Entscheidungsfindung in der Geriatrie: Wissen versus Ermessen

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 Präsentation transkript:

Entscheidungsfindung in der Geriatrie: Wissen versus Ermessen SGIM-Jahresversammlung 11. Mai 2011 Prof. Dr. med. Christoph Hürny Geriatrische Klinik St. Gallen Kompetenzzentrum Gesundheit und Alter

Ermessensentscheide in der Geriatrie Übersicht Alter im Wandel der Zeit: Fakten Frailty / Polymorbidität Evidence based medicine Ermessensentscheide Wissen – Ermessen Kriterien Vorgehen Schlussfolgerungen

Ermessensentscheide in der Geriatrie

Ermessensentscheide in der Geriatrie Durchschnittliche Lebenserwartung: 2007 ♀ 84,2 Jahre ♂ 79,4 Jahre 90-jährig 5 Jahre 80-jährig 8 Jahre 70-jährig 15 Jahre 65-jährig 20 Jahre

Ermessensentscheide in der Geriatrie Alterskategorien Young old 65 – 74 Jahre Older old 75 – 84 Jahre Oldest old 85 –

Demografie der >65jährigen in der Schweiz 65+ 85+ 100 Bevölkerung 1860 5,1 % 0,1 % 10 2,5 Mio 1960 10,2 % 0,5 % 23 5,4 Mio 2000 15,4 % 2 % 796 7,2 Mio 2010 21 % 6 % 1300 7,9 Mio Bundesamt für Statistik, 2003, 2007, 2010

Charakteristika 100-jähriger Geistige Aktivität Grosse Anpassungsfähigkeit Positive Lebenseinstellung, Optimismus Hohe Kontaktfreudigkeit, gute Sozialkontakte Zufriedenheit Hohes Mass an Initiative Veteranen des 1. Weltkrieges am 11.11.2008, Henry Allingham, 112jährig, Harry Patch, 110jährig, und Bill Stone, 108jährig. Veteranen des 1. Weltkrieges am 11.11.2008: Henry Allingham 112-jährig, Harry Patch 110-jährig, Bill Stone 108-jährig

Ermessensentscheide in der Geriatrie

Ermessensentscheide in der Geriatrie Behinderungsfreie Lebenserwartung von 65-jährigen Menschen in der Schweiz 1981/82 Männer 11,5 Jahre 2007 16,5 Jahre 1981/82 Frauen 12,2 Jahre 2007 17,5 Jahre 85+ frailty NFP32 Höpflinger, Stückelberger 1999/2009

Ermessensentscheide in der Geriatrie Frailty / Gebrechlichkeit Altersveränderungen labile Homöostase Polymorbidität Unabhängigkeit / Abhängigkeit

Alter Wahrnehmen Denken Fühlen Bewegen Innere Körpervorgänge Alles geht langsamer! 11

Die fünf Sinne SEHEN HÖREN RIECHEN SCHMECKEN TASTEN 12

Prävalenz von chronischen Krankheiten bei über 65-jährigen (Adams und Benson 1991) Arthrose 48 % Hypertonie 36 % Hörbehinderung 30 % Herzkrankheit 29 % Krebs 20 % Katarakt (Grauer Star) 16 % Orthopädisches Leiden 16 % Demenz 13 % Diabetes (Zuckerkrankheit) 8 % Sehbehinderung 8 % Chronisch venöse Insuffizienz 8 %

Häufige Symptome von Menschen über 85 Jahren Ermessensentscheide in der Geriatrie Häufige Symptome von Menschen über 85 Jahren Chronische Schmerzen 50 – 70 % Schwindel 50 – 60 % Hörprobleme 40 – 50 % Sehbehinderung 30 – 40 % Stürze 25 – 50 % Unwillkürlicher Urinabgang 25 – 50 % Geistiger Abbau (Demenz) 20 – 40 %

