Neue Erkenntnisse zur Pharmakotherapie –

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Neue Erkenntnisse zur Pharmakotherapie – 4. INFORMATIONSBÖRSE SCHIZOPHRENIE Neue Erkenntnisse zur Pharmakotherapie – typische vs. atypische Antipsychotika Prof. Dr. J.H. Demling Zusammenfassung Die Neuroleptika wurden um 1950 in Frankreich aus trizyklischen Antihistaminika (Mittel gegen Allergien) entwickelt. Bei der Erprobung der sedierenden Effekte bei schizophrenen Patienten beobachtete man die Wirksamkeit gegen schizophrene Zielsymptome (z.B. Wahn, Halluzinationen, Ichstörungen). Pharmakologisch ist allen Substanzen die blockierende Wirkung auf Dopamin-D2-Rezeptoren in bestimmten Hirnarealen gemeinsam, was die Grundlage für die „Dopaminhypothese der Schizophrenie“ bildete. Insbesondere die hochpotenten Substanzen zeigten allerdings starke Nebenwirkungen. Eine Weiterentwicklung waren die „atypischen Neuroleptika“ („Atypika“), die sich v.a. durch das Fehlen extrapyramidalmotorischer Nebeneffekte auszeichnen. Auch Denkvorgänge und Stimmungslage werden von den Atypika weniger beeinträchtigt als durch Neuroleptika der ersten Generation. Als Ursachen der „atypischen“ Eigenschaften“ werden v.a. kombinierte Beeinflussungen von Rezeptoren, z.B. auch Serotoninrezeptoren („SDAs“) in bestimmten Hirnarealen („D2-Plus“), eine besonders kurze Blockade von Dopaminrezeptoren („fast-off-Kinetik“), bevorzugte Wirkung in bestimmten „Zielarealen“ des Gehirns und sog. partial-agonistische Eigenschaften diskutiert. Im therapeutischen Einsatz haben die Atypika oder „Antipsychotika der 2. Generation“ die hochpotenten konventionellen Präparate auch in Deutschland in den Jahren 2004/5 zahlenmäßig überholt. Allerdings haben auch die Atypika je nach Substanz unterschiedliche Nebenwirkungen, z.B. Müdigkeit, metabolisches Syndrom (Gewichtszunahme, Diabetes) und/oder erhöhte Ausschüttung des Hormons Prolaktin. In hohen Dosen sind auch diskrete extrapyramidalmotorische Erscheinungen zu beobachten. Die Therapie mit Antipsychotika erfordert also weiterhin ein differenziertes Vorgehen und setzt therapeutische Erfahrung voraus. Aktuelle Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Antipsychotika zielen u.a. auf die Beeinflussung weiterer Serotoninrezeptoren oder des Glutaminsäure-Rezeptorkomplexes. Letztere Substanzen sind allerdings von einer Marktzulassung noch weit entfernt. „Klassiker“ der Antipsychotika, die Atypika und die Jahre ihrer Markteinführung in der BRD* Chlorpromazin (Megaphen, Largactil): 1952 Haloperidol (Haldol): 1960 Clozapin (Leponex): 1974 Nipolept (Zotepin): 1990 Risperidon (Risperdal): 1994 Olanzapin (Zyprexa): 1996 Serdolect (Sertindol): 1996 (2006) Amisulprid (Solian): 1998 Quetiapin (Seroquel): 2000 Ziprasidon (Zeldox): 2002 Aripiprazol (Abilify): 2004 Paul Ardiaan Jan Janssen (Beerse/Belgien; 1926-2003) Jean Delay (Paris; 1907-1987) Pierre Deniker (Paris; *1917) Fritz Flügel (Erlangen; 1897-1973) Philip Seeman (Toronto; *1934) * Markennamen z.T. Beispiele Unterteilungskriterien der Antipsychotika Nach der chemischen Struktur Nach der antipsychotischen Wirksamkeit („neuroleptische Potenz“) Nach „atypischen“ Eigenschaften Beispiele „klassischer“ konventioneller Antipsychotika (Neuroleptika) Dopaminerge Neuronensysteme Alle Antipsychotika wirken als Dopamin-D2- Rezeptorblocker! Wirkweise „typischer“ Antipsychotika Im mesolimbischen System: Besserung der Positivsymptomatik Im mesokortikalen System: Induktion oder Verstärkung einer Negativsymptomatik („sekundäre Negativsymptomatik“) Im nigro-striatären System: Auslösung von Parkinson-ähnlichen Symptomen u.a. extrapyramidal-motorischen Symptomen (EPMS); tardive Dyskinesien (TD) bei chronischer Blockade der Rezeptoren Im tubero-infundibulären System: verstärkte Ausschüttung von Prolaktin nigro-striatales System 2 mesolimbisches System 3 mesocorticales System 4 tubero-infundibuläres System Nebenwirkungen von (konventionellen) Antipsychotika (Neuroleptika) Extrapyramidalmotorische Syndrome (EPMS, EPS) Frühdyskinesien (z.B. Opisthotonus, okulogyre Krisen) Parkinson-Syndrom (medikamentöses Parkinsonoid) Akathisie, Astasie, Rabbit-Syndrom Spätdyskinesien (choreatiform) Endokrine Begleitwirkungen (Prolaktinerhöhung) Vegetative Symptome (anticholinerg, Gewichtszunahme) Cholestase (Gallestau; evtl. Ikterus) Vigilanzminderung Delirante Syndrome (zentrale anticholinerge Effekte) Pharmakogene Depression Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS) Was sind „atypische“ Eigenschaften eines Antipsychotikums? Bezüglich unerwünschter Wirkungen (UAW): Weniger (im Idealfall keine) EPMS Weniger bis kein Anstieg von Prolaktin Weniger andere UAW, z.B. Konzentrationsstörungen, Sedierung, Gewichtszunahme, sexuelle Funktionsstörungen Bezüglich des pharmakologischen Wirkspektrums: Besserer Einfluss auf „Negativsymptome“ Evtl. antidepressive Wirkkomponente Evtl. bessere Wirksamkeit bei therapieresistenter Schizophrenie Die „atypischen“ Antipsychotika Atypische Antipsychotika: „hot topics“ Atypika: viel Lärm um nichts? Die CATIE-Studie Atypika: Cave bei alten Menschen!? Atypika: Depot oder nicht Depot? Atypika: gegen Schizophrenie und mehr ... Anmerkungen zur Atypizität der Atypika (und Typika) Die atypischen Eigenschaften sind unter den Atypika ungleich verteilt. Je geringer die Dosis, umso „atypischer“, je höher die Dosis (bes. oberhalb „off-label“), desto „typischer“ die Eigenschaften. Auch einige „typische“ (konventionelle) Antipsychotika haben atypische Eigenschaften (Perazin, Flupentixol).