J UGENDHILFE ALS SICHERER O RT !? - P ROFESSIONELLE B EGLEITUNG VON JUNGEN M ENSCH AUF DEM SCHWIERIGEN W EG INS L EBEN Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin.

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J UGENDHILFE ALS SICHERER O RT !? - P ROFESSIONELLE B EGLEITUNG VON JUNGEN M ENSCH AUF DEM SCHWIERIGEN W EG INS L EBEN Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin Mainz-Finthen am 24. September 2016

R ECHTLICHE V ORSCHRIFTEN IM SGB VIII § 41 Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung (1) Einem jungen Volljährigen soll Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. (2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt. (3) Der junge Volljährige soll auch nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang beraten und unterstützt werden. § 18 Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts ….. (4) Ein junger Volljähriger hat bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen. 2 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

A NSPRUCHSBERECHTIGTE VON H ILFEN FÜR J UNGE V OLLJÄHRIGE Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin 3 a) Junge Volljährige, die vor Erreichung des 18. Lebensjahres Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte erhielten und die im Hilfeplan vereinbarten Ziele bezogen auf den jungen Menschen nicht bis dahin erreicht werden konnten b) Junge Volljährige, die aufgrund ihrer Lebenssituation und ihres Entwicklungsstandes der Unterstützung bei der Entwicklung der Persönlichkeit und einer selbständigen Lebensführung oder der Eingliederungshilfe bedürfen

R AHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE L EISTUNGSBEWILLIGUNG  Antrag des jungen Menschen auch vor Erreichen der Volljährigkeit  Feststellung der Notwendigkeit und Geeignetheit der Maßnahme durch den öffentl. Jugendhilfeträger, darunter auch Prüfung der Mitwirkungsbereitschaft des jungen Menschen und Erfolgsprognose hinsichtlich erreichbarer Ziele  Leistungsbewilligung durch Bescheid  Hilfeplanung mit Zielformulierung  Kostentragung durch den Jugendhilfeträger  (Prüfung der) Heranziehung des Jungen Menschen, seines Ehepartners, seiner Eltern zu den Kosten der Maßnahme (bei teilstationären und vollstationären Maßnahmen) 4 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

F ORMEN DER H ILFEERBRINGUNG Ambulant (Beratung, Erziehungsbeistandschaft, Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung) Stationär (Unterbringung in eine Pflegefamilie, Betreutes Wohnen, Heimunterbringung, Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung) 5 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

B EISPIELE DER H ILFEERBRINGUNG Ambulant  Sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung im Rahmen von vereinbarten Fachleistungsstunden eines freien Trägers (Umfang und Inhalt sind individuell zu bestimmen)  Ergänzende sozialpädagogische Unterstützung bei Durchführung eine beruflichen Ausbildungsmaßnahme durch die Arbeitsverwaltung  Zeitlich begrenzte Unterstützung zur Regelung von Angelegenheiten, die für eine eigenständige Lebensführung Voraussetzung sind (Wohnungssuche, Anträge zur Sicherung der materiellen Existenzgrundlage, etc)  etc 6 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

B EISPIELE DER H ILFEERBRINGUNG Stationär  Betreutes Wohnen in eigener Wohnung oder Wohnung eines Jugendhilfeträgers mit stundenweiser sozialpädagogischer Unterstützung  Wohnen in einer Jugendwohngruppe mit vollumfänglicher Betreuung, aber mit dem Ziel einer Verselbständigung  Überbrückung von Zeiten zwischen Klinikaufenthalt und Aufnahme in Therapieeinrichtungen (z.B. bei Suchtmittelabhängigen)  Internatsunterbringung mit zusätzlicher Jugendhilfeleistung  Etc. 7 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

J UGENDHILFE ALS SICHERER O RT ! Junge Volljährige, die bereits vor Erreichen der Volljährigkeit Hilfe zur Erziehung erhielten und deren Hilfeverlauf beständig und in guter Kooperation zwischen Träger, Jugendamt und jungen Menschen stattgefunden hat, finden in der Regel einen guten Übergang in die Hilfe für Junge Volljährige, insbesondere wenn eine Rückführung ins Elternhaus nicht möglich ist. Sie erreichen in dieser Hilfeart die persönlichen und beruflichen Ziele nach ihren Möglichkeiten. Junge Volljährige, die bereit sind, sich auf die Hilfeangebote einzulassen und sich aktiv an der Zielerreichung beteiligen, haben eine gute Prognose, über dieses Angebot den Weg in ein selbständiges Leben zu finden In Maßnahmen der Eingliederungshilfe sind die Anforderungen an Motivation und Mitwirkungsbereitschaft deutlich geringer und die Toleranz für „Krisen“ und „Durststrecken“ deutlich höher, weil die persönliche Situation, die Erkrankung und die Störung der Persönlichkeitsentwicklung diese Probleme in der Regel mit sich bringen 8 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

