Grundsachverhalte aktive Korruption:

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37. Freshfields Briefing Korruption – richtig reagieren als Unternehmen - extern: Anspruchsgrundlagen als Geschädigter - intern: richtige Aufarbeitung und Prävention Dr. Bertram Burtscher, Dr. Stefan Köck, Dr. Thomas Kustor, Dr. Stephan Denk 6. Oktober 2011

Grundsachverhalte aktive Korruption: Ein Organmitglied / Mitarbeiter besticht einen Amtsträger mit Unternehmensgeld (oder füttert ihn rechtswidrig an); oder es wird ein Mittelsmann eingeschaltet, der solche Handlungen setzt. Nutznießer ist der Amtsträger und allenfalls das Unternehmen selbst (erhält Auftrag). Findet auch im nicht-öffentlichen Kontext statt - insb. im Gewähren von Vorteilen (Kick-backs) an Organe / Mitarbeiter („Bedienstete od. Beauftragte“) von Vertragspartnern. passive Korruption: Ein Organmitglied / Mitarbeiter erhält einen Kick-back, setzt also seine Befugnis im Unternehmen dazu ein, um sich persönlich (oder einem befreundeten Dritten) über einen Vertragspartner einen Vorteil zukommen zu lassen. Korruptionsbetroffener Er erhält einen Auftrag wegen korrupter Maßnahmen eines Dritten nicht.

Anspruchsgrundlagen und deren Durchsetzung Was mache ich im Fall des Falles geltend und wo? Bertram Burtscher

Systematisierung der Anspruchsgrundlagen Korruption: Missbrauch einer Vertrauensposition in Justiz und Verwaltung, Politik oder Wirtschaft zur Erlangung materieller Vorteile, auf die kein Rechtsanspruch besteht. KORRUPTION durch Vertragspartner Dritte Amtsträger Vertragsanfechtung Kündigung Anfechtung Bescheide / VO Schadenersatz Irrtum, List, Gesetz- und Sittenwidrigkeit Berufung, Beschwerde, Wiederaufnahme, Individualantrag vertraglicher Schadenersatz deliktischer Schadenersatz Amtshaftung

Schadenersatz Vertraglicher Schadenersatz Deliktischer Schadenersatz Verletzung von Verpflichtungen aus einem Vertragsverhältnis Rechtswidrigkeit durch Normverstoß Beweislastumkehr (zu Lasten des Schädigers) Haftung für Gehilfen wie für eigenes Handeln Deliktischer Schadenersatz Verletzung einer allgemeinen Verhaltenspflicht Beweislast beim Geschädigten Haftung nur für untüchtige und wissentlich gefährliche Gehilfen Voraussetzungen: Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden Verjährung: 3 Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger; max. 30 Jahre Durchsetzung: Klage beim (zuständigem) Zivilgericht oder im Strafverfahren

Amtshaftung Hoheitliche Rechtsträger haften für Schäden durch hoheitliches Handeln ihrer Organe Voraussetzungen Schädigung durch Organ (Ansprüche nur gegen Rechtsträger nicht gegen Organe) Amtshaftung nur für Schadenszufügung in der Hoheitsverwaltung Rechtswidrigkeitszusammenhang (übertretene Norm schützt den Geschädigten) Verjährung 3 Jahre ab Kenntnis des Schadens 10 Jahre bei Unkenntnis oder strafbarer Handlung des Organs (Strafdrohung über 1 Jahr Freiheitsstrafe) Durchsetzung „Rettungspflicht“ (durch Abhilfe im Rechtsmittelweg) Ersatz nur in Geld (keine Naturalrestitution) Aufforderung des Rechtsträgers bzw. Klage beim zuständigen LG

Privatbeteiligung im Strafverfahren Zur Geltendmachung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche Voraussetzungen Opfer (unmittelbar od. mittelbar geschädigt) Erklärung der Beteiligung Wo? Bei Kripo, StA, Gericht Wann? Zwischen Anklageerhebung und Schluss des Beweisverfahrens Vorteile Opferrechte, Beweisanträge, Berufung bei Einstellung, Freispruch etc. Hintergrund zum Sachverhalt für späteres Zivilverfahren Verweisung auf den Zivilrechtsweg aus verfahrensrechtlichen Gründen (Aufwand, Beweislage) bei Freispruch (keine Bindungswirkung zwischen Straf- und Zivilgericht)

