Die Hattie Studie und erfolgreicher Unterricht

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Bericht zur Inspektion an der Albert-Einstein-Oberschule (Gymnasium)
Advertisements

Zum Leitbild der Abendschule Vor dem Holstentor
Prof. Dr. Liggesmeyer, 1 Software Engineering: Dependability Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer.
Wie wir in „Mathematik für alle“ die Welt der Mathematik sehen
Vorlesung: 1 Betriebliche Informationssysteme 2003 Prof. Dr. G. Hellberg Studiengang Informatik FHDW Vorlesung: Betriebliche Informationssysteme Teil3.
Tagesordnung Aufgaben der Schulinspektion
PISA_BAK_ C:\jo\pisa\bak
Die Fragen müssen lauten:
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) Rottweil Unser Vorgehen NIMBUS Notenverteilung im Mathematikabitur - Bestandsaufnahme.
Modelle und Methoden der Linearen und Nichtlinearen Optimierung (Ausgewählte Methoden und Fallstudien) U N I V E R S I T Ä T H A M B U R G November 2011.
Modelle und Methoden der Linearen und Nichtlinearen Optimierung (Ausgewählte Methoden und Fallstudien) U N I V E R S I T Ä T H A M B U R G November 2011.
Rechnungswesen und Finanzierung
Kulturelle Konflikte im globalen Konfliktgeschehen seit 1945 – Prof. Dr. Aurel Croissant Studie des Instituts für Politische Wissenschaft an der Universität.
Eine Fallstudie zur Wirtschaftsinformatik
Räumliche Orientierung Lehrveranstaltungsraum:
Der Einstieg in das Programmieren
Scratch Der Einstieg in das Programmieren. Scatch: Entwicklungsumgebung Prof. Dr. Haftendorn, Leuphana Universität Lüneburg,
Vorlesung: 1 Betriebliche Informationssysteme 2003 Prof. Dr. G. Hellberg Studiengang Informatik FHDW Vorlesung: Betriebliche Informationssysteme Teil2.
Verhaltensprävention: Was kann sie leisten?
Meta-Analyse Forschungsmethoden und Evaluation
Informationsveranstaltung am in der BBS Papenburg
Was machen wir besser als die Wettbewerber
Massenspektrometrie - Grundprinzip (vereinfachte Erklärung)
Professionelles Lehrerhandeln
Einführung in die Metaanalyse
Schulentwicklung Volksschule / HS / NMS …. basierend auf dem Zahnradmodell der Bewegten Schule Stand: Sept
Unterrichtsentwicklung, Schulentwicklung, Vernetzung Einführung in die Grundlagen der voXmi-Arbeit Graz, am im Rahmen der voXmi- Bundestagung.
Die Hattie Studie und erfolgreicher Unterricht
Was in der Schule wirkt – und was nicht
25 Jahre Studium ab 60 an der Universität Heidelberg:
Zusammenfassung von Martin Riesen (2013) - Entwurf
Warum ist Vereinbarkeit ein Thema?
Und auch: Das Hattie-Quiz
IFES - Institut für empirische Sozialforschung GmbH Teinfaltstraße Wien Lehramts-Studierende Online-Befragung 2009.
Auslegung eines Vorschubantriebes
Computereinsatz von VolksschullehrerInnen
Finnische Lehrerinnenbildung: Forschungsorientiert Englisch Research-based teaching According to the teaching philosophy of the University, teaching and.
Benotungspraxis: Next Practice in der Leistungsbeurteilung
Dienstleistungen für Ihren Fortschritt. Neigungsprofil für Servicetechniker More than psychology structures.
Vergleichsarbeiten in der Grundschule
What works? Die Synthese von Hattie (2009)
ERFOLG.
Effektstärke Lernerfolg
Kompetenzorientiert fortbilden –kompetenzorientiert unterrichten
Orientierungsphase, Teil – 22. Oktober 2013
«Mission possible?» Fördern, fordern, integrieren, selektionieren: wie passt das alles zusammen? Roland Reichenbach, Universität Basel.
Qualitätsanalyse zur DKM 2007 Die Makler Die Messe Die Unternehmen Ergebnisse einer telefonischen Befragung bei Maklern November 2007 Marketing Research.
Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt
Förderung der Literalität ausserhalb der Schule: Erwachsenenalphabetisierung und Family Literacy. Junior-Prof. Dr. Sven Nickel 31. Oktober 2008.
Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an
Möbelhaus Mustermann Möbelhaus Mustermann Revision 0 Seite Nr
Mit InES die interne Evaluation in Schulen unterstützen
Fachdidaktik Englisch III – Classroom Management & ICT – Institut für Erziehungswissenschaft Abteilung Lehrerinnen- und Lehrerbildung Maturitätsschulen.
Tagung Lernen & Raum Trends und Entwicklungen im Bildungsbereich Dr. Peter Höllrigl.
neuere Entwicklungen in der Lehrerausbildung
Prof. Dr. John Hattie University of Melbourne (Aus) Wer ist dieser Mann? Ist er… …„der womöglich einflussreichste Unterrichtsforscher weltweit“, oder ein…
LEO Globaler Führungskräfte Gipfel Frankreich/Deutschland Juni 2015.
Die Herausforderung der elektronischen Archvierung Manfred Thaller Universität zu Köln Köln, Die Herausforderung der Elektronischen Archivierung 9. Januar.
ADL Ein wichtiger Schritt in der Schulentwicklung.
Transferfragen für die Hochschule. Theseninterview Jeder von Ihnen hat eine These zu einem Teilaspekt des Hauses der NMS. Holen Sie bitte 3 bis 4 „Interviews“
Amt für Volksschule fördern und fordern Elterninformation zur Schülerinnen- und Schülerbeurteilung fördern und fordern.
Rückwärtiges Lerndesign Leistungsbeurteilung FOKUS AUF PRAXIS …
Goetheschule Wetzlar • Frankfurter Straße 72 • Wetzlar
Was funktioniert? Eine (ziemlich stark verkürzte) Übersicht über Metastudien zum Lernerfolg Ⓒ M. Rode, Lüneburg, 2014.
Wissenschaftsbasierter Fremdsprachenunterricht?
Lernwirksamer Unterricht Analyse wichtiger Merkmale
Gelingensbedingungen für erfolgreiches Lernen
Lernwirksamer Unterricht durch Feedback
Lernwirksamer Unterricht Analyse wichtiger Merkmale
Lernwirksamer Fremdsprachenunterricht durch Feedback
 Präsentation transkript:

