ALS
Ein bisschen Schwund ist immer!
Wie, ich habe ALS? „Was is´n das?“
Wie, ich habe ALS? „Was is´n das?“ ALS = Amyotrophe Lateralsklerose chronische, fortschreitende Erkrankung des Nervensystems zunehmenden Schädigung der motorischen Neuronen in Kortex, Stammhirn & Rücken- mark Übermittlung von Signalen aus Gehirn und Rückenmark an Muskeln wird zunehmend schwächer nicht heilbare degenerative Erkrankung
Wie, ich habe ALS? „Was is´n das?“ ALS = Amyotrophe Lateralsklerose Ursache bisher ungeklärt häufigsten Hypothesen der Pathogenese: oxidativer Stress Übermäßig viele reaktive Sauerstoffverbindungen Exzitotoxizität Untergang einer Nervenzelle, durch ständige Reizüber- flutung Immunologische Mechanismen
Die Dreisten 3 sporadische Form: (10%) familiäre Form: Amyotrophe Lateralsklerose hat keine erkennbare Ursache familiäre Form: Ursache durch Veränderung der Erbinformation 25% = Mutationen des Gen C9ORF72 (Chromosom 21) Anreicherung toxischer Sauerstoffradikale als Folge 10 – 15 % = Mutationen im Gen der zytosolischen Superoxiddismutase endemische Form: aus bisher ungeklärter Ursache tritt die ALS-Krankheit in manchen Gebieten/ Regionen gehäufter auf
Watt hab ick? ALS? Und Du ooch? Prominente Beispiele Stephan Hawking Astrophysiker 1963 – 2018 Sam Shepard Schauspieler † 2017 Buch „Spy of the First Person“ Morrie Schwartz Soziologie-Professor Jörg Immendorff Maler 1997 - 2007 Krzysztof Nowak poln. Nationalspieler 2000 - 2005 Jason Becker Gitarrist Stephen Hillenburg Comiczeichner 2017- 2018
Watt hab ick? ALS? Kennste? Öffentlichkeitsarbeit Ice Bucket Challenge gestartet am 15.07.2014 in Deutschland wurden überwiegend die ALS-Ambulanz der Charité und die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. durch Spenden unterstützt „Das Glück an meiner Seite“ US-amerikanischer Spielfilm 2014
ALS - was muss ich noch wissen? 1869 beschrieb Jean Martin Charcot (französischer Neurologe) eine rätselhafte Nervenerkrankung erstmalig er beobachtete eine progressive Atrophie der Muskulatur binnen weniger Jahre, bis hin zur vollständigen Lähmung seither wurde die Krankheit oftmals umbenannt „Maladie de Charot“ MND - motor neuron disease ALS - amyotrophe Lateralsklerose
ALS - was muss ich noch wissen? Fortschritt der Krankheit hat keine negativen Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten: Sinneswahrnehmungen Bewusstsein Denkvermögen erste Anzeichen = Muskelschwäche später entstehen Lähmungserscheinungen
Symptome Muskelschwäche und Muskelschwund Krämpfe in den Beinen zuerst in den Händen und später in den Armen Geschicklichkeitsverlust Krämpfe in den Beinen Spastiken Rückgang der Gesicht Muskulatur und Abnahme der Mimik Muskelatrophien bulbäre Sprache (Artikulation langsamer und verwaschener) Schluckstörung pathophysiologische Reflexe (je nach Motoneuron) Hyperreflexie oder Reflexabnahme
Symptome Faszikulationen = unwillkürliche Bewegungen meist kleiner Muskelgruppen sichtbare Bewegungen, ohne Bewegungseffekt häufig auftretendes unkontrolliertes Lachen und Weinen (pseudobulbär) im späteren Stadium sind alle Formen der ALS-Erkrankung von starken Krämpfen und Lähmungen geprägt zunehmende Schwäche der Atemmuskulatur häufigste Todesursache im 3. bis 5. Jahr nach Auftreten der ersten Symptome
Diagnostik - Tests der Nervenfunktionen Reflexe, Muskelspannung, Tastsinn, Blasen- & Darmsteuerung - Test der psychischen und mentalen Leistungsfähigkeit - Elektromyografie und -neurografie Aufzeichnung der elektrischen Muskelaktivität - Blutuntersuchungen - Test der Lungenfunktion, Vitalkapazität und Blutgasanalyse - MRT, zur Abgrenzung zu anderen neurologischen Erkrankungen
weitere Tests - Diagnosesicherung Muskelbiopsie Struktur der Muskelfasern Test auf Demenz Magnetstimulation der motorischen Gehirnbereiche Transkranielle Magnetstimulation Untersuchung von Blut und Liquor auf verschiedene Krankheitserreger (Borrelien, HIV, Lues u.a.) oder Antikörper HNO-Untersuchung (Differenzialdiagnose: Sprech- und Schluckstörungen)
weitere Tests - Diagnosesicherung weitere bildgebende Verfahren z.B. Kernspintomogramm von Gehirn und Rückenmark Untersuchungen des Blutserums auf Stoffwechselstörungen Knochenmarkbiopsie Erfassung des Ernährungszustands unabhängiger Prädiktor der Lebenserwartung
Diagnostik - Zusammenfassung
Therapie - allgemeine Empfehlungen Therapieunterscheidung kausal orientierter Pharmatherapie palliative Behandlung schließt symptomatische Therapieansätze mit ein verschiedenste Therapieansätze sind erfolglos geblieben abgesehen von symptomatisch – palliativen Maßnahmen Komplikationsprophylaxen
Therapie - allgemeine Empfehlungen Betreuung durch ein multidisziplinäres Team ist anzustreben verbessert die Lebenserwartung und die Lebensqualität (Traynor et al. 2003; Chio et al. 2004; van den Berg et al. 2005) Therapeuten mit ausreichender Erfahrung (Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie Berater (Diätberater) Pflegekräften Neurologen Psychologen Zahnarzt Ärzte aus den Bereichen der Gastroenterologie, Pneumologie Palliativmedizin Atmungstherapeuten Im Rahmen dieses multidisziplinären Ansatzes ist es wichtig, dass ein Arzt der Hauptansprechpartner des Patienten bleibt!!!