Anpassung, Rücktritt und Kündigung von Verträgen die in Zusammenhang mit Korruptionshandlungen geschlossen werden Irrtum relevant ist kausaler, erheblicher Geschäftsirrtum und arglistig herbeigeführter Motivirrtum, soweit nicht erkennbar oder rechtzeitig aufgeklärt Verjährung 3 Jahre ab Abschluss Anpassung und Rücktritt Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen unzumutbarer Vertrauensverlust unmittelbar geltend zu machen Arglist (bewusste Herbeiführung eines Irrtums beim Vertragspartner) soweit kausal für den Vertragsabschluss Verjährung 30 Jahre ab Abschluss Anpassung und Rücktritt (ex tunc) Gesetz- oder Sittenwidrigkeit Nichtigkeit gesetz- oder sittenwidriger Verträge unbegrenzte Geltendmachung Relative Nichtigkeit (muss erst geltend gemacht werden)

Spezialfall: Anfechtung korrupter öffentlicher Auftragsvergabe Stephan Denk

Korruption bei öffentlicher Auftragsvergabe Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe soll an sich Korruption erschweren z.B. durch Teilnahmeberechtigung für Bieter bei Angebotsöffnung (im offenen Verfahren), transparente Vergabekriterien im Bestbieterverfahren Trotzdem: Weltbank-Studie weltweites Bestechungsvolumen bei Vergabeverfahren: US$ 200 Mrd. / Jahr Wie kann sich Korruption im Laufe eines Vergabeverfahrens konkret zeigen? z.B. bevorzugende Gestaltung der Ausschreibung, bevorzugende Bewertungskriterien, Auftrags-Splitting, korrupte Zuschlagsentscheidung

Anfechtungsmöglichkeiten eines Bieters vor Zuschlagserteilung Anfechtung mittels Nachprüfungsantrag (Antrag auf Nichtigerklärung einer Entscheidung) Darlegung eines Interesses am Vertragsabschluss, des drohenden Schadens Anfechtung von „gesondert anfechtbaren Entscheidungen“ (z.B. Ausschreibung, Ausscheidungsentscheidung, Zuschlagsentscheidung) bei Vergabenachprüfungsbehörde (BVA, UVS, VKS) knappe Fristen: max. 10 Tage

Rechtsschutzmöglichkeiten eines Bieters nach Zuschlagserteilung Vertrag selbst kann grds. nicht mehr angefochten werden Nur noch Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens des Auftraggebers möglich  Schadenersatz Nachprüfungsbehörde kann aber im Fall von unzulässig direkt vergebenen Aufträgen bereits geschlossene Leistungsverträge für nichtig erklären bzw. Geldbußen verhängen Knappe Fristen: max. 6 Monate nach Zuschlagserteilung § 338 Abs. 1 BVergG lässt alternative Anspruchsgrundlagen unberührt, verlangt aber dennoch eine vorgeschaltete Anrufung der Nachprüfungsbehörde

Rücktrittsrecht des öffentlichen Auftraggebers Möglichkeit des Rücktritts von einem bereits geschlossenen Vertrag durch den öffentlichen Auftraggeber, wenn der Bieter gerichtlich strafbare Handlung gesetzt hat, die geeignet war, die Entscheidung über den Zuschlag zu beeinflussen (§ 339 BVergG 2006) "Instrument der Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Auftragswesen" Außergerichtliche Rücktrittserklärung Öffentlicher Auftraggeber muss die Erfüllung des Straftatbestands nachweisen (Verurteilung nicht notwendig)

Fazit Hauptprobleme für Bieter im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen im Fall von Korruption bei der öffentlichen Auftragsvergabe: Beweisbarkeit von korrupten Vorgängen im Laufe eines Vergabeverfahrens Enge Fristen und Präklusionswirkung ABER: Chance auf Vertragsauflösung durch öff. AG

Anfechtung „korrupter” behördlicher Anordnungen Bertram Burtscher / Stephan Denk

„Korrupte“ Verwaltungsakte Wie ist mit Bescheiden und Verordnungen zu verfahren, bei deren Erlassung Korruption im Spiel war? Korruption liefert keine verwaltungsrechtliche Handhabe bei Verwaltungsakten, die formal und materiell korrekt sind und auf Basis eines korrekten Ermittlungsverfahren ergangen sind. Bei rechtskräftigen Bescheiden eröffnet Korruption auch nach Ablauf von Rechtsmittelfristen... ... die Wiederaufnahme des Verfahrens durch Antrag wenn durch gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt (Verdacht ist nicht ausreichend) 2 Wochen nach Kenntnis von strafbarer Handlung längstens nach 3 Jahren ... die amtswegige Wiederaufnahme

Korruption – Prävention und Aufarbeitung Stefan Köck

Gesellschaftsrecht und Organverantwortung Keinerlei ausdrückliche Erwähnung von Compliance oder Rechtseinhaltung im AktG, schon gar nicht präventiv „Legalitätsprinzip“ als Maßstab des Vorstandshandelns in Deutschland durch Jud. und Lit. gut etabliert → In Österreich kaum gut bestreitbar Legalitätsprinzip ist Sitz der Verpflichtung zur materiellen Compliance betreffend aktive Korruption: Einhaltung aller für das Unternehmen einschlägigen rechtlichen, verbindlichen Verhaltensanforderungen Bindung an Aktiengesetz, Satzung und Geschäftsordnung (interne Pflichtenbindung) Bindung an (übrige) anwendbare Rechtsvorschriften (externe Pflichtenbindung)

