Theorien Internationaler Politik (3): Theorien Internationaler Politischer Ökonomie VO Internationale Politik (Prof. Brand), 7.1.2008 was bedeutet Internationale.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Die Relevanz des Gender Mainstreaming aus interkultureller Perspektive
Advertisements

Leitbilderstellung der Samtgemeinde Am Dobrock
Das Fach vereint Inhalte aus den Bezugswissenschaften
Agenda 21-Prozesse unterscheiden sich von anderen Politikprozessen auf lokaler Ebene: Expliziter Bezug auf Kapitel 28 der Agenda 21Expliziter Bezug auf.
Begleiter auf dem Weg nach Westen Deutsche und nordische Baltikumpolitik zwischen 1991 und 2004.
Den Menschen Hoffnung geben Wo Kirche lebendig wird.
IB-Theorie-Test Name: 1 .
Politische Partizipation im Kontext von Armut und Klimawandel Eine neue Perspektive Vortrag zur Konferenz Klimawandel als Herausforderung für.
- Soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen eines nachhaltigen Energiekonsums in Wohngebäuden Allgemeine Hypothesen zu den Determinanten.
Besonderheiten des 2. Vorschlags
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Tutorien Mo.12-14Zeljo BranovicIhne 22/E2 Mo.12-14Silke LodeIhne 22/UG2 Mo.12-14Simon SottsasOEI 301 Di.14-16Harald.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Einführung in die Internationalen Beziehungen Internationale Beziehungen und Internationale Politik Internationale.
Vorlesung: Mediennutzung und Medienwirkung
Corporate Citizenship – Teil 1
9. Jan: Klassen und Schichten
2. Das Stichwort der 90er Jahre: Globalisierung
Vorlesung: Einführung in die Soziologie – WS 2009/10 Prof. Dr
Vorlesung Geschichte der Volkswirtschaftslehre
II. Was ist Christliche Sozialethik?
Theorie soziotechnischer Systeme – 11 Thomas Herrmann Informatik und Gesellschaft FB Informatik Universität Dortmund iundg.cs.uni-dortmund.de.
HCI – Tätigkeits Theorie (Activity Theory)
Grundkurs praktische Philosophie 10
Theorie soziotechnischer Systeme – 12 Thomas Herrmann Informatik und Gesellschaft FB Informatik Universität Dortmund iundg.cs.uni-dortmund.de.
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Kapitel 1: Eine Einführung Kapitel 1 Einführung Einleitung
Sozialpolitik.
Problem des Kaliningrad Gebietes nach der EU Osterweiterung Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga.
PI Labour Economics Silvia Rocha-Akis.
Daseinsvorsorge als globale Herausforderung. Rosa-Luxemburg-Stiftung politökonomische Perspektive die allgemeinen Produktionsbedingungen des.
Feministische Politik als Engagement für Gerechtigkeit
Willkommen Welcome Bienvenido
«Vorhang auf!» Einstieg in die Kapital-Lektüre mit PolyluxMarx
Kapitel 1 Einleitung Originale (englisch) von Iordanis Petsas
Clean Capitalism? Die Inwertsetzung der Natur als Krisenstrategie Tagung Neoliberalismus – Krisenfolgen – Machtverhältnisse Graz, Markus Wissen.
Science und Gender Hat die Wissenschaft ein Geschlecht?
Anthony Giddens Die demokratische Familie Der Dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie, Frankfurt/M., 1999, S
EMPIRISCH- KRITISCH- HISTORISCHER ANSATZ
Annahmen historisch-materialistischer Theorie(n)
Vorbemerkung: Institution / Organisation Regimetheorie
Chancengerechtigkeit im Bildungssystem
Urban Audit und Indikatoren der regionalen Disparitäten
Kapitel 10. Feminismus Begriffliches Ideologische Grundlagen
Ergänzung Neo-Liberalismus
MUSEALISIERUNG VON MIGRATION Annäherung an eine Aushandlung gesellschaftlicher Praxis.
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Bewegungen und Staat im globalen Raum – Ulrich Brand – Berlin Handlungsspielräume für emanzipative Bewegungen, alternative Konzepte und Staat.
Wie mitmachen in der sozialdemokratischen NGO? Präsentation, 13. Oktober 2011.
„Dem Wert auf der Spur…“ Karl Marx‘ Das Kapital - Erster Band
Transformationsforschung: Neoinstitutionalismus
Theorien der Internationalen Beziehungen
Zwei Themenkreise Top down: Validierung von Bildungsleistungen bzw. "andere Qualifikationsverfahren" (aQV: BBG, Art. 33), meist kombiniert mit Nachholbildung.
Theorie des Neoliberalismus
VO Internationale Politik: Univ. -Prof. Dr
Feministische Politik als Engagement für Gerechtigkeit Vortrag am 25. Oktober 2005 im Rahmen der Ringvorlesung: Die Lust der Veränderung: Feminismus als.
Internationaler Frauentag 2007 Feministische Politik als Engagement für Gerechtigkeit.
Dr. Petra Bendel Vorlesung: Einführung in die Politische Wissenschaft Vorlesungsteil Internationale Politik II: Empirischer.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Grundlagen der Internationalen Beziehungen
Die Krise der Demokratie Chancen und Auswege SPD Blumberg
SE: Sicherheitspolitik nach dem Ost-West-Konflikt
VO Internationale Politik: Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand Benjamin Opratko (Studienassistent) Herzlich Willkommen! Vorstellung Programm im Wintersemester.
Feministische Internationale Beziehungen Imperialismustheorie
Tutorium Inhalte heute  Organisatorisches  Einführung in postmoderne Ansätze in den Internationalen Beziehungen.
Kann Politik ehrlich sein? D‘ Sunne schiint für alli Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
"Und wieso macht du das?" Wie kommen Antike, Mittelalter und Frühe Neuzeit aus der Revanzfalle?
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
Internationales/Europa Horst Mund Gewerkschaften und Globalisierung.
Folie 1 Kulturelle Vielfalt: eine ethische Reflexion Peter Schaber (Universität Zürich)
 Präsentation transkript:

Theorien Internationaler Politik (3): Theorien Internationaler Politischer Ökonomie VO Internationale Politik (Prof. Brand), 7.1.2008 was bedeutet Internationale Politische Ökonomie? Theorie 1: Gramsci, Neo-Gramscianische IPÖ Theorie 2: S. Strange – Theorie der strukturalen Macht Café-Haus  Basistexte: zwei Mal Hans-Jürgen Bieling, Text von Bieler/Morton

Allgemein: was bedeutet IPÖ? „alte“ Theorie: A.Smith, D.Ricardo, F.List, K.Marx. J.M.Keynes nach 2. Weltkrieg in Defensive durch Dominanz des Ost-West-Denkens  „Sicherheit“ Renaissance in 1970ern: durch Umbrüche in Weltwirtschaft, Realismus mit Staatszentrismus nicht ausreichend Konsense der „doppelten Verflochtenheit“: (a) Politik (Staat, int. Institutionen; Souveränität nach innen und außen) und kap. Ökonomie (Produktion, Austausch, Verteilung; Privateigentum Produktionsmittel, Warenproduktion, Lohnarbeit, Geld- und Finanzsystem) (b) nationale – internationale/transnationale Ebene IPÖ spricht eher von „Krisen“ statt von „Problemen“ (fast) Konsens, dass Akteure und Handlungsrahmen (Strukturen) analysiert werden müssen; dass Macht und Herrschaft wichtig sind viele Ansätze: Rolle von Gesellschaft, (transnationaler) Öffentlichkeit

Antonio Gramsci (1891-1937) Mitbegründer der KP Italiens, schrieb seine „Gefängnishefte“ im faschistischen Gefängnis Fragen u.a.: warum eine Oktoberrevolution im Westen nicht möglich? warum breite Unterstützung für italienischen Faschismus? zentrale Thesen: Macht und Herrschaft in modernen Gesellschaften nicht nur von Staat und Kapital, sondern in Zivilgesellschaft („integraler Staat“) Hegemonie: Herrschaft hat Konsenselemente: herrschende Klassen üben Führung aus, Zwangselemente treten zurück Hegemonie hat ökonomisch-materielle, politische und ideologische Dimensionen Konsense / hegemoniale gesellschaftliche Orientierungen werden von Intellektuellen ausgearbeitet kapitalistischer Staat nicht einfach gegeben, sondern formt sich historisch-spezifisch aus, je nach Traditionen, Kräfteverhältnissen

historischer Block (Gramsci) relative hegemoniale Einheit („organische Kohäsion“) von Herrschern und Beherrschten, v.a. Klassen Ideen/Orientierungen (inkl. Wünsche, Sexualität) breit geteilt in Gesellschaft, von Intellektuellen erzeugt und reproduziert („Krone“) dynamische Produktion/kapitalistischer Expansion funktionierende und akzeptierte Politik/Staat Konsense in Zivilgesellschaft über „die Verhältnisse“, Alltag, Öffentlichkeit, auch Produktions- und Arbeitsverhältnisse damit entstehen gesellschaftlicher Konsens und Dynamik  Gesellschaft ist sich weitgehend einig („Amerikanismus und Fordismus“) – nicht für immer, nur best. Zeit

Gramsci und internationale Verhältnisse Anfang der 1980er Jahre: Robert W. Cox, York Uni Toronto, vormals Forschungsleiter bei der ILO Gegenentwurf zum damals vorherrschenden Realismus – Morgenthau; zu Kindleberger: es bedarf immer eines Hegemon, der die Regeln entwickelt und sichert es geht nicht nur um Staaten, Macht, Sicherheitsfragen; Nullsummenspiel; Wirtschaftsfragen anders stellen zentral in IP für Cox nicht Staaten, sondern soziale Kräfte (v.a. Klassen) zwei Ebenen: Strukturen und Handlungsebenen, entlang derer soziale Kräfte konstituiert sind und handeln

erste Ebene hegemonialer Strukturen soziale Produktionsbeziehungen: Produktion von Gütern und Dienstleistungen, aber auch Voraussetzungen: Wissen, Institutionen, Normen; Klassenbeziehungen Staaten: Verknüpfung von (nationalen) Staaten und Gesellschaften; hier entstehen historische Blöcke (Cox) Weltordnungen: Expansion und Universalisierung von überlegenen Normen, Regeln, Produktionsmustern; WO hat einen glaubwürdigen, attraktiven und universellen Charakter Hegemonie entsteht entlang dieser drei Dimensionen, in den verschiedenen Gesellschaften unterschiedlich und international abgesichert --- es kann auch in einzelnen Gesellschaften Krisen geben; es muss nicht Hegemonie entstehen! Cox´ Beispiel der Pax Americana

Zweitens: Handlungsebenen Materielle Kapazitäten: auf welche Ressourcen können Akteure zurückgreifen, um zu handeln Institutionen: Formen der Konfliktregulierung, um Kohäsion und Hegemonie zu sichern Ideen: breit geteilte Orientierungen und Denkweisen  damit kann analysiert werden, dass und wie einerseits verschiedene soziale Kräfte ihre Interessen und Normen verfolgen, andererseits das aber immer schon unter bestehenden Bedingungen geschieht

wichtige Kritiken und Forschungsfragen top down und Elitenfixierung; zu wenig: Beherrschte und Widerstand analysiert Staat tendenziell Instrument des Kapitals Bsp. für wichtige Kontroverse Cox: Hegemonie von nationalem Staat-Gesellschaft-Komplex ausgehend (GB, USA), dann internationalisiert Gill: Hegemonie durch transnationale Kapitalfraktion, hegemonialer Staat nicht entscheidend

Fragen?

Susan Strange Journalistin, lehrte später an der London School of Economics and Political Science (LSE); Hauptwerke „Casino Capitalism“ (1986) und „States and Markets“ (1988) auch gegen (neo-)realistische Ansätze wenn Ökonomie thematisiert, dann als (staatliche) Wirtschaftspolitik und nicht eigenständiges Handeln/Macht von Unternehmen damit können sozio-ökonomische Veränderungen nicht begriffen werden

wichtig: Machtbegriff Macht ist keine Eigenschaft, sondern ein Verhältnis neben relationaler Macht (AB): strukturale Macht, also die Machtstrukturen, die sich im Handeln herstellen, sich aber verfestigen These: funktionale Macht wird wichtiger seit 1970er Jahren in ipÖ statt territoriale Macht – Kampf um Weltmarktanteile und Produktivitätsressourcen

Strange – strukturaler Machtbegriff (2) primäre Machtquellen (national und international): Sicherheit: wer kann schützen und Gefahren abwehren Produktion: eng an Cox – machtförmige Produktion von Waren, Distribution, Lohnarbeit Finanzierung: wer stellt Kredite bereit, kontrolliert Funktionsweise und Entwicklung der Ökonomie? Wissen: geteilte Orientierungen, Technologie, Bildung, Medien, Sprache sekundäre Machtquellen: Transport, Handel, Energie, Organisierung von Wohlfahrt  analytisch interessant: wie entstehen diese Machtquellen, wer agiert unter ihnen besser als andere?

Fragen?

Café-Haus 1) Versuchen Sie, die Cox´schen Dimensionen auf die Pax Americana („Fordismus“) der Nachkriegszeit zu beziehen a) wie können wir uns das vorstellen? hegemoniale soziale Produktionsbeziehungen, Staatsformen, Weltordnung  machen Sie sich das an Beispielen klar: Produktion, Rolle der Gewerkschaften, Familie, Wohlfahrtsstaat, Rolle USA; IWF/Weltbank b) wie bezüglich: materieller Kapazitäten, Institutionen und Ideen  Beispiele: Unternehmen, Korporatismus, Fortschritt 2) Strukturale Macht bei Strange: Produktion, Finanz, Wissen, Sicherheit  was ist heute besonders wichtig? 3) war aus einer IPÖ-Perspektive funktionale Macht (Kampf um Weltmarktanteile und Produktivitätsressourcen) nicht schon immer wichtiger als territoriale Macht

relevante Texte für Klausur Klausur dauert 45 Minuten: Wissen und Argumentieren TEXTE Gestaltung der Globalisierung: Messner und Brand Probleme: feministisch/Wichterich, ökologisch/Scholz, Kritik der Globalisierung/Leggewie (zwei der drei Texte) österreichische Außenpolitik – H.Kramer vom 19. Nov. alle Texte zu Theorien vom 10./17. Dezember und 7. Jänner eine Zusatzfrage für Pluspunkte zum Vortrag des türkischen Botschafters

Vortrag des Botschafters der Türkei Herr Botschafter Selim Yenel nächste Woche Vortrag des Botschafters der Türkei Herr Botschafter Selim Yenel Turkish-European Relations – Developments and Perspectives vorbereitender Text auf website bis kommende Woche!