Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler1 Publikumsforschung Vorlesung 11: Das reflektierende Publikum – Biographieforschung
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler2 Gliederung Vorlesung Grundgedanken 2. Medienbiographien oder biographische Medienforschung? 3. Methoden 4. Beispielstudien 1. Kino im Lebenslauf 2. Leben ohne Westfernsehen 5. Zusammenfassung
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler3 1. Grundgedanken: Biographie Ausgangspunkte: erzählte bzw. berichtete Darstellung der Lebensführung und -erfahrung Biographieforschung interessiert sich für: Regelmässigkeiten Besonderheiten soziale und historische Zusammenhänge
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler4 1. Grundgedanken: Formen biographischen Erzählens Alltag Beichte Anamnese literarische Formen Biographie Autobiographie Memoiren Tagebuch Lebenslauf Akten Laudatio und Nachruf
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler5 1. Grundgedanken: Funktionen Unterhaltung Übermittlung von Lebenserfahrung Ausbau und Abstimmung der Lebensgeschichte Nachweis sozialer Basiskompetenzen Nachweis der „Normalität“ Kennen - Lernen und Festlegen
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler6 1. Grundgedanken: Begriff eigene Darstellung eines Lebens Erzählung, Beschreibung, Erklärung Souveränität des Ichs: Widerstand Erzählung von heute: Uminterpretationen blinde Flecken Erzählbarkeit als Selektionskriterium übergreifender Sinnzusammenhang biographische Erzählungen sind nicht „wahr“ Erzähler als Experte Erzählzwänge
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler7 2. Medienbiographien oder medienbiographische Forschung? Schwierigkeiten, „Medienbiographien“ zu konstruieren formale Ziele Abgleich mit anderen Herangehensweisen Datenersatz Rezeptionsgeschichte von unten: „oral history“ inhaltliche Ziele Mediennutzung und -wirkung aus Sicht des Publikums individuelle Erklärungen Typologien im Umgang mit Medien (siehe Beispiel 1)
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler8 3. Methoden Methodenmix Zeitdokumente Erzählungen narratives Interview zum Erzählen bringen: Erzählzwänge Kondensieren Detaillieren Gestaltschliessung permanente Operationalisierung Pseudogespräch
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler9 4. Forschungsbeispiel 1: Kino im Lebenslauf Elisabeth Prommer: Kinobesuch im Lebenslauf: eine historische und medienbiographische Studie. Konstanz 1999: UVK Ausgangspunkte Legenden vom Kinobesucher Unklarheiten über Funktionen und Motive Fragestellungen (u.a.): Stellenwert des Kinos/in verschiedenen Lebensphasen Rolle des gesellschaftlichen Systems oMethode: Leitfadeninterviews 96 Befragte; quotiert Auswertung: Kernaussagen (Paraphrasierung)
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler10 4. Forschungsbeispiel : Kinobesuch 1. Kinotypen I
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler11 4. Forschungsbeispiel 1: Kinobesuch 2. Kinotypen II
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler12 4. Forschungsbeispiel 2: „Das Tal der Ahnungslosen“ Hans-Jörg Stiehler: Leben ohne Westfernsehen. Studien zur Mediennutzung und Medienwirkung in der Region Dresden. Leipzig 2002: Universitätsverlag Ausgangspunkt: quasi-experimentelle Situation odrei Untersuchungsmodule oRe-Analyse von Daten der DDR-Sozialforschung oArchivrecherchen (BStU, Staatsarchiv Sachsen) oInterviews
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler13 4. Forschungsbeispiel 2: „Das Tal der Ahnungslosen“ Modul: Interviews oFragestellung oWie wurde die Situation empfunden? oWie wurde mit dem Mangel umgegangen? oWelche Wirkungen werden reflektiert ? oMethode Leitfadeninterview mit Erinnerungsstütze 27 Interviews; quotiert, Schneeball-System
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler14 4. Forschungsbeispiel 2: Das Tal der Ahnungslosen Ergebnisse: Varianten im Umgang mit der Situation Mangelbewusstsein „konnte damit leben“ „das hat man dann wirklich vermisst“ Alternativen „wenn es sich so ergeben hat“ Wirkungen „dass wir naiver waren“ „sonst keine Probleme“
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler15 4. Forschungsbeispiel 2: Das Tal der Ahnungslosen Modul: Re-Analyse von Daten (Sekundäranalyse) geeignete Indikatoren? geeignete Datensätze ? Hauptergebnisse politische Einstellungen gegenüber dem Sozialismus als politischem System und Bewertungen der DDR sind im "Tal der Ahnungslosen" schwächer ausgeprägt. Befragte in der Region Dresden hatten ein positiveres Bild der westlichen Gesellschaft → Frustration kommunikativer Bedürfnisse (kein „Soma“) → Soziale Reaktanz: Aufwertung von Optionen bei limitierten Handlungsmöglichkeiten und Gütern
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler16 4. Forschungsbeispiel 2: Das Tal der Ahnungslosen Modul: Archivrecherchen OV Turm – „Rasterfahndung“ Sicherung Ergebnisse Antennenproblematik: Selbstorganisation und „Basteleien“ „Stillhalteabkommen“ (Engler) Diskussionen und Gerüchte Hoffnungen Privilegierungen
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler17 5. Zusammenfassung interessante Innensichten kritische Distanz zu biographischen Erzählungen Ergänzung zu anderen Methoden, aber auch Eigenwert
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler18 Übungsfragen 1.Was unterscheidet eine Biographie von einem Lebenslauf? 2.Nennen Sie Aufgaben/Zielstellung medienbiographischer Forschung! 3.Vor welche Schwierigkeiten sieht sich medienbiographische Forschung gestellt?