Strafrecht Schulhof.

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Strafrecht Schulhof

A schlägt den körperlich stark unterlegenen B auf dem Schulhof A schlägt den körperlich stark unterlegenen B auf dem Schulhof. Nach mehreren Schlägen, die regelmäßig auf ihn einprasseln und bei B sowohl blaue Flecken als auch erhebliche Schmerzen verursachen, holt B ein Springmesser heraus und sticht A in den linken Arm. Eine andere Verteidigungsmöglichkeit kommt aufgrund der körperlichen Unterlegenheit des B nicht in Betracht. Daraufhin lässt A von seinen Schlägen ab. A war schuldunfähig. Für B war dies nicht erkennbar. Strafbarkeit der Beteiligten?

DIE   FOLGENDE   DARSTELLUNG   IST   LEDIGLICH   EIN   MÖGLICHER   LEITFADEN   ZUR   LÖSUNG   DES   FALLES.   SIE   HAT   KEINEN   ANSPRUCH   AUF   VOLLSTÄNDIGKEIT.   WEITERE   LÖSUNGSWEGE   SIND   MÖGLICH. Sie stellt lediglich eine Besprechungsgrundlage für die Kurse dar und ist keine Musterlösung wie sie in der Klausur erwartet wird!

Teil 1 : Strafbarkeit A A. KÖRPERVERLETZUNG A könnte sich gem. § 223 I StGB strafbar gemacht haben, indem er B schlug. I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Taterfolg Dazu müsste A den B körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.  Gesundheitsschädigung: jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands o Hier: Schläge, blaue Flecken (+)  Körperliche Misshandlung: jede nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit o Jedenfalls bei Vorliegen von Schmerzen (+) b) kausale und objektiv zurechenbare Tathandlung Die Schläge des A können nicht hinweggedacht werden ohne, dass der tatbestandliche Erfolg entfiele. Die Schläge sind, mangels entgegenstehender Hinweise auch objektiv zurechenbar. c) Zwischenergebnis Der objektive Tatbestand der Körperverletzung ist erfüllt. 2. subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Vorsatz ist der Wille zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale. A wollte den B schlagen und wusste, dass dies den B verletzten würde → Vorsatz (+) b) Zwischenergebnis Er handelte vorsätzlich bzgl. der Körperverletzung II. Rechtswidrigkeit (+) III. Schuldfähigkeit  Laut Sachverhalt ist A schuldunfähig → Schuldfähigkeit (-) B. ERGEBNIS A ist nicht gem. § 223 I StGB strafbar.

Teil 2 : Strafbarkeit B A. GEFÄHRLICHE KÖRPERVERLETZUNG 223 I, 224 I NR 2 VAR. 1 STGB B könnte sich gem. §§ 223 I, 224 I Nr 2 Var. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er A in den Arm stoch. I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Taterfolg Dazu müsste B den A körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.  Gesundheitsschädigung: jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands o Hier: Stichverletzung am Arm (+)  Körperliche Misshandlung: jede nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit o Schmerzen durch den Stich (+) o Schnittwunde ist eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit b) kausale und objektiv zurechenbare Tathandlung (+) c) § 224 I Nr. 2 Var. 1 Dazu müsste B die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs bewirkt haben.  Waffe: Gegenstände, die allgemein dazu bestimmt sind, Menschen über eine mechanische oder chemische Wirkung zu verletzen (Prototyp: Schusswaffe). o Jedenfalls Waffen iSd Waffengesetzes o Springmesser ist Waffe iSd Waffengesetzes und somit auch Waffe iSd § 224 (+) Anmerkung: ob es sich um eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug handelt, hängt von der Art des Messers ab. Ein Springmesser ist eine Waffe im Sinne des Waffengesetzes. d) Zwischenergebnis Der objektive Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung ist erfüllt. 2. subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Vorsatz ist der Wille zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale. B wusste, das er A am Körper verletzten würde und dies auch mittels des Springmessers. Dies wollte er auch b) Zwischenergebnis B handelte vorsätzlich bzgl. der gefährlichen Körperverletzung

