Neues vom diabetischen Fuss Barbara Felix KS Bruderholz

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 Präsentation transkript:

Neues vom diabetischen Fuss Barbara Felix KS Bruderholz Alle 30 Sekunden wird in der Welt eine Unterschenkelamputation wegen diabetischem Fussulcus durchgeführt

Bad news: Epidemiologie 5-15% der Diabetiker entwickeln ein Fussulkus (>50 Jahre, Typ 2 Diabetes) 13fach erhöhtes Rezidivrisiko bei bereits durchgemachtem Ulkus 6-20% der Hospitalisationen von Diabetikern auf Grund von Fussulzera 59% längere Spitalaufenthaltsdauer bei Diabetespatienten mit Ulkus, durchschnittlich: - 28 Tage ohne Osteomyelitis - 36 Tage mit Osteomyelitis - mittlere Heilungsdauer 90d Pecoraro R.E., 1990, Larson J., 1994, Sanders L.J., 1994, Palumbo J.P., 1985, Litzelmann D.K., 1997, Reiber G.E., 1995, Health Care Financing Review, 1996

Bad news:Amputationen Bis 77% aller nicht-traumatischen Amputationen erfolgen bei Diabetikern 85% der Amputationen als Folge eines nicht-heilenden Fussulkus Bei 30-50% erneute Amputation innerhalb von 1-3 Jahren 50% Todesrate nach erstmaliger Unterschenkel-Amputation innerhalb von 5 Jahren 50% weniger Unterschenkel-Amputationen durch Reduktion der Risikofaktoren 3fach erhöhtes Amputationsrisiko bei fehlender Fusspflege- Schulung Reiber G.E., 1995, Levin M.E., 1987, Gavin L.A., 1993, Reiber G.E., 1992, Gavin L.A., 1993, National Diabetes Advisory Board, 1983

Bad news: Amputationen Inzidenz diabetesbezogener Amputationen 0.5-7/1000 Diabetiker/ Jahr in den Industriestaaten 100 000/a in USA, 1000/a in der Schweiz 50% davon Majoramputationen (oberhalb des Sprunggelenks) nur wenig (+/- 3%) Verbesserung in den letzten 15 Jahren trotz Fortschritten in der Wundversorgung und Gefässchirurgie mittlere Überlebenszeit nach Amputation bei 70 jährigen Patienten 27 Monate bei Diabetikern 47 Monate bei Nicht-Diabetikern

Soziale und ökonomische Faktoren DFS teuerste Folgekomplikation des Diabetes Primärheilung ohne Amputation 7000-10000 USD Kosten über 2 Jahre incl. Spital, Spitex, Ambulanz 25 000 USD pro Patient (ohne Amputation, 1990) 65 000 USD pro Patient (mit Amputation, 1990) Kosten neuropathischer Fussulcera in den USA 10,7 Milliarden USD (2001) 27% der direkten Diabeteskosten 9% der Gesamtausgaben des amerikanischen Gesundheitssystems Über 30% aller Fussulcera heilen nie ab, 30% nur nach chirurgischer Intervention

Warum heilt diese Wunde nicht? "Die sieht doch nicht schlimm aus..!"

Durchblutung Debridement Druckentlastung Des-Infektion

Pathogenese des diabetischen Fusses Diabetes mellitus Trauma/Ulkus Amputation Neuropathie Infektion PAVK Osteoarthropathie Ischämie PAVK = Periphere arterielle Verschlusskrankheit

Besonderheiten der diabetischen PAVK vorzeitige und rasch verlaufende Gefässerkrankung ABI als erste diagnostische Massnahme und Screening Untersuchung aber cave: In ca. 20% Vorliegen einer Mediasklerose (falsche Druckmessung) DFS in etwa 50% mit PAVK kombiniert Mikroangiopathie: sowohl morphologisch als auch funktionell durch Sympathikusausfall ( macht keine Ulcera!!) Frauen gleich häufig betroffen wie Männer Unterschenkelgefässe weit häufiger betroffen A. profunda femoris oft beteiligt

PAVK Invasive Therapie operative Revaskularisation senkt Zahl der Major Amputationen Resultate bei Dm und Nicht Dm vergleichbar PTA und OP Resultate vergleichbar vor jeder Amputation mögliche Gefässchirurgie abklären keine Evidenz für durchblutungsfördernde Mittel mögliche günstige Begleiteffekte durch ASS, Dalteparin, Fibrate, Statine wenig Evidenz für Hyperbare Sauerstofftherapie

Debridement Give diabetes an inch and it will take a foot rasche Behandlung, engmaschige Kontrolle Debridement, Debridement, Debridement * chronische Entzündungsreaktion mit Veränderung des Wundmilieus (Metalloproteinasen) und Bildung von Biofilm Stagnation der Wundheilung *(cave: trockene ischämische Gangrän!)

