Kinder, Jugendliche und Eltern mit Migrationshintergrund in der Rehabilitation Prof. Dr. Theda Borde Nachhaltige Stärkung der Kinder, Jugendlichen und.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Der Bodenseekongress 2015 Erkenntnisse der Vorkonferenz Ravensburg Aktion Psychisch Kranke - BLV Baden-Württemberg - EU-Regio Projekt Baden-Württemberg.
Advertisements

Pflegesymposium Schladming Andrea Kynast1.
„Interkulturelle Handlungskompetenz in der Beratung“ Dr. Mohammad Heidari.
Lernerprofile – deutsch Profil 3 [Version 1.2] Profil (3) männlich 11 Jahre alt geboren in Mazedonien seit 3 Jahren in Südtirol (Italien) L1 Mazedonisch.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Gesundheit BAG Direktionsbereich Gesundheitspolitik Eidgenössisches Departement des Innern EDI.
Medical University of Vienna T. Akkaya-Kalayci Diversity Care als Herausforderung Türkan Akkaya-Kalayci, M.D. Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie.
© ESPRIX 2013 Assessorprofil Vorname Name. © ESPRIX 2013 Persönliche Angaben Bitte stellen Sie sich vor. Vorname Name Geboren am … in … Funktion Aktuelle.
Einwanderung in Südtirol Immigrazione Dossier Statistico UNAR/IDOS regulär anwesende Ausländer/-innen Schätzung Dossier Statistico Caritas e Migrantes.
Europäisches Modell für die Unterstützung von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität Dr. Anthony Williams EU Sekretariat.
Jugend und Sexualität Bundesministerin Dr. Sophie Karmasin.
Seite 1 Das graue und das bunte Österreich Rainer Münz Europäische Kommission Seefeld, 16. Juni, 2016.
Sozicamp Soest. Brutto-Netto-Kurven und Relative Armut Zwei Beispiele, wie man mit Hilfe von Statistik-Modellen klar verständliche, sinnvolle und überprüfbare.
Primary Care und Bewegungskompetenz Mag. Frank M. Amort Mag. Dr. Othmar Moser FH JOANNEUM Institut für Gesundheits- und Tourismusmanagement Kaiser-Franz-Josef.
Socium - Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik | Dr. Rolf Müller Armut und Gesundheit Zur Diskussionsveranstaltung Arm = Krank? Gesundheitliche.
Entwicklung einer offenen Austauschplattform "GenderMed-Wiki"
Und zwar, ob Naruto mit Sakura oder mit Hinata ein Paar werden soll.
Chiropraktik Hand am Patienten. Was noch?
Pflegestärkungsgesetz II
Frühe Förderung in Arbon – Elternarbeit Bildungslandschaft Arbon
Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg Kontakt- und Ideenbörse am
Kinder- und Jugendpartizipation
Life Choices – Health 4 Life HIV/AIDS Prävention in den Cape Flats
Altersgruppen im Vergleich
Ergebnisse der Bedarfsermittlung zur Einrichtung von Ganztaggrundsschulen in der Gemeinde Kirchlinteln Oktober 2016.
Das Erfolgsmodell der Begleitung in der ersten Lebensphase
JugendAuslandsBeratung JAB
24. Vorlesung: Rehabilitation in der Psychiatrie
Bedeutung und Aufgabe des Sports
7. Tag der freien Berufsbetreuer
Gesundheit ist nicht das wichtigste?
WRRL Maßnahmenumsetzung in Schwerpunktgewässern
Was nutzt mir KEDOQ-Schmerz?
Einfluss des Geschlechts auf das klinische und psychosoziale Ergebnis nach Nierenlebendspende Sarah Estelmann AG Lebendspende, Projektleitung: Frau Prof.
Gesundheitskompetente Jugendarbeit
Ehrenamt und Arbeitsmarkt ? Zur Struktur einer guten Partnerschaft
Starte Dein Projekt ! Schule braucht Freunde – werden Sie ein friends4school! Nutzen Sie Deutschlands größtes Schulprojektnetzwerk auch in ihrer Schule.
Agentur zum Aufbau von Wohnberatung
GENDER MAINSTREAMING Die 4-R-Methode
Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung
Über das Projekt, Eckdaten
Modul 1: Transkulturelle Kompetenz
Transkulturelle Psychoonkologie
Allgemeine Vorbemerkungen
Hilfe und Schutz für geflüchtete Frauen und ihre Kinder „Heimat schaffen. Familie schützen. Zukunft schenken“ Einrichtung von „Zentralen Frühe Hilfen“
über relevante Beratungs- und Hilfsangebote
Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt Fachtagung „Berufswegeplanung“ Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Hannover
Mittel- bis langfristige Perspektiven des Arbeitsmarktes
Die Entwicklung der Pflegeressourcen im Bereich der Altenpflege
Bevölkerungsbefragung zur Lebensqualität in Laufen-Uhwiesen
Probleme, Projekte, Ziele
Die Wirkung des fairen Handels und die Funktion von Fairtrade
Sportregion Furttal: Sportnetz 4. Oktober 2017.
Die Rolle der Ergotherapie in Home Treatment und StäB
Bern, 21. November 2018 Jacqueline Sidler Stv. Amtsleiterin KJA
Dimensionen von Diversität
Die 2 Seiten der Medaille vernetzender Arbeit
Peter Kopf | ifs Schuldenberatung Schulden und Gesundheit Peter Kopf | ifs Schuldenberatung Schulden verringern – Gesundheit erhalten! ©Isabel Baldreich.
Jugendsozialarbeit an der Elsbethenschule
„Rund um die Familie“ Wochenrückblick vom bis
Expression V Studie Berliner Umfrage bei Patientinnen mit Eierstock-, Eileiter-, Bauchfell-, oder Brustkrebs – Erwartungen und Wünsche von Frauen mit.
Integrationsmanagement im Landkreis Ludwigsburg
Rehabilitation von Kinder- und Jugendlichen
Beispiel für eine Grafik gebundene Textproduktion – DaF B1+/B2
Was wir erreichen möchten …
Soziologie twR BA - Praktikum Informationen zum Praktikumstag
Tätigkeit In Anlehnung an:
Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann KatHO NRW - Aachen
LaS Düsseldorf 19. Juni 2018.
Eine wichtige Ressource bei der Bewältigung von Transitionsprozessen
Gesundheits- informationen finden und bewerten
 Präsentation transkript:

Kinder, Jugendliche und Eltern mit Migrationshintergrund in der Rehabilitation Prof. Dr. Theda Borde Nachhaltige Stärkung der Kinder, Jugendlichen und Eltern in der Kinder- und Jugendrehabilitation 17.4.2019, Maritim Berlin

BEVÖLKERUNG IN DEUTSCHLAND Alterspyramide 2016 nach Migrationserfahrung deutliche regionale Unterschiede Stadt – Land Ost - West Kein Migrations-hintergrund 23,4 % Migrationshintergrund 11,5 % ausländische Staatsangehörigkeit jedes 3. Kind in Deutschland hat einen Migrationshintergrund MH eigene Migra-tionserfahrung „Migrationshintergrund“ (seit 2005) = selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren MH in Deutschland geboren Statistisches Bundesamt 2017

FAMILIEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND 34% der Kinder in Deutschland davon 14% mit eigenen Migrationserfahrung Zur Familie zählen alle Haushalte, in denen Elternteile mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren zusammenleben. Juni 2017

SOZIOÖKONOMISCHE LAGE IM VERGLEICH Juni 2017

GESUNDHEIT VON KINDERN UND JUGENDLICHEN Kinder- und Jugendgesundheitssurvey seit 2003 Bislang die einzige gesundheitsbezogene Querschnittstudie mit einer ausreichenden Fallzahl an Menschen mit Migrationshintergrund. Bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Stichprobe ohne Migrationshintergrund häufiger seltener Übergewicht Anämie ungünstiges Mundgesundheitsverhalten Merkmale psychischer Störungen allergische Erkrankungen Skoliose Diagnose Migränediagnose (RKI 2008) Wechselwirkungen verschiedener sozialer Determinanten v. Gesundheit Gesundheitschancen variieren nach Alter & Geschlecht Herkunftsland Aufenthaltsdauer sozioökonomischem Status (Lampert 2015). untere Sozialstatusgruppe 45,1% der Kinder und Jugendlichen mit beidseitigem Migrationshintergrund 13,6% der Kinder und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund) (Frank et al. 2018- KIGGS 2. Welle)

REICHT „MIGRATIONSHINTERGRUND“ ALS DEFINITION ? Sammelbegriff „Migrationshintergrund“ bildet die Verschiedenheit der Lebenslagen von Geflüchteten, Immigranten/-innen und deren direkte Nachkommen nicht ab! Migrationshintergrund umfasst im Ausland geboren ein Elternteil im Ausland geboren beide Eltern im Ausland geboren lange Aufenthaltsdauer in Deutschland kurze Aufenthaltsdauer deutsche Staatsangehörigkeit ausländische Staatsangehörigkeit befristete Aufenthaltserlaubnis unbefristete Aufenthaltserlaubnis ausgezeichnete Deutschkenntnisse geringe Deutschkenntnisse verschiedene Herkunftsländer, Ethnizitäten, Religionen ... Diversität und damit verbundene diverse Lebenslagen innerhalb der Bevölkerung mit „Migrationshintergrund“ verschwimmen. super-diversity (Vertovec 2007)

