin der Meinung, dass die 8-Klässler nächstes Jahr auch wieder so etwas machen sollten, denn es fördert die Kreativität, macht Spaß und man lernt auch noch was dabei. (Sophie, 8. Klasse) => Literaturhinweise Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Vertiefungen

Lerntheoretische Aspekte 1: Grundannahmen des Konstruktivismus: Biologische, soziologische und kybernetische Forschungsergebnisse legen nahe, dass unsere gesamte Wahrnehmung nichts anderes ist als die jeweils individuelle Konstruktion von Wirklichkeit, dass über die (ontologische) Realität, die „an sich“ und unabhängig vom Subjekt (vermutlich) existiert, keine validen Aussagen gemacht werden können, dass die Herstellung von common sense in Hinsicht auf die Beschaffenheit von Wirklichkeit nur aufgrund der Kommunikation möglich ist, dass wir erst über den gegenseitigen Austausch und Abgleich alle mehr oder weniger das Gleiche „für-wahr-nehmen“. Kommunikation bestimmt also wesentlich, wie wir unsere Wahrnehmungen interpretieren bzw. wie wir unsere Wirklichkeit(en) konstruieren.

Folgerungen für Lernprozesse: Die konstruktivistische Lerntheorie Lernen wird als eine aktive Tätigkeit gesehen, die vom Lernenden selbständig durchgeführt werden muss. Der Lernende muss sich sein Wissen eigenständig und selbstverantwortlich aus den angebotenen Informationen selbst konstruieren. Lernen wird als „kreativer Konstruktionsprozess“ gesehen. Jeder Lernende speichert aufgenommene Informationen nach ganz eigenen Strukturen (individuelles Vorwissen, Erfahrungen) ab. Lernprozesse führen folglich für jeden Lernenden zu unterschiedlichen Ergebnissen. Lehren ist also nicht die Vermittlung und Lernen ist nicht die Aneignung eines extern vorgegebenen "objektiven" Zielzustandes, sondern Lehren ist die Anregung des Subjekts, seine Konstruktionen von Wirklichkeit zu hinterfragen, zu überprüfen, weiterzuentwickeln, zu verwerfen, zu bestätigen etc.

Die Annahme, Wissen könne vom Lehrer eins zu eins an die Schüler weitergegeben werden (= „Instruktivismus“), ist (aus konstruktivistischer Sicht) nicht haltbar. Mit anderen Worten: Wenn der Lernende nicht selbst aktiv wird, geht gar nichts!

Konstruktivistische Forderungen an das Lernen in der Schule: Es wäre für das Lernen förderlich, wenn der Lernweg individuell unterschiedlich gestaltet werden könnte, die Lernenden ihren Lernprozess möglichst weitgehend selbst steuern könnten, das Prinzip des entdeckenden Lernens im Vordergrund stünde, die Lernenden Gelegenheit hätten, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu beraten, die Schüler an komplexen Aufgaben arbeiten würden, die nicht didaktisch vereinfacht und geordnet sind, der Lernerfolg weniger anhand der Ergebnisse, als vielmehr anhand des Fortschritts des Einzelnen beurteilt würde. Die Arbeit mit dem Portfolio stellt eine Möglichkeit dar, Forderungen der konstruktivistischen Lerntheorie zumindest ansatzweise nachzukommen.

Lerntheoretische Aspekte 2: Kompetenz- und Prozessorientierung am Beispiel des Schreibunterrichts Der Weg zum Text im produktorientierten Schreibunterricht: Lehrer gibt vor: Schüler „verbessert“ „Fehler“ Textmuster (= „Soll“) Schüler verfasst Text Schülertext (= „Ist“) Lehrer benotet: Soll – Ist = Note

Dieses Vorgehen orientiert sich an Lernzielen: am Produkt: Der Lernende soll (z. B.) wissen, was eine Erörterung von anderen Textsorten unterscheidet. Der Lernende soll eine Erörterung schreiben können. Etc. Das Produkt entscheidet darüber, ob das Lernziel erreicht wurde und welche Note gegeben werden kann. Wie der Lernende zu diesem Produkt gekommen ist, interessiert nicht.

Der Weg zum Text im prozessorientierten Schreibunterricht: Ziel: Adressat, Inhalt, Textsorte ... Produkt: Art der Publikation, Gestaltung ... Prozess: Recherche, Kooperation mit anderen ... Schüler plant Schüler organisiert Schüler entwirft Schüler gibt / bekommt Feedback Schüler überarbeitet Schülertext Lehrer begleitet den Schreibprozess (gibt Hilfe zur Selbsthilfe) und bewertet den (z. B. durch ein Portfolio) dokumentierten Weg zum Text

Dieses Vorgehen orientiert sich an der angestrebten Kompetenz: am Prozess: Der Lernende soll in der Lage (und willens!) sein, seinen Schreibprozess selbst zu planen und zu organisieren. Dazu benötigt er verschiedene Teilkompetenzen (z. B. Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Personalkompetenz, grammatische Kompetenz), die es zu fördern gilt. In schulischen Lehr- und Lern-Zusammenhängen ist die Frage, wie etwas auf das Papier gelangt, wichtiger als die Frage, was auf dem Papier steht. Für die Benotung ist das Endprodukt wichtig, aber der Weg dorthin zeigt deutlicher, welche (Teil-) Kompetenzen bisher (noch nicht) erworben wurden. Daher geht der Weg zum Produkt in die Notengebung mit ein. Das Portfolio ermöglicht es, kompetenz- und prozessorientiert zu arbeiten.

Felix Winter (2007): „Noten + zentrale Prüfungen + Tests + Leistungsvergleichsstudien – führt das zu einer neuen Lernkultur?“ Prüfen und Benoten = eigentlicher Rhythmusgeber des schulischen Lernens Mittel der Leistungsbewertung = eigentliches Ziel des Unterrichts: zu belegbaren Noten kommen Art und Ausmaß der tradierten Leistungsbeurteilung = „retardierendes Moment“ für die Fortentwicklung der Schule (Schratz 1994) Gegenwärtige „Test- und Standardisierungsmanie“ (Winter) verstärkt diese Tendenz Wenn man eine neue Lernkultur (im Sinne der konstruktivistischen Lerntheorie) will, dann braucht man Alternativen beim Umgang mit Schülerleistungen. Das Portfolio-Konzept könnte eine solche Alternative sein.