Der Vertrag von Lissabon Wichtige Neuerungen für die Europäische Union

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 Präsentation transkript:

Der Vertrag von Lissabon Wichtige Neuerungen für die Europäische Union ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer Vortrag für FS Jus, 11.3.2010

Gliederung I. Einführung Grundlegende Änderungen Institutionelle Neuerungen Neuerungen betreffend Rechtsakte und Rechtsetzungsverfahren Stärkung der Rechte Einzelner Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten Schlussbetrachtungen

I. Einführung A. Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon Scheitern des Verfassungsvertrages Mandat des Europäischen Rates vom Juni 2007 Regierungskonferenz 2007 Unterzeichnung des VvL am 13.12.2007 B. Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon Sonderregelungen für Irland (Garantien für Irland) „Fußnote“ für Tschechien Inkrafttreten des VvL am 1.12.2009

II. Grundlegende Änderungen A. Vertragliche Grundlagen der Union Vertrag über die Europäische Union (EUVn) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Grundrechte-Charta (GRC) Umnummerierung von EUVn und AEUV (Art 5 LV) B. Union als Internationale Organisation Völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit (Art 47 EUVn) Innerstaatliche Rechtsfähigkeit (Art 335 AEUV) Organe (Art 13 EUVn) Rechtsnachfolge gegenüber der EG (Art 1 Abs 3 Satz 2 EUVn)

II. Grundlegende Änderungen (2) C. Auflösung der Säulenstruktur Politikbereiche der Union (Gemeinschaftspolitiken, GASP, PJZS) Verankerung der GASP im EUVn (Titel V EUVn) Verankerung der PJZS im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Titel V AEUV) Beibehaltung der EAG EAG als eigene IO; nicht mehr Grundlage der Union Bindung an die Union durch Organleihe und Haushalt Weitere Bindung durch Beitritt (Art 49 EUVn) und Austritt (Art 50 EUVn)

II. Grundlegende Änderungen (3) Vom Gemeinschaftsrecht zum Unionsrecht Gemeinschaftsrecht wird zu Unionsrecht („neu“) Unionsrecht („alt“) wird ebenfalls zu Unionsrecht („neu“) F. Zuständigkeiten des Gerichtshofes der Union Umfassende Zuständigkeiten in Gemeinschaftsbereichen Umfassende Zuständigkeit im RFSR Einzelzuständigkeiten in GASP (Unberührtheitsklausel, restriktive Maßnahmen) (Art 24 Abs 1 UAbs 2, Art 275 AEUV) Überwachung der Tätigkeit des ER (Nichtigkeitsklagen gem Art 263, Untätigkeitsklagen gem Art 265 AEUV)

III. Institutionelle Neuerungen A. Organe der Union (Art 13 EUVn) EP (Mitglieder 750 + 1; zusätzliche Kompetenzen) ER (Zusammensetzung, Präsident, Beschlussfassung) Rat (Formationen, Vorsitz, Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit) KOM (Mitgliederzahl, Mitglieder mit Einsatz für Europa, Stärkung des Präsidenten, Hoher Vertreter) GH der Union (EuGH, EuG, FG) EZB RH

III. Institutionelle Neuerungen (2) B. Vertikale Kompetenzverteilung Kompetenzverteilungsgrundsätze: Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art 5 Abs 1 EUVn); Generalkompetenz der Mitgliedstaaten (Art 4 Abs 1 EUVn) Kompetenzausübungsgrundsätze: Subsidiaritätsprinzip, Verhältnismäßigkeitsprinzip Kompetenzarten und -bereiche (Art 2 – Art 6 AEUV) a) ausschließliche Zuständigkeit (Zoll, Wettbewerb, Währung) b) geteilte Zuständigkeit (Binnenmarkt, Landwirtschaft, Umwelt) c) ergänzende Zuständigkeit (Industrie, Kultur, Bildung) d) besondere Zuständigkeiten (Außen-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik)

