Strukturen des Insolvenzrechts und insolvenzrechtlicher Verfahren

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 Präsentation transkript:

Strukturen des Insolvenzrechts und insolvenzrechtlicher Verfahren Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Bonn

Die Insolvenz als bürgerlicher Tod des Kaufmanns Erst in diesem Augenblick ging alles vor ihr auf, was in dem Wort „Bankerott“ verschlossen lag. Alles, was sie schon als kleines Kind an Vagem und Füchterlichem empfunden hatte..“Bankerott“.. Das war etwas Grässlicheres als der Tod, das war Tumult, Zusammenbruch, Ruin, Schmach, Schande, Verzweiflung und Elend...“Er macht Bankerott!“ (Thomas Mann, Buddenbrooks)

Wirtschaft und Insolvenzrecht Die Insolvenz markiert die Grenze bis zu der die Rechtsordnung die Teilnahme am marktwirtschaftlichen Geschehen hinnimmt. Wird die Grenze z.B. infolge fehlender hinreichender Liquidität überschritten, scheidet der Marktteilnehmer aus. Motto: Geld in einem gesetzlich vordefinierten Umfang hat man zu haben (§ 17 InsO)

Insolvenzrechtssystem Insolvenzrecht im engeren Sinn (formell wie materiell) = InsO, aber auch § 46b KWG oder § 32 DepotG Insolvenzrecht im weiteren Sinne sind alle Regelungen, die vor und im Rahmen der Insolvenz Bedeutung erlangen und die gesetzgeberische Zielsetzung unterstützen z.B. § 92 Abs. 2 AktG; 64 Abs. 1, 32b; 58 a-f GmbHG; § 240 ZPO; § 30 ZVG; 42 und 207 BGB; 613a BGB; 130a und 32 HGB; 81a GenG; 183 SGB III; § 7 BetrAVG

Insolvenzordnung Wechselspiel zwischen Regelungen zum materiellen wie zum formellen Insolvenzrecht Materielles Insolvenzrecht bestimmt welche Auswirkungen das Insolvenzverfahren auf die rechtliche Position der Beteiligten sowie deren Rechte hat z.B. §§ 103ff. InsO Formelles Recht regelt das Verfahren z.B. §§ 1 – 10; 174-216 InsO = Sonderrechtsordnung an der Schnittstelle anderer rechtlicher Systeme

Funktionen des Insolvenzrechts Rechtsverwirklichung durch Vollstreckung  zur Herbeiführung von: ·       Ordnung ·       Befriedung ·       Gleichbehandlung ·       Entschuldung durch gläubigerautonome Entscheidungen

Insolvenzrecht ist Haftungsrecht Ziel: Insolvenzrecht regelt die Haftung des Schuldners mit einem unzulänglichen Vermögen als Haftungsmasse im Wege der gemeinsamen und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger im Falle einer Krise. Weg: Suspendierung individueller Recht durch Schaffung einer Zwangsgemeinschaft zur kollektiven Rechtsausübung. Zugleich Sanktionierung gegen Verstöße und Gewährung von rechtsstaatlichen Garantien.

Priorität gegen par conditio creditorum Suspendierung individueller Vollstreckungsrechte durch Vollstreckungsverbote und –einstellungen Rückschlagsperre Vollstreckungsverbot für Massegläubiger Vollstreckungsbeschränkungen bei Miet-/Pachtforderungen, Sozialplanansprüche etc. Vollstreckungsverbote bei Restschuldbefreiung und WVP

Allgemeine Verfahrensgrundsätze Dispositionsmaxime (Antragsverfahren mit Recht zur Rücknahme oder einvernehmlichen Einstellung nach § 213) Offizialmaxime Grundsatz des Amtsbetriebes z.B. alle Maßnahmen zu treffen nach §§ 21ff.; ebenso Termine Inquisitionsmaxime von Amts wegen alle relevanten Umstände zu ermitteln (§ 5 InsO)

Verfahrensbeteiligte Insolvenzgericht „Aufsicht und Leitung“ Insolvenzverwalter als Treuhänder fremden Vermögens im Rahmen eines mehrseitig fremdbe-stimmten Amtes im (auch) öffentlichen Interesse Schuldner mit weitgehender Suspendierung eigener Rechte Insolvenzgläubiger Verlagerung der Gewichte zu den Absonderungsberechtigten

Insolvenzfähigkeit § 11 InsO Insolvenzfähig sind natürliche wie juristische Personen, Vermögensmassen, Nachlässe sowie das Gesamtgut von Gütergemeinschaften Nicht insolvenzfähig sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 vgl. aber auch Paulus ZInsO 2003, 869) Insolvenzfähig sind auch juristische Personen in Gründung z.B. die Vor-GmbH zuletzt BGH ZInsO 2003, 2123) nicht jedoch die BGB-Innengesellschaft (AG Köln NZI 2003, 614)

Antragsrechte/Antragspflichten §§ 13 – 15 InsO Eigen- und Fremdanträge Antragsrecht natürlicher Personen (beachte § 290 Abs. 1 Nr. 4) Antragspflichten für juristische Personen mit haftungs- und strafrechtlichen Folgen bei Verletzung Antragspflicht und Eigenprüfung Sonderregelungen § 15 und § 18 Abs. 3!

Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit § 17 InsO Drohende Zahlungsunfähigkeit § 18 InsO Überschuldung § 19 InsO

Das Eröffnungsverfahren Phase 1 Vorgeschaltetes Zulassungsverfahren mit Beibringungsgrundsatz Phase 2 Eigentliches Eröffnungsverfahren mit Amtsermittlungen nach § 5 (BGH ZInsO 2003, 217)

Das Zulassungsverfahren Prüfung der nachfolgenden Kriterien · örtliche Zuständigkeit und  Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart ·  Ordnungsgemäße Antragstellung Form und Inhalt · Unzulässigkeit von Bedingung oder Befristung ·   Darlegung des Bestandes der Forderung ·   Darlegung des Insolvenzgrundes Einreichung zustellungsfähiger Zweitschrift

Das Zulassungsverfahren Antragsberechtigung bei Eigen- oder Fremdantrag (§§ 14, 15) Rechtsschutzinteresse (§ 14) Glaubhaftmachung der Forderung und Beibringung der Unterlagen Glaubhaftmachung Insolvenzgrund und Darlegung der Tatsachen (vgl. z.B. BGH ZInsO 2003, 217 (Eigenantrag)

Eröffnungsverfahren Grenze für den zulässigen Erlass von Sicherungsmaßnahmen (Prüfung der Begründetheit des Antrages) Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung aller entscheidungserheblichen Tatsachen Gewährung rechtlichen Gehörs Auskunftspflicht des Schuldners und der Organe juristischer Personen (§ 20 InsO)

Eröffnungsverfahren Einholung eines SV-Gutachtens zur Feststellung von z.B.: Insolvenzursachen Insolvenzgrund Aufdeckung haftungsrechtlicher Handlungen Prüfung der Fortführungs- und Sanierungsfähigkeit

SV-Gutachten Massekostendeckung als Eröffnungs-voraussetzung § 54 InsO (BGH ZInsO 2003, 706) Vergleich des in angemessener Zeit verwertbaren, in Geld umwandelbaren Vermögens des Schuldners mit den voraus-sichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens Zeitraum bis zu einem Jahr nach Eröffnung

Entscheidungen des Gerichts Verweisung wegen anderweitiger Zuständigkeit (örtlich/sachlich) Abweisung als unzulässig oder unbegründet Abweisung mangels Masse Erlass von Sicherungsmaßnahmen Eröffnung