Ermessensentscheide in der Geriatrie Diagnosen Medikamente bei Austritt 1. Blasendysfunktion Pradif (Tamsolusin) 400yg ret. Kps. 1-0-0-0 - neu aufgetretene Harnverhaltungen Detrusitol (Tolterodinum) SR 4mg Kps. 1-0-0-0 - Urgeinkontinenz - Prostatahyperplasie 2. Lungensarkoidose mit chronischer Bronchitis Atrovent (Ipratropiumbromid) 8 Trpf. in 20ml - vermehrter Hustenreiz NaCl inhalieren 1-0-1-0 3. Hypertensive Herzkrankheit Marcoumar (Phenprocoumon) nach INR 0-0-*-0 - intermittierendes Vorhofflimmern Sotalex (Sotalol) 80mg Tbl. 1-0-1-0 4. Spastisches Hemisyndrom links Neurontin (Gabapentin) 300mg Kps. 2-2-2-3 - bei Status nach cerebrovaskulärem Insult 04/03 Tryptizol 25mg (Amitryptilin) Tbl. 0-0-2-0 - neuropathische Schmerzen linke Körperhälfte 5. Status nach viraler Gastroenteritis 6. Reaktive Depression Citalopram (Citalopram) 20mg Tbl. ½-0-0-0 7. Osteoporose Calcium Sandoz (Calcium) D3 Sachet 1-0-0-0 8. chronische Obstipation Importal (Lactitol) 20ml 0-0-01 Laxoberon (Natriumpicosulfat) Trpf. 0-0-10-0 Herr P. J., 85-jährig

Boyd et al.Clinical Practice Guidelines CPG.JAMA 2005; 294:716 Ermessensentscheide in der Geriatrie Boyd et al.Clinical Practice Guidelines CPG.JAMA 2005; 294:716 Hypothetische 79-jährige Patientin mit Osteoporose, Arthrose, Typ 2 Diabetes mellitus, Art. Hypertonie und COPD Anwendung der CPG‘s 12 Medikamente 19 Dosen/Tag zu 5 verschiedenen Zeiten: Complexity score: 14 14 nicht pharmakologische Massnahmen Multiple Interaktionen: Medikamente und nicht pharmakologische Massnahmen Widersprüchliche Empfehlungen Medikamentenkosten $ 406.- / Monat, $ 4877.- / Jahr

Ermessensentscheide in der Geriatrie Evidence based medicine 80+ (Can Medical Assoc. 1998) Systematischer Review (Meta-analyse) kontrollierte, randomisierte Studien Mind. 1 randomisierte, kontrollierte Studie Kontrollierte, nicht randomisierte Studie(n) Expertenmeinung / Consensus Conferenz Klinische Erfahrung

Ermessensentscheide in der Geriatrie Langzeitverlauf bei alten Patienten mit chronischer Angina pectoris: Invasive versus optimierte medizinische Therapie 4-Jahre follow up der TIME-Studie Pfisterer et al. Circulation 2004;110:1213-1218 Studienpopulation: 276 1-Jahr Überlebende (von 301) TIME Trial (Alter 80) Krankheit: Chron. Angina Pectoris (Klasse 3,2 at baseline) Follow up: 3,1 Jahre (1.1 – 5.9) Intervention: invasive Strategie versus medizinische Strategie Outcome: Überleben/Myokardinfarktrate/Symptomkontrolle/Lebensqualität Studiendesign: prospektiv randomisiert und kontrolliert Resultate: - invasiv: nach 6 Mt. Sterberate Myokardinfarkt Symptomkontrolle Lebensqualität - nach 1 Jahr und 4 Jahren kein Unterschied, Erhalt der Lebensqualitätsverbesserung Symptome für beide Strategien - 43% später revaskulisiert, besseres Überleben, wenn im 1. Jahr revaskulisiert