IV. Rechtsakte/Rechtsetzungsverfahren A. Gekennzeichnete Rechtsakte (Art 288 AEUV) EU-VO EU-RL EU-Beschlüsse Empfehlungen und Stellungnahmen B. Ungekennzeichnete Rechtsakte Übereinkünfte der Union (Art 216 – 219 AEUV) Interorganvereinbarungen Entschließungen

IV. Rechtsakte/Rechtsetzungsverfahren (2) C. Hierarchie des Unionsrechts Primärrecht (EUVn, AEUV, GRC) Übereinkünfte der Union Gesetzgebungsakte und „verfassungsunmittelbare“ Rechtsakte Delegierte Rechtsakte Durchführungsrechtsakte D. Rechtsetzungsverfahren Gesetzgebungsverfahren (allgemeines und besondere) Sonstige Rechtsetzungsverfahren

V. Stärkung der Rechte Einzelner A. Supranationalität des Unionsrechts Vorrang des Unionsrechts (Erklärung Nr 17) Anwendungsvorrang der Bestimmungen des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung Vorrang (unionsrechtskonforme Auslegung, Staatshaftung) Intergouvernementale Wirkung des „alten“ Unionsrechts B. Stärkung der Grundrechte Beachtung der Grundrechte in der GRC (Art 6 Abs 1 EUVn) Beitritt der Union zur EMRK (Art 6 Abs 2 EUVn) Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts (Art 6 Abs 3 EUVn)

V. Stärkung der Rechte Einzelner (2) C. Gleichheit der BürgerInnen Beachtung der Gleichheit der BürgerInnen durch die Union (Art 9 EUVn) Beachtung der Gleichheit der BürgerInnen durch die Mitgliedstaaten (Freizügigkeitsrecht gem Art 21 AEUV) Ausdehnung des Diskriminierungsverbotes aus Gründen der Staatsangehörigkeit auf beide Verträge (Art 18 Abs 1 AEUV); vgl EuGH ,Rs C-123/08, Wolzenburg, Urteil vom 6.10.2009 D. Bürgerinitiative Grundlage in Art 11 Abs 4 EUVn; Durchführungsbestimmungen gem Art 24 Abs 1 AEUV

VI. Verbesserungen im Rechtsschutz A. Verbesserung des Individualrechtsschutzes Nichtigkeitsklage gem Art 263 Abs 4 AEUV – Wegfall der individuellen Betroffenheit bei Rechtsakten mit Verordnungscharakter, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen (Achtung: TWD-Judikatur) Nichtigkeitsklagen gegen restriktive Maßnahmen des Rates in der GASP (Art 275 Abs 2 AEUV) B. Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu effektivem Rechtsschutz Duales Rechtsschutzsystem in der Union Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechtsbehelfe für wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu gewährleisten (Art 19 Abs 1 UAbs 2 AEUV)

VI. Verbesserungen im Rechtsschutz (2) C. Einführung eines Eilvorlageverfahrens Grundlage: Art 267 Abs 4 AEUV Voraussetzung: nationales Verfahren mit inhaftierter Person Antrag des vorlegenden Gerichts oder von Amts wegen Verfahrensdauer: 3 Monate D. Verschärfung des Sanktionsverfahrens gegen Mitgliedstaaten Nichterfüllung von Vertragsverletzungsurteilen: Entfall der mit Gr vers Stn im 2. Aufsichtsverfahren (Art 260 Abs 2 AEUV) Nichtumsetzung von in Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinien (Mitteilungspflicht): Vertragsverletzungsverfahren mit finanziellen Sanktionen (Art 260 Abs 3 AEUV)

VI. Schlussfolgerungen VvL: Vielzahl grundlegender Neuerungen für die Union, aber auch für die Einzelnen Institutionelle Neuerungen für mehr Effizienz und Demokratie Stärkung der Rechte Einzelner Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten Einzelner; eine Grundrechtsklage fehlt jedoch EUVn, AEUV und GRC werden wohl auf Jahre bzw Jahrzehnte hinaus ein effizientes Funktionieren der Organisation gewährleisten müssen Der Schlüssel dafür liegt erneut beim GH der Union

ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!! ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer