Verwaltungsrecht - Besonderer Teil

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Verwaltungsrecht - Besonderer Teil Institut für Staats- und Verwaltungsrecht ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian M. PISKA Verwaltungsrecht - Besonderer Teil Versammlungsrecht

1 Themen #1 Kurzcharakteristik #2 Kompetenzgrundlagen #3 Grundrechtliche Bezüge #4 Völkerrechtliche Bezüge #5 Europarechtliche Bezüge #6 Versammlungsgesetz #7 Fallbeispiel

Versammlungsbehörden: Überwachungsfunktion Anzeige an Behörde 3 #1 Kurzcharakteristik Versammlungsrecht regelt Ausübung des Grundrechts Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG, Art 11 EMRK) – dieses garantiert kollektive Meinungskundgabe Versammlungsgesetz regelt Ausgleich zwischen Versammlungsfreiheit und entgegenstehenden berechtigten privaten und öffentlichen Interessen Versammlungsbehörden: Überwachungsfunktion Anzeige an Behörde Untersagung und Auflösung durch Behörde

#2 Kompetenzgrundlagen 4 #2 Kompetenzgrundlagen Versammlungsrecht – Art 10 (1) Z 7 B-VG Kompetenztatbestand „Vereins- und Versammlungsrecht“ Bildung und Durchführung von Versammlungen, Aufsichtsmaßnahmen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache Abgrenzung: Versammlung, die keine im verfassungsrechtlichen Sinn ist → oftmals Gegenstand des Veranstaltungswesens (Generalklausel Art 15 (1) B- VG - Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung) zB Angelegenheiten des „Theater- und Kinowesens“ (Art 15 (1) B-VG) öffentliche Schaustellung, Darbietung und Belustigung auf dieser Grundlage: Veranstaltungsgesetze der Länder

#3 Grundrechtliche Bezüge 5 #3 Grundrechtliche Bezüge Art 12 StGG Österr Staatsbürger haben Recht sich zu versammeln und Vereine zu bilden Beschluss der Prov. Nationalversammlung (StGBl 1918/3), Z 3 „ volle Vereins- und Versammlungsfreiheit ohne Unterschied des Geschlechts“ Art 11 (1) EMRK alle Menschen haben Recht sich friedlich zu versammeln und sich mit anderen zusammenzuschließen.

#3 Grundrechtliche Bezüge II 6 #3 Grundrechtliche Bezüge II Art 12 StGG: keine Legaldefinition in Art 12 StGG, durch VfGH entwickelt und für VersG maßgeblich („enger“ Versammlungsbegriff, weil enger als jener der EMRK) Ausübungsvorbehalt: Grundrecht nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im VersG gewährt Art 11 EMRK: alle Menschen haben Recht sich friedlich zu versammeln, weiter als jener des Art 12 StGG (auch erfasst: organisierte, einmalige Vereinigung mehrerer Menschen zu einem gemeinsamen Ziel an bestimmtem Ort, zB Festakt) materieller Ausübungsvorbehalt → Art 11 EMRK geht Art 12 StGG als günstigere Bestimmung vor (Art 53 EMRK)

#3 Grundrechtliche Bezüge III 7 #3 Grundrechtliche Bezüge III Recht auf Versammlungsfreiheit nach Art 12 StGG gewährleistet Freiheit sich zu versammeln und versammelt zu bleiben. auch Bestrafung wegen Übertretung des VersG kann Eingriff sein Aus Art 12 StGG und Z 3 des Beschlusses der Prov. Nationalversammlung → Rsp: Verbot des Konzessionssystem Versammlung darf nicht von vorhergehender Bewilligung abhängig sein Anzeigepflicht und Untersagung aber zulässig Untersagung und Auflösung nur unter Voraussetzungen des VersG und mat. Gesetzesvorbehalt in Art 11 (2) EMRK

#4 Völkerrechtliche Bezüge 8 #4 Völkerrechtliche Bezüge Art 9 StV Wien: Einschränkung verpflichtet Österreich zur Auflösung der NSDAP/aller Organisationen faschistischen Charakters; Verbot der Betätigung solcher Organisationen Art 4 Z 2 StV Wien verbietet jede Organisation die politische/wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland anstrebt VfGH: Art 9 und 4 StV Wien nicht unmittelbar anwendbar, aber als Auslegungsmaximen zu beachten – zB bei Untersagung von Versammlungen als staatsgefährlich und gesetzwidrig – in Rsp: schon wegen Verstoß gegen § 3 VerbotsG 1947 Untersagung von Versammlung geboten

#4 Völkerrechtliche Bezüge II 9 #4 Völkerrechtliche Bezüge II Österreich kann im Hinblick auf Vertreter ausländischer Staaten Internationalen Organisationen Anderen Völkerrechtssubjekten eine besondere Schutzpflicht treffen Veranstalter einer Versammlung haben seit der VersammlungsG-Novelle 2017, die beabsichtigte Teilnahme einer dieser Personen der Versammlungsbehörde gesondert anzuzeigen

#5 Europarechtliche Bezüge 10 #5 Europarechtliche Bezüge Versammlungsfreiheit als Grundrecht im Rahmen des Unionsrechts Grundrechte als allgemeine Grundsätze Art 6 (3) EUV : Grundrechte aus EMRK, sowie Grundrechte, die sich aus gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben → als „allgemeine Grundsätze“ Teil des Unionsrechts Auch die Grundrechte der EU gewährleisten die Versammlungsfreiheit

#5 Europarechtliche Bezüge II 11 #5 Europarechtliche Bezüge II In der Praxis Spannungsverhältnis Versammlungsfreiheit – Grundfreiheit des Warenverkehrs zB Demonstration auf Hauptverkehrsstraßen mit Blockadecharakter („Brenner-Blockade“) eventuell unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten gegen Versammlungen einzuschreiten aber: Schranken der Grundfreiheiten in Grundrechten – gegen einander abwägen!

#6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung 12 #6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung keine Legaldefinition in VersG, aber Definition durch VfGH „Zusammenkunft mehrerer Menschen [...], wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Eine Versammlung ist – maW ausgedrückt – das Zusammenkommen von Menschen (auch auf Straßen) zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere; keine Versammlung ist das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen“ (zB VfSlg 11.866) → verfassungsrechtliche Versammlungsbegriff aus Rsp zu Art 12 StGG (auch für VersG relevant)

#6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung II 13 #6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung II Versammlungsbegriff: Beurteilung nach Zweck und Elemente der äußeren Erscheinungsform (Modalitäten, Dauer, Anzahl der Teilnehmer etc) relevant ist erkennbares geplantes Geschehen (nicht: ob als „Versammlung“ von Veranstaltern angezeigt) = enger restriktiver Versammlungsbegriff Kasuistische Rsp des VfGH: zB muss organisierte Zusammenkunft sein, aber auch „Spontanversammlungen“ können erfasst sein

#6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung III 14 #6 Versammlungsgesetz: Begriff der Versammlung III Versammlungsbegriff der EMRK in Art 11 „jede organisierte einmalige Vereinigung mehrerer Menschen zu einem gemeinsamen Ziel an einem bestimmten Ort“ = weiter Versammlungsbegriff zB auch öffentlicher Festakt als Versammlung iSd Art 11 EMRK, nicht aber als Versammlung iSd Art 12 StGG (VfSlg 12.501)

#6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen 15 #6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen „Absolut“ freie Versammlungen aus Anwendungsbereich des VersG ausgenommen Nicht anzeigepflichtige („freie“) Versammlungen müssen nicht angezeigt werden, andere Vorschriften des VersG aber anwendbar Anzeigepflichtige Versammlungen voll von VersG erfasst

#6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen II 16 #6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen II „Absolut“ freie Versammlungen → aus Anwendungsbereich des VersG ausgenommen Wahlversammlungen bestimmter Art (§ 4 VersG): Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten, wenn zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksgebräuchliche Feste, Leichenbegräbnisse, Prozessionen, etc (§ 5 VersG, keine taxative Aufzählung)

#6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen III 17 #6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen III Nicht anzeigepflichtige („freie“) Versammlungen → müssen nicht angezeigt werden, andere Vorschriften des VersG aber anwendbar Versammlungen, die nicht allgemein zugänglich und auf geladene Gäste beschränkt sind Mitgliederversammlungen von Vereinen (§ 10 VerG) „Geschlossene Gesellschaft“: auf geladene Gäste beschränkt – Teilnehmer müssen persönlich und individuell vom Veranstalter geladen werden, Zutritt nicht allgemein möglich (zB Kontrolle durch TeilnehmerInnenliste)

#6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen IV 18 #6 Versammlungsgesetz: Einteilung der Versammlungen IV Anzeigepflichtige öffentliche Versammlungen → spätestens 48 Stunden vor Versammlung bei Versammlungsbehörde anzuzeigen allgemein zugängliche öffentliche (Volks-)Versammlungen (§ 2 VersG) Irrelevant, ob an öffentlichem (zB Straße) oder privatem Ort (zB Wohnung, Wirtshaus), ob in Bewegung als „Aufzug“ oder „statisch“

#6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung 19 #6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung Versammlungsanzeige spätestens 48 Stunden vor beabsichtigter Abhaltung unter Angabe von Zweck, Ort und Zeit an Versammlungsbehörde durch Veranstalter schriftlich für Einhaltung der Frist ist rechtzeitiges Einlangen bei Behörde relevant auf Verlangen hat Behörde Bestätigung über Anzeige auszustellen

#6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung I Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten internationalen Organisationen anderer Völkerrechtssubjekte spätestens eine Woche vor dem Zeitpunkt der Versammlung bei der Behörde einlangen Beachte: Anzeigepflichten nach anderen Vorschriften sind zu beachten! zB § 86 StVO Umzüge: bei Benutzung der Straße für andere Zwecke als jene des Straßenverkehrs, drei Tage vorher der Straßenpolizei anzuzeigen

#6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung II 21 #6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung II Untersagung der Versammlung durch Behörde mit Bescheid, wenn deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet (§ 6 VersG). § 6 VersG ist verfassungskonform interpretieren→ Untersagung muss auch iSd Art 11 (2) EMRK notwendig sein VfGH: Untersagungsbescheid als Prognoseentscheidung aufgrund objektiv erfassbarerer Umstände, in Abwägung der Interessen des Veranstalters an Abhaltung der Versammlung und den öffentlichen Interessen aus Art 11 (2) EMRK am Unterbleiben der Versammlung

#6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung III 22 #6 Versammlungsgesetz: Anzeige und Untersagung III Die Behörde kann Versammlungen die der politischen Tätigkeit von Drittstaaten dienen + den anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen demokratischen Grundwerten außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zu wiederläuft untersagen

#6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung 23 #6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung Versammlungsleiter und Ordner müssen für Wahrung des Gesetzes, Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen müssen gesetzwidrigen Handlungen/Äußerungen sofort entgegentreten wird Anordnungen nicht Folge geleistet → Leiter muss Versammlung auflösen Verletzung der Verhaltenspflichten = Verwaltungsübertretung

#6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung II 24 #6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung II Schutzbereich = jener Bereich der für die ungestörte Abhaltung erforderlich ist Darf 150m im Umkreis um die Versammlung nicht überschreiten Wenn nichts anderes festgelegt wurde, gelten 50m im Umkreis um die Versammlung als Schutzbereich Im Schutzbereich sowie am selben Ort und zu selben Zeit ist jede andere Versammlung verboten

#6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung II 25 #6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung II Vermummungsverbot (§ 9 VersG) Personen, die ihr Gesicht verhüllen oder verbergen oder Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern dürfen an einer Versammlung nicht teilnehmen. Bewaffnungsverbot (§ 9a VersG) bewaffnet sind, oder Gegenstände mit sich führen, die geeignet sind und uU nur dazu dienen Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben, dürfen an Versammlungen nicht teilnehmen

#6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung III 26 #6 Versammlungsgesetz: Durchführung der Versammlung III Verstoß gegen Vermummungs- und Bewaffnungsverbot jeweils allein (sofern die Tat nicht gerichtlich strafbar ist) = Verwaltungsübertretung wer zugleich gegen Vermummungsverbot nach § 9 VersG und Bewaffnungsverbot nach § 9a VersG verstößt = Erfüllung eines besonderen gerichtlichen Straftatbestandes (§ 19a VersG)

#6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung 27 #6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung Auflösung einer Versammlung = behördliche Beendigung einer aktuell stattfindenden Versammlung Versammlung ist von Behörde zu untersagen und „nach Umständen“ aufzulösen, wenn sie gegen Vorschriften des VersG veranstaltet wird aufzulösen, wenn sich in einer Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen sie öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt und in allen Fällen Auflösung iSd Art 11 (2) EMRK gerechtfertigt ist

#6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung II 28 #6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung II Anordnung der Auflösung: Rechtsform von Teilen der L und der Rsp als Befehlsakt gesehen an alle VersammlungsteilnehmerInnen zu richten muss entsprechend wahrnehmbar erfolgen anderer Teil der L: mündlich verkündete Verordnung Konsequenzen für Rechtsschutz: Befehlsakt: von jedeR TeilnehmerIn mit Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht Verordnung: Individualantrag beim VfGH

#6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung III 29 #6 Versammlungsgesetz: Auflösung einer Versammlung III Aufgelöste Versammlung alle Anwesenden verpflichtet Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen wird Befehlsakt (die „Auflösung“) nicht befolgt, darf Zwang angewendet werden Nichtbefolgung des Gebots, Versammlungsort sogleich zu verlassen = Verwaltungsübertretung

#6 Versammlungsgesetz: Verwaltungsstraftatbestände 30 #6 Versammlungsgesetz: Verwaltungsstraftatbestände § 19 VersG Blankettstrafnorm („Übertretungen gegen dieses Gesetz“) Verwaltungsübertretung mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden subsidiär („sofern nicht gerichtlich strafbar“) Beispiele: Verstöße gegen Anzeigepflicht, Teilnahme an Versammlungen, die in der „Bannmeile“ stattfinden „Nichtauseinandergehen“ nach Versammlungsauflösung

Versammlungsbehörden sind die Sicherheitsbehörden 31 #6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten Versammlungsbehörden sind die Sicherheitsbehörden Die Vollziehung des Versammlungsrechts ist Teil der Sicherheitsverwaltung Zuständige Behörden Bezirksverwaltungsbehörden bzw. LPD (im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde „erster Instanz“ ist ) Nur in den Fällen des § 6 Abs 2 VersammlungsG obliegt die Untersagung der Versammlung der Bundesregierung

#6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten II 32 #6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten II Örtlich zuständig ist jene Behörde, in deren Wirkungsbereich die Versammlung Laut Anzeige veranstaltet werden soll Tatsächlich veranstaltet wird Versammlungsort im Amtssprengel mehrere Behörden so ist die Versammlung jeder Behörde anzuzeigen und die Behörden haben einvernehmlich vorzugehen

#6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten III 33 #6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten III Über Beschwerden gegen Bescheide nach dem VersammlungsG entscheiden die LVwG Berechtigt zur Einbringung der Beschwerde ist der Veranstalter Bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist auch jede andere Behörde berechtigt eine aktuell stattfindende Versammlung zu untersagen oder aufzulösen Die nach §16 VersammlungsG zuständige Behörde ist sogleich zu verständigen

#6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten IV 34 #6 Versammlungsgesetz: Behörden und Zuständigkeiten IV Verwaltungsstrafbehörden Bezirksverwaltungsbehörden Landespolizeidirektionen Beschwerde gegen Strafbescheide geht an das zuständige LVwG Gegen die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ist die Maßnahmenbeschwerde an das örtlich zuständige LVwG zulässig Zulässig ist auch eine Beschwerde an das LVwG gegen „schlicht-hoheitliches“ Handeln, weil sich § 88 Abs 2 SPG auf die Besorgung der Sicherheitsverwaltung bezieht, zu der auch das Versammlungsrecht gehört

#6 Versammlungsgesetz: Verfahren 35 #6 Versammlungsgesetz: Verfahren A.) Administrativverfahren Verfahren der Sicherheitsbehörden AVG VStG VVG Abweichend von § 13 Abs 5 AVG ist § 2 Abs 1 VersammlungsG als speziellere Norm zu beachten: Die Frist für das Einlangen der Versammlungsanzeige von wenigstens 48 Stunden ist auch gewahrt, wenn ein Telefax außerhalb der Amtsstunden tatsächlich bei der Behörde einlangt

#6 Versammlungsgesetz: Verfahren II 36 #6 Versammlungsgesetz: Verfahren II B.)Verwaltungsgerichtliches Verfahren Legitimiert zur Erhebung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht gegen einen Untersagungsbescheid nach § 6 VersammlungsG bei einer angezeigten Versammlung ist der Veranstalter (als Bescheidadressat) Die Untersagung einer bereits aktuell stattfindenden Versammlung nach § 13 Abs 1 VersammlungsG ergeht als Befehlsakt an den Leiter der Versammlung Dieser ist beschwerdelegitimiert für die Maßnahmenbeschwerde an das LVwG Und dann für die Revision an den VwGH Oder Erkenntnisbeschwerde an den VfGH

#6 Versammlungsgesetz: Verfahren III 37 #6 Versammlungsgesetz: Verfahren III Auflösung einer aktuell stattfindenden Versammlung nach § 13 VersammlungsG ergeht hingegen als Befehlsakt an alle Teilnehmer der Versammlung, sodass diese beim LVwG beschwerdelegitimiert sind Alles Teilnehmer können dann in weiterer Folge auch die Revision oder die Erkenntnisbeschwerde erheben

#6 Versammlungsgesetz: Verfahren IV 38 #6 Versammlungsgesetz: Verfahren IV C.) Verfahren vor dem VfGH und VwGH Revision - VwGH Erkenntnisbeschwerde – VfGH Bisherige Rsp des VfGH bildet die Versammlungsfreiheit gem Art 12 StGG aufgrund des Ausgestaltungsvorbehalt ein Feinprüfungsgrundrecht: Jede Verletzung des VersammlungsG einen Eingriff in das Grundrecht dar und fällt in die Zuständigkeit des VfGH Judikaturwandel: VfGH als Prüfungsmaßstab für eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aufgrund des Günstigkeitsprinzips nur mehr Art 11 EMRK heranzieht