Gesellschaftsrecht und Organverantwortung (Forts.) Kein Ermessen: auch nützliche Gesetzesverletzungen sind unzulässig Auch Beachtung ausländischer Rechtsordnungen hL: Inkludiert eine Verpflichtung zum Abstellen von Rechtsverstößen Brennpunkt der Diskussion: Verpflichtung zur Einführung eines systematischen Verfahrens zur präventiven Gesetzeseinhaltung (Organisatorische Compliance)? Beachte die Ergänzung von Regel 15 CGK: Der Vorstand trifft geeignete Vorkehrungen zur Sicherstellung der Einhaltung der für das Unternehmen relevanten Gesetze (L-Regel!) Horizontale und vertikale Compliance auf Ebene des Vorstands, der Mitarbeiter und der Konzerngesellschaften Stand der hM in Deutschland: Keine generelle Pflicht zur Einführung einer Compliance-Organisation

Gesellschaftsrecht und Organverantwortung (Forts.) Aber: Legalitätspflicht und allgemeine Sorgfaltspflicht verlangen Entscheidung über Erforderlichkeit auf Grundlage einer Risikoanalyse Ermittlung und Berücksichtigung des Gefahren- und Risikopotentials Bei großen börsennotierten Unternehmen in der Regel Verpflichtung zur Schaffung einer Compliance-Organisation Vollständiger Verzicht auf eine Compliance-Organisation könnte bei großen Gesellschaften ermessensfehlerhaft sein Bei passiver Korruption einfacher: Die (rechtliche) Verpflichtung zur Führung eines IKS (internes Kontrollsystem) steht außer Frage Pflichten treffen Vorstand und (zumindest z.T.) auch Aufsichtsrat siehe insb. Pflichten des Prüfungsausschusses

Ausgestaltung einer Compliance Organisation zur effektiven Prävention Im Ansatz weiter unternehmerischer Spielraum Aber: Es bildet sich zunehmend ein international gültiger Sorgfaltsmaßstab betreffend die Bekämpfung aktiver Korruption gegenüber der öffentlichen Hand heraus (OECD-Empfehlung!) Kernelemente: Aufsichtsrat / Prüfungsausschuss Vorstand: Ressortzuständigkeit bzw. Compliance Office / Officer Mission Statement Externe Stellen (Whistle Blower Hotline, Ombudsmann) Verhaltenskodex für alle Mitarbeiter auf allen Ebenen Richtlinien für interne (Mitarbeiter) und externe (Vertragspartner) Compliance Schulung, Beratung, Unterstützung Berichtswesen und IKS System zur Aufarbeitung von Vorfällen regelmäßige Überprüfung (und ggf. Nachjustierung) der Compliance Organisation

Aufarbeitung Bei Rechtsvorstößen oder Verdachtsmomenten ist der Vorstand zur Aufklärung verpflichtet – kein Ermessensspielraum Art der Aufklärung: Ermessensspielraum Untersuchung mit unternehmenseigenen Ressourcen; oder Untersuchung unter Zuhilfenahme externer Ressourcen Freistellung von Vorstandsmitgliedern / Mitarbeitern im Unternehmens-interesse („Kronzeugenregelung“ und „Immunitätsgewährung“) umstritten; Entscheidungen am besten im Einzelfall treffen Sicherstellung der Nachhaltigkeit Pflicht zur Sanktionierung von Rechtsverstößen? Komplizierte Haftungsfragen . . .

Vergaberechtliche Selbstreinigung Stephan Denk

Vergabe nur an zuverlässige Bieter Öffentliche Aufträge dürfen nur an Bieter vergeben werden, die befugt, leistungsfähig und zuverlässig sind (§ 19 Abs. 1 BVergG) Vergabe an korrupte Unternehmen verletzt das Prinzip der Integrität des Staates und einer verantwortungsbewussten Verwaltungsführung Beurteilung der Zuverlässigkeit erfolgt anhand des Vorliegens von Ausschlussgründen – u.a. § 68 Abs. 1 BVergG rechtskräftige Verurteilung i.Z.m. mit bestimmten Delikten - § 68 Abs. 1 Z 1 BVergG

Vergabe nur an zuverlässige Bieter (Forts.) - Straftatbestände § 68 Abs. 1 Z 1 BVergG: rechtskräftige Verurteilung Bestechung, Betrug, Untreue, Geschenkannahme, Förderungs- missbrauch oder Geldwäscherei, Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation ein entsprechender Straftatbestand gemäß den Vorschriften des Landes, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat

Selbstreinigung als notwendiges Übel? Ausschlussprinzip vs. Wettbewerbsprinzip (Spannungsverhältnis) Veranstaltung eines parallelen organisierten Bieterwettbewerbs zur Erzielung des wirtschaftlich besten Angebotes Reduktion von Bietern führt zur Reduktion von Wettbewerb Tendenzielles Zurücktreten des Ausschlussprinzips gegenüber dem Wettbewerbsprinzip (ultima ratio)

Vergaberechtliche Selbstreinigung Unzuverlässige Unternehmen haben die Möglichkeit, glaubhaft zu machen, dass sie Maßnahmen gesetzt haben, durch die sie ihre Zuverlässigkeit wieder erlangt haben (§ 73 BVergG) „konkrete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen“, die geeignet sind, das nochmalige Setzen der strafbaren Handlung zu verhindern gesetzte Maßnahmen sind in Verhältnis zur Anzahl und zur Schwere der begangenen strafbaren Handlungen zu setzen Ermessen des Auftraggebers

Selbstreinigung – Personelle Maßnahmen „Ein Unternehmen ist nur so zuverlässig wie seine Mitarbeiter“ „Angemessene“ personelle Konsequenzen Trennung von allen leitenden Mitarbeitern, die in die Vorfälle aktiv involviert waren Sonderproblem: geschäftsführender Gesellschafter Korruption auf untergeordneter Ebene: Disziplinarmaßnahmen, Frühpensionierung, Versetzung oft ausreichend (lt. Vergabekammer Düsseldorf)

Selbstreinigung – Organisatorische Maßnahmen zukunftsgerichtete Maßnahmen Durchleuchten der internen Entscheidungs- und Kontrollebenen / Einführung eines qualitativ hochwertigen Berichts- und Kontrollwesens Neuorganisation der Abteilungen (Trennung administrativer / operativer Bereich) klare Anweisungen an Mitarbeiter bzw. Schulung der Mitarbeiter durch externe Berater interne Richtlinien und Verhaltenskodices, verbunden mit Haftungs- und Schadenersatzregelungen Einrichtung von internen Überwachungsorganen (Compliance Officers) und externen Ombudsmännern für whistle blowers

Selbstreinigung - Begleitmaßnahmen Wichtige Begleitmaßnahmen aktive Mitwirkung an der Aufklärung der strafrechtlichen Vorwürfe; volle Kooperation mit Behörden Beiziehung externer Berater für Compliance-Maßnahmen (Wirtschaftsprüfungskanzlei, Rechtsanwälte) aktive Schadenswiedergutmachung / freiwillige Schadenersatzzahlungen Objektive Überprüfung der Selbstreinigung durch Nachprüfungsbehörden

Strafrechtliche Aspekte Thomas Kustor

Die Rolle des Unternehmens im Strafrecht Größere Rolle des Strafrechts im Unternehmensalltag Verstärkte Verfolgung von juristischen Personen (Verbänden) Neue Behörden, z.B. Zentrale StA zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) Herausforderungen für Unternehmen Das Unternehmen ist gleichzeitig Opfer und Täter Spezifika der Verbandskriminalität

Die Rolle des Unternehmens im Strafrecht (Forts.) Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) Weder ist die Strafbarkeit einer natürlichen Person Voraussetzung für die Verfolgung des Verbandes noch macht sie die Verfolgung des Verbandes entbehrlich Das Gesetz ist gerichtet auf Prävention (Risikomanagement) Verband Juristische Personen des Privatrechts Personenhandelsgesellschaften Juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn Privatwirtschaftsverwaltung vorliegt

Die Rolle des Unternehmens im Strafrecht (Forts.) Entscheidungsträger Vertretungsbefugte Personen (einschl. Prokuristen) Personen mit Kontrollbefugnis Personen mit maßgeblichem Einfluss Mitarbeiter Zurechnung Regel: Entscheidungsträger wird zugerechnet, Mitarbeiter nur bei Organisationsverschulden

Die Rolle des Unternehmens im Strafrecht (Forts.) Anlasstat begangen zu Gunsten des Verbandes oder Verletzung von Pflichten, die den Verband treffen Für Straftaten von Mitarbeitern: Zurechnung, wenn die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die „nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben“

Aufarbeitung von Straffällen Untersuchungspflicht in strafrechtlicher Hinsicht? Verhinderung einer strafbaren Handlung Geldwäscherei Anzeigepflichten? Kooperation mit Behörden Verfallsbedrohtes Vermögen Beweismittel Auch eine juristische Person kann Kronzeuge sein

Prävention Einführung von Risikomanagement Faktische Verhinderung von Straftaten Vermeidung strafrechtlicher Haftung Orientierung am „Mindeststandard“, der für eine Branche oder ein Problemfeld definiert ist

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