Therapie - pharmakologisch neuroprotektiver Therapieansatz mit dem Einsatz von Riluzol Riluzol hemmt prä- und postsynaptisch den Neurotransmitter „Glutaminsäure“ Studie mit 1.100 ALS Patienten Paris, Hôpital Pitié Salpêtrière Doppelblind – Studie früher Einsatz des Medikamentes langsamer Verfall der motorischen Funktion (Rivere et al. 1998) erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass 1. Therapiejahr zu überleben um 6 bis 12% (Miller et al. 2001) Lebensverlängernder Effekt liegt bei 6 bis 20 Monaten CAVE: höchste hepatische Toxizität (bei Therapiestart)
Therapie - symptomatisch/ palliativ frühzeitige Aufklärung des Patienten nach Diagnosesicherung, auch im Beisein der Angehörigen Ernährungstherapie Beatmungstherapie Beratungsmöglichkeiten aufzeigen die Grenzen der Therapie frühestmöglich benennen nicht invasiven Behandlungsoptionen invasiven Behandlungsoptionen
Therapie - symptomatisch/ palliativ Erarbeitung und Dokumentation der individuellen Behandlungsziele unter Einbezug: der psychosozialen Ressourcen und persönlichen Wertvorstellungen Erarbeitung einer Patientenverfügung bei zu erwartendem Verlust der Kommunikationsfähigkeit
Therapie - symptomatisch/ palliativ Ziel: Beschwerden des Patienten zu lindern und Lebensqualität zu bei behalten/ steigern Erhalt der Autonomie, mit Wahrnehmung der ärztl. Fürsorgepflicht
Krankengymnastik & Ergotherapie ergänzende Krankengymnastik und Ergotherapie zur symptomatischen Therapie ist sinnvoll Trainingseffekt sollte realistisch angesetzt sein Indikation: individuelle Indikationsstellung leichte, mittelschwere bis schwerste Paresen
Krankengymnastik & Ergotherapie krankengymnastische Therapie: um Restfunktionen zu fördern und sinnvoll einzusetzen um Immobilisationsfolgen zu vermeiden kein Kraft-Training Ergotherapie: um Restfunktionen sinnvoll einzusetzen und zu nutzen
Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz Behandlung in Folge der Muskelschwäche mit der Konsequenz der chronischen alveolären Hypoventilation Dyspnoe Schlafstörungen Unruhe morgendlicher Kopfschmerz nicht invasive (Heim-) Beatmung Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen primäre Ziel: symptomatische Therapie die Erhöhung der Lebensqualität, nicht die Lebensverlängerung
Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz bei zäher Verschleimung: Mucolytika ausreichende Flüssigkeitszufuhr Euphyllin bei obstruktiver Komponente mechanischer Insufflator-/ Exsufflator als Hustenhilfe bei Verminderung des Hustenstoßes und bronchialer Sekretobstruktion Sancho et al., 2004 palliativer Einsatz einer Trachealkanüle zum Sekretmanagement Absaugung bei pharyngaler und trachealer Sekretobstruktion
Therapie der terminalen respiratorischen Insuffizienz praktisch immer notwendig frühzeitige Aufklärung über friedlichen Tod kein „Ersticken“ Bekämpfung der Ursache je nach Patientenwunsch, ausschließlich symptomatisch je nach Ursache, z.B. entsprechende Antibiose bei Pneumonie Morphin beginnend alle 4 Stunden per os (2,5 - 5 mg empfohlen) subcutan 1-2 mg
Therapie der terminalen respiratorischen Insuffizienz Anxiolytikum (Lorazepam/ Midazelam) vorsichtige Dosierung, keine Atemdepression zu erwarten CAVE: Panikattacken mit konsekutiver Hyperventilation
Pneumonieprophylaxe Eine außerordentliche und umfangreiche Pneumonieprophylaxe wird meist ab dem mittleren bis späten Stadium der Erkrankung essentiell. - wichtigsten Aspekte: Kontrolle der Bronchialsekretion der möglichst gute Funktionserhalt der Atemmuskulatur. physikalische Therapie (Atemgymnastik, Klopfmassagen) Reduktion der Produktion von hochviskösem Schleim unter Flüssigkeitszufuhr Therapie der Hypersalivation tragbares Gerät zur Unterstützung des Hustenstoßes (Cough Assist)
