Simulating dynamical features of escape panic

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 Präsentation transkript:

Simulating dynamical features of escape panic Vortrag im Seminar „Simulation“ Themenbereich „Mass behaviour“ Michael Reitz

Einleitung Eine der verhängnisvollsten Arten kollektiven menschlichen Verhaltens ist panische Flucht. Auslöser sind: lebensbedrohliche Situationen (z.B. Feuer in einem überfüllten Gebäude) Ansturm auf die "besten Plätze" manchmal (scheinbar) nicht erkennbar

Einleitung Charakteristische Eigenschaften von Flucht-Panik: Personen bewegen sich deutlich schneller als gewöhnlich es kommt zu körperlicher Interaktion (z.B. Drängeln) innerhalb der Personenmenge die Bewegung wird unkoordiniert, insbesondere beim Durchqueren von Engpässen an Ausgängen kommt es zu Blockierungen, wodurch sich Stau bildet

Einleitung Charakteristische Eigenschaften von Flucht-Panik: die körperlichen Interaktionen innerhalb der aufgestauten Personenmenge addieren sich zu gefährlich hohen Kräften, die Stahl verbiegen und Wände eindrücken können hingefallene oder verletzte Personen verringern weiter die Fluchtgeschwindigkeit Personen tendieren zu Massenverhalten alternative Ausgänge werden oft übersehen oder nicht effizient genutzt

Einleitung obwohl Ingenieure versuchen die Ausmaße solcher Katastrophen zu vermindern, scheint deren Häufigkeit mit der steigenden Anzahl von Großveranstaltungen zuzunehmen die Simulation versucht mit einem Multiagenten-System die Mechanismen von und die Voraussetzungen für Panik zu untersuchen

Überblick (1) Simulations-Modell Verlassen eines Raumes ohne Panik in Panik Panische Flucht (stampede) ... mit einer Säule vor dem Ausgang ... mit Verringerung des Raumes durch eine Feuerfront

Überblick (2) Gerader Korridor vs. Korridor mit Aufweitung Individualismus vs. Herdenverhalten Ergebnisse

Simulationsmodell das Simulationsmodell basiert auf einem allgemeinen Kräfte-Modell Ansatz dieser ist gut geeignet den durch Drängeln verursachten Druck zu beschreiben es wird angenommen, dass eine Mischung aus sozio-psychologischen und physikalischen Kräften das Fluchtverhalten in einer Menge beeinflussen

Simulationsmodell jede Person i (mit einer Masse ) versucht mit einer angestrebten Fluchtgeschwindigkeit ( ) sich in eine bestimmte Richtung ( ) zu bewegen, und passt dabei ihre aktuelle Geschwindigkeit ( ) innerhalb einer charakteristischen Zeit ( ) an gleichzeitig versucht sie einen von der Geschwindigkeit abhängigen Abstand von anderen Personen (j) und Wänden (W) einzuhalten (modelliert durch Interaktions-kräfte , )

Simulationsmodell Beschleunigungsgleichung: Positionsänderung ( ) ergibt sich aus der Geschwindigkeit: abstoßende Interaktionskräfte:

Simulationsmodell abstoßende Interaktionskräfte:

Simulationsmodell (Spezifikation der Parameter) (durchschnittliche Masse eines Fußballfans) die angestrebte Fluchtgeschwindigkeit kann 5 m/s übersteigen, aber die beobachteten Geschwindigkeiten sind: (entspannte Situation) (normale Situation) (angespannte Situation)

Simulationsmodell (Spezifikation der Parameter) (geschätzte Beschleunigungszeit) und reproduzieren den beobachteten Abstand zwischen Personen und die gemessene Durch-querungsrate durch Engpässe (genauer: 0,73 Personen/s durch eine 1 m breite Tür bei ) und reproduzieren Blockierungseffekte

Verlassen eines Raumes (Szenario) 200 Personen in einem 15 x 15 m großen Raum mit einem 1 m breiten Ausgang die Personen werden durch Kreise abstrahiert, deren Durchmesser gleichverteilt zwischen 0,5 m und 0,7 m liegt

