Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht

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Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Sommersemester 2018 Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Ruhr-Universität Bochum

Rechtfertigung der ErbSt 2

der Nichterben via Steuer Spannungsverhältnis Gleichheit innerhalb der Nachfolgegeneration Eigentümerfreiheit des Erblassers Erhaltung des Eigentums im Erbfall zugunsten der Familie Ausgleich zugunsten der Nichterben via Steuer 3

Argumente pro Erbschaftsteuer Erbenperspektive mühelose Vermögensmehrung / Steigerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit muss mit Arbeitseinkommen gleichgestellt werden Aussicht auf großes Erbe setzt für Nachfolgegeneration negative Leistungsanreize für potenzielle Erben Erbe fördert Vermögensakkumulation in der Hand weniger reicher Familien Gefahr einer Aristokratie der Wohlhabenden Anreiz, Vermögen in gemeinnützige (steuerbefreite) Projekte zu investieren (z.B. gemeinnützige Stiftungen) 4

Argumente contra Erbschaftsteuer Erblasserperspektive bereits versteuertes Vermögen wird erneut besteuert Aussicht auf Verlust des Erbes für die Familie im Erbfall setzt negative Leistungsanreize für den Erblasser Unternehmer-/Grundbesitzerfamilien besitzen i.d.R. den Ethos, das Familienerbe zu pflegen „Was Du ererbt von Deinen Vätern … “ Schmälerung der Eigenkapitalbasis von Familienunternehmen Erbe sichert Unabhängigkeit von staatlicher Wohlfahrt 5

Rechtfertigung der deutschen Erbanfallsteuer Georg von Schanz, FinArch. a.F., Bd. 17 (1900), 553 (672): Erbe = Mittelerwerb  Erhöhung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Erben  Bereicherungssteuer Erbanfallsteuer berücksichtigt unterschiedliche Steuersubjekte: Erblasser  Erbe Erbschaftsteuer = Subjektsteuer: Einkommensteuer im weiteren Sinne (Basis: Reinvermögenszugangstheorie) Schenkungsteuer = vorweggenommene Erbschaftsteuer (Bereicherungssteuer) 6

Rechtfertigung einer Nachlasssteuer ohne Ansehung der Verhältnisse des Erben: Objektsteuercharakter  keine Bereicherungssteuer, letzte Vermögensteuer des Erblassers Rechtfertigung neben der Einkommensteuer schwierig: Nachholfunktion der Nachlasssteuer beschränkt sich auf bisher einkommensteuerlich beim Erblasser noch nicht erfasste Vermögensbestandteile nur mittelbar als Bereicherungssteuer begreifbar: Erben als Gesamtrechtsnachfolger = Steuerträger im wirtschaftlichen Sinne 7

Staaten ohne ErbSt EU: Estland, Gibraltar, Lettland, Malta, Portugal, Österreich, Schweden, Slowakei, Zypern Schweiz: abhängig von Kantonen u. Verwandtschaftsgrad Australien, Kanada: stattdessen Wertzuwachssteuer (10-45%) Neuseeland: nur Schenkungsteuer (max. 25%) Russland: Schenkungen unterliegen der ESt (13%) China, Indien, Israel, Kasachstan 8

Deutscher Vollmengenstaffeltarif Vergleich: Tarif bis 2008/Tarif ab 1 Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich Steuersatz in % Alt Neu Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III 52.000 € 75.000 € 7 12 15 17 30 256.000 € 300.000 € 11 20 23 512.000 € 600.000 € 22 25 29 5.113.000 € 6.000.000 € 19 27 35 12.783.000 € 13.000.000 € 32 41 50 25.565.000 € 26.000.000 € 37 40 47 > 25.565.000 € > 26.000.000 € 43 Für das Jahr 2009 war der Tarif der Steuerklasse II/III sogar identisch! 9

Konkurrenzverhältnis Erbschaft- u. Schenkungsteuer Einkommensteuer Reinvermögenszugang Ebene des Bereicherten Zugewandtes Einkommen Markteinkommen Bedürfnis nach Abstimmung: Betriebsvermögen Veräußerungseinkünfte nachträgliche Einkünfte 10

Persönliche Erbschaftsteuerpflicht 11

Weitreichende Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 ErbStG) unbeschränkt erweitert unbeschränkt Wohnsitz Erblasser/ Schenker Deutsche oder und und/oder Erbe/ Beschenkter Auslandsauf- enthalt < 5 Jahre Gewöhnlicher Aufenthalt Weltvermögens- prinzip 12

Weitreichende Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 ErbStG) § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG Besteuerung von Stiftungen § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Inlandsvermögen im Sinne des BewG einschließlich „Ölfelder in der Nordsee“ (§ 2 Abs. 2 ErbStG) 13

Steuerklassen (§ 15 ErbStG) Steuerklasse I Ehegatten, eingetragene Lebenspartner Kinder und Stiefkinder Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen Steuerklasse II Eltern und Voreltern bei Schenkungen Geschwister und deren Abkömmlinge ersten Grades Stiefeltern Schwiegerkinder und Schwiegereltern Geschiedene Ehegatten Steuerklasse III Alle übrigen Erwerber und Zweckzuwendungen 14

Steuerbare Tatbestände (§ 1 ErbStG) 15

Steuerbare Tatbestände (§ 1 I Nr. 1, 2 ErbStG) Schenkungsteuer (§ 7 ErbStG) Erbschaftsteuer (§ 3 ErbStG) Erwerb von Todes wegen Erbfall Vermächtnis, Pflichtteil Schenkung auf den Todesfall Vergleichb. Tatbestände Schenkung unter Lebenden Freigebige Zuwendung Stiftungen/Trust unter Lebenden bzw. deren Auflösung Abfindungen für einen Erbverzicht u.ä. Vergleichb.Tatbestände 16

Erwerb von Todes wegen (§ 3 I ErbStG) Erbanfall (§ 1922 BGB) Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) geltend gemachter Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 ff. BGB) Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) Vertrag zug. Dritter auf den Todesfall (§§ 330, 331 BGB) 17

Exkurs: gesetzliche/gewillkürte Erbfolge gesetzliche Erbfolge Erbfolge nach Stämmen (Abkömmlinge) Erbfolge nach Ordnungen Erbrecht des Ehegatten (§§ 1931 ggfs. i.V.m. § 1371 BGB) gewillkürte Erbfolge (Erbeinsetzung/Vermächtnis) Testament (§§ 2064 ff. BGB) Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 ff. BGB) 18

Exkurs: Testament Errichtung Gemeinschaftliches Testament Niederschrift beim Notar (§ 2231 BGB) eigenhändig (§ 2247 BGB) Hinterlegung (§ 2248 BGB) Gemeinschaftliches Testament nur Ehegatten / Lebenspartner (§§ 2265 ff. BGB) Widerruf zu Lebzeiten / nach Tod (§ 2271 BGB) „Berliner Testament“ (§ 2269 BGB) 19

Auslegungsfragen Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) oder Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) ? Fall: E hat in einem Testament seine beiden Söhne A und B je zu 1/2 als Erben eingesetzt. Der Nachlass besteht aus Wertpapieren (Kurswert 2.000.000 €) Anteil an einer GmbH & Co.KG (Verkehrswert 4 Mio. €). Außerdem hat er in dem Testament bestimmt, dass A den Mitunternehmeranteil und B die Wertpapiere erhalten soll. 20

Auslegungsfragen Rechtsprechung BFH: Teilungsanordnungen sind grds. unbeachtlich, es sei denn, die Teilungsanordnung führt zu einer genauen Eingrenzung der Erbquoten, z.B. dann wenn die zugewiesenen Vermögensgegenstände den Nachlass erschöpfen und kein Wertausgleich vorgesehen ist. Im Lösungsfall? 21

Ergänzungs-/Ersatztatbestände (§ 3 I ErbStG) Schenkung auf den Todesfall (Nr. 2) Gesellschaftsrechtliche Regelungen auf den Todesfall Vermögensvorteil aufgrund eines Vertrages (Nr. 4) (insbes. Lebensversicherungen) 22

Ergänzungs-/Ersatztatbestände (§ 3 II ErbStG) Vermögensübergang auf Stiftung/ausl. Trust (Nr. 1) Erwerb kraft erbrechtlicher Auflage (Nr. 2) (§§ 1940, 2192 ff. BGB) Surrogate/Abfindungen für den Verzicht auf eine erbrechtliche Position (Nrn. 4, 5) Bereicherung aufgrund von Ansprüchen wegen beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers (§§ 2287, 2288 II BGB) 23

Sonderfälle § 5 (1): Zugewinnausgleich im Todesfall Erbrechtlicher Zugewinnausgleich: ¼ der Erbschaft Steuerfrei i.H.d. (fiktiven) güterrechtlichen ZGA Steuersparmodell ? § 5 (2): Zugewinnausgleich in anderer Weise Anwendungsfälle: Scheidung, Vereinbarung Gütergemeinschaft Güterstandsschaukel aus Steuersparmodell? 24