Debridement und Wundauflagen stadiengerechte Wundtherapie Exsudatmenge Infektzeichen Wundheilungsstadium Kosten und Evidenz Vac Therapie (lokaler negativer Druck): Studien vorhanden wenig Evidenz für lokale Wachstumsfaktoren (VEGF und PDGF) oder Apligraf ect.

Silikon≈ Mepilex Aquacel Hydrofaser Iodine ≈ Betadine Fettgaze

Zusammenfassung Ulcusheilung von der Grösse abhängig (36 vs 48% Heilung in 24 Wochen) Rezidivrate von 10% in drei Monaten Behandlungskosten unterschieden sich nur bezüglich des Verbandsmaterials aber nicht bezüglich Pflegeaufwand keine Unterschiede bezüglich Lebensqualität weniger Schmerzen bei den Silikon Kompressen bei Verbandswechsel aber generell kein Unterschied in den Ulcusschmerzen Handhabung des Verbandswechsels durch Laien (Patient und Angehörige) gleich aufwändig resp. einfach Health Technology Assessment 2009; Vol 13: No 54

Druckentlastung It is not what you put on but what you take off that makes the difference!

Druckentlastung chronischer Wunden Das Gehen einschränken Gehstock, Rollstuhl Schuhwerk für kurzfristige Benützung: (gross genug, damit der Verband darin Platz hat) Spezialtechniken - Weicher Gips (Total Contact Cast TCC) - “Half-shoe”: Abrollstütze zur Entlastung des Vorderfusses - Vakuped Schuh

Lokale Entlastung durch Orthesen

Infektion ? Lokale Ausbreitung? - Eiter? Hautinfektionen? - Befall tiefer liegender Strukturen? (Sehne, Gelenkkapsel, offenes Gelenk, Knochenkontakt) -"Wurstzehen" - schaumiges Wundsekret Osteomyelitis (mit oder ohne Befall der Weichteile)? - Knochenkontakt? - Röntgen: kortikale Erosionen? Sequester? - Knochenszintigrafie, MRI? Systemische Infektzeichen Rajbhandari et al. „'Sausage toe': a reliable sign of underlying osteomyelitis." Diabet Med 2000;17: 74-7 Achtung: Anzeichen bei Diabetikern häufig abgeschwächt

Osteomyelitisdiagnose Sensitivität Spezifität Probe to bone oder Knochen sichtbar 0.60 0.91 Röntgen 0.54 0.68 MRI 0.90 0.79 Knochen- Szintigraphie 0.81 0.28 Lc-Szintigraphie 0.74 CID 2008, 47:519

Bakteriologie "Das kann ja Eiter werden…" Wundabstrich: immer polymikrobiell: nicht diagnostisch, Konkordanz mit Knochenbiopsie: 22.5% (CID 2006; 42:57) Biopsie oder Curettage aus gereinigter Wunde Abszesspunktion Knochenbiopsie Rascher Transport ins Labor, eindeutig Lokalisation angeben! Staphylococcus aureus Enterobacteriaceae, Pseudomonas: nach Vorbehandlung Anaerobier: Gangrän, Ischämie

Der „akute Charcot-Fuss“ DNOP DD Osteomyelitis Keine Entzündungszeichen, Knochenödem im MRI

Behandlungserfolge Schweden (Apelqvist J. Diab Res Clin Pract 1992; J Diabetes Compll 1992) prospektive Multizenterstudie: 314 Patienten, Multidiszipl. Team Primärheilung in 62%, Amputationen in 25%, 13% verstorben vor Ulcusabheilung England (Jeffcoate WJ Diabetes Care 2006; Pound N Diab Medicine 2005) prospektive Multizenterstudie 449 Patienten 66% initiale Abheilung nach 12 Monaten nach 12 Monaten waren jedoch nur 202 Patienten (45%) ohne Ulcus und ohne Amputation und noch am Leben (17% Mortalität) hohe Ulcusrezidiv und Mortalitätsraten auch im neuen Jahrtausend

Mangelhafte Evidenz „Further research is urgently needed, and until more data are available from robust trials, there is limited justification for didactic recommendations of any particular treatment strategy.“ Berendt et al Diab Meta Res Rev 2008,24:S145-161

Good news: Interdisziplinäres Management Reduktion des Amputationsrisikos um 2.5%/Jahr durch Interdisziplinäre Abteilung interdisziplinäre Op-Planung und postoperative Betreuung Individuell angepasste Wundpflege Zuweisungssprechstunde Schulungen für Hausärzte und für Pflegende intern und extern Rasche, fachgerechte Schuhversorgung Diabetes Care 2007;30:2633

Nicht aufgeben ! Success is going from failure to failure without losing enthusiasm