Die Hattie Studie und erfolgreicher Unterricht Welche Erkenntnisse liefert die Studie zur Berliner Schulreform? Bildungshaus Erkner 13. September 2013 Prof. Dr. Claus G. Buhren Seminar 1 „Grundlagen und Peer Reviews“ Programm und Skript

John A. C. Hattie (2009):

Worauf kommt es Hattie an? Forschungsbilanz: Zusammenfassung von Studien zum erfolgreichen Lernen Empirische Orientierung und normative Ausrichtung Was wirkt?  Was wirkt am besten? (What works best?) „Visible“: Alles was dazu beiträgt, die Wirksamkeit von Lernprozessen sichtbar zu machen. „Feedback to teachers helps make learning visible.“ (S. 173)

Wie ist die Studie angelegt? 15-jährige Forschungsbilanz aus über 50.000 Studien, weitestgehend aus dem englischen Sprachraum 138 Einflussfaktoren, die im Hinblick auf ihren akademischen Lernerfolg (Mathematik, Englisch) untersucht wurden Spektrum der Untersuchungsbereiche (und Anzahl der Einflussfaktoren): Familie (7) und Schüler (19) Schule (28) und Curriculum (25) Lehrperson (10) und Unterrichtskonzepte (49)

Was ist eine Metaanalyse? Meta-Analysen als Möglichkeit, über viele einzelne Studien hinweg Auskunft über die Wirksamkeit bestimmter Variablen zu erlangen (z. B. Klassenwiederholung), - nicht in Form einer Inhaltsanalyse, sondern durch ein statistisches Verfahren. Die Einflussgrößen sind (aufgrund der bei Meta-Analysen verwendeten Methoden) miteinander vergleichbar, obwohl sie aus ganz verschiedene Studien stammen.

