Schwindel: Triage und Behandlung in der Praxis Workshop an der 73. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin Basel, 26. Mai 2005 Schwindel: Triage und Behandlung in der Praxis Jan Holy, Jonen Dominik Straumann, Zürich
B.V. 2.2.1946 Mai 2004 morgens mit akutem Drehschwindel erwacht, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen Keine neurologischen Ausfälle 2-3 Tage nur Liegen möglich Stugeron forte ohne Wirkung Innerhalb einer Woche deutliche Besserung Während zwei Wochen noch leichter Schwankschwindel mit Gangunsicherheit Seitdem beschwerdefrei und keine Rückfälle
Vestibuläre Neuritis
Vestibuläre Neuritis plötzliches einseitiges Defizit der vestibulären Funktion keine Hörsymptome Ätiologie? Entzündung (viral) Ischämie
Entzündung * * T.C. Hain
superior division of the vestibular nerve or superior Leigh & Zee 1999 (modified) superior division of the vestibular nerve or superior vestibular artery inferior division of the vestibular nerve or vestibulo-cochlear artery
Klinische Diagnose Übelkeit spontanes Augenzittern (Spontannystagmus) Standunsicherheit, seitliche Fallneigung abnormaler Kopfimpulstest
Horizontaler Spontannystagmus 1 0.5 Horizontale Augenpositions [°] -0.5 -1 1 2 3 4 5 Zeit [s]
normaler Kopfimpuls-Test* *Halmagyi G.M., Curthoys I.S (1988) Archives of Neurology
vestibulo-okulärer Reflex
normaler horizontaler Kopfimpulstest 30 normaler horizontaler Kopfimpulstest 20 Kopf 10 Position [°] -10 Auge -20 -30 50 100 150 200 250 300 350 Zeit [ms]
Kopfimpulstest
pathologischer Kopfimpulstest Korrektursakkade
reduzierte horizontale Antwort 30 reduzierte horizontale Antwort 20 Auge 10 Position [°] -10 Kopf -20 -30 50 100 150 200 250 300 350 Zeit [ms] Time [ms]
pathologischer Kopf-Impuls-Test kein Video in der Online-Version wegen Patienten-Datenschutz
Häufigkeit 5% aller Patienten mit Schwindel 15% aller Patienten mit Drehschwindel 3. häufigste Ursache von Drehschwindelattacken
mögliche Ursachen Durchblutungsstörung Entzündung
Warum Herpes simplex? saisonales Auftreten (Frühling, Frühsommer) vorausgehende grippale Symptome Veränderungen im Nerv und Innenohr wie einer viralen Infektion Nachweis von latentem Herpes simplex Typ I im Gleichgewichtsnerv
Verteilung von Herpes simplex I Arbusow et al. 1999
Behandlung Übelkeit: Entzündung: zentrale Kompensation: akut symptomatisch Entzündung: Steroid (z.B. Prednison 100 mg/d für eine Woche) ev. antivirales Medikament (z.B. Valtrex 3000 mg/d für eine Woche) zentrale Kompensation: schnelle Mobilisation, Physiotherapie
Prognose Rezidive: ~ 5% chronischer Schwindel: ~ 20%
K. E. 23.12.1931 Im Dez. 04 Beginn von Drehschwindel bei Kopfdrehungen, Aufstehen, Drehungen im Bett Dauer einige Sekunden 1 Woche vorher Sturz auf Hinterkopf Bei Lagerung nach hinten erschöpfbarer Nystagmus nach li mit torsioneller Komponente und starkem Drehschwindel Nach dreimaligen Repositionsmanöver nicht mehr auslösbar Instruktion Epley-Manöver zur Heimtherapie Keine weiteren Konsultationen
Canalolithiasis
Canalolithiasis
Cupulolithiasis
Lagerungsmanöver
kein Video wegen Copyright Lagerungsnystagmus kein Video wegen Copyright
Epley-Manöver links (1) 45° vertikal-torsioneller Nystagmus
Epley-Manöver links (2) aufsitzen
modifiziertes Epley-Manöver