#6 Versammlungsgesetz: Verfahren V 39 #6 Versammlungsgesetz: Verfahren V Ein Eingriff ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist auf einer dem Art 11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde

#7 Versammlungsgesetz: Verfahren VI 40 #7 Versammlungsgesetz: Verfahren VI Zuständigkeit des VfGH ist nach neuerer Judikatur nur dann gegeben wenn der Beschwerdeführer behauptet, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden zu sein VfGH – Grobprüfung VwGH - Feinprüfung

#7 Fallbeispiel Versammlung vor Bekleidungsunternehmen: 41 #7 Fallbeispiel Versammlung vor Bekleidungsunternehmen: Sachverhalt: Kundgebung gegen Pelzhandel vor Bekleidungsunternehmen, ca. 10 Personen mit Tisch, Infomaterial, Beamer, Leinwand. Der Tisch wird 5 Meter von Auslage entfernt aufgestellt. Die Behörde untersagt die Versammlung und gibt Schutz des Geschäfts Vorrang. Welche Argumente sprechen für, welche gegen die Untersagung?

42 #7 Fallbeispiel Auszug aus dem Standard (17.10.2014)

Versammlungsrecht trotz Bademantels 43 Versammlungsrecht trotz Bademantels Spaßdemos verbieten? Das geht nicht, sagen die Grünen. Sie fordern eine Stärkung des Demonstrationsrechts. Die Untersagung von Versammlungen soll zeitgerecht angefochten werden können. Rosa Winkler-Hermaden Wien - Der 80. Geburtstag von Udo Jürgens brachte nicht zur zahlreiche Porträts über die Schlagerlegende mit sich, sondern auch eine Debatte um das Demonstrationsrecht. Madame Tussauds Wien hatte zur Bademantel-Demo aufgerufen. Nicht ganz selbstlos, schließlich galt es auch, die Udo-Jürgens-Wachspuppe zu bewerben. Die Kritik war laut. Den Ring sperren für eine Werbeveranstaltung? Sogar Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schaltete sich letztlich ein und kündigte an, rechtlich prüfen zu lassen, ob man sogenannte Spaßdemos örtlich verlegen kann. Die Grünen nehmen die Debatte nun zum Anlass, um eine Stärkung des Demonstrationsrechts zu fordern. Mit Spaßdemos auch auf der Ringstraße müsse man leben, sagt Verfassungssprecherin Daniela Musiol zum STANDARD. Denn es bestehe das Recht auf Versammlungsfreiheit, und daran sei nicht zu rütteln. Es dürfe erst gar nicht damit begonnen werden, hier zwischen Versammlungen aus kommerziellen oder nichtkommerziellen Gründen zu unterscheiden. Denn das führe zu einer Aufweichung. Den Grünen geht es in erster Linie darum, dass bei Demos, die untersagt werden, für die Anfechtung dieser Entscheidung genügend Zeit bleibt. Im Moment ist es so, dass man eine Versammlung mindestens 48 Stunden vor Beginn anmelden muss. Wenn die Polizei diese nicht untersagt, dann kann sie stattfinden. Aber die Polizei kann die Versammlung auch spätestens 24 Stunden vor Beginn untersagen, etwa wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet wird. Man kann dann zwar Einspruch erheben, aber der Beschluss der Landesverwaltungsgerichte kommt in der Regel erst nach dem Zeitpunkt, an dem die Versammlung eigentlich hätte stattfinden sollen. Musiol plädiert nun dafür, das Gesetz nachzuschärfen. Seit die Landesverwaltungsgerichte für die Einsprüche zuständig sind und nicht mehr die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS), sei zwar im Gesetz festgeschrieben, dass "unverzüglich" zu entscheiden sei. De facto fallen die Entscheidungen aber zu spät, nämlich nach dem ursprünglich anvisierten Datum. Und man weiß auch erst im Nachhinein: Hat die Polizei zu Recht oder zu Unrecht gehandelt? Denkbar sind für die Grünen zwei Varianten: Die Anmeldefrist einer Versammlung vorzuverlegen ("Viel früher aber nicht."). Oder die Gerichte zu verpflichten, schneller zu entscheiden. "Gerichte müssen ja auch bei Gewaltdelikten sehr schnell urteilen: Passieren Wegweisungen zu Recht? Das sollte auch beim Verwaltungsgericht möglich sein."

Danke für Ihre Aufmerksamkeit 44 Danke für Ihre Aufmerksamkeit ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian M. PISKA