Zusammenfassung Fallseminar 5+6

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 Präsentation transkript:

Zusammenfassung Fallseminar 5+6 Therapiebegrenzung und Sterbebegleitung, Spiritualität und Trauer

Zweisäulenkonzept ärztliche Behandlung zulässig, wenn medizinisch indiziert Patient nach Aufklärung zustimmt Indikationsstellung ausschließlich ärztliche Aufgabe, abhängig vom Behandlungsziel Lipp 2016

Was bestimmt die Indikation orientiert am Behandlungsziel des Patienten objektive Faktoren: Standards, Leitlinien etc. patientenbezogene Faktoren: AZ, Krankheitsverlauf, Werte und Wünsche etc.

Definitionen „Sterbehilfe“, besser Entscheidungen am Lebensende: assistierter Suizid → teils berufsrechtlich verboten aktive → Tötung, strafbar passive → Behandlungsbegrenzung indirekte → Risikomaßnahme Lipp 2016

„Sterbehilfe“ Behandlungsbegrenzung/-abbruch Entscheidung des BGH 25.06.2010 beruht auf dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten und soll einen Zustand (wieder-)herstellen, der einer unbehandelten letalen Krankheit ihren Lauf lässt. Unterscheidung des Handelns in aktiv (Tun) und passiv (Unterlassen) entfällt.

Hierarchie der Patientenautonomie Patient selbst Stellvertreter des Patienten: Bevollmächtigter Betreuer „mutmaßlicher Wille“ mit Hilfe von Angehörigen, Freunden etc., hier auch Patientenverfügung und Willensäußerung Entscheidung zum „Wohl“ des Patienten

Vertreter des Patienten nimmt Rechte des Patienten wahr ist am Behandlungsprozess zu beteiligen, also auch zu informieren soll den Patienten beraten und unterstützen vertritt den Patienten bei dessen Einwilligungsunfähigkeit soll Patientenwillen umsetzen

12595 Patienten-Stellvertreter Paare Patientenwille Die Kongruenz von Patientenwille und Ansicht des Vertreters, ist bisher nicht schlüssig bewiesen Meta-Analyse: 16 Studien 12595 Patienten-Stellvertreter Paare Übereinstimmung: 68% (63-72%) unwesentlich höher als durch Zufall zu erwarten Shalowitz et al. 2006

Vertreter des Patienten Häufigkeit von Entscheidungen durch Bevollmächtigte bei Patienten am Lebensende 75% der Entscheidungen bei hospitalisierten Patienten 44-69% bei Patienten in Pflegeeinrichtungen Bevollmächtigte erleben derartige Entscheidungen oft stresshaft ICU: etwa ein Drittel leidet danach an PTBS/PTSD Zahl erhöht sich bei EoL Entscheidungen auf 82% (!) Ärzte fokussieren Bedürfnisse des Patienten, vergessen oftmals diejenigen des Patientenvertreters Azoulay et al. 2005, Vig et al. 2007

Vertreter des Patienten helfende und hindernde Faktoren, die das Erleben von Therapieentscheidungen bevollmächtigter Angehöriger beeinflussen: eigene Lebensumstände Netzwerke Beziehung zum Patienten Beziehung zu Behandelnden Vig et al. 2007

...das was Sinn und Zweck im Leben eines Menschen darstellt... Was ist Spiritualität? ...das was Sinn und Zweck im Leben eines Menschen darstellt... Brémault-Phillips et al. 2015

eine Ansammlung von Sinn- und Wertfragen Was ist Spiritualität? eine Ansammlung von Sinn- und Wertfragen z.B. Sinn von Behandlung? Sinn des eigenen Lebens? Sinn von Krankheit?

Was ist Spiritualität? Jeder Mensch hat (bewußt oder unbewußt) ein Wertesystem, welches akzeptiert und respektiert werden sollte. Dieses bildet das Gerüst für die individuelle Lebenseinstellung.

Was ist Spiritualität? Spiritualität ist das ganz persönliche Ringen um Sinngebung und die innere Lebenseinstellung. E. Weiher

Was ist Spiritualität? Im Grunde scheint jeder Mensch seine eigene Spiritualität zu haben...(dieses) stellt die professionellen Helfer vor die Frage, wie Spiritualität dann überhaupt noch kommunizierbar ist. E. Weiher

Was ist Spiritualität? In…symbolisierenden Aussagen der Patienten sind...psychische…soziale…(aber) auch…implizite oder explizite spirituelle Ressourcen enthalten. E. Weiher

Widerspruch ..zahlreiche Belege dafür, dass Betroffene am Lebensende spirituellen Bedürfnissen einen hohen Stellenwert zuordnen... ...während Behandelnde primär einen biomedizinischen auf Heilung bzw. Symptomkontrolle orientierten Ansatz haben... Steinhauser et al. 2000; Balboni et al. 2007; Chochinov et al. 2010; Sinclair et al. 2012 Puchalski 2001; Brémault-Phillips et al. 2015

Ebenen spiritueller Bedürfnisse situative Dimension (Bedeutung des gegenwärtigen Zustandes) biografische Dimension (Regelung „letzter Dinge“) religiöse Dimension

situative Dimension Suche nach Sinnhaftigkeit und Bestätigung Erleben von Verbundenheit Suche nach Hoffnung Gemeinschaft sozialer Präsenz AAHPM 2003

moralische Dimension Wunsch nach Frieden und Aussöhnung Vergebung Abschließen „letzter“ Dinge AAHPM 2003

religiöse Dimension Wunsch nach Vergebung durch einen „Schöpfer“ Versöhnung mit einem höheren Wesen Besuch von religiösen Amtsträgern Durchführung von Ritualen/Sakramenten AAHPM 2003

Faktoren, die spirituelles Leiden unterhalten bzw. verstärken können unkontrollierte körperliche Symptome Depression Verlust von Hoffnung (→ worauf?) „Sinnkrise“ Verlust der Rollenfunktion Verlust des Selbstbildes Schuldgefühle Existenzsorgen (eigene, Angehörige) Familienkonflikte Vertrauensverlust in andere tiefliegende Verletzungen (z.B. Zurückweisung, Mißbrauch)

Faktoren, die die Bereitschaft von Patienten fördern spirituelle Probleme zu thematisieren echtes Interesse und Empathie (Kongruenz von verbalen und non-verbalen Signalen) Wissen um spirituelles Leiden kommunikative Fähigkeiten Respekt vor den Einstellungen, auch dem Glauben des Patienten Bereitschaft die Zeit zu investieren, dem Patienten zuzuhören AAHPM 2003

Voraussetzung: → vertrauensvolle Beziehung Spiritualität Ärzte als Teil des Behandlungsteams sind auch für die Linderung spiritueller Bedürfnisse der Patienten zuständig. Voraussetzung: → vertrauensvolle Beziehung Gespräche über Spiritualität bedürfen oft der Initiative der Behandelnden!

Trauer natürliche Reaktion eines Individuums auf einen Verlust (dynamischer Prozess)

Trauer progrediente, lebensbedrohende Erkrankungen gehen oft mit einer Abfolge von Verlusten einher… erfordern von den Betroffenen: Abschiednehmen von nicht mehr Erlebbarem Akzeptanz von nicht mehr Korrigierbarem → Bestandteil antizipatorischer Trauer

Verluste bei einer lebensbegrenzenden Erkrankung Trauer Verluste bei einer lebensbegrenzenden Erkrankung physisch und intellektuell Kurzzeitgedächtnis physische Leistungsfähigkeit sexuelle Funktion Kontrolle über Körperfunktionen sozial Stellung in der Familie Freunde Funktionen im öffentlichen Leben ökonomische Sicherheit emotional und psychologisch Hoffnungen und Träume Selbstbild Freiheit und Intimität spirituell Sinn und Werte Vertrauen

Trauer Im Rahmen palliativmedizinischer Konzepte, gehört auch die Begleitung der Angehörigen nach dem Tode des Patienten, zu den genuinen Aufgaben... Soll aber nicht für die SAPV gelten, wird hier ambulanten Hospizdiensten zugewiesen. MDS 2014

Etablierung von Ritualen: Trauer Etablierung von Ritualen: Anzünden einer Kerze Abschiedsbücher Rituale entsprechend der religiösen oder kulturellen Prägung Sollen die Trauerarbeit der Hinterbliebenen unterstützen.

Aufgaben der Trauerarbeit: Akzeptieren der Realität des Verlustes Wahrnehmung des Schmerzes durch den Verlust Anpassung an das Leben ohne den Verstorbenen Wechsel des Fokus vom Verstorbenen, hin zu Lebenden Reorganisation des eigenen Alltags Worden 1991

Erkennen „komplizierter“ Trauer: chronische Trauer (> 6 Monate) Somatisierung (somatoforme Störung) Aggravierung vorbestehender Probleme, z.B. Alkohol-/Drogenkonsum Zeichen für PTBS/PTSR

„komplizierte“ Trauer ca. ein Drittel aller Betroffenen tendieren zu Formen einer verlängerten Trauerreaktion; Wichtig → differenzieren von manifester Depression! Begriff strittig, besonders die Aufnahme in den ICD 11 Gramm 2017

„komplizierte“ Trauer für professionelle Trauerbegleitung existieren entsprechende Inventarien, mit denen Gefährdung quantifiziert werden kann, z.B. ICG-R Prigerson et al. 2009; Guldin et al. 2011

„komplizierte“ Trauer zur Anamnese einer depressiven Erkrankung: 2-Fragen-Test: „Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt, oder hoffnungslos?“ „Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?“ Horneber et al. 2012

„komplizierte“ Trauer Ist es notwendig Personen mit einer verlängerten bzw. von der Norm abweichenden Trauerreaktion zu identifizieren? „Nicht Trauernde brauchen eine Diagnose, sondern Menschen, die an ihrer Trauer zu zerbrechen drohen.“ Gramm 2017

„komplizierte“ Trauer Personen mit einer solchen Reaktion haben nämlich ein nahezu doppelt so hohes Risiko innerhalb des ersten Jahres nach dem Verlust zu versterben!