Kartellschadensersatz – Aktueller Stand des Richtlinienvorschlags

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Zivilrechtliche Sanktionen der Verletzung geistigen Eigentums
Advertisements

Vorlesung am 21. Juni 2010 an der Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Schadensersatzklagen gegen Kartellmitglieder MinR Dr. Armin Jungbluth.
Präsentation zum Europäischen Parlament
EU Kommission.
Gesetzgebung.
Von der Verfassung zum Reformvertrag (Vertrag von Lissabon)
Standardkurs: Der europäische Integrationsprozess
Sitzung der Arbeitsgruppe EFRE 20
Wettbewerbspolitik in der EU
Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz 14. November 2006 Ulrich Kaiser: Vorstellung des Entwurfs Zeitplanung und Arbeitsprogramm.
Haftungsfragen bei Debit - Kartenzahlungsvorgängen
Geplant zum : Das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften.
Grenzausgleich bei Ressourcensteuern: Europarechtliche Aspekte
Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010
Sozialgerichtsbarkeit
Die neue europäische Datenschutzverordnung
Institutionen der EU Maximilian Lechner und Stefanie Oberkofler.
Überlegungen zu Rom-II aus der Sicht des schweizerischen
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 2013 Az
Ein offizielles Organ der EU
ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer
Energieeffizienz-Richtlinie
UNIV.-KLINIK FÜR BLUTGRUPPENSEROLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, GRAZ UNIV.-KLINIK FÜR BLUTGRUPPENSEROLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, GRAZ RICHTLINIE 2002/98/EG.
Europarecht Materielles Recht
Die EU-Gesetzgebung der Umwelthaftungsrichtlinie
RA Dr. Andreas Weitbrecht, LL. M
RA Dr. Andreas Weitbrecht - Deutsches und Europäisches Kartellrecht - Universität Trier, SS Sanktionen und Verfahren Sanktionen Verwaltungsrecht.
Kartellschadensersatz: Aktueller Stand des Richtlinienvorschlags
Wie entsteht eine Richtlinie?
D i e P a r t e i d e s M i t t e l s t a n d s. Wie leitet man eine Versammlung? Seminar vom 2. Februar 2006 Kantonsrat Claudio Zanetti, Sekretär der.

Pflichtübung aus Europarecht 16. April 2014
Pflichtübung aus Europarecht 26. März 2014
Pflichtübung aus Europarecht 2. April 2014 Dr. Marie-Therese Richter, BA LL.M.
Pflichtübung aus Europarecht 10. Jänner 2014
2. FALL Mag. Marie-Therese Richter. 2 Sachverhalt EU 200 Mio Euro.
ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER JUSTIZIELLEN ZUSAMMENARBEIT IN ZIVILSACHEN: VOM REELEN ZUM DIGITALEN RAUM DER FREIHEIT, SICHERHEIT UND JUSTIZ FÜR DIE BÜRGER.
RA Dr. Andreas Weitbrecht, LL. M
Beiratssitzung ear, 10. November Aktueller Stand WEEE-Recast -
法學德文名著選讀(一) Lektion 4 范文清 / 蕭雯娟.
Transnationale Kooperation bei grenzüberschreitenden UVP-Verfahren: Bedeutung, Chancen, zukünftige Herausforderungen und absehbare Trends Iris Valković.
2. Teil: Europäisches Kartellrecht C Kartellverfahrensrecht § 11 Wesentliche Regelungen des Kartellverfahrensrechts der VO 1/2003 im Überblick I. Die Zuständigkeit.
4. Sitzung Dr. Petra Bendel
1. Teil: Allgemeine Fragen
§ 10 VO 1/2003 als Grundlage des EU-Kartellverfahrensrechts 2. Teil: Europäisches Kartellrecht C Kartellverfahrensrecht I. Die VO 1/2003 als neues Kartellverfahrensrecht.
Art. 81 und 82 EG: Sanktionen, Verfahren, Rechtsmittel - Überblick -
Das politische System der EU Ingeborg Tömmel ISBN:
RA Dr. Andreas Weitbrecht, LL.M. - Kartellrecht - Universität Trier, WS 2009/ _1.ppt 5. Sanktionen und Verfahren SanktionenVerwaltungsrecht Ordnungswidrigkeitenrecht.
Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie für die Leistungen der Daseinsvorsorge Ökobüro; 20. Mai Mag. Martin Pospischill.
RA Dr. Andreas Weitbrecht - Deutsches und Europäisches Kartellrecht - Universität Trier, SS 2008 Aufbauschema Prüfung Art. 81 EG Verstößt der Vertrag/das.
Internationales Kartellrecht - Überblick
Pflichtübung aus Europarecht 17. Dezember 2014 Dr. Marie-Therese Richter, BA LL.M.
2. Teil: Europäisches Kartellrecht
§ 6 Zivilrechtliche Rechtsfolgen eines Verstoßes
Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG
Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz
Pflichtübung aus Europarecht 13. Mai 2015
1 Europäische Initiativen und Instrumente zur Reorganisation öffentlicher Dienstleistungen Klaus Dräger Öffentliche Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck.
Dr. Rolf Marschner Fachgespräch Berlin
Europäische Union & Vertrag von Lissabon
Versicherungsaufsichtsgesetz 2016
1 Symposium Der K(r)ampf um das Recht in der Schule
1 Stand und Perspektiven der Diskussion in Deutschland Dr. phil. Alfred Simon Akademie für Ethik in der Medizin e.V., Göttingen.
Umweltinspektion Dr. Barbara Reiter-Tlapek. Entwicklungen auf EU Ebene 1997 Entschließungen des Europäischen Parlamentes bzw. des Rates 2001Empfehlung.
PROBLEME MIT DER ZEIT QUALITÄTSZIRKEL. ERSTE RÜCKMELDUNGEN ZUM THEMA KLAUSURTAGE Problemfaktor Zeit Positives Feedback Bisher sind uns noch keine Probleme.
MEDIA Ersatzmassnahmen 2014 Mesures compensatoires MEDIA 2014 Information an die Produzenten Information aux producteurs ( heures)
Das Arbeits- und Sozialrecht der Europäischen Union.
Sonja Rothärmel Welche Person entscheidet ? Verfügung oder Vollmacht als Instrument der Wahl Sonja Rothärmel Universität Giessen.
2. Teil: Europäisches Kartellrecht
2. Teil: Europäisches Kartellrecht
 Präsentation transkript:

Kartellschadensersatz – Aktueller Stand des Richtlinienvorschlags Forum Unternehmensrecht am 30. Januar 2014 in Düsseldorf MinRat Dr. Armin Jungbluth Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Berlin

Gliederungsübersicht Verlauf der Verhandlungen im Rat Wahl der Rechtsgrundlage Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Offenlegung von Beweismitteln, Art. 5-7 Bindungswirkung kartellbehördlicher Entscheidungen, Art. 9 Gesamtschuldnerische Haftung der Kartellanten, Art. 11 Weiterreichung des Schadens, Art. 12, 13 Schadensvermutung, Art. 16 Trilogverhandlungen: Kommt da noch was?

1. Verlauf der Verhandlungen im Rat Europäische Kommission hat ihren Richtlinienvorschlag am 11. Juni 2013 vorgestellt Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe von Juli bis November Ambitionierter Zeitplan der litauischen Ratspräsidentschaft Diskussion um zahlreiche Detailregelungen Schulterschlüsse unter den Mitgliedstaaten schwierig aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen der Regelungsvorschläge auf das jeweilige nationale Zivil- und Zivilprozessrecht. Ausschuss der Ständigen Vertreter am 26. November 2013 Wettbewerbsfähigkeitsrat am 2. Dezember 2013

2. Wahl der Rechtsgrundlage Europäische Kommission hat ihren Richtlinienvorschlag auf Art. 103 und Art. 114 AEUV gestützt Art. 103: Wettbewerbsrecht „vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments“ Art. 114: Binnenmarkt „gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses“ Entscheidendes Novum im Wettbewerbsrecht, denn Art. 114 spricht dem Europäischen Parlament nicht nur ein Anhörungs-, sondern ein Mitentscheidungsrecht zu

2. Wahl der Rechtsgrundlage Argument für doppelte Rechtsgrundlage: Richtlinie verfolgt zwei gleich-wertige Ziele Argument gegen doppelte Rechtsgrundlage: Überwiegend Wettbewerbs-recht, Verwirklichung des Binnenmarktes nur sekundäres Ziel Unterschiedliche Auffassungen in den Mitgliedstaaten Frage lässt sich anhand der EuGH-Rechtsprechung nicht eindeutig beantworten Rat hat Allgemeiner Ausrichtung gestützt auf doppelte Rechtsgrundlage zugestimmt Europäisches Parlament damit voll beteiligt, Trilogverhandlungen

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Offenlegung von Beweismitteln, Art. 5-7 Neuordnung von Art. 5 und Art. 6 durch Trennung Offenlegung von Beweismitteln (Art. 5) Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind (Art. 6) Kernpunkt: Graue und schwarze Liste in Art. 6 Abs. 4 und 5 Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen dürfen zu keinem Zeitpunkt offengelegt werden Informationen, die eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren von Parteien oder Wettbewerbsbehörde erstellt wurden, dürfen erst nach Abschluss des behördlichen Verfahrens offengelegt werden.

