UN-BRK und ÖGDG NRW – Sind wir bereit für Inklusion?

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 Präsentation transkript:

UN-BRK und ÖGDG NRW – Sind wir bereit für Inklusion? Dr. Matthias Albers Gesundheitsamt Kreis Mettmann, Sozialpsychiatrischer Dienst

Selbstcheck – Können Sie die folgenden Begriffe definieren? Diversity Inklusion Assistenz Universelles Design Barrierefreiheit Soziales Modell der Behinderung Disability Mainstreaming

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 1993: Bericht zu den Menschenrechten behinderter Menschen 2000: Resolution der Menschenrechtskommission 2001: Resolution der UN-Generalversammlung. Einsetzung eines „Ad Hoc Ausschuss“ 2006: UN-Generalversammlung verabschiedet einstimmig „Convention“ und Fakultativprotokoll. 2007: von Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Deutschland unter Erstunterzeichnern. 2008: Gesetz zur Ratifikation von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. 26. März 2009: Behindertenrechtskonvention tritt für Deutschland in Kraft

Die wichtigsten Ziele der UN-Konvention Inklusion (Teilhabe) aller behinderten Menschen am gesellschaftlichen Leben in allen Lebensbereichen. Volle Bürgerrechte für alle behinderten Menschen. Abkehr vom Prinzip der Fürsorge (Schutz vor Nachteilen, jedoch Objekt staatlichen Handelns). Abkehr von defizitorientierten Menschenbild, das behinderte Menschen nicht an ihren Fähigkeiten, sondern an ihren Unfähigkeiten misst.

Die wichtigsten Ziele der UN-Konvention (2) Unabhängige (selbstbestimmte) Lebensführung in allen Lebensbereichen. Assistierte Selbstbestimmung für die behinderten Menschen, die Schutz und Beistand benötigen. Deinstitutionalisierung als Vorgabe für die Gestaltung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen. Aktive Einbindung in das Leben der Gemeinde als Ziel der sozialen Veränderungsprozesse, die mit der Behindertenrechtskonvention angestrebt werden.

Artikel 1 - Zweck Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Artikel 1 Definition Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

Art. 4 (Allgemeine Verpflichtungen) Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und allen Programmen berücksichtigen Für „universelles Design“ einsetzen Aktive Einbeziehung der Behindertenorganisationen in Entwicklung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten: „Nichts über uns ohne uns“

Art. 9 (Zugänglichkeit = Barrierefreiheit) verpflichtet die Vertragsstaaten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Barrierefreiheit herzustellen und Gebäude, Straßen, Transportmittel, Schulen, Wohnhäuser, medizinische Einrichtungen und Arbeitsstätten, aber auch Informations- und Kommunikationsdienste usw. entsprechend zu gestalten

Art. 12 (Gleiche Anerkennung vor dem Recht) Jeder Mensch ist unabhängig von Art und Schweregrad seiner Behinderung in allen Lebensbereichen rechts- und handlungsfähig. Inkompatibel mit § 104, 105 BGB (Geschäftsunfähigkeit) und Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB ? Inkompatibel mit § 20, 21 StGB („Schuldunfähigkeit“)? Verknüpfung von Betreuungsrecht und Sozialrecht ?

Art. 14 (Freiheit und Sicherheit der Person) Selbstgefährdung beruht häufig gerade auf der Behinderung eines Menschen. Ihr soll deshalb nach Art. 14 nicht mit einer Freiheitsentziehung begegnet werden, sondern mit einer angemessenen gemeindenahen Behandlung außerhalb von geschlossenen Einrichtungen. Dabei ist Art. 19 zu beachten, der vorsieht, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.

Art. 19 Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft (inklusives Gemeinwesen) Gleichberechtigte Möglichkeit, Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben Zugang zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen einschl. Persönlicher Assistenz Einrichtungen für die Allgemeinheit sollen Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Inkompatibel mit Kostenvorbehalt in der EGH § 53 ff SGB XII? Elternassistenz und begleitete Elternschaft ?

Art. 24 (Bildung) Kinder mit Behinderungen dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden entwicklungsoffene Lernfelder schaffen, d. h. Lehrpläne nicht altersbezogen erstellen „Pädagogik für alle“ - inklusives Menschenbild Den Begriff „sonderpädagogischer Förderbedarf“ abschaffen, statt dessen „Curricula für Inklusion“ entwickeln Uneingeschränktes Wahlrecht der Eltern Umfassendes Angebot an Schulassistenz mit einkommensunabhängiger Finanzierung Ende der Förderschulen?