Sonderfälle § 6 Vor- und Nacherbschaft Der Vorerbe gilt als Erbe. Zunächst kein Erwerb des Nacherben. Bei Versterben des Vorerben gilt das gesamte Vermögen grds. als von diesem geerbt. Beachte jedoch Abs. 2 Satz 2-5: Auf Antrag des Nacherben Zugrundelegung des Verhältnisses des Nacherben zum Erblassers (=Erstversterbender) Trennung hinsichtlich Steuerklasse/Steuersatz bezogen auf das vom Erblasser und das vom Vorerben stammende Vermögen 25

Schenkungen unter Lebenden 26

Schenkungen unter Lebenden (§ 7 I ErbStG) Grundtatbestand = Freigebige Zuwendung (Nr. 1) Schenkung i.S. des § 516 I BGB erweitert: schenkungsähnliche Vorgänge Merkmale: objektive Bereicherung des Empfängers auf Kosten des Zuwendenden freigebig = Wille des Zuwendenden zur Bereicherung des Empfängers 27

Schenkung unter Lebenden (§ 7 I ErbStG) BFH Urteil vom 10.11.2004 II R 44/02 BStBl. II 2005, 188 Unabhängig davon, ob zivilrechtlich eine ehebedingte Zuwendung vorliegt, unterliegen Schenkungen unter Ehegatten der Schenkungsteuer. 28

Gemischte Schenkung (§ 7 I Nr. 1 ErbStG) Teil-Gegenleistung Leistung Schenker Beschenkter Teil-Zuwendung BFH-Rspr. = Verhältnisrechnung: kein Abzug der Teilgegenleistung, sondern quotale Bestimmung des Schenkungsanteils Ansatz eines %-Satzes des Steuerwerts 29

Schenkung unter Auflage (§ 7 I Nr. 2 ErbStG) 1. Zuwendung Schenker Beschenkter Auflage (§ 525 I BGB) Vollziehung der Auflage 2. Zuwendung Dritter BFH-Rspr. unterscheidet: sog. Leistungsauflage = auch aus eigenem Vermögen zu erbringen (wie gemischte Schenkung behandelt) sog. Nutzungs-/Duldungsauflage = Abzug vom Steuerwert 30

Ergänzungs-/Ersatztatbestände (§ 7 ErbStG) Entstehung eines Gesamtguts bei Ehegatten (I Nr. 4) Surrogate/Abfindungen für den Verzicht auf eine erbrechtliche Position schon zu Lebzeiten (I Nr. 5) Gesellschaftsrechtliche Bereicherungstatbestände (V-VII)  Problem: Ausscheiden zu Buchwerten 31

Ergänzungstatbestand des § 7 Abs. 7 ErbStG Besteuerung der Bereicherung von verbleibenden Gesellschaftern bei Ausscheiden eines Gesellschafters mit einer Abfindung < Verkehrswert Erfasst vor allem sog. Buchwertabfindungen und ähnliche Begrenzungen Betroffen: PersGes und KapGes Vorschrift gilt auch bei Ausscheiden aus einer zweigliedrigen PersGes. 32

BFH v. 7.11.2007- II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 Verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Person Freigebige Zuwendung? C (Ges‘er/Gf‘er) F (Ehefrau) vGA 100% freie Mitarbeit überhöhte Vergütung = gemischt freigebige Zuwendung? C- GmbH

Die Ehefrau eines Mitgesellschafters und Geschäfts-führers einer GmbH arbeitete für die GmbH als freie Mitarbeiterin. Sie erhielt von der GmbH eine Vergütung ausgezahlt, die für ihre Tätigkeit unangemessen war. Deshalb behandelte das FA einen Teil der Vergütung ertragsteuerlich als vGA. Außerdem setzt es gegen die Ehefrau Schenkungsteuer fest, da die vGA zugleich eine freigebige Zuwendung des Ehemannes an die Ehefrau iSv § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei.

Davon hat sich nun der BFH distanziert: BFH v. 7.11.2007- II R 28/06, BStBl. II 2008, 258: In der vGA liegt keine freigebige Zuwendung des Ehemannes an die Ehefrau. 2. Obiter dictum: Jedoch kann eine freigebige Zuwendung der GmbH an die Ehefrau des Gesellschaftes gegeben sein! Davon hat sich nun der BFH distanziert: BFH v. 13.9.2017 – II R 54/15, BFHE 260, 181 BFH v. 13.9.2017 – II R 32/16, BFHE 260, 188 BFH v. 13.9.2017 – II R 42/16, BFHE NN

Neue BFH-Rspr.-Linie v. 13.9.2017 C (Ges‘er/Gf‘er) F (Ehefrau) C- GmbH Freigebige Zuwendung möglich! C (Ges‘er/Gf‘er) F (Ehefrau) vGA 100% Keine freigebige Zuwendung überhöhte Vergütung C- GmbH Anders noch: Koordinierte Ländererlasse v. 20.10.2010 u. 14.3.2012, BStBl. I 2010, 1207 u. 2012, 331

Tatbestandsbegrenzung des Merkmals „freigebige Zuwendung“ Negativabgrenzung gegenüber dem bereits einkom-mensteuerlich erfassten Markteinkommen Ges‘er erzielt bei einer vGA Markteinkommen i.S. des § 20 I Nr. 1 Satz 2 EStG (= societas causa) Schenkungsteuerlich erfasst wird aber die weiter-gehend Dritten zugewendete Bereicherung Fraglich kann im Einzelfall nur das Merkmal der Freigebigkeit i.S. einer Zuwendungsabsicht sein

Neuere BFH-Rspr. v. 13.9.2017 zum subj. Tatbestand Hinsichtlich des subj. Tatbestand reicht es bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert der erbrachten Leistung aus (gemischte Schenkung); auf die Kenntnisse des genauen Ausmaßes des Wertunterschiedes kommt es nicht.

Eigene Ansicht: Grundlage der Besteuerung durch Erbschaft- u. Schenkung-steuer ist nicht der Transfer durch einen Akt des Rechtsverkehrs, sondern die beim Erben/Beschenkten eingetretene finanziell-wirtschaftliche Bereicherung. Selbst wenn der ErbSt äußerlich ein Akt des Rechtsverkehrs zugrunde liegt, wird materiell die Bereicherung des Erwerbers besteuert.

Zum angeblichen Ausschluss einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise? Selbst bei strikter Anknüpfung an das Zivilrecht kann eine spezifische steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts entsprechend dem steuerlichen Normzweck geboten sein. Gesetzgeber verwendet tatbestandsmäßig bewusst nicht den Begriff der „Schenkung“ i.S.d. § 516 BGB, sondern weitergehend der „freigebigen Zuwendung“. Rechtsanwender kann daher bereits § 7 I Nr. 1 ErbStG zur Erfassung einer unentgeltlichen Bereicherung wirtschaftlich auslegen.

Verdeckte Gewinnausschüttung als freigebige Zuwendung? BFH v. 17.10.2007 II R 63/05, BStBl II 2008, 381  Einlagen beruhen stets auf dem Gesellschaftsverhältnis und sind keine freigebigen Zuwendungen des Gesellschafters an die Gesellschaft  Unerheblich, ob Vermögensübertragung eine entsprechende Erhöhung des Werts des Gesellschaftsanteils gegenübersteht 41

Verdeckte Gewinnausschüttung als freigebige Zuwendung? BFH v. 9.12.2009 II R 28/08, BStBl II 2010, 566  Erhöht sich der Wert der GmbH-Beteiligung eines Gesellschafters dadurch, dass ein anderer Gesellschafter Vermögen in die GmbH einbringt, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten (disquotale Einlage)  liegt keine freigebige Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den anderen Gesellschafter vor 42

Verdeckte Gewinnausschüttung als freigebige Zuwendung? BFH v. 9.12.2009 II R 28/08, BStBl II 2010, 566 § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG  Nein!  Gegenstand der Schenkung richtet sich nach Zivilrecht (keine wirtschaftliche Betrachtungsweise !)  rechtliche Eigenständigkeit der GmbH  keine (zivilrechtliche) Vermögens- verschiebung zwischen Gesellschaftern  Abgrenzung zu R 18 Abs. 3 ErbStR 2003 43

Verdeckte Gewinnausschüttung als freigebige Zuwendung? Mutter Tochter 50 % 50 % Wert 125.000 € Mutter/Tochter GmbH Tochter Kaufpreis 25.000 € 44

Sog. disquotalen Einlage Beispiel: V (Ges‘er) S (Ges‘er) 50% 50% Einlage 400 T€ A-GmbH Ges‘er leistet Einlage in die Gesellschaft, der keine beteiligungs-entsprechenden Einlagen der Mitges‘er gegenüberstehen Die verdeckte Einlage führt zum Wertanstieg der Gesellschaftsanteile der Mitges‘er

Ländererlass vom 20.10.2010 Als Folge der BFH Rechtsprechung gab die Finanzverwaltung die in der Erbschaftsteuer- RL 2003 niedergelegten Grundsätze auf: Verwaltungsauffassung in ErbStR 2003: Leistung eines Ges‘ers an die Ges war zwar auch gem. R 18 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2003 a.F. keine freigebige Zuwendung. Allerdings konnte gem. R 18 Abs. 3 ErbStR 2003 eine freigebige Zuwendung an die anderen Ges‘er vorliegen. Bei Ges‘ern, die sich wie fremde Dritte gegenüberstanden, wurde grds. keine freigebige Zuwendung angenommen; es sei denn, es lagen besondere Umstände vor. Waren die anderen Ges‘er Angehörige iSv § 15 AO (Verwandte etc.), so wurde unterstellt, dass auch eine Zuwendung an die Mitges‘er in Form einer Werterhöhung ihrer Anteile bezweckt war. Bei Leistung eines nicht beteiligten Dritten war eine Einzelfallentscheidung erforderlich.

Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG (eingeführt durch BeitrRLUmsG, BStBl. I 2011, 2592) 1. Inhalt und der Zweck der Regelung, § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG: als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer KapGes, die eine an der Ges. (un)mittelbar beteiligte Person durch die Leistung einer anderen Person erlangt. Vorgang wird einer Direktzuwendung des Leistenden an den Bedachten gleichgestellt. Regelung soll so missbräuchlichen Gestaltungen durch Vermögens-verschiebungen über Beteiligungen an KapGes. vorbeugen und eine gleichheitsgerechte Besteuerung gewährleisten. Unbeachtlich sind laut Gesetzeswortlaut: Die Stellung des Zuwendenden zur KapGes Gegenstand der Zuwendung; Problem aber: Sanierungsfälle Das Verhältnis zwischen dem Zuwendenden und Bedachten Das Erfordernis eines subjektiven Tatbestandes

Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG (eingeführt durch BeitrRLUmsG, BStBl. I 2011, 2592) 2. Sondervorschrift in § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG für Schenkungen innerhalb eines Konzerns: Klarstellung, dass es sich bei vGA und verdeckten Einlagen zwischen verbundenen Körperschaften grds. nicht um freigebige Zuwendungen handelt. nur die in S. 2 geregelten Fälle sollen ausnahmsweise steuerpflichtig sein. Es sollen durch die gesetzliche Neuregelung nur echte Missbrauchsfälle erfasst werden. Problem: Sanierungsfälle

Erfasste Sachverhaltskonstellationen: J. Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG Erfasste Sachverhaltskonstellationen: Disquotale Einlage: Beispiel: Vater (Ges‘er) Sohn (Ges‘er) Einlage 200T€ 50% (Einlage:50T€) 50% (Einlage: 50T€) VS- GmbH Folge: Wert der Beteiligung des S erhöht sich mittelbar um 100T€. Nach bisheriger Rspr würde dies keine schenkungsteuerlichen Folgen auslösen. Hätte der V dem S diese 100 T€ aber direkt zugewandt, wäre dies schenkungsteuerpflichtig nach § 7 Abs. 1 Nr.1 ErbStG. Diese Gesetzeslücke soll § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG schließen.

Erfasste Sachverhaltskonstellationen Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG Erfasste Sachverhaltskonstellationen Konzernsachverhalte (§ 7 VIII 2 ErbStG): 1.Beispiel: 100% M-AG 100% T1 GmbH T2 GmbH Verkauf eines Grundstücks unter Verkehrswert auf Anweisung der M-AG Folge: Ertragsteuerlich liegt eine vGA der T1 an die M-AG vor. vGA unterliegt aber auch nach § 7 VIII 2 ErbStG nicht der ErbSt, da die Beteiligungsverhältnisse an beiden Ges. gleich sind.

Erfasste Sachverhaltskonstellationen Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG Erfasste Sachverhaltskonstellationen Konzernsachverhalte (§ 7 VIII 2 ErbStG): Vater (Ges‘er) 2. Beispiel: Sohn (Ges‘er) 100% 40% T1 GmbH T2 GmbH 60% Verkauf eines Grundstücks unter Verkehrs-wert auf Anweisung des V Folge: Vorgang unterfällt im Verhältnis zwischen T1 und S der ErbSt, wenn er vom Willen des V veranlasst ist, den S zu bereichern. Zuwendungsgegenstand ist die bewirkte Werterhöhung der Anteile des S.

Dogmatische Einordnung Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG Dogmatische Einordnung BFH-Rspr., die eine freigebige Zuwendung in den Fällen disquotaler vGA/vE ablehnt, betrifft nur § 7 I 1 ErbStG. Auf der Basis der Rspr./h.M. handelt es sich bei § 7 VIII 1 ErbStG um die steuerbegründende Fiktion einer freigebigen Zuwendung, nicht bloß um eine Klarstellung § 7 VIII 2 ErbStG schränkt den nach dem Wortlaut der Norm weiten Anwendungsbereich für Konzernsach-verhalte auf mit Bereicherungsabsicht vorgenommene disquotale Verschiebungen ein.

Gesetzliche Regelung: § 7 Abs. 8 ErbStG Kritik: Gesetzgeber ist über sein Ziel, nämlich das Schließen einer „Gerechtigkeitslücke“, hinausgeschossen. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG fingiert jede Werterhöhung eines Gesellschaftsanteils, die auf Leistungen einer anderen Person beruhen, als Schenkung. Problematisch, weil die Regelung über die Fälle der verdeckten Einlage hinausgeht und auch Zuwendungen Dritter erfasst. Teleologische Reduktion bei Sanierungsfällen?

Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer 54

Entstehung der ErbSt (§ 9 I Nr. 1 ErbStG) Grundsatz: Bei Tod des Erblassers Gilt ebenso bei: Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 330, 331 BGB) Ausnahme: Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 ff. BGB)  Entstehung mit Geltendmachung (!) (FG München EFG 2005, 1887) 55

BFH-Urteil 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 Sachverhalt:  Vater (V) und Mutter (M) errichten „klassisches“ Berliner Testament letztlich zugunsten einziger Tochter (T)  nicht „steuerrechtlich“ und „erbrechtlich“ optimiert  Vater verstirbt vor, Mutter alsbald danach  Tochter macht nach dem Tod der Mutter den Pflichtteil nach ihrem Vater geltend 56 56

BFH-Urteil 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 Sachverhalt: 2003 2004 2005 [----------------------][-----------------------][---------------------    V verstirbt M verstirbt T: Macht Pflichtteil gegenüber V geltend! M Alleinerbin T Alleinerbin 57 57

BFH-Urteil 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 Grundaussage:  Ist der Pflichtteilsberechtigte Alleinerbe, so bleibt sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils bestehen (§ 10 Abs. 3 ErbStG)  Erklärt er gegenüber dem FA, er mache den Pflicht- teil geltend, sind daraus (rückwirkend) steuerliche Folgen zu ziehen  Jedenfalls, wenn Pflichtteilsanspruch nicht verjährt. 58 58

BFH-Urteil 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 Begründung:  Pflichtteilsanspruch kann als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, wenn geltend gemacht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1   § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG)  Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen Erben  Beerbt Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsver- pflichteten, erlischt der Anspruch zivilrechtlich (Konfusion) 59 59

BFH-Urteil 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 Begründung:  steuerrechtlich aber § 10 Abs. 3 ErbStG  Rechtsverhältnisse gelten als nicht erloschen  wirtschaftliche Belastung ? Jedenfalls dann (+), wenn nicht verjährt  Verfahren ? Geltendmachung ? 60 60

 kein Fall des § 3 I Nr. 1, 3. Alt. ErbStG Davon abzugrenzen: BFH-Urteil 7.12.2016 – II R 21/14, BStBl. II 2018, 196 Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls (§ 3 I Nr. 1, 1. Alt. ErbStG). Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.  kein Fall des § 3 I Nr. 1, 3. Alt. ErbStG  Keine doppelte Besteuerung durch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben 61 61

Entstehung der SchenkSt (§ 9 I Nr. 2 ErbStG) mit Ausführung der Zuwendung entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker über den Gegenstand frei verfügen kann (s. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631) 62

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 I ErbStG) 63

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs Bereicherungen mit den Steuerwerten ./. Befreiungen i.S.d. §§ 13-13c ErbStG = Stpfl. Bereicherung (§ 10 I ErbStG) ./. Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 V ErbStG) = Bereicherung des Erwerbers (Nettoprinzip) ./. ggf. steuerfreier Zugewinnausgleich (§ 5 III ErbStG) + ggf. Hinzuzurechnende Vorerwerbe (§ 14 ErbStG) ./. Persönlicher Freibetrag (§ 16 ErbStG) ./. Besonderer Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) = Steuerpflichtiger Erwerb 64

Bewertung § 12 ErbStG 65

Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) Momentaufnahme Bewertungs-unsicherheiten volatile Börsenwerte Gefahr der Über-/Unterbewertung Berücksichtigung von Verkaufsfällen innerhalb eines kurzen Zeitraums nach dem Stichtag 66

