Gesellschaftliche Bedingungen des Aufwachsens Vorlesung Montag, 17

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Begründer Begriffsklärung Zentrale Untersuchungsgegenstände
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 Präsentation transkript:

Gesellschaftliche Bedingungen des Aufwachsens Vorlesung Montag, 17 Gesellschaftliche Bedingungen des Aufwachsens Vorlesung Montag, 17.15-19.00 Uhr MIS 10 1.16 L061.0292 Prof. Dr. Sascha Neumann Assoziierte Professur für Bildungsforschung Departement Erziehungswissenschaften

Vorstellung meiner Person Hinweise zur Organisation Code of Conduct I. Einführung (30.09.2013) Vorstellung meiner Person Hinweise zur Organisation Code of Conduct Modalitäten Evaluationsverfahren Inhaltliches Programm Offene Fragen

Forschungsinteressen und Arbeitsgebiete II. Zur Person Biographisches Forschungsinteressen und Arbeitsgebiete Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte an der UNIFR

III. Hinweise zur Organisation Format der Vorlesung Lernziele und Thematik Verwaltung über Gestens Sprechstunde: Montags, 15-16 Uhr, Büro Regina Mundi 1.108b

Vorbereitung der Seminarsitzungen IV. Code of Conduct Anwesenheit Vorbereitung der Seminarsitzungen Aktive Mitgestaltung durch Diskussionsbeiträge/Rückfragebn «Veranstaltungsdisziplin» Führen des Lerntagebuchs

IV. Modalitäten des Evaluationsverfahrens Lerntagebuch: Anleitung unter Gestens Ein Tagebucheintrag pro Sitzung; 1-1.5 Seiten (ausgenommen: Einführung) Abschlussreflexion der Veranstaltung am Ende Abgabe des Lerntagebuchs: 13.01.2014

IV. Inhaltliches Programm 30.09. Einführung 07.10. Gesellschaft und Gesellschaftlichkeit 14.10. Theorien I: Sozialisation 21.10. Fällt aus 28.10. Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung 04.11. Allerheiligen 11.11. Theorien III: Differentielle Zeitgenossenschaft 18.11. Forschung I: Sozialberichterstattung über Kindheit und Jugend (Schweiz) 25.11. Forschung I: Sozialberichterstattung über Kindheit und Jugend (Deutschland) 02.12. Forschung II: Kindheitsforschung 09.12. Forschung II: Jugendforschung 16.12. Kindheit und Jugend in der Pädagogik

Vorbereitende Lektüre 07.10. Nassehi, A. (2008), Sechste Vorlesung: Gesellschaft In ders.: Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen. Wiesbaden: VS, S. 99-121.

Gesellschaft und Gesellschaftlichkeit «Gesellschaft…ein unergründlicher Grundbegriff der Soziologie» (Jürgen Ritsert, 2000)

Einheit und Differenzierung Polykontexturalität Ordnung Einheit und Differenzierung Individuum unsichtbar Praxis Gesellschaft Ganzheit Das Soziale Zusammenhang, Totalität Wirtschaft, Politik, Staat Geschichte: Wandel; Zeitdiagnose

Vorbereitende Lektüre 14.10. und 28.10. Honig, M.-S. (2009): Sozialisation. In: S. Andresen et al. (Hrsg.): Handwörterbuch Erziehungswissenschaft. Basel: Beltz, S. 788-802. Kelle, H. (2005): Kinder und Erwachsene. Die Differenzierung von Generationen als kulturelle Praxis. In: H. Hengst & H. Zeiher, H. (Hrsg.): Kindheit soziologisch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 83-108).

Theorien I: Sozialisation Struktur: Problemstellungen und Prämissen der Sozialisationstheorie Sozialisationstheoretische Ansätze und ihre Genealogie Sozialisationstheorie und Erziehungswissenschaft Zum Weiterlesen: Literaturhinweis

Theorien I: Sozialisation Problemstellung der Sozialisationstheorie: Sozialisationstheorie als spezifische Form der Thematisierung von gesellschaftlichen Bedingungen des Aufwachsens Frage: Für welche Probleme ist Sozialisation die «Lösung»? Prämissen der Sozialisationstheorie: - Unterscheidung von Individuum und Gesellschaft bzw. Person und Umwelt - Unterscheidung von Natur und Kultur - Unterscheidung von Sein und Werden - Unterscheidung von Handeln und Struktur

Theorien I: Sozialisation Problemstellung der Sozialisationstheorie: Wie sind kollektive Bindungen trotz individueller Interessen möglich? Es geht um das Problem «sozialer Ordnung» unter dem Gesichtspunkt einer Gesellschaft, die aus Einzelnen bzw. einzelnen Teilen besteht und von diesen (mit-)gestaltet und verändert wird Abgrenzungen gegenüber: biologistischen Reifungskonzepten, intentionalistischen Konzepten von Erziehung, idealistischen Persönlichkeitstheorien Sozialisationstheorie betont das Zugleich von Individuierung und Vergesellschaftung Gesellschaftlichkeit des Aufwachsens wird als Anforderung an die individuelle Entwicklung wie auch als deren Ermöglichungsbedingung begriffen

Theorien I: Sozialisation Sozialisationstheoretische Ansätze und ihre Genealogie Emile Durkheim (1902/03): Erziehung, Moral und Gesellschaft Wie ist soziale Ordnung unter den Bedingungen einer arbeitsteilig organisierten und sich wandelnden Gesellschaft möglich? Schlüsselfunktion des Erziehungssystems bei der moralischen «Sozialmachung» des Menschen