Ermessensentscheide in der Geriatrie Effekt von Betablocker auf Morbidität und Mortalität bei alten Menschen mit Herzinsuffizienz Sin et al Am J Med 2002 113: 650-656 Studienpopulation: 11‘942 Patienten (Alter 79) Krankheit: Herzinsuffizienz 1994 – 1999 Follow-up: 21 Monate Behandlung: 1162 mit Betablocker Outcome: Hospitalisation: 3539 P. / Sterberate: 6757 P. Kontrollvariablen: Alter, Geschlecht, Comorbidität, andere Medikamente Studiendesign: retrospektiv, kontrolliert, nicht randomisiert Resultate: Hospitalisation HR 0,82 95% Cl: 0,74 – 0,92 Sterberate HR 0,65 95% Cl: 0,47 – 0,90

Bouchardy C, J Clin Oncol 2003 21:3580-3587

Ermessensentscheide in der Geriatrie Ältere Brustkrebspatientinnen: Geriatrisches Assessment ist mit schlechter Toleranz der Nebenwirkungen der Behandlung assoziiert und sagt die Mortalität über 7 Jahre follow-up aus. Clough-Gorr et al JCO 2009; 28:380-386 Studienpopulation: 660 Brustkrebspatientinnen I – IIIa (Alter 74% ≥ 70) Intervention: Geriatrisches Assessment 3 Monate nach Diagnose 4 Bereiche - soziodemographisch (+ Finanzen) - klinisch (Charlson comorbidity Index/BMI) - functional (ADL, Anzahl Einschränkungen) - psychosozial (MHIS MOS-SS5) Behandlungen: Chirurgie, Bestrahlung, Chemotherapie, Hormontherapie Design: Crosssectional/longitudinal Follow-up: 7 Jahre Resultate: Assessment Defizit schlechte Therapietoleranz Mortalität 0 Bereich 1 % 11 % 1 Bereich 5 % 22 % 2 Bereiche 4 % 34 % 3 Bereiche 11 % 43 % 4 Bereiche 28 % 44 %

Ermessensentscheide in der Geriatrie Evidenz für Statine über 80 Primärprävention über 65 keine Evidenz Sekundärprävention 30 – 80 gute Evidenz über 80 keine Evidenz (bis 82 für ♂ KHK* nicht ♀) Abramson und Wrigth. Lancet 2007; 369 : 168 *Shepherd et al. PROSPER-trail.Lancet 2002; 360 : 1623 Petersen et al.Age and Aging 2010;39 : 674

Ermessensentscheide in der Geriatrie Screening Koloskopie bei sehr alten Menschen Lin et al Jama 2006;295:2357-2365 Studienpopulation: 1244 asymptomatische Patienten mit Koloskopie 1034 50-54-jährig 147 75-79-jährig 63 ≥ 80-jährig Studiendesign: retrospektiver Quervergleich von 3 Gruppen Outcome: Prävalenz von Kolonkarzinom und Schätzung der Lebenserwartung Resultate: Prävalenz 50-54 13.8% 75-79 26.6% > 80 28.6% Verbesserung der Lebenserwartung bei > 80-Jährigen viel kleiner

Lebenserwartungen 2007 ♂ ♀

Ermessensentscheide in der Geriatrie Beginn einer Dialyse mit 80 und 90 Jahren in den USA Kurella et al Ann intern Med. 2007;146:177-183 Studienpopulation: 1996 7054 US Renal Data System 2003 13577 national registry of patients with ESRD Studiendesign: deskriptiv Resultate: jährliche Zunahme 9.8% Zunahme 1996 – 2003 57% korrigiert nach Bevölkerungs- wachstum 1-Jahresmortalität 46%, kein Unterschied 1996 u. 2003 Prognostisch schlecht: Alter, nicht mobil und Komorbidität

Ermessensentscheide in der Geriatrie Altersbezogene Unterschiede in der Anwendung von Guideline empfohlenen medizinischen und interventionellen Therapien bei akutem Koronarsyndrom Schönenberger et al JAMA 2008 Studienpopulation: 11932 Patienten Alter ≤ 90 - ≥ 81 5 Altersgruppen Krankheit: akutes Koronarsyndrom 2001 – 2006 Behandlung: gemäss Richtlinien ACC/AHA Richtlinien Kontrollvariablen: Komorbiditäten, Ausschluss von Patienten mit Kontraindikationen Studiendesign: Prospektive Kohortenstudie multizentrisch Resultate: Mit zunehmendem Alter zunehmende Unter- oder Nichtbehandlung mit Acetylsalicylsäure, Betablockern, Clopidogrel und Interventionen (PCI)