Wer hat Einfluss auf akademischen Lernerfolg? - Schulexterne Einflüsse insgesamt: 60-70 % - Schulinterne Einflüsse insgesamt: 30-40 %

Vergleichen mit dem Effektmaß „d“ .40 .30 .15 .50 .60 .70 .80 .90 1.0 REVERSE Developmental Effects Teacher ZONE OF DESIRED EFFECTS Retention (hold back a year): -.16 d < 0: Maßnahme senkt Lernerfolg 0 ≤ d < .20: kein Effekt bzw. unbedeutender Effekt .20 ≤ d < .40: kleiner Effekt .40 ≤ d < .60: moderater Effekt d ≥.60: großer Effekt Forschungsbilanz bezieht sich nur auf englischsprachige Literatur !

Was wirkt wirklich? Welche Faktoren haben auf den Lernerfolg keinen / geringen / moderaten / großen Einfluss? Wiederholung eines Jahrgangs Jahrgangsübergreifender Unterricht Leistungshomogene Klassenbildung Lehrerausbildung Hausaufgaben Schulleitung Lehrerfortbildung Metakognitive Strategien Lernbezogenes Feedback 8

Was wirkt wirklich? Welche Faktoren haben auf den Lernerfolg keinen / geringen / moderaten / großen Einfluss? Wiederholung eines Jahrgangs -.16 Jahrgangsübergreifender Unterricht .04 Leistungshomogene Klassenbildung .12 Lehrerausbildung .12 Hausaufgaben .29 Schulleitung .36 Lehrerfortbildung .62 Metakognitive Strategien .69 Lernbezogenes Feedback .73 9

Vorsicht mit den Ranglisten! Der erste Eindruck kann täuschen!! Die Effektstärke sagt nichts über die Qualität der untersuchten Maßnahmen aus. Die Effektstärke mittelt die Ergebnisse der Metastudien, manche sind sehr disparat. Angelsächsisch geprägte Unterrichts- und Schulkultur unterscheidet sich von deutscher. Akademischer Lernerfolg ist nur ein Teil des Bildungsauftrags. Erst das Zusammenspiel von Variablen macht Schul- und Unterrichtsqualität aus.

Einige Beispiele! 1. Jahrgangsübergreifendes Lernen Effektstärke .04 = keinen Effekt! Frage: warum wirkt es nicht? Antwort: weil es fast nur Ergebnisse aus Studien gibt, in denen der Unterricht nicht an die besondere Lernsituation angepasst ist!! „.. it is likely that teachers teach in a similar way regardless of the distribution of age range in the class, and the multi-grade classes are often split by age for grouping”! (Hattie Studie, S. 93) Werden kooperative Lernsituationen genutzt, steigt die Effektstärke um mehr als das 10-fache!!

Einige Beispiele! 2. Offener Unterricht Effektstärke .01 = keinen Effekt! Frage: warum wirkt es nicht? Antworten: weil die Datenlage zu klein ist (vier Metastudien) weil die Studien veraltet sind (1980 bzw. 1982) weil es ein Definitionsproblem gibt. Methoden des offenen Unterrichts erzielen viel höhere Effektstärken: reziprokes Unterrichten (pupils as teachers) .74 Selbstbefragungen (self-questioning) .64 Lerntechniken (study skills) .59

Einige Beispiele! 3. Direkte Instruktion Effektstärke .59 = sehr großer Effekt! Frage: warum wirkt es? Antwort: weil es sich um anspruchsvollen integrierten Frontalunterricht (Gudjons) handelt! „.. the teacher decides the learning intentions and success criteria, makes them transparent to the students, demonstrates them by modeling, evaluates if they understand what they have been told by checking the understanding, and re-telling them what they have told by tying it all together with closure”! (Hattie Studie, S. 206)

Was ist Hatties „Überzeugung“? „Schülerorientierung“: Mit den Augen der Lernenden – Die Lehrperson als Lernende. („when teachers see learning through the eyes of the student“; S. 238) The teacher matters !  What teachers do matters! What teachers do matters!  What some teachers do matters!