Bemerkungen zu den Manövern Unmittelbar nach der Reposition verspüren viele Patienten einen Zug in Richtung des betroffenen Labyrinths (Canalolithen auf dem Utriculus?). Therapie-Kontrolle: nochmaliges Hallpike-Manöver ev. mit weiterem Epley-Manöver. Leichte Gleichgewichtsstörungen während der ersten drei Tage sind üblich. Der Patient soll danach während drei Tagen Erschütterungen (Joggen, Sprünge) und Kopftieflage (Zahnärzte!) vermeiden. Nach drei Tagen telefonische Rückmeldung nach vorgängigem selbstständigem Hallpike-Manöver Ev. Wiederholung des Manövers bei Persistenz des Lagerungsschwindels Therapieerfolge nach Epley-Manöver: 80%; nach log rolling: 50 %
http://www.charite.de/ch/neuro/vertigo.html
M.M. 17.6.1926 Seit ca. 1986 progrediente Stand- und Gangunsicherheit, Belastungsschwindel bei Kopfdrehungen und intermittierender Lagerungsschwindel Zunahme bei Dämmerlicht Oszillopsie beim Gehen „Dummer“ Kopf beim Aufstehen Rez. Stolperstürze mit Frakturen (li Schulter, BWK) im Rahmen der Gangunsicherheit ohne Bewusstseinsverluste Keine Hörstörungen oder Tinnitus Keine Kopfschmerzen
Diagnosen Hypertensive Herzkrankheit mit Va. paroxysmales VHF und Va. Rez. TIA Beginnendes POS bei vaskulärer Enzephalopathie (fluktuierende Vergesslichkeit) Chronische Refluxösophagitis bei Hiatushernie Osteoporose mit St.n. BWK-Frakturen Th 2-4 Adipositas Grad II mit Hypercholsterinämie Gonarthosen bds. Dekompensierte Exophorie nach Schieloperation bds. 1993 1993 Rücklagerung beider Recti laterales
Befunde und Beurteilung Abklärung D. Straumann März 2002 Beurteilung: multisensorischer Schwindel vestibulär: peripher-vestibuläre Unterfunktion li visuell: Trochlearisparese re und Exophorie mit störenden schrägen Doppelbildern, v.a. bei blick nach re unten leichter orthostatischer Schwindel
Procedere Intensive Physiotherapie mit Schwindeltraining Dünne Sohlen, Stock, keine Sedativa Frage an Augenarzt, ob störende Doppelbilder besser korrigiert werden könnten Sturzprophylaxe, Safehip-Hosen
Verlauf Physiotherapie und Schwindeltraining ohne Erfolg (geeignete Therapeuten ? Wo ?) Führt selbstständig Schwindeltraining durch Stock akzeptiert Augenarzt: keine Verbesserung möglich Safehip von Patientin abgelehnt Patientin hat sich mit dem chronischen Schwindel abgefunden. Keine Konsultationen seit 2 Jahren.
multisensorischer Schwindel
multisensorischer Schwindel 2 von 3 vestibulär propriozeptiv visuell
vestibuläres Labyrinth visuelles System Propriozeption (Druck, Position) Orientierungs- sinn motorisches System Körperbalance Navigation Blickstabilisierung
Romberg*-Test visuelle System Propriozeption Labyrinth Kleinhirn *Moritz Heinrich Romberg 1795-1873
Stand- & Gangproben
Walk-Rotate-Walk
multisensorischer Schwindel: Diagnose vestibulär Romberg Kopfimpulstest visuell Visus propriozeptiv ASR bds. fehlend bimalleolärer Vibrationssinn herabgesetzt Lagesinn der Zehen beidseit herabgesetzt
multisensorischer Schwindel: Therapie dünne Sohlen „propriozeptiver“ Stock keine Benzodiazepine Therapie der Polyneuropathie frühzeitige Kataraktoperation optimale Brillenkorrektur (keine Varilux-Gläser!) vestibuläre Physiotherapie Stürze vermeiden
DD „diffuser“ Schwindel multisensorischer Schwindel „2 von 3“ Migräne-assoziierter Schwindel oft mit Phonophobie, Photophobie vestibuläre Gleichgewichtsstörung mit ungerichtetem Schwindel bilateral peripher-vestibulär, Kleinhirn, Basalganglien etc. präsynkopaler Schwindel globale zerebrale Hypoperfusion medikamentöser Schwindel Antihypertensiva, Anxiolytika, Aminoglykoside etc. okulärer Schwindel Refraktion, Augenmuskelparese, Nystagmus psycho-physiologischer Schwindel Ausschlussdiagnose