Ermessensentscheide in der Geriatrie WISSEN allgemeingültig Daten nomothetisch quantitativ „wertfrei“ evidence based hard data ERMESSEN persönliche Erfahrung Paradigmafälle idiographisch qualitativ wertgebunden Sinnfrage individually taylored soft data

Ermessensentscheide in der Geriatrie Ermessensentscheide: Kriterien je älter desto individueller Lebensquantität versus Lebensqualität ● outcome Kriterien: Überlebenszeit Krankheitsverlauf Überbehandlung versus Unterbehandlung palliativ versus curativ symptomatisch versus prophylaktisch

Ermessensentscheide in der Geriatrie Ermessensentscheide: Vorgehen Bewusstwerden Wissen / Information Patient urteilsfähig Patient nicht urteilsfähig • „Shared decision making“ • Patientenverfügung • Patient empowerment • Biographie • Angehörige Entscheid Patient - Arzt/Pflege - Angehörige

Ermessensentscheide in der Geriatrie Alte Menschen sind schwieriger in Studien zu untersuchen Alte Menschen brauchen neben Wissen Ermessen Die Medizin in Not könnte von den Alten etwas lernen

Ermessensentscheide in der Geriatrie Patientinnenbeispiel Frau E. I., 92-jährig Zuweisung zur Rehabilitation nach Einsatz einer Kniegelenksprothese bds. wegen schwerer Arthrose vor 10 Tagen Postoperativ leichte Herzinsuffizienz mit etwas Atemnot, Entgleisung des Blutzuckers Bei Eintritt am Rollator mobil, geistig und körperlich stabil Psychosoziale Situation: Seit 20 Jahren verwitwet, lebt in einem alten Haus im Dorf, muss 40 Treppenstufen steigen, um in ihre 3-Zimmerwohnung zu gelangen. Regen Kontakt zu Nachbarn, Kindern, Enkeln und Urenkeln, strickt und stickt für die Familie Austritt: Nach 14 Tagen mit 1 Stock zur Sicherheit, kann problemlos 40 Stufen steigen

Ermessensentscheide in der Geriatrie

Ermessensentscheide in der Geriatrie

Ermessensentscheide in der Geriatrie Patientinnengeschichte Die 91-jährige Frau T.N., ehemalige Arztgehilfin, Dolmetscherin und Italienisch-lehrerin, seit über 30 Jahren geschieden, Mutter von 4 Kindern, bisher allein und selbständig in einer 4 ½-Zimmerwohnung im Hochparterre im selben Haus wie der Sohn lebend, ist im letzten Jahr mehrmals notfallmässig ins Spital eingewiesen worden wegen plötzlich auftretendem Lungenödem mit schwerster Atemnot bei koronarer Herzkrankheit. Nach entsprechender Behandlung konnte sie jeweils in ihr Haus zurückkehren, in dem sie vor 91 Jahren geboren worden war. Bei der ak-tuellen Spitaleinweisung wurde auf dem Transport ins Spital wegen Herzstillstand eine kardiopulmonale Reanimation (Herzmassage/Beatmung) durchgeführt. Frau N. hat sich erstaunlich gut erholt. Eine leichte Lähmung des rechten Armes und Atemnot bei Anstrengung sind geblieben. Die geistigen Fähigkeiten sind intakt. Zu unserem Erstaunen beschliesst Frau N. nicht mehr nach Hause zurückzukehren und äussert den Wunsch in unser Pflegeheim überzutreten. Das bedeutet, dass bei einem erneuten Herzstillstand eine Reanimation nicht mehr durchgeführt würde. Nach mehreren Gesprächen unter Einbezug der Angehörigen entschliesst sich Frau N. zum Verzicht auf die Reanimation und hält dies in einer Patientenver-fügung fest.