Die Zeit vom 3.1.2013

Hattie und die Berliner Schulreform Die vier zentralen Themenfelder Duales Lernen Ganztägiges Lernen Individualisierung des Lernens Differenzierung

Hattie und die Berliner Schulreform Die vier zentralen Themenfelder Duales Lernen es gibt keine vergleichbare Berufsorientierung im anglo-amerikanischen Bildungsbereich Ganztägiges Lernen ist im anglo-amerikanischen Bildungsbereich selbstverständlich

Hattie und die Berliner Schulreform Die vier zentralen Themenfelder Individualisierung des Lernens reciprocal teaching (0.88) – Schüler als Lehrer feedback (0.74) - Rückmeldungen an Schüler/Lehrer reading/creativity/comprehension programms (0.67) self-verbalization (0.64) – Schülerselbstkontrolle

Hattie und die Berliner Schulreform Die vier zentralen Themenfelder Differenzierung teacher clarity (0.75) – Klarheit der Lehrkraft problem-solving teaching (0.61) – problemlösendes Lernen/Lehren cooperative learning (0.57) – kooperatives Lernen peer tutoring (0.55) – Schüler als Lerncoaches classroom management (0.52) - Klassenführung

Handlungsperspektiven für erfolgreichen Unterricht „If the teacher‘s lens can be changed to seeing learning through the eyes of students, this would be an excellent beginning.“ (Hattie 2009; Zitat S. 252, Grafik S. 238)

Acht Aspekte zur Förderung der Unterrichtsqualität Drei „Basisdimensionen“ (Klieme et al. 2006, S. 131) „strukturierte, klare und störungspräventive Unterrichtsführung“ „unterstützendes, schülerorientiertes Sozialklima“ „kognitive Aktivierung“ (z. B. offene Aufgaben, diskursiver Umgang mit Fehlern) Schülerorientierung (Förderperspektive): „Mit den Augen der Lernenden“! Diagnosekompetenz entwickeln:  Evaluative Orientierung: „Where are you going?“, „How are you going?“, „Where to the next?“ Feedbackkultur aufbauen  Lehrer-Schüler, Schüler-Lehrer, Lehrer-Lehrer, Schüler-Schüler

Acht Aspekte zur Förderung der Unterrichtsqualität Lehrerausbildung: Ausrichtung auf die „Basisdimensionen“ „Microteaching“ (.88) Lehrerfortbildung: Professionalisierung (.62) Fachunterstützung: Wirksame Lernprogramme: reading (.67) Materialien: ausgearbeitete Lösungsbeispiele (.57) advance organizers (.41) Ermöglichende Bedingungen: Elternarbeit „Parental involvement“ (.51)

Zugabe: Hilbert Meyer und John Hattie Ein Vergleich der 10 Merkmale guten Unterrichts (H. Meyer) mit den Ergebnissen John Hatties eine Übersicht von Dr. Michael Mausbach (Hagen 2013)

Literatur Hattie, J.A.C.: Visible Learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London 2009 (deutsche Fassung 2013) Klieme, E. u.a.: Qualitätsdimensionen und Wirksamkeit von Mathematikunterricht. In: Prenzel, M./Allolio-Näcke, L. (Hg.): Untersuchungen zur Bildungsqualität von Schule. Münster 2006 Meyer, H. Was ist guter Unterricht. Berlin 2004 Steffens, U./Höfer, D.: Was ist das Wichtigste beim Lernen? Die pädagogisch-konzeptionellen Grundlinien der Hattieschen Forschungsbilanz aus über 50.000 Studien. In: schulVerwaltung Hessen/Rheinland-Pfalz, Heft 11/2011, S. 294-298