Allgemeiner Bewertungsmaßstab: BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 1. Stufe: Bewertungsgleichmaß als folgerichtige Umsetzung des Belastungsgrundes der ErbSt i.S. einer realitätsgerechten Wertrelation Allgemeiner Bewertungsmaßstab: Verkehrswert 2. Stufe: Zielgenaue Lenkungstatbestände, die gesondert zu rechtfertigen sind 67

Gebot der Folgerichtigkeit u. Systemkonsequenz Grundsatz (BVerfG): Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Auswahl der Steuerquelle danach: folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit Konsequent-gleichmäßige Umsetzung des Belastungsgrundgedankens in der Bemessungsgrundlage 68

Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers Verkehrswert = leitender Bewertungsmaßstab: Problem der Bewertungsunsicherheit im Sachvermögen  ausreichend: Annäherungswert Gefahr der Überbewertung: Bedürfnis nach der Möglichkeit eines Gegenbeweises Bewertungsmethodik: muss folgerichtig am leitenden Bewertungsmaßstab ausgerichtet sein 69

Bereicherung = Vermögenszuwachs beim Erben/Beschenken BVerfGE 117, 1, 33 ff.: zur 1. Stufe Belastungsgrund = Bereicherung des Erben/Beschenkten i.S. Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Reinvermögenszugangstheorie) Bereicherung = Vermögenszuwachs beim Erben/Beschenken Einzig sachgerechter Vergleichsmaßstab: Einzelveräußerungspreis = gemeiner Wert 70

Tatbestandliche Unterscheidung Bemessungsgrundlage: Gebot realitätsgerechter Wertrelation am Maßstab des Verkehrswerts Messfunktion im Sinne des Art. 3 I GG Steuertarif: Prinzip eines schonenden Ausgleichs (Übermaßverbot) Belastungsfunktion im Sinne der Art. 12 I, 14 I, 2 I GG 71

Bewertung von Grundvermögen 72

Bewertungsmaßstäbe Grundvermögen §§ 176 ff. BewG Unbebautes Grundstück Bodenrichtwert x qm Mietwohngrundstück u.a. Bodenwert + Vervielfältiger x Reinertrag EFH/ZFH/ETW Vergleichswerte aus Verkäufen ableitbar Sonst. bebaute Grdstck: Bodenwert + Wert des Gebäudes nach Normal- herstellungskosten (Sachwertverfahren)‏ Gegenbeweis durch Gutachten des Stpfl. möglich 73

Bewertung: unbebautes Grundstück § 179 BewG Vergleichswert = Wert lt. Bodenrichtwertzone, korrigiert bei Abweichung wertbeeinflussender Merkmale (GFZ, Anzahl möglicher Geschosse, Grundstückstiefe, Erschließungsbetragspflicht) nicht erfasst aber: sonstige wertbeeinflussende Merkmale (z.B. Ecklage, Zuschnitt, Altlasten, Lärm-/Geruchsbelästigung) x qm = gemeiner Wert nach § 198 BewG nur Gegenbeweis durch Sachverständigengutachten i.S. § 199 BauGB 74

Bewertung bebauter Grundstücke § 181 ff. BewG Grundstücksart ergibt sich aus § 181 BewG (EFH/ZFH, MWG, Geschäftsgrundstücke,…) Bewertungsmethode ergibt sich aus § 182 BewG (Vergleichswert-/Ertragswert-/Sachwertverfahren) Besonderheit bei Grundstücken im Zustand der Bebauung §§ 196 BewG Öffnungsklausel § 198 BewG (Nachweis eines abweichenden Werts durch Gutachten) 75

Ertragswertmethode § 184 ff. BewG (MWG) Bodenwert wie ein unbebautes Grdstck (ohne Abschlag!)  zugleich Mindestwert (§ 184 BewG) + Gebäudewert = Gebäudeertragswert (§ 185 BewG)  Jahresrohmiete/übliche Miete (§ 186 BewG) ./. Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG) ./. Bodenwertverzinsung (§ 188 BewG) = Gebäudereinertrag x Vervielfältiger (abhängig von Rest-ND + Liegenschaftszins, (185 III BewG i.V. Anlage 21) = Zeitrente) Summe = Ertragswert (Grundbesitzwert) 76

Sachwertverfahren (sonstige Gebäude bzw. Auffangbewertungsmethode) Bodenwert wie ein unbebautes Grdstck. (ohne Abschlag!)  zugleich Mindestwert (§ 189 BewG) + + Gebäudewert = Gebäudesachwert (§ 190 BewG)  Flächenpreis (Regelherstellungskosten 2007 = Bundesmittelwerte, Anlage 24 BewG)‏ x Bruttogrundfläche ./. Alterswertminderung (Regel-ND, Anlage 22 BewG) Summe = vorläufiger Sachwert x Wertzahl (= Marktanpassungsfaktor lt. Gutachterausschuss bzw. Anlage 25 BewG) = Grundbesitzwert 77

Gegenbeweis durch Sachverständigengutachten (§ 198 BewG) Berücksichtigung von Baumängeln, -schäden, wirtschaftliche Überalterung (Sachwertverfahren), sonstige den Verkehrswert beeinflussende Tatsachen (Ertragswertverfahren) werden von den Bewertungsverfahren nach BewG nicht erfasst. Gutachten ist nach der WertV zu erstellen (§§ 198, 199 I BewG) Stpfl. hat Kosten zu tragen, auch im FG-Verfahren! 78

Unternehmensbewertung 79

Problem der Unternehmensbewertung Zukunftswert Prognose Komplexität Ertragswertverfahren: Unsicherheiten Kapitalisierungszins nachhaltiger Zukunftsertrag 80

Bewertung des Betriebsvermögens: früher: Bewertung nach Rechtsform Personengesellschaft: Substanzwert Steuerbilanzwert (mit Ausnahmen) nichtnotierte Kapitalgesellschaft Vergleichsverkauf oder Stuttgarter Verfahren notierte Kapitalgesellschaft Börsenwert ab 1.1.09: rechtsformneutrale Bewertung alle Rechtsformen nach gleichen Bewertungsregeln: Vergleichsverkauf / gemeiner Wert vereinf. Ertragswertverfahren optional anwendbar nur noch Unterscheidung bei KapGes börsennotiert nicht börsennotiert Einzelbewertung alle Aktiva und Passiva Gesamtbewertung einzige Kennzahl, typischerweise Ertrag, Schulden keine Relevanz 81

Methodenhierarchie (§§ 11 II, 199 BewG) Börsenkurs Kaufpreis unter fremden Dritten (Vergleichswert) Substanzwert (Mindestwert) > Wert nach anerkannter Unternehmensbewertungsmethode Liquidationswert (bei beabsichtigter Liquidation) > Substanzwert Unternehmenswert nach marktüblicher, anerkannter Methode der Unternehmensbewertung im Zweifel: Ertragswertverfahren, Wahlrecht zwischen individueller und vereinfachter Bewertung (§§ 199 ff. BewG) 82

Vereinfachtes Ertragswertverfahren (§§ 199-203 BewG)‏ ø-Jahresertrag (letzten 3 Jahre) x Kapitalisierungsfaktor bis 31.12.2016 : Kehrwert des Kapitalisierungszinses  Basiszins + 4,5% seit 1.1.2016: § 203 Abs. 1 BewG: 13,75 § 203 Abs. 2 BewG: ggf. Anpassung durch RV Wertkorrektur um: sog. nicht betriebsnotwendiges Vermögen (WG u. Schulden, § 200 II BewG)‏ Beteiligungen an Ges‘en, die nicht im vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet werden (§ 200 III BewG)‏ sonstige WGer (nebst Schulden), die innerhalb der letzten 2 Jahre eingelegt worden sind (§ 200 IV BewG)‏ 83

Mängel des Bewertungskonzepts Unsicherheit über die Methodenvielfalt/-hierarchie Substanzwert  Liquidationswert als Mindestwert (neuer) Fester Kapitalisierungszins (§ 203 I BewG), vergangenheitsbezogene Erträge Keine Konsolidierung mehrstufiger Beteiligungsstrukturen Mangelnde Prinzipientreue bei der Bewertung von Personenunternehmen: Mischung von Gesamt- und Einzelbewertung Unbestimmtheit der Vermögenskategorien: notwendiges – nicht notwendiges BV – Verwaltungsvermögen 84

