Der aussergewöhnliche Todesfall Aufgaben der Staatsanwaltschaft

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 Präsentation transkript:

Der aussergewöhnliche Todesfall Aufgaben der Staatsanwaltschaft Workshop «Lebensende in Japan und in der Schweiz» 09.03.2018 RA lic.iur. Alex de Capitani, Staatsanwalt

Aussergewöhnlicher Todesfall Gesetzlicher Auftrag der Staatsanwaltschaft Art. 253 StPO Bestehen bei einem Todesfall Anzeichen für einen unnatürlichen Tod, insbesondere für eine Straftat, oder ist die Identität des Leichnams unbekannt, so ordnet die Staatsanwaltschaft zur Klärung der Todesart oder zur Identifizierung des Leichnams eine Legalinspektion durch eine sachverständige Ärztin oder einen sachverständigen Arzt an. … Die Kantone bestimmen, welche Medizinalpersonen verpflichtet sind, aussergewöhnliche Todesfälle den Strafbehörden zu melden.

Hintergrund Die Todesart hat - neben menschlichen Aspekten - juristisch weitreichende Folgen: mögliche Strafverfahren (Tötungsdelikte – auch Fahrlässigkeit!) unterschiedliche Versicherungsleistungen (Unfall? Krankheit?) zivilrechtliche Haftung (z.B. Unfallverursacher, Berufshaftpflicht) mögliche Folge Erbunwürdigkeit (vorsätzliche Tötungsdelikte) Die Todesart muss aus diesem Grund bei jedem Todesfall (sofern möglich) bestimmt werden Auf Gewalt verdächtige oder unklare Todesfälle müssen deshalb gemeldet werden: Wer muss melden? Jedermann ist gehalten, einen Arzt/Ärztin beizuziehen (§4 BesV)

Leichenschau und Meldepflicht Bestattungsverordnung Gesundheitsgesetz

Meldepflicht

Meldepflicht Nicht meldepflichtig ist der natürliche Tod. Natürlich ist ein Tod aus krankhafter Ursache, der völlig unabhängig von rechtlich bedeutsamen äusseren Faktoren eingetreten ist. Meldepflichtig ist jeder Todesfall, der sofort und eindeutig als durch Drittverschulden herbeigeführt erkannt wird (Delikt). Meldepflichtig ist jeder Todesfall, der weder sofort und eindeutig als durch Drittverschulden herbeigeführt erkannt wird, noch sofort und eindeutig auf eine natürliche Todesursache zurückzuführen ist (aussergewöhnlicher Todesfall). Im Zweifelsfall melden!

(Selbst-)Unfall?

(Eigenhändiger) Suizid?

Schicksal/Komplikation oder Fahrlässigkeit?

Meldepflicht Fremdverschulden ausschliessen! Aussergewöhnlich und meldepflichtig sind somit Todesfälle, die plötzlich und unerwartet (z.B. plötzlicher Kindstod) eindeutig oder möglicherweise gewaltsam (z.B. Giftmord) wegen Unfall (z.B. Verkehrs-, Bauunfälle; Selbstunfälle wie Treppensturz, Sturz beim Skifahren - Klärung, ob wirklich ein Selbstunfall vorliegt!) wegen Suizid (z.B. Sterbehilfe; Sprung vor den Zug - Klärung, ob keine Fremdeinwirkung stattfand!) möglicherweise wegen Fehlern in der medizinischen Behandlung eingetreten sind Fremdverschulden ausschliessen!

Vorgehen der Staatsanwaltschaft Im Kanton Zürich werden im Durchschnitt ca. 1-2 aussergewöhnliche Todesfälle pro Tag gemeldet. Aufgabe der «Brandtour»: Polizei; IRM; Staatsanwaltschaft Anordnung Legalinspektion Ermittlungen im Umfeld: z.B. Schliessverhältnisse; Medikamente; Suchtmittel; Angaben über Gesundheitszustand; (informelle) Befragungen von Angehörigen, Hausbewohnern usw.; etc. Entscheid über weiteres Vorgehen: Freigabe Leichnam oder Obduktion

Vorgehen der Staatsanwaltschaft Spurensicherung Sicherstellungen (z.B. gerissenes Stahlseil; Unfallfahrzeug; Herz- Lungen-Maschine etc.) Dokumentation (Foto; Video; 3D-Scan) Bei Arbeitsunfällen: Ermittlung der Beteiligten Weitere Informationsgewinnung: Protokollarische Befragungen Pläne; Krankengeschichten; Handbücher/Gebrauchsanweisungen; Dienstanweisungen; etc Gutachten

Besonderes Tod im Zusammenhang mit medizinischer Behandlung: Komplikation oder Fehler? Tod nach palliativmedizinischer Behandlung: Morphinvergiftung. Konsequenz: Strafverfolgung nur wegen Körperverletzung; Prüfung, ob Morphingabe zulässig war (Abgrenzung zu aktive Sterbehilfe – Grauzone!!)… Suizidbeihilfe: Urteilsfähigkeit? Suizidbeihilfe bei Urteilsunfähigen ist strafbar (vorsätzlich: Art. 115 StGB; fahrlässig: Art. 117 StGB). Problem Beweislast…