Verlassen eines Raumes (ohne Panik) normale Bewegungsgeschwindigkeit: v0 = 1 m/s Personen strömen regelmäßig und effizient aus dem Raum heraus (aufgrund guter Koordination beim Verlassen)

Verlassen eines Raumes (in Panik) hohe Bewegungsgeschwindigkeit: v0 = 5 m/s Personen strömen unregelmäßig und nicht effizient aus dem Raum heraus (durch Blockierungen am Engpass)

Verlassen eines Raumes (in Panik) Beobachtungen aus der Simulation: falls die flüchtenden Personen versuchen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 1,5 m/s den Raum zu verlassen kommt es zu bogenförmigen Blockierungen vor dem Ausgang die unregelmäßig aufbrechen und zu lawinenartigem Verlassen des Raumes führen Übergang zu unkoordiniertem Verlassen des Raumes verursacht Blockierungen

Verlassen eines Raumes (in Panik) ab einer angestrebten Fluchtgeschwindig-keit von ca. 5 m/s Personen erleiden Verletzungen und werden zu unbeweglichen Hindernissen der "schneller ist langsamer"-Effekt wird offensichtlich: lange Wartezeiten erhöhen die angestrebte Flucht-geschwindigkeit, wodurch die Fluchteffizienz sinkt dadurch werden die Wartezeiten noch länger, ... es entsteht eine tragische Feedback-Schleife

Verlassen eines Raumes (in Panik) Quelle: Dirk Helbing, I. Farkas, and T. Vicsek (2000): Simulating dynamical features of escape panic. In Nature, 407, 487-490 (2000).

Verlassen eines Raumes (Panische Flucht / stampede) zusätzlich zur Paniksituation kommt es zu Verletzungen, durch die Personen zu Hindernissen werden (oliv markiert) das Verlassen des Raumes wird dadurch weiter erschwert

Verlassen eines Raumes (eine Säule vor dem Ausgang) eine asymmetrisch platzierte Säule vor dem Ausgang kann Verletzungen vermeiden und die Fluchteffizienz erhöhen

Verlassen eines Raumes (Effizienz-Vergleich) Typ der Simulation geflüchtet* (bis t=45 Sek.) verletzt* (bis t=45 Sek.) Panik (ohne Säule, mögliche Verletzungen werden ignoriert) 65 - Panische Flucht (ohne Säule, Verletzungen führen zu Hindernissen) 44 5 Säule (mit Säule, Verletzungen führen zu Hindernissen) 72 *) von jeweils 200 Personen

Verlassen eines Raumes (Verringerung des Raumes durch Feuerfront) normale Bewegungsgeschwindigkeit: v0 = 1 m/s Feuerfront breitet sich geradlinig von links nach rechts aus Opfer des Feuers sind verletzt und bewegen sich nicht mehr

Verlassen eines Raumes (Verringerung des Raumes durch Feuerfront) die Feuerfront ist analog zum psychologischen Abstoßungs-effekt von Wänden modelliert, aber mit zehnfacher Wirkung die Personen drängeln stärker Richtung Ausgang bei Annäherung der Feuerfront dadurch wird die Flucht zunehmend unkoordiniert und stockend Quelle: Dirk Helbing, I. Farkas, and T. Vicsek (2000): Simulating dynamical features of escape panic. In Nature, 407, 487-490 (2000).

Gerader Korridor der Korridor ist 3 m breit und 15 m lang von links strömen 15 Personen s-1 m-1 nach rechts hohe Bewegungsgeschwindigkeit: v0 = 4 ± 0,5 m/s wenn sich alle Personen in die gleiche Richtung bewegen, strömen sie regelmäßig und effizient durch den Korridor

Korridor mit Aufweitung der Korridor weitet sich in der Mitte mit einer Wandlänge von 2 x 3 m = 6 m auf die Personen strömen im Bereich der Aufweitung auseinander, und der Übergang in den rechten Gang wird zum Engpass

Gerader Korridor vs. Korridor mit Aufweitung der Winkel f gibt den Grad der Aufweitung an (als Abweichung vom geraden Korridor: f = 0) E gibt das Verhältnis von Durch-schnittsgeschwindigkeit zu an-gestrebter Geschwindigkeit an (grüne Linie, Wertebereich 0 bis 1) die gestrichelte Linie zeigt die Effizienz im Bereich der Aufweitung ein enger Korridor, Geschwindig-keitsunterschiede zwischen den Personen, und eine höhere Personendichte im Korridor vermindern die Effizienz zusätzlich Quelle: Dirk Helbing, I. Farkas, and T. Vicsek (2000): Simulating dynamical features of escape panic. In Nature, 407, 487-490 (2000).

Individualismus vs. Herdenverhalten (Szenario) die Personen suchen einen Ausgang (1,5 m breit), den sie in einem mit Rauch gefüllten Raum (15 x 15 m) nicht sehen können Wände und Ausgänge werden aus einem Abstand von 2 m erkannt Personen interagieren miteinander in einem Umkreis von 5 m angestrebte Fluchtgeschwindigkeit: v0 = 5 m/s

Individualismus vs. Herdenverhalten (Modell) jede Person i folgt: entweder einer individuellen Richtung oder der durchschnittlichen Richtung ihrer Nachbarn in einem Radius Ri beide Alternativen werden durch den Parameter gewichtet (Annahme): wobei Vektor z normalisiert Individualismus (niedriges ) vs. Herdenverhalten (hohes )

Individualismus bei reinem Individualismus (unrealistisch!) finden die Personen die Ausgänge nur zufällig

Herdenverhalten bei starker Tendenz zu Herdenverhalten folgen die meisten Personen der Masse, die sich möglicherweise in die falsche Richtung bewegt

Gemischtes Verhalten bei gemischtem Verhalten bilden sich kleine Gruppen wenn Einzelpersonen (zufällig) einen Weg zum Ausgang finden, folgen ihnen eine angemessene Anzahl Personen

Individualismus vs. Herdenverhalten (Effizienz-Vergleich) Typ des Verhaltens geflüchtet (bis t=20 Sek.) Individualismus (p=0,01) 66 Gemischtes Ver-halten (p=0,4) 71 Herdenverhalten (p=0,8) 16

Individualismus vs. Herdenverhalten (Effizienz-Vergleich) beste Fluchtstrategie (in der Simulation mit p = 0,4): Kompromiss zwischen Individualismus und Herdenverhalten das Ergebnis passt zu experimentellen Daten über die Effizienz der Problemlösung in Gruppen (Gruppen leisten mehr als Individuen, sind aber schlechter im Erarbeiten neuer Lösungen für komplexe Probleme)

Individualismus vs. Herdenverhalten (effiziente Nutzung der Ausgänge?) mit zunehmender Panik tendieren die flüchtenden Personen dazu nur einen der beiden Ausgänge zu nutzen (Stau-Gefahr!) und den anderen fast zu ignorieren (Ursache: zunehmendes Herdenverhalten) Quelle: Dirk Helbing, I. Farkas, and T. Vicsek (2000): Simulating dynamical features of escape panic. In Nature, 407, 487-490 (2000).

Ergebnisse die Simulation von Fluchtverhalten durch ein Multiagentensystem liefert realistischere Ergebnisse als Modelle, bei denen die Personen als Flüssigkeitsstrom durch Röhren modelliert werden (ein Tropfen hat keine Angst, kann nicht hinfallen, und kann keine Entscheidungen treffen) das Simulationsmodell hat einen relativ einfachen Ansatz, und bleibt stabil bei Parameter-Abweichungen (laut Helbing et al.)

Ergebnisse das Modell ist geeignet um Rück-schlüsse auf die grundlegenden Mechanismen von Panik-Effekten zu ziehen: "schneller ist langsamer"-Effekt starke Reibungseffekte durch Drängeln Herdenverhalten

Quellen + Links Dirk Helbing, Illes J. Farkas, Tamas Vicsek: Simulating dynamical features of escape panic. Nature 407, 487-490 (2000). Homepage von Prof. Dr. rer. nat. Dirk Helbing: http://www.helbing.org Homepage zum Artikel mit Java Applets zum Demonstrieren der Simulationsabläufe: http://angel.elte.hu/~panic/