Steuerbefreiungen 85

Steuerbefreiungen – Katalog des § 13 ErbStG § 13 I Nr. 1 a)-c) Hausrat, Freibetrag 41.000 € für Stkl. I; Andere bewegliche körperliche Gegenstände, Freibetrag 12.000 € für StKl. I; generell Freibetrag 12.000 € für Stkl. II und III § 13 I 1 Nr. 2 Steuerbefreiung für Grundbesitz und Kunst, wenn u.a. die Erhaltung der Gegenstände im öffentlichen Interesse ist § 13 I 1 Nr. 9 Erwerb von Personen, die dem Erblasser un-/teilentgeltliche Pflege/Unterhalt gewährt haben, Freibetrag 20.000 € § 13 I 1 Nr. 10 Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen § 13 I Nr. 11 Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs § 13 I Nr. 14 übliche Gelegenheitsgeschenke § 13 I Nr.16 a)-c, Nr. 17 Zuwendungen an Religionsgemeinschaften, gemeinnützigen Einrichtungen u.a. 86

Kinder (Enkelkinder): Steuerfreiheit des selbstgenutzten „Familienheims“ (§ 13 Nr. 4a, 4b ErbStG) Ehegatten:  Schenkung und Erbfall  im Erbfall muss Familienheim vom Ehegatten 10 Jahre weiter bewohnt werden Kinder (Enkelkinder): nur im Erbfall und begrenzt auf 200 qm Wohnfläche (Wirkung eines Freibetrages) Kinder müssen das Familienheim 10 Jahre weiter bewohnen 87

Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim BFH-Urteil 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 Sachverhalt: Problem: Ist das Ferienhaus ein Familienheim i.S.d. o.g. Vorschrift? 88 88

Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim BFH-Urteil 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 Entscheidung:  Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, …  … ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG  Folge: Nicht begünstigt sind Zweit-/Ferienwohnungen 89 89

Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim BFH-Urteil 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 Orientierungssätze:  einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (hier: in der vor 2009 geltenden Fassung) ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.  auch der Neufassung des ErbStG durch das ErbStRG liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass mit der Steuerbefreiung nur der engere Kernbereich der ehelichen Gemeinschaft privilegiert werden soll 90 90

Verfassungswidrige Verschonung von Unternehmensvermögen (§§ 13a-c ErbStG) 91

BVerfGE 117, 1: zur 2. Stufe (Lenkungsnorm) Tatbestand muss Lenkungszweck erkennen lassen (Gebot der Normenklarheit) Lenkungszweck muss zielgenau verfolgt werden (Gebot der Zielgenauigkeit des Lenkungstatbestandes) 92

Anforderungen an Lenkungstatbestand - 2. Stufe d.h. Sachgerechte Abgrenzung des Kreises der Geförderten (Gebot der Außengerechtigkeit) Gleichheitskonforme Ausgestaltung innerhalb des Kreises der Geförderten (Gebot der Binnengerechtigkeit) Innerer Zusammenhang zwischen der Verwirklichung des Lenkungszwecks und des Ausmaßes des Steuerver-günstigung/Ungleichbehandlung (Gebot der Verhältnis-mäßigkeit) 93

Unverhältnismäßigkeit der Privilegierung von Betriebsvermögen Seer/Klemke - Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis Unverhältnismäßigkeit der Privilegierung von Betriebsvermögen BVerfG v. 17.12.2014, BVerfGE 138, 136 ff., Rz. 172: „Je umfangreicher die Steuerverschonung und je größer deshalb andererseits das Maß der Ungleichbehandlung gegenüber den Erwerbern nicht begünstigten Vermögens ist, desto anspruchsvoller wird die Rechtfertigungslast hierfür.“ Keine unlimitierte Verschonung jeglichen Unternehmensvermögens Rechtfertigungslast steigt mit dem Umfang der Steuerverschonung 94

Neuregelung des ErbStG Neuregelung im Überblick  Grundstruktur von §§ 13a, 13b ErbStG bleibt erhalten (Regel- und Optionsverschonung)  Beibehaltung des schädlichen Verwaltungsvermögens mit Modifizierungen  Steuerbegünstigung nur noch für nicht schädliches Verwaltungsvermögen (kein Alles-Oder-Nichts-Prinzip)  Lohnsummenregelung und Behaltensfristen bleiben grds. bestehen, aber: Anpassung der LSR  Verschonungsabschlag bei großen Vermögen  Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG-E) ---------------------------------------------------------------------------------  Bewertungsabschlag für „Familienunternehmen“ 95

Beurteilung der Neuregelung Neufassung hat den Grad der Komplexität der Verschonungssubventionsregeln weiter gesteigert. Das Gesetz ist weder gleichheitskonform ausgestaltet noch seinen Buchstaben entsprechend vollziehbar. Neuregelung führt im Ergebnis zu willkürlichen Steuerlasten. Eine kleine gesellschaftliche Gruppe trägt letztlich eine „Sonderlast“, die sie gegenüber den Verschonten diskriminiert und in ihren Grundrechten verletzt. aufgrund der in die Zukunft wirkenden Wohlverhaltensregeln Steuerrisiken, die mehr schaden als nützen. 96 96

Anteile an KapGes > 25% (bezogen auf Erblasser bzw. Schenker) Verschonungssubvention: Kreis des begünstigten Unternehmensvermögens (§ 13b I ErbStG)‏ Einzelunternehmen, Anteile an PersGes (MitUnt- Anteile) als Gewerbebetrieb, freiberufl. Praxis, land- u. forstw. Betrieb Anteile an KapGes > 25% (bezogen auf Erblasser bzw. Schenker) bei Stimmrechtspoolverträgen: Zusammenrechnung der Anteile an KapGes Ausweitung der Begünstigung auf Betriebe u. Gesellschaften, die sich innerhalb der EU bzw. des EWS befinden bzw. residieren 97

Poolvereinbarung: Bündelung von KapGes-Anteilen  begünstigtes untern Poolvereinbarung: Bündelung von KapGes-Anteilen  begünstigtes untern. Vermögen Einheitliche Verfügung über die Geschäftsanteile od. ausschießlich Veräußerung an andere gebundene Ges‘er > 25% unmittelbar gehaltene Anteile Einheitliche Ausübung der Stimmrechte gegenüber nicht gebundenen Ges‘ern Verpflichtung muss sowohl Erblasser/Schenker als auch die übrigen gebundenen Ges‘er treffen (z.B. über eine BGB-Innengesellschaft) Achtung: Nachversteuerung bei Aufhebung der Poolvereinbarung innerhalb der Behaltens-fristen 98

Neuregelung des ErbStG Begünstigtes Vermögen  Abgrenzung begünstigtes Vermögens und Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 1-9)  nach bisherigem Muster Beispiele des Verwaltungsvermögens aus § 13b Abs. 4: Nr. 1: Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (mit Ausnahmen) Nr. 2: Anteile an KapGes mit unmittelbarer Beteiligung < 25 % Nr. 4: Wertpapiere und ähnliche Forderungen Nr. 5: Finanzmittel über den unschädlichen Umfang hinaus (dazu sogl.)  Kunstgegenstände sind schädliches Verwaltungsvermögen (Oldtimersammlungen etc. im Betriebsvermögen)  Neu: Holdinggesellschaften werden im Verbund betrachtet (§ 13b Abs. 9) 99

Neuregelung des ErbStG Besonderheit: Wohnungsunternehmen Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 stellt Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz grds. Verwaltungsvermögen dar. Beachte jedoch die Rückausnahme des Satz 2 Nr. 1 d): - Vorliegen von Betriebsvermögen - Hauptzweck des Unternehmens ist die Vermietung von Wohnungen und - Vermietungstätigkeit erfordert wirtschaftl. Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) FinVerw.: Bei mehr als 300 Whg. soll wirtschaftl. Geschäftsbetrieb i.d.R. vorliegen (R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR) BFH: Schwelle zur Gewerblichkeit ist aber nicht bereits aufgrund eines großen Wohnungsbestands überschritten. Beurteilung vielmehr anhand der von den Ertragsteuersenaten entwickelten Abgrenzungskriterien (BFH v. 24.10.2017 –  II R 44/15 – DStR 2018, 403).  Sind alle drei Voraussetzungen erfüllt: kein Verwaltungsvermögen! 100

Neuregelung des ErbStG Begünstigtes Vermögen auch (Ausnahme)  WG zur Sicherung von Altersversorgungsverpflichtungen aus dem Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 3 ErbStG)  Ausnahme für Grundstücke, Grundstücksteile etc., die im Rahmen von Lieferungsverträgen vorrangig überlassen werden, um den Absatz von eigenen Erzeugnissen zu fördern (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 e ErbStG )  Brauereien 101

Neuregelung des ErbStG Begünstigtes Vermögen  „Finanzverwaltungsvermögen“ (§ 13b Abs. 4 Nr. 5: Finanzmittel)  Geldmittel, Zahlungsmittel und Forderungen gelten weiterhin solange zum begünstigten Vermögen, wie sie nach Abzug aller Schulden des Betriebes 15 % (früher 20 %) des Wertes des Betriebes/der Gesellschaft nicht übersteigen.  für den 15 %-Puffer ist aber eine originäre gewerbliche Tätigkeit z.B. iSd § 15 Abs. 1 Nrn. 1, 2 EStG notwendig (Nr. 5 Sätze 4, 5).  Ausschluss der Begünstigung insgesamt, wenn Verwaltungsvermögen nach Abzug der Verrechnungsposten mindestens 90 % des gemeinen Wertes des begünstigungsfähigen Vermögen beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2) 102

Neuregelung des ErbStG Begünstigtes Vermögen  Reinvestitionsklausel in Todesfällen (§ 13b Abs. 5)  Frist: 2 Jahre  Konkreter Investitionsplan des Erblassers erforderlich  Lohnzahlung bei saisonal schwankenden Einnahmen (Satz 3)  Reinvestitionen nur in anderes Vermögen  Nachweispflichten für alle Voraussetzungen beim Erwerber 103

Neuregelung des ErbStG Begünstigtes Vermögen  Reinvestitionsklausel in Todesfällen (§ 13b Abs. 5)  Probleme 1. Wer trifft die Entscheidung ? 2. Wie wird die Entscheidung dokumentiert? 3. Warum nur bei Betriebsvermögen? 104

Neuregelung des ErbStG Schuldenabzug (§ 13b Abs. 6)  vorrangiger Abzug  Abs. 3 (Altersvorsorgeverpflichtungen)  Abs. 4 Nr. 5 (Finanzmittel)  quotaler Abzug der (verbleibenden) Schulden anteilig nach begünstigten und nichtbegünstigten Vermögen  kein Schuldenabzug für ohne wirtschaftlichen Grund über den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten 3 Jahre aufgeblähte Schulden oder von wirtschaftlich nicht belastenden Schulden (§ 13b Abs. 8 Satz 2; z.B. „Rangrücktritt“).  Mindestnettowert: Wert des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel (Satz 3) 105

Neuregelung des ErbStG Gesonderte Feststellung (§ 13b Abs. 10 ErbStG)  für Grundstücke, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften) Abs. 10  Wert der Finanzmittel iSd. (Abs. 4 Nr. 5 Satz 1)  der jungen Finanzmittel (Satz 2)  des übrigen Verwaltungsvermögen (Abs. 4 Nrn. 1 – 4)  der Schulden und des jungen Verwaltungsvermögens (Abs. 7 S. 2) 106

Neuregelung des ErbStG Berechnungsschema: schädliches Verwaltungsvermögen Korezkij, Neuer Verwaltungsvermögenstest im Konzern aus der Sicht eines ­Rechtsanwenders – Der Weg vom begünstigungsfähigen zum begünstigten ­Vermögen nach § 13b Abs. 2-10 ErbStG DStR 2016, 2434 in 22 Schritten mit jeweiligen Unterschritten !! Ausführlich dazu auch: Seer/Michalowski, GmbHR 2017, 609 ff.: Polytele Hyperlexie – Verstoß gegen die Bestimmtheit und Kalkulierbarkeit des Rechts 107

Neuregelung des ErbStG Berechnungsschema Verwaltungsvermögen 1. Ermittlung des sonstigen Verwaltungsvermögens: 2. Ermittlung der Finanzmittel: 3. Ermittlung der Schulden: 4. Ermittlung des jungen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG): 5. Ermittlung der jungen Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG): 6. Festhalten der für die Verbundvermögensaufstellung relevanten Korrekturposten: 7. Bildung der „vorläufigen“ Töpfe in der Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9 S. 1 und 2 ErbStG): 8. Bildung der „Korrektur-Töpfe“ (§ 13b Abs. 9 S. 3 ErbStG): 9. Bereinigung der vorläufigen Töpfe um konzerninterne Forderungen und Verbindlichkeiten: 10 . Prüfung der 90 %-Grenze (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG): 11 . Ermittlung der nicht verrechenbaren Schulden (§ 13b Abs. 8 S. 2 ErbStG): 12 . Ermittlung der mit den Finanzmitteln verrechenbaren Schulden (§ 13b Abs. 8 S. 2 ErbStG): 13 . Abzug der jungen Finanzmittel von den Finanzmitteln (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG): 14 . Ermittlung der Netto-Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 1 ErbStG): 15 . Ermittlung des gemeinen Wertes des Verwaltungsvermögens: 16 . Ermittlung der verbleibenden verrechenbaren Schulden: 17 . Ermittlung der vom gemeinen Wert des Verwaltungsvermögens anteilig abziehbaren Schulden (§ 13b VI 2: 18 . Ermittlung des Nettowertes des Verwaltungsvermögens (§13b Abs. 6 S. 1, Abs. 8 S. 1 und 3 ErbStG): 19 . Ermittlung des unschädlichen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG): 20 . Abzug des unschädlichen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 S. 1 und 2 ErbStG): 21 . Ermittlung des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG) 22 . Prüfung der 20 %-Grenze bei der Beantragung der Optionsver­schonung 108

Neuregelung des ErbStG Problem: 15 % Grenze für Finanzmittel Voraussetzung (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 5 ErbStG) „Das begünstigte Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften muss nach seinem Hauptzweck einer (originären) gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG“ dienen“ 109

Neuregelung des ErbStG 90 % Grenze für Finanzmittel Keine Verrechnung mit Schulden! Für die Ermittlung der 90%-Grenze wird das (Brutto)Verwaltungsvermögen ins Verhältnis zum (Netto)Unternehmenswert gesetzt !! Beispiel: Handelsunternehmen Wert 100, Forderungen 90, Verbindlichkeiten 80 15%-Test: (+) 90-80 = 10 < 15 % 90%-Test: (-) 90/100 = 90%  Folge: Keine Begünstigung ! 110

Optionale Ausweitung der Verschonungs-subvention für Unternehmensvermögen § 13a X ErbStG ermöglicht auf Antrag eine 100ige Freistellung des Vermögens! aber erhöhte Voraussetzungen: Behaltensfrist beträgt 7 statt 5 Jahre! Mindestlohnsumme beträgt 700% (= 7 x Ausgangslohnsumme)! Verwaltungsvermögen darf max. nur 20% betragen 111

Neuregelung des ErbStG Verschonungsgrenze und verringerter Verschonungsabschlag (§ 13c ErbStG) Regel Option  bis 26 Mio. 85% 100%  bis 90 Mio. „Gleitzone“ Mio. € ./. 1 % für je 750.000 €  ab 90 Mio. 0 % 0% (Reg Alternative bei sog. Großvermögen > 26 Mio.: Antrag auf individuelle Verschonungsbedarfsprüfung n. § 28a ErbStG 112

Börsennotierte große Publikums-AG Seer/Klemke - Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis Inhabergeführte KMU Börsennotierte große Publikums-AG BVerfG: keine Vermutung, dass Zugriff auf das betriebliche EK zur Tilgung der ErbSt genommen werden muss Vermutung des BVerfG: Tilgung der ErbSt erfordert Zugriff auf das betriebliche EK Zweck der Verschonung: Sicherung von Arbeitsplätzen durch den Fortbestand des übertragenen Vermögens durch Erhalt der Eigenkapitalbasis

Kritik an der Ausgestaltung Verschonungsabschlag orientiert sich aber nicht an der Größe des jeweiligen Unternehmens, sondern am Erwerb ►► Kleinstbeteiligung an großen börsennotierten Unternehmen werden begünstigt, inhabergeführte mittelständ. Unternehmen (z.B. 100% GmbH-Anteil) übersteigen ggf. 26 Mio.-Grenze und fallen ggf. aus der Begünstigung

Versuch zielgenauer Verwirklichung des Lenkungszwecks: Arbeitsplatzsicherung Lohnsumme innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb > 400% der Ausgangslohnsumme aller EU/EWS-Betriebsstätten  Nachversteuerung spätestens nach 5 Jahren insoweit, als Lohnsumme < 400% Keine Dynamisierung der Ausgangslohnsumme! Ausnahme: Kleinbetriebe < AN, danach Gleitlösung

Neuregelung des ErbStG Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 3 ErbStG) Lohnsumme für Beschäftige Regelverschonung Vollversch. bis 5 (-) (-) 6-10 250% in 5 Jahren 500% in 7 J. 11-15 300% in 5 Jahren 565% in 7 J. 16 und mehr 400% in 5 Jahren 700% in 7 J.  Achtung: Diese Regelung gilt für alle Unternehmen, nicht nur bei Großerwerben ! 116

Neuregelung des ErbStG Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 3 ErbStG)  Ausschluss von Vergütungen an (deshalb auch nicht als AN zählende!) Personen - im Mutterschutz, - in einem Ausbildungsverhältnis - Bezieher von Kranken- oder Elterngeld  Einbeziehung aller Teilzeitkräfte, nicht nur bei überwiegender Tätigkeit in dem Betrieb (§ 13a Abs. 3 Satz 7), Ausnahme: Saisonarbeiter z.B. 117

Neuregelung des ErbStG Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 3 ErbStG) Problem Holdingstrukturen § 13a Abs. 3 Sätze 11 und 12 ErbStG  zusammenrechnen der Lohnsumme entsprechend dem Anteil der Beteiligung  zusätzlich: § 13a Abs. 3 Satz 13 (!) ErbStG Im Fall einer Betriebsaufspaltung sind die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft zusammenzuzählen. 118

Versuch zielgenauer Verwirklichung des Lenkungszwecks: Verhaftungsregeln Wesentliche Geschäftsgrundlagen u.ä. (§ 13a V ErbStG) müssen 5 Jahre im Betrieb erhalten bleiben!  Wegfall der Verschonung im Umfang der (Teil-) Veräußerung / Entnahme = Nachversteuerung! Ausnahme: zeitnahe Reinvestition (§ 13a VI 4 ErbStG) = Veräußerungserlös wird innerhalb von 6 Monaten in begünstigtes BV investiert, das kein Verwaltungsvermögen ist nur pro rata- Schädlichkeit! 119

Kanon der Nachversteuerungstatbestände (§ 13a V ErbStG)‏ Veräußerung/Aufgabe des Betriebes, Teilbetriebes, MitUnt-Anteils Veräußerung/Entnahme wesentlicher Geschäftsgrundlagen Veräußerung begünstigter Anteile an KapGes Auflösung begünstigter KapGes Kapitalherabsetzung begünstigter KapGes bei Veräußerung wesentlicher Geschäftsgrundlagen Überentnahmen > 150 TE innerhalb von 5 Jahren Aufhebung von Verfügungsbeschränkungen u. Stimmrechtsbindungen i.S. § 13b I Nr. 3 ErbStG

Neuregelung des ErbStG Bewertungsabschlag für „typische“ Familienunternehmen Höhe des Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert (Satz 1 Nummer 3) und darf 30 % nicht übersteigen. Frage: Verhältnis zu § 7 VII ErbStG? 121

Bewertungsabschlag für „typische“ Familienunternehmen wenn der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens für eine Dauer von 2 Jahren vor der Übertragung und 20 (!) Jahren nach der Übertragung kumulativ vorsieht, dass Entnahmen oder Ausschüttungen auf 37,5 % des steuerlichen Gewinns nach Abzug der Steuer auf Entnahmen oder Aus- schüttungen begrenzt sind. Unschädlich sind Entnahmen für Einkommensteuerzahlungen (auch für ErbSt ??) Übertragungen auf Mitgesellschafter, Angehörige (§ 15 AO) Bei Ausscheiden muss Abfindung wesentlich unter dem gemeinen Wert liegen (Höhe bestimmt Wertabschlag) 122

Neuregelung des ErbStG Neue Stundungsmöglichkeit (§ 28 Abs. 1 ErbStG):  nicht mehr erforderlich: Existenzgefährdung  Zinslose Stundung für ein Jahr, danach zinspflichtig  Höchstfrist sieben Jahre  Geltung nur bei Erwerben von Todes wegen.  Nachsteuervorbehalt bei Nichteinhaltung der LSR oder im Fall einer Betriebsaufgabe, -veräußerung etc. 123

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“ bei Großvermögen (> 26 Mio.)  ist die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer auf Antrag des Erwerbers zu erlassen, soweit er nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbarem Vermögen i.S. Abs. 2 zu begleichen.  und: Negativvoraussetzungen des Abs. 4 124

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“  verfügbares Vermögen (Abs. 2) 50% des 1. mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 bis 8 gehört 2. das dem Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) -- bereits -- gehörenden Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 bis 8 gehört. 125

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“ § 28a Abs. 4 ErbStG  Erlass steht unter der auflösenden Bedingung, dass 1. die Lohnsumme innerhalb der Lohnsummenfrist (7 Jahre) eingehalten wird 2. die Behaltensregeln innerhalb der Behaltensfrist (7 Jahre) eingehalten werden 126

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“ § 28a Abs. 4 ErbStG:  Erlass steht unter der auflösenden Bedingung, dass 3. der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erhält, das verfügbares Vermögen im Sinne des Abs. 2 darstellt.  Erwerber kann dann neuen Antrag stellen  Achtung: keine Freibeträge, / keine Kleinbetragsregelung 127

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“ Alternativ zum Erlass:  Neue Stundungsregelung in § 28a Abs. 3 ErbStG: Die nach Anwendung des Absatzes 1 Satz 1 verbleibende Steuer kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monate gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Erwerber bedeuten würde und der Anspruch nicht gefährdet erscheint. 128

Neuregelung des ErbStG § 28a ErbStG „Verschonungsbedarfsprüfung“ Achtung: Sowohl Erlass als auch Stundung sind ausgeschlossen, wenn der Verschonungsabschlag (unwiderruflich) beantragt wurde. § 28a Abs. 8 ErbStG: „Die Absätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn ein Antrag nach § 13c gestellt wurde.“ 129

- Ablesen der Belastung im Gesetz? - Unklare Anzeigepflichten Problem: Kompliziertheit des Gesetzes - Ablesen der Belastung im Gesetz? - Unklare Anzeigepflichten - Überwachungsaufwand Das Gesetz leidet an „Hyperlexie“ Problem: Falsche Anreize ! - Familienstiftungen - Minderjährigenbeteiligungen - mangelnde Flexibilität in Familienunternehmen 130

Verschonungssubvention für Mietwohngrundstücke Zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (Inland/EU/EWR) Die unentgeltliche Überlassung ist nicht begünstigt Vorübergehender Leerstand bei Vermietungsabsicht ist unschädlich Vorauss. müssen bereits im Besteuerungszeitpunkt voriegen Ansatz nur zu 90% des Verkehrswerts Schulden ebenfalls nur zu 90% abz. (§ 10 Abs. 6 ErbStG) Für Erwerbe ab 01.07.2016 gilt § 13d ErbStG (zuvor gilt § 13c ErbStG (a.F.) mit demselben Regelungsgehalt) Keine Behaltensfristen! 131

Nachlassverbindlichkeiten 132

Nachlassverbindlichkeit (§ 10 V ErbstG: Abzug = Nettoprinzip) Erblasserschulden (s. § 1922 BGB, auch persönliche Steuern des Erblassers) Erbfallschulden (insb. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen u. Auflagen) Sonstige Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigungskosten incl. Grabpflege, Nachlassabwicklung u. Erbauseinandersetzung [= Erbschaftsverwaltungskosten]), Pauschbetrag 10.300 € 133

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH v. 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790 Ausgangslage 2012 2013 [--------------------------------------------][--------------------------------   Erblasser verstirbt ESt-Veranlagung 2012 Nachzahlung: 10.000 € 134 134

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790: Grundaussagen  Die auf den Erben (entsprechend seiner Quote) entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührenden ESt für das Todesjahr sind gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig 135 135

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790 Grundaussagen  späteres „Entstehen“ unerheblich - Anknüpfen an Zivilrecht - Bereicherungsprinzip (Erbe ist in Höhe der Nachzahlungsbeträge nicht bereichert) 136 136

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH-Urteile vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790; Praxisprobleme (Fall 1) 2012 2013 2014 ------------------][-----------------------------------][---------------------     Erblasser ESt 2012 (1) ErbSt ESt 2012 (2) verstirbt +50.000 € § 10 V (+) - 50.000 € Nachzahlung Erstattung Änderung ErbSt-Bescheid zu Lasten des Stpfl. ? 137 137

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH-Urteile vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790 Praxisprobleme (Fall 2) 2012 2013 2014 ---------------][---------------------------][-------------------------------      Erblasser ESt 2012 (1) ErbSt BP ESt 2012 (2) verstirbt - 50.000 € § 10 I 3 (-) + 50.000 € Erstattung Nachzahlung Änderung ErbSt-Bescheid zugunsten Stpfl. ? 138 138

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH-Urteile vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl II 2012, 790  verfahrensmäßige „Verknüpfung“ zwischen Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerveranlagung Anwendung § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO ? (BFH v. 14.12.2004 – II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093  Nein ! )  Aufteilung bei Eheleuten ?  entsprechende Anwendung des § 270 AO 139 139

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH v. 28.10.2015 II R 46/13, BFHE 252, 448, BStBl II 2016, 477 Berücksichtigung von Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten im Falle einer Steuerhinterziehung durch den Erblasser?  Der Erbe kann eine vom Erblasser hinterzogene ESt, die auch nach dem Eintritt des Erbfalls nicht festgesetzt wurde, selbst dann nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen, wenn er das für die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige FA zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat. 140

Abzug der Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit BFH v. 28.10.2015 II R 46/13, BFHE 252, 448, BStBl II 2016, 477 Berücksichtigung von Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten im Falle einer Steuerhinterziehung durch den Erblasser  Unterrichtet der Erbe das zuständige Finanzamt nach dem Tod des Erblassers über die Steuerangelegenheit, handelt es sich um ein nach dem Bewertungsstichtag eingetretenes Ereignis, das nach dem Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden kann.  Soweit der BFH im Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97 etwas anderes erwogen hat, hält er daran nicht fest. 141

Abzug von Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen § 10 Abs. 6 ErbStG Grundsatz: Der Abzug von Schulden und Lasten ist grundsätzlich nur dann eingeschränkt, wenn diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die bei der Besteuerung nicht angesetzt werden oder voll oder teilweise befreit sind.  Abziehbarkeit in dem Verhältnis, in dem das dazugehörige erworbene Vermögen im Verhältnis zu dessen gemeinem Wert steuerpflichtig ist (quotal) Beispiel: Erworbenes MWG ist gem. § 13d ErbStG nur zu 90 % Stpfl. Entsprechend können dazugehörige Schulden nur zu 90% abgez. werden. Ausnahme: Keine Einschränkung des Schuldenabzugs bei VG, für die ein pauschaler Freibetrag (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gewährt wird 142

Kürzung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 6 ErbStG) BFH-Urteil vom 22.7.2015 II R 12/14, BStBl. II 2016, 230 Problem:  Wird die Verbindlichkeit aus einem geltend gemachten Pflichtteil nur anteilig als Nachlassverbindlichkeit abgezogen, wenn zum Nachlass ein nach § 13a ErbStG begünstigter Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört? 143

Kürzung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 6 ErbStG) Bisher: R E 10.10 ErbStR 2011 Beschränkung des Abzugs von Schulden und Lasten  (2) Bei Pflichtteilsansprüchen besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen unabhängig davon, inwieweit sie steuerbar oder steuerbefreit sind, so dass diese Last von der Beschränkung des Abzugs erfasst wird. Bei anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten besteht dagegen kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen. 144

Kürzung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 6 ErbStG) BFH-Urteil vom 22.7.2015 II R 12/14, BStBl. II 2016, 230  Die Verpflichtungen zur Zahlung des geltend gemachten Pflichtteils und des Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten des Erblassers sind auch dann in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar,  (auch) wenn zum Nachlass ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört, dessen Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt ist 145

Kürzung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 6 ErbStG) BFH-Urteil vom 22.7.2015 II R 12/14, BStBl. II 2016, 230  Der von § 10 Abs. 6 ErbStG vorausgesetzte wirtschaftliche Zusammenhang ist nur gegeben, wenn Schulden oder Lasten bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen zugeordnet werden können.  Bemessung des Pflichtteils nach dem Wert des Nachlasses (§§ 2311 ff. BGB) begründet keinen wirtschaftlichen Zusammenhang.  Parallel: BFH-Urteil vom 22.7.2015 II R 21/13 (Vermächtnis) BFH-Urteil vom 22.7.2015 II R 15/14 (Pflichtteil) 146

Kürzung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 6 ErbStG) Beispiel A und B sind Kinder des verstorbenen E. E hat A zum Alleinerben bestimmt. Zum Nachlass gehören ein zunächst von E, dann von A selbstgenutztes EFH in München im Wert von 1 Mio. € sowie Bar- und Sparvermögen in Höhe von ebenfalls 1 Mio. €. FinVerw.: Pflichtteilsanspruch: 500.000 €, entfällt zu je ½ auf begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen und kann nach § 10 Abs. 6 ErbStG nur in Höhe von 250.000 € als Nachlass- verbindlichkeit abgezogen werden. BFH.: Abzug in voller Höhe. 147

Persönliche Freibeträge 20.000 € 10.300 € bzw. 5.200 € Übrige Personen 100.000 € 51.200 € Eltern/Erwerb von Todes wegen 200.000 € übrige Enkel 400.000 € 205.000 € Kinder/Enkel (bei verstorb. Kindern)‏ 500.000 € 5.200 € Lebenspartner 307.000 € Ehegatten seit 1.1.09 bis 31.12.08 Begünstigte 148

Persönliche Freibeträge Besonderheit bei beschränkt Steuerpflichtigen Hintergrund: Sind weder der Erblasser bzw. Schenker noch der jeweilige Erwerber Inländer, unterliegt der Vermögens­über­gang nur der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bezogen auf sog. Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG. Bisherige Rechtslage: Einheitlicher Freibetrag i.H.v. 2.000 € (§ 16 Abs. 2 ErbStG) Neu (für Erwerbe ab dem 25. Juni 2017): Persönliche Freibeträge beschränkt Steuerpflichtiger aus der Europäischen Union und aus Drittländern gem. EuGH unionsrechtswidrig. Reaktion des deutschen Gesetzgebers im StUmgBG Gewährung der Freibeträge aus § 16 Abs. 1 nun grds. auch für beschr. Stpfl. § 16 Abs. 2 ErbStG: Freibetrag wird nur in dem Verhältnis gewährt, in dem im Erwerb inländisches Vermögen enthalten ist, das der deutschen Besteuerung unterliegt 149

Steuerklassen (§ 15 ErbStG) Steuerklasse I Ehegatten, eingetragene Lebenspartner Kinder und Stiefkinder Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen Steuerklasse II Eltern und Voreltern bei Schenkungen Geschwister und deren Abkömmlinge ersten Grades Stiefeltern Schwiegerkinder und Schwiegereltern Geschiedene Ehegatten Steuerklasse III Alle übrigen Erwerber und Zweckzuwendungen 150

Vollmengenstaffeltarif Vergleich: Tarif bis 2008/Tarif ab 1.1.2010 Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich Steuersatz in % Alt Neu Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III 52.000 € 75.000 € 7 12 15 17 30 256.000 € 300.000 € 11 20 23 512.000 € 600.000 € 22 25 29 5.113.000 € 6.000.000 € 19 27 35 12.783.000 € 13.000.000 € 32 41 50 25.565.000 € 26.000.000 € 37 40 47 > 25.565.000 € > 26.000.000 € 43 Für das Jahr 2009 war der Tarif der Steuerklasse II/III sogar identisch! 151

Verfahrensfragen und Einbeziehung von Vorerwerben 152

Berücksichtigung von Vorwerben (§ 14 ErbStG) Zusammenrechnung aller von derselben Person stammenden Vorerwerbe innerhalb eines 10-Jahreszeitraums Abzug der Vorerwerbs-Steuer nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des letzten Erwerbs, mindestens aber die tatsächlich festgesetzte Steuer (zugleich auch Mindeststeuer) Schema: Fumi in von Oertzen/Loose, § 14 ErbStG Rz. 1 153

Anzeigepflicht des Erwerbers/Zuwendenden (§ 30 ErbStG) Keine Steuererklärungs-, sondern Anzeigepflicht, binnen 3 Monaten nach erlangter Kenntnis vom Anfall Schriftform, Inhalt = § 30 IV ErbStG Dispens nach § 30 III ErbStG bei notariellem Testament, beim AG hinterlegten Testament; Anzeigepflicht bleibt aber, wenn Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an KapGes., Auslandsvermögen vorliegt! Risiko: Steuerhinterziehungstatbestand § 370 AO! Problem: Kenntnis vom Erbanfall bei unklarer Erbenlage, ab wann läuft die 3-Monatsfrist? 154

Anzeigepflicht des Erwerbers/Zuwendenden (§ 30 ErbStG) Keine Steuererklärungs-, sondern Anzeigepflicht, binnen 3 Monaten nach erlangter Kenntnis vom Anfall Schriftform, Inhalt = § 30 IV ErbStG Dispens nach § 30 III ErbStG bei notariellem Testament, beim AG hinterlegten Testament; Anzeigepflicht bleibt aber, wenn Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an KapGes., Auslandsvermögen vorliegt! Risiko: Steuerhinterziehungstatbestand § 370 AO! Problem: Kenntnis vom Erbanfall bei unklarer Erbenlage, ab wann läuft die 3-Monatsfrist? 155

Steuererklärungspflicht des Erwerbers/Zuwendenden (§ 31 ErbStG) Steuererklärungspflicht entsteht erst auf Aufforderung durch das FA Frist bestimmt das FA (mind. 1 Monat), Form = § 31 VII ErbStG Erbengem. kann Erklärung gemeinsam abgeben (§ 31 V) Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter u. –pfleger haben die Steuererklärung für die Begünstigten abzugeben (§ 31 VI, VII) zur Bekanntgabe des ErbSt-Bescheides s. § 32 ErbStG 156

Anzeigepflichten Dritter (§§ 33, 34 ErbStG) Vermögensverwahrer, -verwalter, Versicherer (§ 33 ErbStG) innerhalb von 1 Monat nach Bekanntwerden des Todes des Erblassers Gerichte, Behörden, Beamte u. Notare über relevante Beurkundungen, Zeugnisse u. Anordnungen (s. § 34 II ErbStG: insb. Standesämter über Sterbefälle, Gerichte u. Notare über Testamente) 157

Örtliche Zuständigkeit (§ 35 ErbStG) Grundsatz: Wohnsitz-FA des inländ. Erblassers oder Schenkers Verhältnisse des Erwerbers relevant, wenn ausländ. Erblasser/Schenker vorliegen Zentralzuständigkeit bestimmter FÄ für mehrere Bezirke je nach Landesrecht, z.B. FA Bochum-Süd auch für Dortmund, Gelsenkirchen, Hattingen u.a. 158