Gewalt in der Pflege Pflegetag Rheinland-Pfalz

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 Präsentation transkript:

Gewalt in der Pflege Pflegetag Rheinland-Pfalz Prof. Dr. jur. Thomas Schlegel Rechtsanwalt Frankfurt  Hamburg  Köln  München  Berlin

Definition von Gewalt Missachtung eines un- oder angesprochenen Bedürfnisses des „Opfers“. Die WHO definiert Gewalt gegenüber älteren Menschen als: „einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird“. Das Gewaltempfinden (subj. Merkmal – Empfängerhorizont) des Einzelnen hängt hierbei von gesellschaftlichen Normen, kulturellen Einflüssen und persönlichen Werten ab.

Drei Ebenen der Gewalt Personelle Gewalt Geht direkt von einer Person aus und richtet sich durch physische oder psychische Handlungen oder Unterlassungen gegen eine andere Person Strukturelle Gewalt Entsteht indirekt durch Umstände oder Bedingungen, die durch Gesetze oder Institutionen vorgegeben werden. Im Bereich der Pflege äußert sich dies z.B. durch vorgegebene Tagesabläufe oder Pflegebedingungen, die sich an dem vorhandenen oder nicht vorhandenen Personal (Pflegekräftemangel) ausrichten Kulturelle Gewalt Stammt aus den Werten einer Gesellschaft, Religion oder Ideologie. Abwertende Meinungen über bestimmte Personengruppen können somit dazu führen, dass Gewalt in unterschiedlichem Ausmaß toleriert wird

Gründe für Gewalt in der Pflege Warum kommt Gewalt in der Pflege vor? Die Ursachen für Gewalt in der Pflege sind sehr unterschiedlich – meist handelt es sich um die Summe mehrere Faktoren Persönliche Gründe: Hohes Aggressionspotential; eigene Gewalterfahrungen; gesundheitliche Probleme; zwischenmenschliche Konflikte; gestörtes Verhältnis zwischen Pflegenden und Gepflegten Überlastung bei Pflegenden: Starke körperliche und psychische Belastung – sowohl bei professionellen Pflegekräften als auch bei pflegenden Angehörigen; fehlende Pflegetechniken und Unterstützung bei Angehörigen; Fachkräftemangel in der Pflege kann auch zu Überlastungen / Überforderungen bei Angehörigen der Pflegeberufe führen (Zeitdruck, fehlendes Personal, mangelnde Kompetenz) Verhalten der Pflegebedürftigen: Zustand der Angst; Hilflosigkeit oder Verzweiflung kann zu aggressivem Verhalten führen; Eine neue / ungewohnte Umgebung -insbesondere in hohem Alter-, aber auch gesundheitliche Umstände und Krankheiten (Demenz, psychiatrische Erkrankungen)

Zielgruppen von Gewalt Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen Gewalt zwischen Pflegebedürftigen Gewalt gegen Pflegende

Formen von Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen Körperliche Gewalt Psychische Gewalt Vernachlässigung Finanzielle Ausnutzung Intime Übergriffe © uni.de

Formen der Gewalt in der Pflege Beispiele Körperliche Gewalt Rechtsverletzungen I. Zivilrecht Vertragsverletzung Schadensersatz II. Strafrecht Körperverletzung § 223 StGB (auch Unterlassung) Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB Freiheitsberaubung § 239 StGB - grobes Anfassen - Schlagen - Kratzen - Schütteln - unbequemes Hinsetzen oder Hinlegen - unerlaubte, freiheitsentziehende Maßnahmen © stuttgarter-nachrichten.de

Formen der Gewalt in der Pflege Beispiele psychischer Gewalt Rechtsverletzungen I. Zivilrecht Vertragsverletzung Schadensersatz II. Strafrecht Körperverletzung § 223 StGB (auch Unterlassung) Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB Nötigung § 240 StGB Beleidigung § 185 StGB - unangemessenes Ansprechen - Anschreien - Missachten / Ignorieren - Demütigung / Beleidigung © die-pflegebibel.de

Formen der Gewalt in der Pflege Beispiele Vernachlässigung Rechtsverletzungen I. Zivilrecht Vertragsverletzung Schadensersatz II. Strafrecht Körperverletzung § 223 StGB (durch Unterlassung) Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB - schlechte Pflege - unzureichende Medizinische Versorgung - unzureichende Hilfe- stellung im Alltag - Übergehung emotionaler Bedürfnisse © altenpflege-online.net

Formen der Gewalt in der Pflege Finanzielle Ausnutzung Rechtsverletzungen I. Zivilrecht Vertragsverletzung Schadensersatz II. Strafrecht Nötigung § 240 StGB Diebstahl § 242 StGB Unterschlagung § 246 StGB Erpressung § 253 StGB - Unbefugtes Verfügen über Vermögen des Gepflegten - Nötigung oder Überreden zu Geldgeschenken - Entwendung von Geld oder Wert- gegenständen © de.fotolia.com

Formen der Gewalt in der Pflege Intime Übergriffe Rechtsverletzungen I. Zivilrecht Vertragsverletzung Schadensersatz II. Strafrecht Beleidigung § 185 StGB Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen § 174a StGB Nötigung § 240 StGB - Verletzung von Schamgefühlen oder Intimsphäre - sexuelle Andeutungen - Verlangen oder Erzwingung von Intimkontakten © pflege-gewalt.de

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Der Eingriff in die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stellt auch eine Form der Gewalt dar - rechtlich jedoch schwer sanktionierbar (Grund)Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Artikel 2 I GG, sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 II GG Besonderheit: Freiheitsentziehende Maßnahmen Anschnallen / Festbinden / Einschließen; Anwendung von Bettgittern; Gabe von ungewünschten oder nicht verordneten Medikamenten zur Ruhigstellung

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Wann ist Gewalt in der Pflege erlaubt? Auch in der Pflege gilt der Grundsatz der Gewaltfreiheit. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen: Notwehr / Notstand (§§ 32 ff. StGB) - als Verteidigung im Falle eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs Unmittelbarer Zwang von Vollzugskräften -Gewaltmonopol des Staates Freiheitsentziehende Maßnahmen (§ 1906 BGB) unter bestimmten Voraussetzungen

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Wann ist Gewalt in der Pflege erlaubt? Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gemäß § 1906 BGB sind grundsätzlich richterlich genehmigungspflichtig, sofern eine FEM vorliegt Das ist immer dann der Fall, wenn eine sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung befindende Person durch mechanische Vorrichtung (Fixierung), Medikamente (Sedierung) oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen wird (§ 1906 Absatz 4 BGB) Eine FEM liegt nicht vor, sofern der Betroffene selbst in die Maßnahme einwilligt Unter die Genehmigungspflicht des § 1906 BGB fallen neben Krankenhäuser, Sanatorien, Alten- und Pflegeheimen auch Einrichtungen des betreuten Wohnens © planet-wissen.de

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Wann ist Gewalt in der Pflege erlaubt? Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gemäß § 1906 BGB Eine FEM ist nur zulässig, sofern diese dem Wohl des Betroffenen dient Die Maßnahme, welche häufig durch die Anwendung von Zwang / Gewalt durchgeführt wird, muss geeignet sein, die Gefährdung zu minimieren Auch bei erheblichen Gefahren für die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen selbst sind FEM zulässig © planet-wissen.de

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Wann ist Gewalt in der Pflege erlaubt? Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gemäß § 1906 BGB Bei Eilfällen ist richterliche Genehmigung entbehrlich, muss aber nachgeholt werden. Eilfälle liegen vor, wenn sich eine Person unvorhergesehen erheblich selbst gefährdet, sodass ein sofortiges Handeln erforderlich ist und weder die notwendige Einwilligung noch ein richterlicher Beschluss abgewartet werden können. © planet-wissen.de

Besonderheiten bei Gewalt gegen Pflegebedürftige Wann ist Gewalt in der Pflege erlaubt? Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gemäß § 1906 BGB Greift ein Heimbewohner Pflegepersonen oder auch andere Bewohner tätlich an, sind diese berechtigt, sich selber zu schützen und gegebenenfalls zu verteidigen (Notwehr). Ferner sind die Pflegekräfte verpflichtet, anderen zu Hilfe zu kommen (Nothilfe). Als äußerstes Mittel des Eigen- oder Fremdschutzes müsste der aggressive Heimbewohner ggf. durch eine Fixierung von weiteren Übergriffen abgehalten werden. Voraussetzung: Notwehrlage besteht – reine Androhungen und darauf gerichtete Maßnahmen zur Prävention reichen nicht aus! © clinic-protection-concept.de

 "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ (Pflegecharta) Durch die Pflegecharta sollen die folgenden Rechte für hilfe- und pflegebedürftige Menschen gesichert werden, allerdings handelt es sich um Empfehlungen: Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe Körperliche und seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit Privatheit Pflege, Betreuung und Behandlung Information, Beratung und Behandlung Kommunikation, Wertschätzung und Teilhabe an der Gesellschaft Religion, Kultur und Weltanschauung Palliative Begleitung, Sterben und Tod

Maßnahmen gegen Gewalt in der Pflege – Aufarbeitung und Prävention Möglichkeiten der Prävention, um Gewalt in der Pflege zu verhindern Für Pflegebedürftige / Angehörige Konflikte rechtzeitig ansprechen Betroffene auf Situationen ansprechen Kooperatives Verhalten Unterstützung durch vertraute Personen Beobachtungen melden Ggf. Einschalten der Polizei Für Pflegende Ursachen finden / Probleme ansprechen Situationen entschärfen Schutz bei akuten Gefahren Beobachtungen ansprechen / dokumentieren Prozesse in Einrichtungen verbessern Schulungen / Fortbildungen / Aktionsprogramme Leitfaden zum Umgang mit Aggression Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen

Fragen?

eMail: Thomas.Schlegel@MedizinRecht.de Büro Frankfurt/Main Hanauer Landstr. 328-330 60314 Frankfurt/Main Tel: 069-43059-600 Fax:-565 eMail: Thomas.Schlegel@MedizinRecht.de Kanzlei: www.GesundheitRecht.com CuraControl GmbH – Professionelle Gesundheitsversorgung wirtschaftliche gestalten www.curacontrol.de Institut für Gesundheitsökonomie und -recht (IGÖ) www.irwg.de Internat. Pharmacoeconomics & Health Care, Univ. Cardiff (GB) Gesundheitsrecht an der Hochschule Fresenius, Idstein