ALS und Hypersalivation übermäßiger Speichelfluss Ausdruck der Schluckstörung stellt sich als sozial belastend dar (Patient, Angehörige & Umwelt) massiver Speichelfluss erhöht das Pneumonierisiko Indikation: Leidensdruck Pneumonieprophylaxe Therapie: Scopoderm-Pflaster Atropintropfen (1-2 Tropfen/ 3xtgl) Bestrahlung der Speicheldrüse CAVE: zusätzliche Übelkeit, Trockenheit im Hals, Erytheme (Hautrötungen)
ALS und Thromboseprophylaxe bei Patienten mit hochgradigen Paresen in den unteren Extremitäten Prophylaxe der allgemeinen Empfehlungen Indikation: Komplikationsvermeidung mittlere bis spätere Stadium Grad der Paresen beachten Therapie: Krankengymnastik Stützstrümpfe Niedermolekulare Heparine
ALS und Schluckstörung/ Katabolismus katabole Situation ist unbedingt zu vermeiden Ursache für Katabolismus vermehrte Atemarbeit Schluckstörung, unzureichende Nahrungszufuhr vermehrter Kalorienbedarf bei hypermetaboler Stoffwechsellage Affektstörungen Dehydration Indikation: Gewichtsabnahme Aspirationsgefahr
ALS und Schluckstörung/ Katabolismus Therapie: positiver prognostische Faktor lipidreiche Ernährung Dupuis et al. 2008, Dorst et al. 2011 hochkalorische Ernährung anordnen Ernährungsberatung PEG - Anlage
ALS und Dysarthrie ursächlich für die Kommunikationsprobleme Indikation: Leidensdruck Lebensqualität Therapie: Logopädie Devices: Kommunikator
ALS und Angst und Depression akute Ängste und Panikattacken sind ein seltenes Begleitsymptom Kübler et. al 2005 Grund: Leidensdruck Therapie: Lorazepam, Diazepam, auch als Supp. CAVE: Atemdepression!!! selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer, z.B. Paroxetin Depressionen treten meist zu Beginn der Krankheit auf (Lule et al. 2008) Grund: Leidendruck Antidepressiva Psychopharmaka
ALS und Muskelkrämpfe/ Spastik Muskelkrämpfe häufig ein vorübergehender Teil (frühe Phase) Spastiken tendenziell ein therapeutisches Problem Läsion des ersten Motoneuron Gefahr von Kontrakturen Therapie: Magnesiumgabe Antispastika Krankengymnastik
Versorgungskoordination Ambulant: Diagnostik bei unkomplizierter Situation auch ambulant möglich frühzeitige Anbindung an ambulanten Hospiz/Palliativdienst zur Erleichterung der häuslichen Betreuung
Versorgungskoordination stationär: bei schwieriger Differenzialdiagnose assoziierten reaktiven psychischen Störungen Suizidalität akuter und chronischer respiratorischer Insuffizienz schweren Schluckstörungen (Gastrostoma)
terminal: eventuell Hospiz spezialisierte Pflegeeinrichtung Versorgungskoordination terminal: eventuell Hospiz spezialisierte Pflegeeinrichtung
Hilfsmittelversorgung entsprechende Hilfsmittelversorgung ist unerlässlich zervikale Orthese bei Kopfinstabilität (Dropped-Head-Syndrom) Transfer- und Mobilitätshilfen Liftersysteme Rampen, Treppensteigern Wohnumfeld verbessernden Maßnahmen Elektrorollstuhl mit dynamischer Steuerungsfunktion Sonderbau mit Hub-, Liege- und Stehfunktion Wohnumfeldsteuerung bei Verlust manueller Funktionen, Sprach-, Augen-, Kinn-, oder Stirnsteuerung
Heilmittelversorgung Krankengymnastik 3 - 5 Behandlungen pro Woche Ergotherapie bei Störung manueller Funktion Lymphdrainage bei pareseassoziiertem Lymphödem Logopädie mit Schwerpunkt der Dysarthrie Dysphagiebehandlung mit Beginn dysphagischer Störung Atemtherapie bei beginnender restriktiver oder obstruktiver Atemfunktionsstörung
Danke für eure Aufmerksamkeit
Ein bisschen Schwund ist immer!