Theorien I: Sozialisation Sozialisationstheoretische Ansätze und ihre Genealogie Talcott Parsons (1964): Sozialstruktur und Persönlichkeit Strukturfunktionalistische Rezeption von Durkheims Problemstellung: Gesellschaften als komplexe Systeme, die Strukturen ausbilden, in denen bestimmte Funktionen für das Gesamtsystem erfüllen Das Sozialisationsproblem ist das Problem des Erhaltens dieser Ordnung und nicht ihre Veränderung Sozialisation ist die Verinnerlichung der Werte und Normen, die den Fortbestand der Ordnung sichern

Theorien I: Sozialisation Sozialisationstheoretische Ansätze und ihre Genealogie Ab 1960er/70er Jahre: Kritik am klassischen auf Vergesellschaftung eingestellten Sozialisationskonzept Aufhebung der Dichotomie von Individuierung und Vergesellschaftung Kann der Mensch überhaupt als ein nicht-soziales Wesen vorgestellt werden? Selbstorganisation: Hurrelmann (1983) betont die Rolle des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts Selbstsozialisation (Zinnecker 2000) Bourdieu (1997): «Habitus» als vermittelndes Organ zwischen Struktur und Praxis Persönlichkeit bildet sich nicht gegen gesellschaftliche Einflüsse, sondern in Sozialisationsprozessen Theorie der Sozialisation muss zugleich eine Theorie Gesellschaft und der Individualentwicklung sein (Geulen 2004)

Theorien I: Sozialisation Sozialisationstheorie und Erziehungswissenschaft Abgrenzungsprobleme zwischen «Erziehung» und «Sozialisation»: Ist Erziehung ein sozialisatorischer Vorgang oder Sozialisation ein Sonderfall von Erziehung? Funktionalistische vs. intentionalistische Perspektive Sozialisationskonzept ermöglichte der Erziehungswissenschaft ab den späten 1960er Jahren die Erziehungswirklichkeit in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit zu reflektieren (Mollenhauer 1972) Sozialisationskonzept kann die Ungewissheit von Erziehung und ihrer Wirkungen thematisieren

Theorien I: Sozialisation Zum Weiterlesen: Baumgart, Franzjörg (Hrsg.): Theorien der Sozialisation. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1997

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung «Alter und Geschlecht haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden dem Körper zugeschrieben, den man immer und überall dabei hat. Beide Kategorien stehen damit immer und überall als Ressourcen zur Verfügung, um soziale Situationen zu strukturieren und soziale Ordnung hervorzubringen – entsprechend häufig und vielfältig kommen sie zum Einsatz» Kelle (2005)

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Die generationale Perspektive beschreibt die Bedingungen des Aufwachsens unter dem Gesichtspunkt der sozialen Organisation des Verhältnisses zwischen «älteren» und «jüngeren» Mitgliedern einer Gesellschaft. «Älter» oder «jünger» zu sein, ist jedoch keine Frage des biologischen Alters von Personen, sondern eine Kategorie der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, die mit Bezug auf das Lebensalter legitimiert wird.

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Zwei Dimensionen von Generationalität: - intragenerationales Verhältnis (synchrone Perspektive) - intergenerationales Verhältnis (diachrone Perspektive) Zwei Forschungsrichtungen: - pädagogisch-anthropologische Generationenforschung - Wissenssoziologische Generationenforschung

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Grundlegendes zum Generationenbegriff: - Bezeichnet die (relative) Gleichheit der Gleichaltrigen: - Thematisiert die «Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen» (Mannheim): Personen, die gleichzeitig Leben, aber nicht gleichaltrig sind - Klassische biologische Wirkungsdauer einer Generation beträgt ca. 30 Jahre - Diverse Komposita: Generationenverhältnis (Makroperspektive), Generationenbeziehungen (Mikroperspektive), Generationenkonflikt, Generationenvertrag etc.

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Grundlegendes zum Generationenbegriff: - Generationen vs. Kohorten - Generationenbegriff schliesst eine gemeinsame Bewusst- seinslage ein (Mannheim) - Generationslagerung: geteilte Erfahrungshintergründe historisch-politischer Generationen - Generationszusammenhang: ähnliche kulturelle Stile und habituelle Orientierungen Generationsgestalten (Fend) - Generationseinheit: Wir-Gefühl der Mitglieder bestimmter, beieinander liegender Alterskohorten

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Der Generationenbegriff in der Erziehungswissenschaft: - Grundkategorie pädagogischen Denkens und Handelns - F.D.E. Schleiermacher : «Was will die ältere Generation mit der Jüngeren» - Bestimmung der Aufgabe von Erziehung als Kulturvermittlung durch die «ältere» Generation - Sicherung kultureller Kontinuität durch transgenetische Vermittlungsprozesse - Binäre Codierung des erziehungswissenschaftlichen Generationenbegriffs: Anthropologisch und universell begründete Ordnung von «Älteren» und «Jüngeren» - Behandelt alle Generationenverhältnisse als pädagogische Verhältnisse

Theorien II: Generationalität und generationale Ordnung Kritik: - Empirische Beobachtbarkeit von Generationalität - Mangelnde Prognosefähigkeit der Forschung - Gefahr der Naturalisierung und Ontologisierung von Altersdifferenzen bei der Erklärung von Einstellungsmustern und sozialem Handeln

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!