Art. 25 Gesundheit Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, haben. Insbesondere a) stellen die Vertragsparteien Menschen mit Behinderungen eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen, einschließlich sexual- und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungen und der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehender Programme des öffentlichen Gesundheitswesens; b) bieten die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden, soweit angebracht, einschließlich Früherkennung und Frühintervention, sowie Leistungen, durch die, auch bei Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen; c) bieten die Vertragsstaaten diese Gesundheitsleistungen so gemeindenah wie möglich an, auch in ländlichen Gebieten

Art. 26 Habilitation und Rehabilitation (1) Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, einschließlich durch die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen, um Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren. Zu diesem Zweck organisieren, stärken und erweitern die Vertragsstaaten umfassende Habilitations- und Rehabilitationsdienste und -programme, insbesondere auf dem Gebiet der Gesundheit, der Beschäftigung, der Bildung und der Sozialdienste, und zwar so, dass diese Leistungen und Programme a) im frühestmöglichen Stadium einsetzen und auf einer multidisziplinären Bewertung der individuellen Bedürfnisse und Stärken beruhen; b) die Einbeziehung in die Gemeinschaft und die Gesellschaft in allen ihren Aspekten sowie die Teilhabe daran unterstützen, freiwillig sind und Menschen mit Behinderungen so gemeindenah wie möglich zur Verfügung stehen, auch in ländlichen Gebieten.

Auswirkungen auf die Rehabilitationsgesetzgebung Finanzierungsregelung zur Frühförderung klarstellen Streichung des § 7 SGB IX (Vorbehalt abweichender Regelungen) Schaffung eines einkommens- und vermögensunabhängigen Teilhabesicherungsgesetzes zum Zweck der sozialen Rehabilitation Leistungen der Eingliederungshilfe nicht länger nur bei einer „wesentlichen“ Behinderung gewähren Die Dauer von Maßnahmen flexibilisieren, um den individuellen Bedürfnissen gerecht werden zu können Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zugunsten von Menschen mit Behinderungen auch im SGB II

Das ÖGDG NRW Regelt bereits: Zusammenarbeit mit Selbsthilfe / Betroffenenorganisationen Berücksichtigung von Lebenslagen und Genderaspekten Aufklärung der Bevölkerung und Beratung der Behörden in Fragen der Gesundheit und die Stellungnahmen zu Maßnahmen und Planungen anderer Verwaltungen Schwangeren und Mütterberatung Früherkennung von Behinderungen Gesundheitshilfen, die die betroffenen Personen befähigen, entsprechend ihren Möglichkeiten möglichst selbständig in der Gesellschaft zu leben Beratung für Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen, mit geistigen und seelischen Behinderungen, psychisch Kranke, Abhängigkeitskranke und ihre Angehörigen

Auswirkungen der UN-BRK auf den ÖGD Höherer Aufwand für die Feststellung individueller Assistenzbedarfe, wenn institutionelle Lösungen nicht gewünscht sind, in Eingliederungshilfe Sonderpädagogischem Förderbedarf

Ressourcen des ÖGD Vor-Ort-Kompetenz Beratungskompetenz zu Gesundheit und Behinderung in allen Lebenslagen und Altern Hat bereits Kontakte zu allen relevanten Akteuren (Sozial-, Wohnungs-, Ordnungsamt, Schule, Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Selbsthilfe, SGB V-Bereich, Pflege) Erfahrung in Gremienarbeit und mit Betroffenenorganisationen, insb. in KGK ► Optimal aufgestellt für Umsetzung der UN-Konvention

Möglichkeiten für den ÖGD Die UN-Konvention fordert: Gesundheitshilfen Unabhängige Beratung Personenzentrierte Hilfeplanung Trägerübergreifende Hilfeplanung Zugängliche Hilfen im ländlichen Raum ► Diese durchzusetzen und zu erhalten hilft sie uns gegen gegenläufige Tendenzen

Wo stehen wir heute? Sicht der letzten Bundesregierung: Alles umgesetzt, kein Handlungsbedarf (Denkschrift) Sicht des letzten Bundestages: Dem Ratifizierungsgesetz wurde zugestimmt, der „Denkschrift“ nicht.

Wohin geht die Reise? Die langfristigen Effekte der UN-Konvention Unterstützt die Konvention die Entwicklung einer solidarischeren Gesellschaft? Oder dient sie dem Abbau sozialer Standards unter dem Deckmantel der Förderung der Selbstbestimmung?

Quelle: „alle inklusive Quelle: „alle inklusive! Die neue UN- Konvention“… und ihre Handlungsaufträge. Ergebnisse der Kampagne alle inklusive. Broschüre der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Berlin Mai 2009 http://www.isl-ev.de/de/e-bibliothek/func-startdown/24/