J UGENDHILFE ALS SICHERER O RT ? Junge Volljährige, die die Regeln von Hilfeangeboten nicht akzeptieren können und sich nicht an Maßnahmen zur schulischen oder beruflichen Integration beteiligen können oder wollen, scheitern in der Hilfe Junge Volljährige müssen die Hilfe aktiv nachfragen, es gibt keinen „nachgehenden“ Auftrag für die Jugendhilfe Junge Volljährige können die Hilfe selbständig beenden, was in Krisen häufig vorkommt, eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten wird dann von den Jugendhilfeträgern bei einem erneuten Antrag besonders kritisch geprüft 9 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

S TOLPERSTEINE IN DER P RAXIS Die Rechtsnorm ist sehr unbestimmt. Der Bedarf muss in jedem Einzelfall geprüft und festgestellt werden. Für Jugendliche, die bereits Adressaten von Jugendhilfeleistungen waren, ist dies verhältnismäßig einfach, weil ihre Kompetenzen, ihre persönlichen und familiären Ressourcen und ihr Entwicklungsstand bekannt sind, daraus lässt sich ebenfalls verhältnismäßig leicht eine Prognose für die Zeit nach Erreichung der Volljährigkeit und den Bedarf an Unterstützung ableiten. Junge Menschen, die erst nach Eintritt der Volljährigkeit die Hilfe für Junge Volljährige nachfragen, wünschen häufig nur die materielle Unterstützung durch Wohnung und regelmäßige finanzielle Leistungen zum Lebensunterhalt. Sie können häufig ihren darüber hinausgehenden Unterstützungsbedarf nicht artikulieren oder sehen ihn nicht. Oft möchten sie sich auch nicht auf einen begleitenden sozialpädagogischen Prozess einlassen. Die Prüfung familiärer oder sozialer Ressourcen entzieht sich den Fachkräften in den Jugendämtern häufig, nicht zuletzt auch, weil die jungen Menschen keine Kontaktaufnahme zu den Eltern und kein Gespräch mit ihnen über die bestehenden Schwierigkeiten wünschen. Die Hilfegewährung muss verwaltungsgerichtlicher Prüfung standhalten, die Rechtmäßigkeit einer Hilfegewährung kann auch durch Eltern, die zu Kostenbeiträgen herangezogen werden, verwaltungsgerichtlich in Frage gestellt werden. Sozialpädagogisch sinnvoll erachtete Maßnahmen können auf diesem Wege gerichtlich anders bewertet werden, die Folgen daraus hat der die leistungsbewilligende Fachkraft zu tragen. Der Jugendhilfeträger und die handelnden Fachkräfte haben sich finanziell zu verantworten, die Zunahme von Ausgaben der Jugendhilfe im Bereich der Hilfen für Junge Volljährige bedarf der Erläuterungen. Die Fallzunahme als Reaktion auf die Bedarfe bestimmter Gruppen in einer Gesellschaft, die diese Gruppen mit ihren Strukturen nicht mehr auffangen kann, zu erklären, ist nicht unbedingt nachvollziehbar. 10 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin

A USBLICK Das Gelingen von Hilfen hängt von den handelnden Personen, den gestalteten Beziehungen, den materiellen, infrastrukturellen und personellen Ressourcen, der Orientierung an den Kompetenzen, Bedarfen und Willen der betroffenen Jungen Volljährigen ab. Die Hilfegestaltung ist ein hochkomplexes Einzelfallgeschehen. Bei der auch künftig absehbaren Zunahme von Fällen und der mit der Vorschrift verbundenen Absicht, möglichst viele junge Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen zu erreichen und der gleichzeitigen Zunahme der Aufgaben für andere Zielgruppen der Jugendhilfe, bleibt die Frage zu stellen, ob die derzeitigen Strukturen und Angebote ausreichend sind oder ausreichend weiterentwickelt und ausgebaut werden können. 11 Hiltrud Göbel Diplom-Sozialarbeiterin