II. Rechtswidrigkeit 1. Notwehr In Betracht kommt allerdings eine Rechtfertigung wegen Handelns in Notwehr gem. § 32 StGB. Eine Rechtfertigung gemäß §32 setzt eine Notwehrlage (gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf notwehrfähiges Rechtsgut), eine Notwehrhandlung (jede zur Abwehr des Angriffs geeignete und erforderliche Handlung) und ein subjektives Rechtfertigungselement voraus („um zu“, handeln in Verteidigungsabsicht). a) Notwehrlage Eine Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf notwehrfähiges Rechtsgut voraus.   Notwehrfähiges Rechtsgut: Körperliche Integrität des A → (+)   Angriff: menschliches Verhalten, in dessen Folge die Verletzung eines Individualrechtsguts droht → hier (+)   Gegenwärtigkeit des Angriffs: der Angriff muss unmittelbar bevorstehen, gerade stattfinden oder noch fortdauern → hier schlägt A noch auf B ein, daher (+)   Rechtswidrigkeit des Angriffs: o h.M.: Erfolgsunrechtskonzeption: entscheidend für die Rechtswidrigkeit des Angriffs ist ob die be- wirkte oder drohende Rechtsgutsverletzung selbst durch einen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist → der Angegriffene muss sie dann dulden  Angriff des A war nicht gerechtfertigt, er war lediglich schuldunfähig.  Angriff wäre somit Rechtswidrig o t.v.A: Verengung des rechtswidrigen Angriffs auf einen rechtswidrigen, schuldhaften Angriff  Contra: Wortlaut (rechtswidrig vs. Schuldhaft)  Contra: steht der Konzeption des „schneidigen Notwehrrechts“ entgegen o Daher hier: rechtswidriger Angriff (+) → Notwehrlage (+) b) Notwehrhandlung Gerechtfertigt iSd §32 StGB ist jede zur Abwehr des Angriffs geeignete und erforderliche Handlung  Geeignetheit des Stichs (+)

Erforderlichkeit  Erforderlichkeit des Schusses in einer solchen Situation: existiert ein milderes Mittel, das gleich geeignet gewesen wäre, den Angriff sicher und endgültig abzuwehren ("schneidiges Notwehrrecht")? o B ist körperlich stark unterlegen, zurückzuschlagen daher nicht gleich geeignet o Sonstige Mittel sind nicht ersichtlich, zumal es keine Ausweichobliegenheit gibt Man kann hier diskutieren, ob eine Warnung erforderlich war Dies wird generell angenommen bei Provokationen und lebensgefährlichen Mitteln, hier ist m.E. keine Warnung erforderlich, weil der Stich in den Arm nicht lebensgefährlich ist und im SV angegeben ist, dass B sich nicht anders wehren konnte (a.A. aber gut vertretbar) Siehe hierzu: BGH NStZ-RR 2013, 105: "Zwar geht die Rspr. davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines Messers in der Regel anzudrohen ist(BGH, NStZ 1996, NSTZ Jahr 1996 Seite 29f.; BGHSt 26, [BGHST Jahr 26 Seite 258] = NJW 1976, NJW Jahr 1976 Seite 634). Dies setzt aber voraus, dass eine solche Drohung unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann (BGH, Beschl. v. 27. 9. 2012 – BGH Aktenzeichen 4STR19712 4 StR 197/12 mwN); dabei ist auch zu berücksichtigen, ob dem Angegriffenen genügend Zeit zur Wahl des Abwehrmittels und zur Abschätzung der Lage zur Verfügung stand (vgl. BGH, NStZ 2012, NSTZ Jahr 2012 Seite 272 [NSTZ Jahr 2012 Seite 274]). Dies ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Einzelnen darzulegen. Dabei dürfen angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen die Androhung eines Messereinsatzes keine überhöhten Anforderungen gestellt werden o Daher: Erforderlichkeit (+)

 Gebotenheit der Notwehrhandlung: Sozialethische Einschränkungen des Notwehrrechts Anmerkung: Es findet grds. bei der Notwehrprüfung keine Verhältnismäßigkeitsabwägung statt. Dennoch gibt es Fallgruppen, in denen das schneidige Notwehrrecht nicht angepasst erscheint → Im Sinne der Ganzheit der Rechtsordnung sind in diesen Konstellationen Anpassungen notwendig: entweder nur eingeschränktes Notwehrrecht in Form einer Abstufung oder völliges Ausscheiden des Notwehrrechts o Hier möglicherweise, weil A schuldunfähig war?  Notwehrrecht wird aber nur bei erkennbar schuldunfähigen eingeschränkt  Vorliegend war es für B allerdings nicht erkennbar o Daher Gebotenheit (+) c) subj. Rechtfertigungselement (+) 2. Zwischenergebnis B ist gem. § 32 StGB gerechtfertigt. III. Ergebnis B ist nicht gem. § 223 I, 224 I Nr 2 Var. 2 strafbar. Gesamtergebnis: A und B sind straflos.