GESUNDHEIT UND GESUNDHEITSVERSORGUNG VON IMMIGRANTINNEN Zusammenhang von sozialer und gesundheitlicher Benachteiligung mangelnde Repräsentation von Immigranten/-innen in Patientenbefragungen Barrieren beim Zugang und bei der Inanspruchnahme eingeschränkte sprachliche Verständigung Vergleichsweise geringe Gesundheitskompetenzen In Deutschland nur wenige aktuelle Studien der Versorgungsforschung, die Migrationsfaktoren und die Diversität der Patienten/-innen angemessen berücksichtigen! ImmigrantInnen meist schlechterer Gesundheitsstatus Fehl-, Über und Unterinanspruchnahme der Gesundheitsversorgung Unzufriedenheit des Personals mit der Behandlungssituation geringere Qualität der Versorgung (Borde 2008, Lampert et al. 2016, Rechel 2013, Babitsch et al. 2008, Ellert et al. 2015, Schaeffer 2015)

Gefühlt häufig - aber nicht systematisch erfasst ! SPRACHBARRIEREN Gefühlt häufig - aber nicht systematisch erfasst ! Angaben zur Häufigkeit variieren zwischen 10% und 30% der PatientInnen mit MH (Langer et al. 2017, Ulrich et al. 2016, BBMFI 2014, Brenne et al. 2015) geringe Dolmetschkompetenzen Eile Parteilichkeit Schamgefühle falsche Übersetzungen Auslassungen Verzerrungen Filtern u. Verschweigen von Informationen meist Laiendolmetscher/-innen (z.B. Familienangehörige) Standards guter Kommunikation sind nicht erfüllt Langer et al. 2017, Kinder- und Jugendklinikstudie in NRW)

Beispiel: Rehabilitation bei Erwachsenen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation bei Personen mit Migrations-hintergrund aus der Türkei weniger effektiv als bei Einheimischen (Schott et al 2015). Ursachen: sprachliche Verständigungsprobleme & sozio-kulturell divergierende Aspekte der Kommunikation Folgen: Ausschluss aus sprachbasierten Therapiemodulen aktive Teilnahmeverweigerung bei Rehabilitationsmaßnahmen

GESUNDHEITSKOMPETENZEN (HEALTH LITERACY) Unterschiede bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland (Schaeffer et al. 2016) Migrationshintergrund geringe Bildung chronische Erkrankung höheres Alter geringere Gesundheitskompetenzen

WIE RESPONSIV IST DIE KINDER- UND JUGENDREHABILITATION IN DER EINWANDERUNGSGESELLSCHAFT ? Haltung Responsiv sind Systeme, Institutionen und Einrichtungen, die Gesundheitsinformationen, Ressourcen, Unterstützung und Umgebungen so gestalten und anbieten, dass sie für Menschen mit unterschiedlich geprägter Gesundheitskompetenz (und Sprachpräferenz) gleichermaßen zugänglich und nutzbar sind (vgl. Dodson et al 2017). Qualifikation Strukturen Qualifizierte Sprachmittlung Patientenorientierung Es ist eine Organisationskultur notwendig, in der die Gesundheitsversorgung den Patientenwerten und -präferenzen unbedingten Vorrang einräumen und auch die Fähigkeit haben, diese den Patienten zu entlocken (Légaré und Witteman 2013: 279). Familienorientierung Elternarbeit Partizipation u.a bei der Entscheidungsfindung

ZUGÄNGLICHKEIT ? INANSPRUCHNAHME ? WIRKSAMKEIT ? Kinder- und Jugendrehabilitation Was ist aktuell nötig, um von Rehabilitationsangeboten zu erfahren, sie nutzen und davon profitieren zu können ? Information - Beratung - stationär - Nachsorge „Wenn eine Frau nicht ausreichend Deutsch spricht, dann ist eine Vermittlung in eine Kur nicht möglich.“ (Interview 6) „... die psychosoziale Betreuung fällt aus, da wir kein Personal dafür haben und keine Dolmetscherinnen.“ (Interview 1) „Wir haben keine professionellen Dolmetscher, daher gibt es eigentlich keine Beratung für Frauen, die kein Deutsch sprechen.“ (Interview 5) „Es wäre nötig, Dolmetscherinnen einzusetzen oder Kolleginnen mit entsprechenden Sprachkompetenzen.“ (Interview 4) „Es gibt auch keine Kurklinik für Frauen ohne Deutschkenntnisse.“ (Interview 6) Nicht repräsentative Befragung von MitarbeiterInnen von Mütter sowie Mutter-Kind-Kurmaßnahmen im September 2017