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Frage: Absolutes Verbot der Offenlegung ohne Einzelfallabwägung europarechtlich zulässig? Vgl. EuGH „Donauchemie“ (6. Juni 2013, C-536/11) Beschränkung für die Verwendung von allein durch Einsicht in die Akten einer Wettbewerbsbehörde erlangten Beweis-mitteln (Art. 7) Ein Beweisverwertungsverbot kommt nur in Betracht, wenn höher-rangige Rechtsgüter dies gebieten. Um zu interessengerechten Ent-scheidungen zu gelangen, müssen die Gerichte die Möglichkeit haben, in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung unter Beachtung aller konkreten Umstände vornehmen zu können.

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Art. 9 – Bindungswirkung kartellbehördlicher Entscheidungen Weitreichender KOM-Vorschlag: Bindung der Gerichte an kartellbehördliche Entscheidung auch aus einem anderen Mitgliedstaat Nationales Recht sieht dies bereits vor, vgl. § 33 Abs. 4 S. 1 GWB

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Bindungswirkung zentraler Punkt: Kernpunkt für viele andere Mitgliedstaaten, die verfassungsrechtliche Schwierigkeiten vortragen Ergebnis im Rat: Bindungswirkung nur an Entscheidung der jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörden, keine Bindung an die Entscheidung einer Behörde aus einem anderen Mitgliedstaat

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Art. 11 – Gesamtschuldnerische Haftung der Kartellanten: KOM-Vorschlag: Doppelte Besserstellung des Kronzeugen Abs. 2: Im Außenverhältnis müssen sich andere Abnehmer / Lieferanten als diejenigen des Kronzeugen zunächst an ihre eigenen Lieferanten / Abnehmer halten Abs. 3: Im Innenverhältnis ist die Haftung des Kronzeugen auf den Schaden bei seinen eigenen Abnehmern / Lieferanten beschränkt Rat: Eingriff in die gesamtschuldnerische Haftung kritisch Abs. 3 gestrichen Abs. 2 beibehalten als Ausgleich des Nachteils, der dem Kronzeugen dadurch entstehen könnte, dass er regelmäßig als erstes in Anspruch genommen wird Rückwirkungen auf nationale Kronzeugenprogramme? Wesentliche Kritik an der Neuregelung im Rahmen der Anhörungen war insbesondere die Beibehaltung der Marktbeherrschungsvermutungen. Dieser Schritt sei bei gleichzeitiger Einführung des SIEC-Tests nicht überzeugend. Dieser Kritik ist entgegenzuhalten: Vermutungen haben nach wie vor, insbesondere im Oligopolbereich, eine große Bedeutung für die kartellrechtliche Praxis. Die Vermutungsfiktion bei Oligopolen war ausdrücklicher Wille des historischen Gesetzgebers bei der Einführung des Vermutungstatbestands. Beibehaltung der Vermutungsregeln flankiert die Absicht des Gesetzgebers, die private Kartellrechtsdurchsetzung weiter zu stärken.

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Art. 12, Art. 13 - Schadensabwälzung Beweislastverteilung in Art. 12: Klagt der direkte Abnehmer, trägt der Kartellant die Beweislast dafür, dass der Preisaufschlag weitergereicht wurde Beweiserleichterung in Art. 13: Klagt der indirekte Abnehmer, wird die Weiterreichung des Preisaufschlags vermutet Im Ergebnis „doppelte Beweislast“ beim Kartellanten Kein Raum für richterliche Einzelfallentscheidung abweichend von Art. 12 Abs. 1 S. 2.

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Art. 16 Abs. 2 – Vermutung eines Schadens „in the case of a cartel infringement, harm is presumed to have occurred“ Widerlegbare „Vermutung, dass ein Schaden entstanden ist“ Allgemeiner Erfahrungssatz nach dem Vorbild des Berliner Kammergerichts? „Berliner Transportbeton“, 2 U 10/03 Kart, Rn. 38: „Im Wege des Anscheinsbeweises ist davon auszugehen, dass sich das Quotenkartell auch im Verhältnis zwischen den Parteien preissteigernd auswirkte“

3. Kernpunkte des Richtlinienvorschlags Regel lässt sich nicht unter die Voraussetzungen zur Geltendmachung von Schadensersatz einordnen „Kein Schadensersatz ohne Schaden“ Gefahr des Strafschadensersatzes Gefahr der Fehlinterpretation Hilfreich für den Geschädigten wäre stattdessen eine Kausalitätsvermutung

4. Trilogverhandlungen: Kommt da noch was? Verbindliche Vorgaben zu Sammelklagen? Empfehlung der KOM vom 11. Juni 2013 „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadens-ersatzverfahren“, 2013/396/EU Richtlinienvorschlag der KOM enthält keine Vorgaben zu sektorspezifischen Instrumenten Beratungen im Rat auf Grundlage des KOM-Entwurfs: Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes nicht thematisiert Kommt da noch was in den Trilogverhandlungen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit