Examensklausurenkurs SS 19 Prof. Dr. Till Zimmermann

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Examensklausurenkurs SS 19 Prof. Dr. Till Zimmermann Examensklausur vom 08.05.2019 Examensklausurenkurs SS 19 Prof. Dr. Till Zimmermann Prof. Dr. Till Zimmermann

Statistik 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 2 4 19 9 8 7 6 1 Teilnehmer: 76 -Punktzahl: 5,34 Punkte Misserfolgsquote: 32, 89 % Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe A: Sachverhalt Der Juwelier J aus Wunsiedel, dessen Geschäfte schlecht laufen, befindet sich in chronischer Finanznot. Er beschließt deshalb, den Gastwirt G in dessen einsam gelegener Gaststätte in einem zur Ortschaft Kirchenlamitz gehörenden Weiler zu überfallen. J hat es dabei auf die wertvolle Goldkette abgesehen, die er an G schon mehrfach bemerkt hat. Da J jedoch ein ängstlicher Mensch ist, beschließt er, auf der Fahrt mit seinem Pkw von Wunsiedel in die etwa 20 Kilometer entfernte Ortschaft Kirchenlamitz seinen Freund F als Begleiter mitzunehmen. Er bittet ihn deshalb eines Abends, mit ihm nach Kirchenlamitz zu fahren, ohne ihn zunächst über den wahren Zweck der Fahrt zu unterrichten. Erst als sie sich kurz vor Kirchenlamitz befinden, informiert J seinen Beifahrer F, dass er G um dessen Schmuck „erleichtern“ wolle, wobei er vorhabe, G notfalls unter Vorhaltung des von ihm – J – mitgeführten Taschenmessers gefügig zu machen. Er sei froh, dass F mitfahre, weil er sich nur so sicher fühle. In die Gaststätte selbst werde er aber allein gehen. F ist bestürzt und äußert sich dazu nicht. Er überlegt zunächst, ob er nicht die Polizei oder zumindest den ihm bekannten Gastwirt G informieren müsse, um die Tat zu verhindern. Sogleich bemerkt F aber, dass er sein Mobiltelefon vergessen hat, sodass er ohnehin keine Möglichkeit sieht, dies zu realisieren.   Als J und F an der Gaststätte des G ankommen, steigt J aus und eilt in den Gastraum. Auch jetzt sieht F davon ab, den G zu warnen, zumal er der Meinung ist, dass er durch eine solche Warnung ohnehin die Tatausführung durch J nicht mehr verhindern könne. Da F jedoch unbedingt wissen will, was in der Gaststätte vor sich geht, schleicht er sich zu dem Gebäude und beobachtet das Geschehen unbemerkt durch ein Fenster.   In der Gaststätte ist bis zum Hereineilen des J nur G anwesend. J tritt auf ihn zu, zieht sodann sein Taschenmesser, klappt es auf und hält die etwa acht Zentimeter lange Klinge in einer Entfernung von circa 20 Zentimetern vor Gs Brust. Dabei fordert er ihn auf, ihm seine Goldkette auszuhändigen. G gibt völlig eingeschüchtert zu verstehen, dass er heute ausnahmsweise den Schmuck nicht trage, sondern in seinem Tresor aufbewahre. Der mittlerweile leicht in Panik geratene J schreit daraufhin G an, er solle augenblicklich den Tresor öffnen und ihm die Goldkette, die einen Wert von 5.000,- € hat, schleunigst aushändigen; er zögere auch nicht, ihn „abzustechen“. Während der von der Skrupellosigkeit des J entsetzte F die Sache nicht mehr mit ansehen will und in den Pkw zurückeilt, öffnet G aus Angst um sein Leben das Zahlenschloss seines Tresors, nimmt die Goldkette heraus und überreicht sie J. Dieser rennt daraufhin mit der Kette nach draußen, springt in seinen Pkw und fährt nach Hause. Sowohl J als auch F sind aufgrund der Geschehnisse derart verstört, dass sie während der Heimfahrt kein Wort miteinander wechseln.   Am nächsten Tag veräußert J in seinem Juweliergeschäft an den Kunden K, der nichts von der Herkunft der Goldkette ahnt, diese für 5.000,- €. Am Abend zeigt J den vereinnahmten Geldbetrag – zehn 500-Euro-Scheine –, bei dem es sich um die einzigen Tageseinnahmen handelt, dem F, als dieser zu Besuch kommt. Voller Stolz erklärt J, dass es sich hierbei um den Erlös aus der Veräußerung der von G erlangten Goldkette handele. Mit dem vereinnahmten Geldbetrag wolle er sich einen schönen Urlaub gönnen.   F, der seinem Freund J vor zwei Jahren ein zinsloses Darlehen in Höhe von 5.000,- € für die Dauer von einem Jahr gewährt und seitdem mehrfach vergebens von J die Rückzahlung verlangt hat, ist aufgrund dieser Dreistigkeit des J empört. In der Überzeugung, ein Recht auf die 5.000,- € in der Kasse zu haben und deshalb nichts Rechtswidriges zu verlangen, fordert er J deshalb auf, ihm sofort das Geld zu geben, um seine Darlehensschuld endlich zu tilgen. J weigert sich zunächst, der Forderung von F nachzukommen. Deshalb erklärt F, dass er J bei der Polizei wegen der gestrigen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Erlangung der Goldkette anzeigen werde, falls er ihm nicht sofort das Geld aushändige. J ist aufgrund dessen sehr aufgebracht, sieht aber im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Strafanzeige keinen anderen Ausweg, als F das Geld zu überlassen.  Zu Teil 1: Wie haben sich die Beteiligten nach dem Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht? Eine eventuelle Strafbarkeit des K ist nicht zu prüfen. §§ 123, 261 StGB bleibt bei der Bearbeitung außer Betracht. I II III Prof. Dr. Till Zimmermann

Gedankenschritte bei Vermögensdelikten: Wo liegt der Schwerpunkt? Aufgabe 1: Lösung Gedankenschritte bei Vermögensdelikten: Wo liegt der Schwerpunkt? Wurde Gewalt oder Drohung eingesetzt? Ja nein Liegt nach beiden Ansichten eine Wegnahme vor? §§ 242 ff. / §§ 263 ff. Gewalt, d.h. körperlich wirkender Zwang, käme hier allenfalls in Betracht, wenn es bei G infolge des Vorhaltens des aufgeklappten Taschenmessers zu einer körperlichen Schreckreaktion gekommen wäre. Diesbezüglich enthält der Sachverhalt jedoch keine Angaben. Drohung: hM genügt es, dass sie den Anschein der Ernstlichkeit erwecken Ja nein § 249 ff., Dann §§ 253, 255 anprüfen Liegt nach beiden Ansichten keine Wegnahme vor? Ja Nein/unterschiedliche Ergebnisse §§ 253, 255 §§ 249; 253,255 Bsp.: Opfer gibt Sache ohne Wahlmöglichkeit heraus; Täter hat aber keine Zueignungsabsicht BGH: § 249 (-), §§ 253, 255 (+) Lit.: § 249 (-), §§ 253, 255 (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Tatkomplex: Die Erlangung der Goldkette Strafbarkeit des J gem. §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Qualifizierendes Nötigungsmittel Gewalt (-) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Drohung: Das auf Einschüchterung des Opfers gerichtete Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Hier: (+) Gegenwärtige Gefahr (+) Nötigungserfolg Problem: H/D/U oder Vermögensverfügung? Gewalt, d.h. körperlich wirkender Zwang, käme hier allenfalls in Betracht, wenn es bei G infolge des Vorhaltens des aufgeklappten Taschenmessers zu einer körperlichen Schreckreaktion gekommen wäre. Diesbezüglich enthält der Sachverhalt jedoch keine Angaben. Drohung: hM genügt es, dass sie den Anschein der Ernstlichkeit erwecken Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Prof. Dr. Till Zimmermann Rechtsprechung: H/D/U § 249 = Spezialfall des § 255 Falls § 249 (+), dann § 255 (+) § 255 wird auf Konkurrenzebene verdrängt Maßgebliches Kriterium: Äußeres Erscheinungsbild! Täter nimmt die Sache weg: § 249 UND § 255 (+) Täter lässt sich die Sache geben: Nur § 255 StGB Literatur: Verfügungslehre/Theorie/Lösung Abgrenzung auf Tatbestandsebene Maßgebliches Kriterium: Innere Willensrichtung Täter nimmt die Sache weg: § 249 Täter lässt sich die Sache geben: Weitere Prüfung notwendig! Hat das Opfer eine Wahlmöglichkeit? Ja: Mitwirkung des Opfers ist erforderlich: § 255 Nein: Mitwirkung des Opfers ist nicht erforderlich: § 249 Streitentscheid Nicht notwendig, da nach in beiden Fällen nur § 255 vorliegt! Entscheidend ist dabei die innere Willensrichtung beim Genötigten. Eine räuberische Erpressung und kein Raub liegt danach vor, wenn das Opfer eine Vermögensverfügung in Form einer willentlichen Gewahrsamsübertragung vornimmt. Für die Lit.: §§ 253, 255 = Selbstschädigungsdelikte, § 249 ohne praktischen Anwendungsbereich Für die Rspr.: Wortlaut; Privilegierung des Täters ohne Zueignungsabsicht aber mit vis absoluta Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Exkurs: Falls ein Streitentscheid notwendig wäre Argumente für die Rechtsprechung Wortlaut der Norm Gewaltbegriff Vis absoluta ist nach der Verfügungstheorie der Lehre im Rahmen von § 255 StGB ausgeschlossen § 255 erfasst nur die vis compulsiva Differenzierung zu §§ 240, 249 StGB nicht nachvollziehbar Praxistauglicher Argumente für die Literatur Gegen das Wortlautargument der Rechtsprechung: § 263 StGB Privilegierung der Gebrauchsanmaßung wird unterlaufen Das TBM der Zueignungsabsicht wird umgangen; § 248b StGB wird ausgehöhlt Wertungsmäßig unbillig; Täter ohne Zueignungsabsicht ≠ „gleich einem Räuber“ Gesetzessystematik § 249 StGB = Fremdschädigungsdelikt §§ 253 ff. StGB = Selbstschädigungsdelikte Entscheidend ist dabei die innere Willensrichtung beim Genötigten. Eine räuberische Erpressung und kein Raub liegt danach vor, wenn das Opfer eine Vermögensverfügung in Form einer willentlichen Gewahrsamsübertragung vornimmt. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung c. Vermögensschädigung = Vermögensschaden Hier: Besitz an der Kette; (+) d. Qualifikation (§ 250 StGB) § 250 II Nr. 1 Alt. 1 StGB: Waffe verwendet Gegenstand, der seiner Konstruktion nach generell dazu geeignet und bestimmt ist, auf mechanischem oder chemischem Weg erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Hier: (-); Taschenmesser = üblicher Gebrauchsgegenstand § 250 II Nr. 1 Alt. 1 StGB: Anderes gefährliches Werkzeug verwendet Realisierung der Drohung muss durch den Einsatz des Werkzeugs objektiv möglich sein und zu erheblichen Verletzungen führen könne. Hier: (+) Verwenden = Opfer muss den Gegenstand und die Androhung seines Einsatzes erkennen. Werkzeugbegriff des Absatz 2 ist weiter als bei Absatz 1! Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung 2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz (+) Bereicherungsabsicht Rechtswidrigkeit der Bereicherungsabsicht II. Rechtswidrigkeit Verwerflichkeit (+), da § 250 II Nr. 1 Alt. 2 (+) III. Schuld IV. Ergebnis (+) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung B. Strafbarkeit des J gem. § 240 I,II StGB C. Strafbarkeit des J gem. § 241 I StGB D. Strafbarkeit des J gem. § 246 I StGB Verbrechen ( § 241 StGB) = §§ 212 I, 211, 12 I StGB) Sich bemächtigen: In-Schach-Halten genügt 246 tritt als subsidiär hinter §§ 253, 255, 250 zurück Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung E. Strafbarkeit des J gem. § 239a StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Sich bemächtigen Begründung einer physischen Herrschaft über das Opfer Hier: Bedrohung durch das Taschenmesser (+) Eines anderen Menschen Zwei-Personen-Verhältnis Bemächtigungsopfer und Erpressungsopfer können identisch sein Exkurs: Anders bei § 239b StGB Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Problem: Restriktive Auslegung! Hintergrund: Hohe Strafandrohung + Verhältnis zu § 239 StGB H.M.: Unvollkommenes zweiaktiges Delikt Die durch das Sich-Bemächtigen geschaffene Zwangslage Zu einer weiteren Nötigung 2 Notwendige Handlungen Funktionaler Zusammenhang zwischen 1) und 2) notw. 1) muss eigenständige Bedeutung innehaben (=stabile Zwischenlage) Hier: (-); 1) und 2) fallen zusammen II. Ergebnis (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung F. Strafbarkeit des F gem. §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1 Alt. 2, 27 StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Vorsätzliche rechtwidrige Haupttat (+), siehe oben Hilfe leisten Jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert, ohne das sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Hier: Womöglich psychische Beihilfe Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Prof. Dr. Till Zimmermann Problem: Anknüpfungspunkt? Einsteigen Grunds. möglich (+) Sitzenbleiben im Auto (-), da reines passives Verhalten Durch Unterlassen (-), da Garantenstellung evident (-) Bloße Anwesenheit Beobachten (-), da J dies nicht mitbekommt. 5) Einsteigen + Rückfahrt 1. Problem: Sukzessive Beihilfe 2. Problem: keine Förderung erkennbar Ergebnis: Nur das Einsteigen kann eine taugliche Hilfeleistung darstellen. Prof. Dr. Till Zimmermann

Falls Hilfeleisten (+) Aufgabe 1: Lösung Falls Hilfeleisten (+) 2. Subjektiver Tatbestand Doppelter Gehilfenvorsatz notwendig! Sofern Hilfeleistung = einsteigen (1): (-), da keinen Kenntnis! Sofern Hilfeleistung = Rückfahrt (5) F ist von G entsetzt F zieht sich im Auto zurück Vorsatz zur Förderung (-) II. Ergebnis (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung G. Strafbarkeit des F gem. § 138 I Nr. 7 StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Anzeigepflichtig Jedermann (Ausnahme: Beteiligter) Katalogtat § 138 I Nr. 7 Ausführung der Katalogtat ist noch abwendbar Unterlassen Problem: Hatte F eine Handlungsalternative die die Strafbarkeit entfallen lässt? Hier: Die Katalogtat ist durch eine Anzeige des F nicht mehr zu verhindern (-) Ergebnis (-) Im Auto (-), kein Mobiltelefon An der Gaststätte (-), da gleichzeitiges Erscheinen Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Prof. Dr. Till Zimmermann H. Strafbarkeit des F gem. § 323c StGB Tatbestand des § 323c StGB Objektiver Tatbestand Tatsituation Unglücksfall = jedes plötzlich eintretende Ereignis, bei dem die unmittelbare Gefahr eines erheblichen Schadens für Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert besteht. Unterlassene Hilfeleistung Erforderlichkeit Ex ante-Perspektive eines objektiven Dritten Erforderlich ist die Hilfe, die notwendig ist, um den drohenden Schaden abzuwenden bzw. – falls dies nicht anders möglich ist – zumindest abzumildern. Hier: Wohl (+); J fühlt sich nur durch die Begleitung des F sicher mind. abschwächen möglich Zumutbarkeit (+/-); eher unzumutbar 2. Subjektiver Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Ergebnis (+/-) Zumutbarkeit (+): J und F sind befreundet; J fühlt sich nur durch F sicher Zumutbarkeit (-): J ist erheblich nervös; J ist bewaffnet Ggf. Abwägung widerstreitender Interessen prüfen (sofern die Zumutbarkeit bejaht wurde) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung I. Ergebnis des 1. Tatkomplexes Strafbarkeit des J §§ 253 I, 255, 250 II, Nr. 1 Alt. 2 § 240 I (+); wird im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) verdrängt. § 241 I (+); wird im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) verdrängt. § 246 I,II (-); Subsidiaritätsklausel des § 246 I StGB Strafbarkeit des F F ist straflos (a.A. vertretbar) Prof. Dr. Till Zimmermann

Exkurs – Konkurrenzen Tateinheit: § 52 StGB (Idealkonkurrenz) Tatmehrheit: § 53 StGB (Realkonkurrenz) Schritt: Handlungseinheit? a. Handlung im natürlichen Sinne Ein Entschluss + Eine Handlung Bsp.: A zündet eine Bombe, wodurch mehrere Menschen sterben Natürliche Handlungseinheit Ein Einheitlicher Entschluss + mehrere Handlungen. Bsp.: A entwendet bei einem Diebstahl (§ 242) nacheinander mehrere Sachen. c. Juristische Handlungseinheit 4 Fallgruppen aa. Mehraktige & zusammengesetzte Delikte bb. Dauerdelikte cc. Klammerwirkung Schritt: Handlungsmehrheit? (+) falls Handlungseinheit (-) 2. Schritt: Gesetzeskonkurrenz („unechte Konkurrenz“) Subsidiarität Spezialität Konsumtion Falls eins (+): „TB tritt im Wege der Subsidiarität/ Spezialität/ Konsumtion zurück“ Falls alle drei (-), weiter zu Schritt drei 2. Schritt: Mitbestrafte Vortat Mitbestrafte Nachtat Fall eins (+): „TB tritt als mitbestrafte Vortat/Nachtat zurück“ Falls beide (-), weiter zu Schritt 3 Schritt: § 52 StGB (+) = nur nach dem Delikt mit dem höchsten Strafrahmen wird bestraft Schritt: § 53 StGB (+) = Es wird eine Gesamtstrafe gebildet Spezialität: Ein Tatbestand enthält notwendigerweise einen anderen Tatbestand und hat mindestens ein zusätzliches Merkmal (z.B. Qualifikationen) Subsidiarität: Hier wird der Tatbestand aus Wertungsgründen verdrängt. Z.B. § 316 StGB, soweit § 315c I StGB vorliegt. Oder Körperverletzung als Durchgangsdelikt ist subsidiär zum Totschlag. Konsumtion: Ein Tatbestand wird regelmäßig, aber nicht notwendigerweise „mitverwirklicht“, hier berücksichtigt der Strafrahmen des „Haupttatbestandes“ bereits, dass regelmäßig der „Hilfstatbestand“ mitverwirklicht wird (z.B. § 123 StGB und § 243 StGB (str.)) Mitbestrafte Vortat: z.B. § 30 I StGB Mitbestrafte Nachtat: z.B. § 259 StGB zu § 242 StGB Vertiefungsvorschlag: Jura 2000, 598ff. & 651ff. (Geppert) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung 2. Tatkomplex: Die Veräußerung der Goldkette Strafbarkeit des J gem. § 263 I StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Täuschung Bewusst irreführende Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen Hier: Konkludente Täuschung? Auslegung: Objektiver Empfängerhorizont + Verkehrsauffassung Hier: Eingang einer vertraglichen Verpflichtung = zur Erfüllung fähig und willens (konkludent) Problem: War J zur Erfüllung fähig? Hier: Eigentumsverschaffung an der Sache § 929 S. 1 BGB (-), da J ≠ Eigentümer §§ 929 S.1, 932 I S.1 BGB (-), da § 935 I S.1 BGB Zwischenergebnis: (-) Konkludente Täuschung (+) Das Abhandenkommen einer durch Drohung veranlasste Übergabe ist umstritten! Hier jedoch (+), da evidenter unfreiwilliger Besitzverlust (unter Einsatz des Messers) Erfüllungsfähigkeit = Tatsache Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Prof. Dr. Till Zimmermann Irrtum (+) Jede Fehlvorstellung über Tatsachen Vermögensverfügung Jedes H/D/U, welches unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. Hier: Zahlung des Kaufpreises Schaden Ein Schaden liegt vor, wenn der Wert des Vermögens nach der Vermögensverfügung gegenüber dem Wert vor der Verfügung einen negativen Saldo aufweist (Gesamtsaldierung). Hier: 5.000 € gezahlt; lediglich Besitz an der Kette erlangt. Schaden (+) 2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz gem. § 15 StGB (+) Rechtwidrigkeit der stoffgleichen Bereicherungsabsicht (+) II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Ergebnis (+) Da K hier gerade nicht gutgläubig das Eigentum an der Kette erlangt hat, wäre es verfehlt, an dieser Stelle die Makeltheorie zu diskutieren. Die Makeltheorie wird nur relevant, wenn es zu einem gutgläubigen Eigentumserwerb gekommen ist und sich die Frage stellt, ob das Erworbene wegen eines sittlichen Makels wirtschaftlich weniger wert ist. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung B. Strafbarkeit des J gem. § 246 I StGB (durch die Veräußerung) Tatbestand Objektiver Tatbestand Taugliches Tatobjekt (+) Rechtwidrige Zueignung Zueignung beutetet, zu mindestens vorübergehend Eigenbesitz zu begründen und dem Eigentümer auf Dauer den ihm zustehenden Besitz vorzuenthalten. Zueignung muss sich äußerlich erkennbar darstellen (Manifestation des Zueignungswillens) Problem: Wiederholte Zueignung H.L.: (+); Lösung auf Konkurrenzebene Rspr.: (-); 2. Zueignung = Ausfluss der bereits erfolgten Zueignung Rspr. (+); fall h.L. (+) greift die Subsidiaritätsvorschrift des § 246 I (da § 263 I (+)) II. Ergebnis (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung 3. Tatkomplex: Die Erlangung des Geldes durch F Strafbarkeit des F gem. § 253 I StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Nötigungshandlung Drohung mit einem empfindlichen Übel Hier: Drohung mit erlaubtem Verhalten (+), da Strafverfolgung und Bestrafung = erhebliche Beeinträchtigung für J Nötigungserfolg Jedes H/D/U Hier: (+), sogar in Form einer Vermögensverfügung Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung c. Vermögensschaden Ein Schaden liegt vor, wenn der Wert des Vermögens nach der Vermögensverfügung gegenüber dem Wert vor der Verfügung einen negativen Saldo aufweist (Gesamtsaldierung). Hier: 5.000 € (-), jedoch womöglich kompensiert? Befreiung der Verbindlichkeit gegen F? § 488 I S. 2 BGB durch Erfüllung gem. § 362 I BGB erloschen! Kompensation (+); Schaden (-) A.A.: Erfüllungswirkung (-), da unfreiwillig! Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Falls Schaden (+) II. Ergebnis (-) 2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz (+) Bereicherungsabsicht (+) Problem: Rechtswidrigkeit der Bereicherungsabsicht Rückzahlungsanspruch? E.A: Kein Anspruch auf gerade diesen Geldschein G.A.: Auswahlrecht des Schuldners bei Gattungsschulden (§ 243 I BGB) Da G.A (+); schützt § 253 StGB das Auswahlrecht des Schuldners? § 253 StGB = Vermögensschutz (≠ Eigentumsschutz; bspw.. bei § 242 StGB) (+/-) Falls der Vermögensschutz auch das Auswahlrecht umfasst: Besonderheit bei Geldschulden? Wertsummentheorie: Geld = Wertsummenträger; Auswahlrecht sinnlos; es bestehen keine qualitativen Unterschiede G.A. (wohl h.M.): Geldschulden = Gattungsschulden; Besonderheit bei Geldschulden (-) Falls „Besonderheiten bei Geldschulden“ (-): Irrtum des F? § 16 I S.1/ § 17 StGB Hier: F ist die zivilrechtliche Rechtslage, die die Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung begründen, nicht bewusst. Umstände der Tat = § 16 I S.1 Hier: Normatives Merkmal; Parallelwertung in der Laiensphäre; § 16 I S.1 StGB wohl (+) II. Ergebnis (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Exkurs/Vertiefung: Irrtumsdogmatik Vertiefungsvorschläge zur Irrtumsdogmatik Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 722 ff. http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2009_5_227.pdf Fehler in der Grafik: Ergebnis (-) ganz unten rechts. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung B. Strafbarkeit des F gem. § 240 I StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand (+) Nötigungshandlung Nötigungserfolg Subjektiver Tatbestand (+) II. Rechtswidrigkeit Problem: Verwerflichkeit (§ 240 II StGB) Zweck-Mittel-Relation Zweck: Durchsetzung Zivilrechtlicher Ansprüche Mittel: Drohung mit einer der Wahrheit entsprechenden Strafanzeige Aber: Innerer Zusammenhang fehlt! Kein Zusammenhang zwischen Anspruch und Strafanzeige! Verwerflichkeit (+) III. Schuld III. Ergebnis (+) Falls der Irrtum als Rechtsirrtum behandelt wird, ist dieser gem. § 17 StGB vermeidbar! Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung C. Strafbarkeit des F gem. § 259 I StGB Tatbestand Objektiver Tatbestand Tatobjekt Vortat Sache durch die Vortat erlangt Problem: Ersatzhehlerei Grund. (-) Geld = Surrogat für die Goldkette Aber: Geldschein auch durch weitere Vortat erlangt! Hier: Geldschein = neues taugliches Hehlerei-Objekt Sich verschaffen Übernahme der tatsächlichen, eigentümergleichen Verfügungsgewalt über die Sache zu eigenen Zwecken im Wege des abgeleiteten Erwerbs des Einvernehmens mit dem Vortäter Hier: Gegen den Willen – § 240 StGB (!) – des J Argumente: Systematik (Vergleich: Ankaufen/sich-verschaffen) II. Ergebnis (-) Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 1: Lösung Gesamtergebnis Strafbarkeit des J Strafbarkeit des F §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB § 263 I StGB Beides in Tatmehrheit gem. § 53 StGB Strafbarkeit des F § 323c StGB § 240 I StGB Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 2: SV Im gerichtlichen Verfahren gegen J, zu welchem es aufgrund der Anzeige des G kam, bestreitet J die Vorwürfe. In der Hauptverhandlung wird trotz des Widerspruchs des J ein von diesem stammender Brief an seinen Psychotherapeuten verlesen. Dieser Brief war noch nicht abgeschickt worden und wurde bei einer rechtmäßig angeordneten und ordnungsgemäß durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des J aufgefunden und sodann beschlagnahmt. J schildert in dem Brief detailliert, wie sehr seine finanziellen Probleme ihm psychisch zu schaffen machen, dass er deshalb unter Schlaf- und Essstörungen leide und dass er immer häufiger über illegale Wege nachdenke, die Geldsorgen loszuwerden. Ferner stießen die Polizeibeamten bei der Wohnungsdurchsuchung auf ein Tagebuch des J, in welchem er ebenfalls seine Empfindungen und Sorgen bezüglich seiner finanziellen Probleme niedergeschrieben hatte. Des Weiteren finden sich in dem Tagebuch eine Wegbeschreibung zur Gaststätte des G in Kirchenlamitz sowie Überlegungen zur Geeignetheit diverser Waffen und Werkzeuge im Rahmen eines "Überfalls". Gegen den Widerspruch des J verliest das Gericht sämtliche dieser Aufzeichnungen in der Hauptverhandlung. Sowohl der Inhalt des Briefes als auch der des Tagebuches werden im Urteil zu Lasten des J verwertet. Zu Teil 2: Durften der Inhalt des Briefes und des Tagebuches im Urteil Berücksichtigung finden? Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 2: Lösung Problem: Verstößt die Verwertung des Briefs und des Tagebuchs gegen Beweisverwertungsverbote? Verwertung des Briefs Grundsatz: Liegen Beweiserhebungsfehler vor, die zu selbstständigen oder unselbstständigen Beweisverwertungsverbot führen? Liegt ein Beschlagnahmeverbot vor? Falls (+), resultiert daraus ein Beweisverwertungsverbot? Hier womöglich: § 97 I Nr. 1 StPO i.V.m. § 53 I S. 1 Nr. 3 StPO Prof. Dr. Till Zimmermann

§ 97 Beschlagnahmeverbot StPO (Auszug) Aufgabe 2: Lösung § 97 Beschlagnahmeverbot StPO (Auszug) (1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht 1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen; …. (2) 1Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. 2Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 2: Lösung Ergebnis: Beweisverwertungsverbot (-) Hier : (-), Brief befand sich im Gewahrsam des Angeklagten! Verstoß gegen Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG ? Unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung betroffen? Keine Abwägung, falls Kernbereich betroffen! Hier: Intime Sorgen an den Psychotherapeuten (+): Besondere Ausnahmesituation des Betroffenen (-): Umkehrschluss aus § 97 II S.1 StPO; Gesetzgeber sieht gerade keine Unantastbarkeit und Schutzbedürftigkeit; finanzielle Sorgen eher geringeres Gewicht Hier: eher (-) Nur Privatsphäre betroffen; Abwägung? Persönlichkeitsrecht – Strafverfolgungsinteresse Hier: Besonders schwere Straftat des vorgeworfenen Delikts! Strafverfolgungsinteresse wiegt stärker Verwertbarkeit (+) Ergebnis: Beweisverwertungsverbot (-) Im Rahmen der Abwägung ist ein anderes Ergebnis gut vertretbar. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 2: Lösung Ergebnis: Beweisverwertungsverbot (-) B. Verwertung des Tagebuchs Verstoß gegen Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG ? Unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung betroffen? Keine Abwägung, falls Kernbereich betroffen! Hier: Tagebucheintrag über finanzielle Sorgen + Tatplanung BGH: Einzelfallentscheidung! Sachliche Beschreibungen = abwägungsoffene Privatsphäre Neigungen, Phantasien = Intimsphäre/Kernbereich Hier: eher (-) G.A.: Tagebucheinträge gehören immer zur abwägungsoffenen Privatsphäre! Niederschrift von Gedanken = Entlassung aus dem Innenbereich Dritte nun mit Möglichkeit der Kenntnisnahme ohne zwingende Notwendigkeit Abwägung: Aufzeichnungen zum Großteil eher nicht intim; hohes Interesse der Strafverfolgung (schwere Tat) Ergebnis: Beweisverwertungsverbot (-) Im Rahmen der Abwägung ist ein anderes Ergebnis gut vertretbar. Prof. Dr. Till Zimmermann

Aufgabe 2: Lösung C. Endergebnis Sowohl der Brief, als auch das Tagebuch, durften im Urteil Berücksichtigt werden Im Rahmen der Abwägung ist ein anderes Ergebnis gut vertretbar. Prof. Dr. Till Zimmermann

Zusatz – „Klausurfinder“ der JuS https://rsw.beck.de/zeitschriften/j us/klausurfinder/fortgeschrittene/ strafrecht Im Rahmen der Abwägung ist ein anderes Ergebnis gut vertretbar. Prof. Dr. Till Zimmermann

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!!! Ende der Besprechung Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!!! Die Präsentation wird in der nächste Woche auf der Homepage der Professur zum Download bereit stehen. Prof. Dr. Till Zimmermann